Leitsatz
1. Nach der ab dem Veranlagungszeitraum 2015 geltenden Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann eine Betriebsveranstaltung auch dann vorliegen, wenn sie nicht allen Angehörigen eines Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.
2. Das Tatbestandsmerkmal Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG entspricht der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Sätze 1 und 3, § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin veranstaltete im Jahr 2015 in eigenen Räumlichkeiten zwei Weihnachtsfeiern, zu denen nur die Vorstandsmitglieder bzw. der sog. obere Führungskreis/Konzernführungskreis eingeladen waren. Die ihren Vorstandsmitgliedern und dem Führungskreis mit den jeweiligen Weihnachtsfeiern zugewandten Vorteile unterwarf die Klägerin nicht dem LSt-Abzug. Nach einer LSt-Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die Klägerin habe die Lohnversteuerung zu Unrecht unterlassen. Die beantragte LSt-Pauschalierung könne nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erfolgen. Denn der Begriff der Betriebsveranstaltung setze ungeachtet der Einfügung einer Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG mit Wirkung vom 1.1.2015 weiterhin voraus, dass die Teilnahme an der Veranstaltung allen Arbeitnehmern des Betriebs oder des Betriebsteils offenstehe. Entsprechend dieser Rechtsauffassung erließ das FA einen Nachforderungsbescheid.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Köln, Urteil vom 27.1.2022, 6 K 2175/20, Haufe-Index 15134678, EFG 2022, 874).
Entscheidung
Auf die Revision der Klägerin hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Das FG habe zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin den Arbeitslohn, den sie ihren Vorstandsmitgliedern und den Führungskräften mit der Teilnahme an den Weihnachtsfeiern als Sachbezug zugewandt habe, nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 25 % versteuern könne.
Hinweis
1. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die LSt mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Maßgebend für das Vorliegen von Arbeitslohn ist für den Streitzeitraum § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417).
2. Betriebsveranstaltungen sind nach der mit Wirkung zum 1.1.2015 durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften eingefügten Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter.
3. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz handelt es sich bei den Weihnachtsfeiern des Vorstands und der Führungskräfte um Betriebsveranstaltungen i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Dass die Veranstaltungen nicht allen Betriebsangehörigen offenstanden, steht dem nicht entgegen.
a) Zwar hat der erkennende Senat bis zu der gesetzlichen Neuregelung in ständiger Rechtsprechung unter den Begriff der Betriebsveranstaltung nur Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter subsumiert, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offenstand (z.B. BFH, Urteil vom 16.5.2013, VI R 94/10, BFH/NV 2013, 1846 und BFH, Urteil vom 16.5.2013, VI R 7/11, BFH/NV 2013, 1848).
b) Das bisherige Begriffsverständnis des Senats greift § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG jedoch nur teilweise auf. So hat das auf der Rechtsprechung des Senats gründende Tatbestandsmerkmal des Offenstehens in der gesetzlichen Legaldefinition der Betriebsveranstaltung keinen Niederschlag gefunden. Diese Voraussetzung findet sich nunmehr in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG und steht damit nur noch in Verbindung mit der Gewährung des Freibetrags i.H.v. 110 EUR.
4. Das Tatbestandsmerkmal der Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ist entsprechend der Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG auszulegen. Denn Begriffe, die in verschiedenen Vorschriften desselben Gesetzes verwendet werden, sind grundsätzlich einheitlich auszulegen. Definiert der Gesetzgeber selbst einen Begriff, kommt eine Abweichung davon in einer anderen Vorschrift desselben Gesetzes nur in Betracht, wenn der Zweck der Regelung, ihr Zusammenhang mit anderen Vorschriften und/oder die Entstehungsgeschichte eindeutig erkennen lassen, dass der Begriff in dieser Vorschrift abweichend von der Legaldefinition zu verstehen sein soll. Dies ist vorliegend aber nicht ersichtlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.3.2024 – VI R 5/22