Entscheidungsstichwort (Thema)
(GbR als Arbeitgeber - keine übliche Betriebsveranstaltung bei Dauer von mehr als einem Tag - nachträgliche Genehmigung der Prozeßführung im Revisionsverfahren)
Leitsatz (amtlich)
Eine GbR kann Arbeitgeber im lohnsteuerlichen Sinne sein.
Orientierungssatz
1. Daß aus zivilrechtlichen Gründen Vertragspartner der Arbeitnehmer nicht die GbR als solche sein kann, ist für die steuerrechtliche Arbeitgeberstellung nicht ausschlaggebend (vgl. Literatur).
2. Abweichung vom BFH-Urteil vom 19.1.1988 VII R 161/84.
3. Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen können im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen und deshalb keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn für die daran teilnehmenden Arbeitnehmer darstellen. Voraussetzung hierfür ist, daß die Betriebsveranstaltungen ihrer Art nach üblich sind. Dies ist u.a. nicht der Fall, wenn sie länger als einen Tag dauern (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.1992 VI R 85/90).
4. Wird für die Vorlage einer Prozeßvollmacht keine Ausschlußfrist gesetzt, kann die Prozeßführung des vollmachtlosen Vertreters bis zum Ergehen eines Prozeßurteils, und zwar auch noch im Revisionsverfahren, nachträglich genehmigt werden (vgl. Literatur).
Normenkette
BGB § 705; EStG § 40 Abs. 3 S. 1; LStDV 1984 § 1 Abs. 1-2; FGO § 62 Abs. 3; EStG § 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie veranstaltete mit ihren Angestellten in den Streitjahren jeweils zweitägige Betriebsausflüge, deren von ihr getragene Kosten sich pro Arbeitnehmer im Jahr 1986 auf 113 DM, 1987 auf 215 DM und 1988 auf 271 DM beliefen. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung wertete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) diese Aufwendungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn und forderte die darauf entfallende Lohnsteuer gemäß § 40 Abs.2 Satz 1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der Klägerin nach, nachdem diese einen entsprechenden Pauschalierungsantrag gestellt hatte. Der Pauschalierungsbescheid war an die "Anwaltssozietät X & Partner" gerichtet.
Hiergegen richtete sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Klageschrift war "namens und im Auftrag der Kläger" von einem der Gesellschafter unterzeichnet.
Das Finanzgericht (FG) sah die Klage als von den Gesellschaftern zulässig erhoben an. Es führte aus, der Nachforderungsbescheid sei zwar an die GbR gerichtet, die mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht selbst Arbeitgeberin sein könne. Arbeitgeber seien vielmehr "die Kläger" persönlich, wenn auch in ihrer Verbundenheit als Sozietät (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. März 1983 VI R 207/82, nicht veröffentlicht --NV--). Mit der Adressierung des Bescheids an die Sozietät seien die Kläger jedoch hinreichend benannt worden.
Die Klage sei teilweise begründet. Für das Streitjahr 1986 sei die Lohnsteuernachforderung zu Unrecht erfolgt. Bei den Zuwendungen handele es sich nicht um Arbeitslohn, da sie nicht unüblich seien. Auch eine zweitägige Betriebsveranstaltung könne dann noch als üblich angesehen werden, wenn die Kosten nicht höher seien als bei einem eintägigen Betriebsausflug. So liege der Fall hier. Die Aufwendungen von 112,91 DM je Arbeitnehmer wären für eine eintägige Betriebsveranstaltung noch als üblich zu bezeichnen. Die in den übrigen Streitjahren aufgewendeten Beträge seien dagegen Arbeitslohn. Die Betriebsveranstaltungen dieser Jahre seien unüblich, da zur zweitägigen Dauer noch die Höhe der Kosten hinzutrete.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es trägt vor, der Pauschalierungsbescheid sei an die GbR zu richten gewesen, da diese selbst Steuerschuldnerin sei. Daraus folge, daß nur die GbR selbst klagebefugt sei. Die von den Gesellschaftern im eigenen Namen erhobene Klage sei daher unzulässig. Die Klage sei aber auch unbegründet. Ob Zuwendungen anläßlich einer Betriebsveranstaltung Arbeitslohn darstellten, sei davon abhängig, ob es sich um herkömmliche (übliche) Veranstaltungen handele. Dies sei bei zweitägigen Ausflügen mit Übernachtung nicht der Fall. Auf die Höhe der jeweiligen Aufwendungen könne es dann nicht mehr ankommen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung betreffend das Streitjahr 1986 aufzuheben und die Klage insoweit als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Auf Anfrage des Senatsvorsitzenden haben die Gesellschafter der Sozietät bestätigt, daß der die Klage unterzeichnende Mitgesellschafter zur Klageerhebung bevollmächtigt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich des Streitjahres 1986 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die verfahrensrechtlichen Rügen des FA greifen nicht durch. Die Vorinstanz hat im Ergebnis zu Recht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Allerdings handelt es sich entgegen der Auffassung des FG um eine Klage nicht der einzelnen Gesellschafter, sondern der GbR als solcher.
a) Der angefochtene Pauschalierungsbescheid ist an die Klägerin als GbR gerichtet. Daß diese Adressierung vom FA beabsichtigt war, wird durch die Einspruchsentscheidung ebenso wie durch die Revisionsbegründung des FA bestätigt. Unter diesen Umständen ist die Adressierung nicht in dem Sinne auslegungsfähig, daß der Bescheid an die einzelnen Gesellschafter gerichtet sein sollte (vgl. BFH-Beschluß vom 29. April 1987 I B 154-155/86, BFH/NV 1987, 794).
b) Das FA hat zutreffend die GbR und nicht die Gesellschafter in Anspruch genommen. Schuldner der pauschalen Lohnsteuer --und demgemäß richtiger Adressat des Pauschalierungsbescheids-- ist gemäß § 40 Abs.3 Satz 2 EStG der Arbeitgeber. Dies aber ist --jedenfalls im steuerlichen Sinne-- vorliegend die Klägerin.
aa) Die GbR als vertraglicher Zusammenschluß von natürlichen oder juristischen Personen (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) ist zivilrechtlich keine eigene Rechtspersönlichkeit, insbesondere keine juristische Person. Ob im Falle eines Arbeitsverhältnisses, an dem auf Arbeitgeberseite eine GbR beteiligt ist, gleichwohl diese selbst als Arbeitgeber angesehen werden kann oder ob die Arbeitgeberstellung den Gesellschaftern gemeinschaftlich zukommt, ist streitig.
bb) Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sind Arbeitgeber die Gesellschafter der GbR, weil die Gesellschaft als nicht rechtsfähiges Gebilde grundsätzlich nicht Vertragspartner eines schuldrechtlichen Vertrages wie des Arbeitsvertrages gemäß §§ 611 ff. BGB sein könne (Urteile des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 16. Oktober 1974 4 AZR 29/74, Betriebs-Berater --BB-- 1975, 183, und vom 6. Juli 1989 6 AZR 771/87, Der Betrieb --DB-- 1989, 1973). Demgegenüber sieht das Bundessozialgericht (BSG) unter Hinweis auf eine im Arbeitsrecht früher herrschende Meinung die GbR als Arbeitgeberin an (Urteil vom 11. Mai 1976 7 RAr 120/74, Sozialrecht --SozR-- 4100, § 4 des Arbeitsförderungsgesetzes --AFG-- Nr.2 S.6). Der BFH ist ursprünglich ohne weitere Begründung als selbstverständlich davon ausgegangen, daß Arbeitgeber im lohnsteuerlichen Sinne auch eine GbR sein könne (Urteil vom 21. Juli 1955 IV 165/54 U, BFHE 61, 144, BStBl III 1955, 254). Später hat der VI.Senat darauf abgestellt, das wesentliche Merkmal der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bestehe darin, daß sie aus einem gegenwärtigen oder früheren Dienstverhältnis bezogen werden. Demzufolge müsse auch für die Bestimmung des gesetzlich nicht definierten Begriffs "Arbeitgeber" auf das Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbindende Dienstverhältnis zurückgegriffen werden. Ein solches könne nur zwischen einem Arbeitnehmer und den Gesellschaftern, nicht aber zwischen einem Arbeitnehmer und der GbR zustande kommen, weil eine GbR zivilrechtlich nicht Träger von Rechten und Pflichten sein könne (BFH-Urteil vom 25. März 1983 VI R 207/82, NV). Der VII.Senat hat sich dieser Entscheidung ohne weitere Begründung angeschlossen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1988 VII R 161/84, BFH/NV 1988, 615). In späteren Entscheidungen hat der VII.Senat die Frage ausdrücklich offengelassen (BFH-Urteile vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939, und vom 18. September 1990 VII R 110/89, BFH/NV 1991, 574). In der Rechtsprechung der FG wird die Arbeitgeber-Eigenschaft der GbR kontrovers behandelt (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 11. September 1990 11 K 11305/87, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1991, 279, und FG Köln, Beschluß vom 27. August 1993 10 Ko 21/93, EFG 1994, 59). Das steuerrechtliche Schrifttum geht überwiegend davon aus, daß auch eine GbR Arbeitgeber im steuerrechtlichen Sinne sein könne (vgl. Küttner/Huber, Personalbuch 1994, Arbeitgeber, Rz.18 m.w.N.).
cc) Der Senat gelangt nach erneuter Überprüfung der Rechtsfrage zu der Auffassung, daß auch eine GbR als Arbeitgeber im steuerrechtlichen Sinne angesehen werden kann.
Der Begriff des Arbeitgebers ist im Einkommensteuerrecht nicht definiert. In Umkehrung des in § 1 Abs.1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) umschriebenen Arbeitnehmerbegriffs ergibt sich aber, daß Arbeitgeber im steuerlichen Sinne derjenige ist, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisungen er zu folgen hat. Das wird zwar regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag sein (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1986 VI R 9/80, BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768 mit Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1986, 471). Zwingend ist dies jedoch nicht. So wie der steuerrechtliche Begriff des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs.2 LStDV nicht an den zivilrechtlichen Dienstvertrag, sondern an die tatsächlichen Merkmale der Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung anknüpft und sich deshalb nicht völlig mit dem in anderen Rechtsgebieten verwendeten wortgleichen Begriff deckt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303), hat auch der Arbeitgeberbegriff einen für das Steuerrecht eigenständigen Inhalt. Entscheidend ist, daß z.B. bei einer Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit wie der GbR in deren betrieblichen Organismus tatsächlich natürliche Personen als Arbeitnehmer eingegliedert sind. Diese schulden ihre Arbeitskraft der GbR und nicht den einzelnen Gesellschaftern, sie werden von der Gesellschaft und nicht von einem der Gesellschafter entlohnt (vgl. Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 19 EStG Rz.159; Selent/Endres, DB 1984, 84, 85). Daß aus zivilrechtlichen Gründen Vertragspartner der Arbeitnehmer nicht die GbR als solche sein kann, ist für die steuerrechtliche Arbeitgeberstellung nicht ausschlaggebend (vgl. Ranft/Lange, Lohnsteuer, 11.Aufl., S.257).
Diesem Ergebnis entspricht es, daß die Abgabenordnung die Steuerrechtsfähigkeit von zivilrechtlich nicht rechtsfähigen Gebilden in §§ 33, 34 und 267 ausdrücklich voraussetzt. Die GbR wird steuerrechtlich auch sonst, z.B. bei der Umsatzsteuer, Gewerbesteuer (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., § 33 AO 1977 Tz.17, 18 m.w.N.) und der Grunderwerbsteuer (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1987 II R 103/84, BFHE 149, 12, BStBl II 1987, 325) als Steuersubjekt behandelt. Die Finanzverwaltung sieht im sog. Bekanntgabeerlaß die nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen wie z.B. die GbR auch hinsichtlich der pauschalen Lohnsteuer als Steuerschuldner an (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 8. April 1991, BStBl I 1991, 398, unter 2.4.1 d).
Der VII.Senat hat auf Anfrage der Abweichung von seinem Urteil in BFH/NV 1988, 615 zugestimmt.
c) Als Steuersubjekt und Adressatin des angefochtenen Pauschalierungsbescheids ist die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig. Daß die Klage nach ihrem äußeren Bild nicht von der GbR als solcher, sondern von den Gesellschaftern, vertreten durch einen Mitgesellschafter, erhoben wurde, steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Die Gesellschafter haben ausdrücklich bestätigt, daß der die Klageschrift unterzeichnende Mitgesellschafter zur Klageerhebung für die GbR bevollmächtigt war. Dies rechtfertigt es, die Klage als solche der GbR selbst auszulegen, zumal sich aus weiteren Schriftsätzen schließen läßt, daß die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit den Steuerbescheid anfechten wollten. Unschädlich ist, daß im Klageverfahren vor dem FG der von der GbR mit der Prozeßführung beauftragte Gesellschafter keine Prozeßvollmacht vorgelegt hat. Da hierfür keine Ausschlußfrist gesetzt war, konnte die Prozeßführung des vollmachtlosen Vertreters bis zum Ergehen eines Prozeßurteils, und zwar auch noch im Revisionsverfahren, nachträglich genehmigt werden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 62 Anm.61 m.w.N.). Dies ist hier durch die Vorlage der vorbezeichneten Bestätigung der Gesellschafter geschehen.
2. In der Sache selbst hat das FG zu Unrecht die Zuwendungen der Klägerin für den Betriebsausflug im Streitjahr 1986 nicht als Arbeitslohn gewertet. In dem nach der Vorentscheidung ergangenen Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 85/90 (BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655, 657) hat der erkennende Senat unter Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, daß Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen können und deshalb keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn für die daran teilnehmenden Arbeitnehmer darstellen. Voraussetzung hierfür sei, daß die Betriebsveranstaltungen ihrer Art nach üblich, herkömmlich seien. Dies sei u.a. nicht der Fall, wenn sie länger als einen Tag dauern. An diesen Grundsätzen hält der Senat weiterhin fest. Im Streitfall stellen daher die Aufwendungen der Klägerin für den zweitägigen Betriebsausflug auch im Jahr 1986 Arbeitslohn dar.
Da die Vorentscheidung insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausgeht, war sie hinsichtlich des Streitjahres 1986 aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage war auch bezüglich des Jahres 1986 abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65493 |
BFH/NV 1995, 44 |
BStBl II 1995, 390 |
BFHE 177, 105 |
BFHE 1996, 105 |
BB 1995, 1172 |
BB 1995, 1172-1173 (LT) |
DB 1995, 1155-1156 (LT) |
DStR 1995, 764-765 (KT) |
DStZ 1995, 470-471 (KT) |
HFR 1995, 409-410 (LT) |
StE 1995, 281 (K) |
WPg 1995, 483 (LT) |
StRK, R.26 (T) |
FR 1995, 414-416 (T) |
Information StW 1995, 476-477 (KT) |
NJW 1995, 1776 |
NJW 1995, 1776 (L) |
NZA 1995, 822 (T) |