Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Verlängerung einer Privatpiloten-Lizenz als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
Ist die Aufrechterhaltung einer Privatpiloten-Lizenz aus beruflichen Gründen erforderlich, so steht der Berücksichtigung der Aufwendungen für die Mindestflugstunden, die zur Verlängerung der Lizenz nachzuweisen sind, als Werbungskosten das Aufteilungsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG entgegen, wenn auch ein erhebliches privates Interesse an der Verlängerung der Lizenz besteht.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb während seiner Ausbildung zum Diplom-Ingenieur der Studienrichtung ,,Flugführung und Luftverkehr" die Privatpiloten-Lizenz (PPL). Im Streitjahr 1984 war er bei einer Fluggesellschaft im Bereich des Bodenpersonals als sog. Performance-Ingenieur beschäftigt. Er absolvierte mehrere Flugstunden auf gecharterten Kleinflugzeugen. Von den Kosten hierfür machte er . . . DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das zuständige Finanzamt (FA) lehnte die Anerkennung mit der Begründung ab, die Aufwendungen seien nicht nur beruflich veranlaßt.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere nach der ausführlichen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, stehe zur Überzeugung des Senats fest, daß die PPL für die Berufsausübung des Klägers nicht nur nützlich und förderlich gewesen sei, sondern daß der Kläger die PPL benötigt habe, um die besonderen Anforderungen seines Dienstverhältnisses erfüllen zu können. Der Kläger betreibe das Fliegen mit einmotorigen Flugzeugen zwar nicht ausschließlich aus beruflichen Gründen, sondern offenbar auch aus persönlicher Neigung zum Flugsport. Das ergebe sich bereits daraus, daß er nach eigenen Angaben deutlich mehr Flugstunden absolviere, als zur Verlängerung der PPL erforderlich sei, ohne daß für die zusätzlichen Flüge jeweils eine dienstliche Veranlassung nachgewiesen sei. Obwohl die Flugkosten in ihrer Gesamtheit gemischte Aufwendungen darstellten, greife das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ein. Die Kosten seien jedenfalls insoweit als Werbungskosten zu berücksichtigen, als sie die nach der Verordnung über Luftfahrtpersonal - LuftPersV - (BGBl I 1984, 266) für die Erhaltung der PPL erforderlichen Flugstunden beträfen. Die Mindestflugzeit stelle ein objektives Merkmal dar, das eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung zwischen beruflich und privat veranlaßten Aufwendungen ermögliche.
Die Revision des FA gegen das am 27. des Vormonats zugestellte Urteil ging am 30.. . . beim FG ein. Nach einem Hinweis auf den verspäteten Eingang beantragte das FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trug zur Begründung vor: Der Schriftsatz sei am 25.. . . durch einfachen Brief zur Post gegeben worden. Dies ergebe sich aus der durch die beigefügte Fotokopie belegten Eintragung in den Akten. Der Schriftsatz, mit dem eine Kopie der Revision an die Oberfinanzdirektion (OFD) übersandt worden sei, sei dort ausweislich der beigefügten Fotokopie am 26.. . . eingegangen. Der verspätete Eingang am 30.. . . beim FG in X sei daher auf eine von ihm, dem FA, nicht zu vertretende postalische Verzögerung zurückzuführen.
In der Sache macht das FA eine Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Nr.1 Satz 2 EStG geltend und führt aus: Die Frage, ob und ggf. inwieweit das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG eingreife und inwieweit die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BSTBl II 1971, 17) anzuwenden seien, sei vom FG nicht zutreffend gewürdigt worden. Unstreitig sei, daß sich der Kläger in seiner Freizeit als Hobbyflieger betätige. Auch für die dem privaten Lebensbereich zuzurechnenden Flüge sei das Vorliegen einer gültigen PPL erforderlich. Um festzustellen, ob der private Anteil geringfügig und unbedeutend sei, hätte die gesamte eigenverantwortliche Flugleistung des Klägers ermittelt werden müssen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig.
Die Revision ist zwar nicht innerhalb eines Monats (§ 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 54 FGO, § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) beim FG eingegangen. Dem FA ist aber wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil es an der Einhaltung der Frist ohne Verschulden gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Das FA hat durch Vorlage des Vermerks über die Aufgabe des Briefes zur Post glaubhaft gemacht (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO), daß der verspätete Eingang der Revisionsschrift auf eine von ihm nicht zu vertretende außergewöhnliche Postlaufzeit zurückzuführen ist.
II. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 FGO). Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht seine Entscheidung, die dem Kläger insgesamt entstandenen Flugkosten seien in der beantragten und im Vergleich zu den Gesamtaufwendungen geringeren Höhe nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG).
1. Das FG hat auf revisionsrechtlich nicht zu beanstandene Weise festgestellt, die Aufrechterhaltung der PPL sei für die berufliche Tätigkeit des Klägers notwendig gewesen. Diese tatrichterliche Würdigung ist möglich und widerspricht keinen Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen, so daß der Senat an sie gebunden ist.
Das FG hat aus seiner Feststellung, der Kläger habe nach eigenen Angaben deutlich mehr Flugstunden absolviert, als zur Verlängerung der PPL erforderlich sei, den Schluß gezogen, der Kläger habe das Fliegen nicht ausschließlich aus beruflichen Gründen, sondern auch aus persönlicher Neigung zum Flugsport betrieben. Diese Schlußfolgerung ist frei von Rechtsfehlern. Der Kläger hat insoweit auch keine zulässigen und begründeten Gegenrügen erhoben.
Jedoch kann der Rechtsansicht des FG, das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG greife für die insgesamt vom Kläger getätigten Aufwendungen für das Fliegen nicht ein, weil die für die Verlängerung der PPL erforderliche Mindestflugleistung ein objektives Merkmal darstelle, das eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung zwischen beruflich und privat veranlaßten Aufwendungen ermögliche, auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht gefolgt werden. Richtig ist an dieser Ansicht, daß eine berufliche Veranlassung der Flugkosten des Streitjahres - jedenfalls soweit eine Zuordnung zu einer konkreten beruflichen Aufgabe nicht möglich ist - ab dem Zeitpunkt des Streitjahres ausgeschlossen werden kann, in dem der Kläger die für die Verlängerung der PPL erforderliche Mindestflugzeit erreicht hatte. Denn das FG hat in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt, für die berufliche Tätigkeit des Klägers sei eine umfangreiche und über die für die Verlängerung der PPL erforderliche Mindestflugzeit hinausgehende Flugpraxis notwendig gewesen. Es hat vielmehr umgekehrt die über die Mindestflugzeit hinausgehende Stundenzahl als Indiz für eine private Neigung zum Flugsport gewertet. Das bedeutet, daß jedenfalls ab Erreichen der Mindestflugzeit eine private Veranlassung der jeweils entstandenen Flugkosten anzunehmen ist.
Der Umstand, daß nach Erreichen der Mindestflugzeit entstandene Flugkosten nicht mehr als beruflich veranlaßt gewertet werden können, bedeutet indessen nicht umgekehrt, daß alle bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Aufwendungen ohne weiteres der beruflichen Sphäre zuzuordnen sind. Denn das Interesse des Klägers an der Verlängerung der PPL wäre nur dann nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt, wenn der Anteil derjenigen Flugstunden, die in den Zeitraum nach Erreichen der Mindestflugzeit fallen und deshalb auf jeden Fall privat veranlaßt sind, im Verhältnis zu der Mindestflugzeit so gering ist, daß er vernachlässigt werden kann. Demgegenüber wäre bei einer auf jeden Fall privat veranlaßten Flugstundenzahl von erheblichem Gewicht auch ein erhebliches privates Interesse des Klägers an der Verlängerung der PPL festzustellen, da er ohne die Verlängerung der PPL auch nicht mehr aus privaten Gründen fliegen dürfte. In einem solchen Fall wären entgegen der Auffassung des FG auch die Aufwendungen für die Mindestflugzeit sog. gemischte Aufwendungen.
Im Falle eines erheblichen privaten Interesses an der Verlängerung der PPL stünde § 12 Nr.1 Satz 2 EStG der Zuordnung der Stunden, die ausschließlich wegen der Verlängerung der PPL geflogen worden sind, zur Berufssphäre entgegen. Insoweit wäre auch keine Aufteilung der Kosten für die Mindestflugzeit möglich, weil kein geeigneter Aufteilungsmaßstab zu ermitteln ist. Denn da der berufliche Zweck der Mindestflugstunden gerade in der Verlängerung der PPL läge und mit dem Flugzeug nicht - dem Einsatz eines PKW für Dienstreisen vergleichbar - unmittelbar berufliche Aufgaben durchgeführt werden, wäre keine Aufteilung der Kosten für die Mindestflugzeit entsprechend dem Nutzungsanteil für private und berufliche Zwecke möglich.
2. Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellung des FG, der Kläger absolviere nach eigenen Angaben deutlich mehr Flugstunden, als zur Verlängerung der PPL erforderlich seien, hat dem Senat ohne nähere Konkretisierung der jeweiligen Stundenzahl nicht für die Annahme ausgereicht, an der Verlängerung der PPL habe auch ein erhebliches privates Interesse bestanden. Nur in diesem Fall wäre insoweit eine Entscheidungsreife gegeben. Außerdem hat das FG keine tatsächlichen Feststellungen über die Höhe der Aufwendungen getroffen,die sich auf das Flugtraining und die Lizenzgebühren in der Schweiz wegen der Überprüfung der Anfliegbarkeit des Flughafens . . . beziehen. Da insoweit möglicherweise ein unmittelbar beruflicher Einsatz erfolgt ist, könnten diese Aufwendungen anders zu beurteilen sein als die Aufwendungen für die Mindestflugzeit. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG geben indessen keinen Aufschluß darüber, wie sich diese Aufwendungen zu dem geltend gemachten und vom FG anerkannten Betrag verhalten, der sich nach Darstellung des Klägers auf die Mindestflugzeit bezieht.
Das FG wird tatsächliche Feststellungen über Anzahl, Zeitpunkt, Dauer und Zielort der einzelnen im Streitjahr vom Kläger durchgeführten Flüge im zweiten Rechtsgang nachzuholen und nach den oben dargestellten Grundsätzen zu würdigen haben. Sollten die weiteren Feststellungen des FG ergeben, daß die nach Erreichen der Mindestflugzeit absolvierten Flugstunden im Verhältnis zur Mindesflugzeit nur einen zu vernachlässigenden Umfang haben, so wäre sodann für jeden vom Kläger bis zum Erreichen der Mindestflugzeit durchgeführten Flug unter Berücksichtigung der Darlegung und Aufzeichnungen des Klägers im einzelnen zu prüfen, ob er nahezu ausschließlich wegen der Verlängerung der PPL oder aus privaten Gründen, wie zum Beispiel zur Erreichung eines Urlaubsziels, durchgeführt worden ist. Nur im erstgenannten Falle wäre eine berufliche Veranlassung der Aufwendungen gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 64053 |
BFH/NV 1993, 292 |