Lohnsteuerpauschalierung bei Betriebsveranstaltungen
Das Tatbestandsmerkmal Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG entspricht der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG.
Hintergrund: Gesetzliche Regelung und Streitfrage
Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Streitig ist, ob die bisherige Rechtsprechung des BFH, wonach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG (Lohnsteuerpauschalierung bei Betriebsveranstaltungen) nur anwendbar ist, wenn die Veranstaltung allen Betriebsangehörigen offensteht, auch nach Einfügung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG, insbesondere mit dessen Legaldefinition in Satz 1, weiterhin Anwendung findet.
Weihnachtsfeier (nur) für Führungskräfte
Die Klägerin veranstaltete im Jahr 2015 in eigenen Räumlichkeiten eine Weihnachtsfeier, zu der nur die Vorstandsmitglieder eingeladen waren. Die von ihr hierfür aufgewendeten Kosten betrugen insgesamt 8.034 EUR. Darüber hinaus richtete sie im selben Jahr eine Weihnachtsfeier für diejenigen Mitarbeiter am Standort B und den benachbarten Standorten C und D aus, die zum sog. oberen Führungskreis beziehungsweise Konzernführungskreis gehörten. Dabei handelte es sich um Mitarbeiter, die eine bestimmte Karrierestufe erreicht hatten, aber keinen eigenständigen Betriebsteil bildeten. Für diese Veranstaltung wendete die Klägerin insgesamt 168.439 EUR auf. Die ihren Vorstandsmitgliedern und dem Führungskreis mit den jeweiligen Weihnachtsfeiern zugewandten Vorteile unterwarf die Klägerin nicht dem Lohnsteuerabzug.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Auffassung, die Klägerin habe die Lohnversteuerung zu Unrecht unterlassen. Die beantragte Lohnsteuerpauschalierung könne nicht gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erfolgen. Denn der Begriff der Betriebsveranstaltung setze ungeachtet der Einfügung einer Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG mit Wirkung vom 1.1.2015 weiterhin voraus, dass die Teilnahme an der Veranstaltung allen Arbeitnehmern des Betriebs oder des Betriebsteils offenstehe. Entsprechend dieser Rechtsauffassung erließ das FA einen Nachforderungsbescheid.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage beim FG, die erfolglos blieb.
Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Nachforderungsbescheid vom 3.3.2020 dahin zu ändern, dass Arbeitslohn in Höhe von 176.473 EUR für Betriebsveranstaltungen einem Pauschsteuersatz nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 25 % unterworfen wird.
Entscheidung: BFH hält die Revision für begründet
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin den Arbeitslohn, den sie ihren Vorstandsmitgliedern und den Führungskräften mit der Teilnahme an den Weihnachtsfeiern als Sachbezug zugewandt hat, nicht gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 25 % versteuern kann.
Hierzu führten die Richter u.a. aus:
- Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt unter anderem vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind.
- Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Betriebsveranstaltungen sind nach der mit Wirkung zum 1.1.2015 durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften eingefügten Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter.
- Entgegen der Rechtsauffassung des FG handelt es sich bei den Weihnachtsfeiern des Vorstands und der Führungskräfte um Betriebsveranstaltungen im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Dass die Veranstaltungen nicht allen Betriebsangehörigen offenstanden, steht dem nicht entgegen.
- Bis zu der gesetzlichen Neuregelung hat der BFH in ständiger Rechtsprechung unter den Begriff der Betriebsveranstaltung nur Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter subsumiert, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offenstand. Das bisherige Begriffsverständnis greift § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG jedoch nur teilweise auf. So hat das auf der Rechtsprechung des Senats gründende Tatbestandsmerkmal des Offenstehens in der gesetzlichen Legaldefinition der Betriebsveranstaltung keinen Niederschlag gefunden. Diese Voraussetzung findet sich (nunmehr) vielmehr in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG und steht damit nur noch in Verbindung mit der Gewährung des Freibetrags in Höhe von 110 EUR.
- Unter Heranziehung des Wortlauts des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG setzt eine Betriebsveranstaltung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 mithin nur noch eine Veranstaltung auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter voraus. Eine Veranstaltung, an der – wie im Streitfall an den Weihnachtsfeiern – ausschließlich Beschäftigte des Betriebs und deren Begleitpersonen teilnehmen können, ist vom Wortsinn her eine solche Betriebsveranstaltung, auch wenn diese Veranstaltung nicht allen Angehörigen eines Betriebs offensteht.
- Davon geht offensichtlich auch die Finanzverwaltung aus und sieht Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter – wie beispielsweise Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern und Jubiläumsfeiern – als Betriebsveranstaltungen an, wenn der Teilnehmerkreis sich überwiegend aus Betriebsangehörigen, deren Begleitpersonen und gegebenenfalls Leiharbeitnehmern oder Arbeitnehmern anderer Unternehmen im Konzernverbund zusammensetzt. Ein Offenstehen der Veranstaltung für alle Beschäftigten wird anders als in den bis zum Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Lohnsteuer-Richtlinien R 19.5 Abs. 2 Satz 1 nicht mehr gefordert (Schreiben des BMF v. 14.10.2015, BStBl I 2015, 832, unter 1.).
- § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG nimmt das früher von der Rechtsprechung für die Definition der Betriebsveranstaltung herangezogene Tatbestandsmerkmal des Offenstehens auf, stellt es jedoch in einen anderen Kontext. Nunmehr ist das Offenstehen für alle Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils ausschließlich Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung des Freibetrags von 110 EUR.
- Die in § 40 Abs. 2 EStG geregelten Pauschalierungsmöglichkeiten dienen vor allem der Vereinfachung des Lohnsteuerverfahrens. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitgeber bei Betriebsveranstaltungen praktisch keine Möglichkeit hat, die von ihm eingeladenen Arbeitnehmer mit der auf die Zuwendung entfallenden Lohnsteuer zu belasten. Die vereinfachte Berechnung mit einem Pauschsteuersatz soll daher übermäßigen Arbeitsaufwand in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle vermeiden.
Der Klage ist nach allem stattzugeben.
BFH, Urteil v. 27.3.2024, VI R 5/22; veröffentlicht am 10.5.2024
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