Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für einen Fensterputzer, der innerhalb eines Kleinunternehmens tätig ist, können außergewöhnliche Belastungen wegen stundenweiser Beschäftigung einer Haushaltshilfe nach § 33 a Abs. 3 Satz 2 EStG 1974 sein.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 3-4
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren im Streitjahr 1974 beide erwerbstätig und hatten zwei minderjährige Kinder. Bei der Einkommensteuerveranlagung beantragten sie die Gewährung des Freibetrags für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe nach § 33 a Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil sie im Veranlagungszeitraum unter anderem 621 DM für Fensterreinigung gezahlt haben. Die Fenster wurden jeweils von Herrn S, der zusammen mit seinem Schwager ein Fensterreinigungsunternehmen betreibt, bzw. von seinem Schwager auf Rechnung des Herrn S gereinigt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Aufwendungen nicht.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 118 (EFG 1977, 118) veröffentlicht ist, führte im wesentlichen aus, es sei unerheblich, daß die Fensterputzer ihre Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens ausgeübt hätten; denn dem Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes sei nicht zu entnehmen, daß der Steuerpflichtige die Haushaltshilfe in einem Arbeitsverhältnis beschäftigen müsse. Der Zweck des Gesetzes bestehe darin, Steuerpflichtigen, die ihre Hausarbeit nicht in vollem Umfang selbst verrichten könnten, einen Teil ihrer Belastungen durch die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe abzunehmen. Die Entwicklung der Verhältnisse gebiete eine Auslegung, die auch Dienstleistungsunternehmen umfasse.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Der Tenor des Urteils verstoße gegen § 100 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da das Gericht die sich aufgrund der Gewährung des Freibetrages ergebende Steuer nicht festgesetzt habe. Die Auffassung des FG zum Begriff der Haushaltshilfe widerspreche dem Gesetzeswortlaut, der ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der Haushaltshilfe voraussetze. Die Grundsätze des Bundesfinanzhofs (BFH), der als Hausgehilfin nur einen Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen ansehe (Urteile vom 13. Februar 1959 VI 260/57 U, BFHE 68, 443, BStBl III 1959, 170; vom 6. Oktober 1961 VI 244/61 U, BFHE 73, 777, BStBl III 1961, 549), seien für den Fall der Beschäftigung einer Haushaltshilfe entsprechend anzuwenden. Die Ansicht der Vorinstanz führe mangels klarer Abgrenzungskriterien zu einer nicht praktikablen Rechtsanwendung. Auch eine entsprechende Anwendung des § 33 a Abs. 3 Satz 2 EStG sei nicht möglich (BFH-Urteil vom 30. August 1972 VI R 144/69, BFHE 107, 496, BStBl II 1973, 159). Außerdem habe das FG § 33 a Abs. 4 EStG zu Unrecht nicht angewandt, da es nicht festgestellt habe, ob das Reinigungsunternehmen das ganze Jahr über in Anspruch genommen worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das Urteil des FG kann schon aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Das FG hat zwar rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 3 Satz 2 EStG bejaht. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz reichen jedoch nicht aus, um den Klägern den Freibetrag für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe in der vollen Höhe von 600 DM zuzusprechen; denn das FG hat nicht festgestellt, ob gemäß § 33 a Abs. 4 EStG die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrages in sämtlichen Kalendermonaten des Streitjahres erfüllt waren.
Nach § 33 a Abs. 3 Satz 2 EStG wird der Freibetrag von 600 DM gewährt, wenn statt einer Hausgehilfin stundenweise eine Haushaltshilfe beschäftigt wird. Die Vorentscheidung geht zu Recht davon aus, daß die Kläger die Fensterputzer als Haushaltshilfen beschäftigt haben; denn der von diesen durchgeführte Reinigungsdienst gehört, soweit er im Haushalt ausgeführt ist, zum Kreis der typischen hauswirtschaftlichen Arbeiten. Dem steht nicht entgegen, daß die beiden Fensterputzer nicht in einem Arbeitsverhältnis zu den Klägern standen. Hinsichtlich des Freibetrages für die Beschäftigung einer Hausgehilfin hat der BFH zwar entschieden, daß zwischen dem Steuerpflichtigen und der Hausgehilfin ein Arbeitsverhältnis bestehen muß (Urteil VI 244/61 U), wobei die Betonung in dieser Entscheidung mehr auf dem Erfordernis eines ernsthaften Vertragsverhältnisses lag. In der Entscheidung VI R 144/69, die sowohl Hausgehilfinnen als auch Haushaltshilfen betrifft, hat der BFH unter Bezug auf die Entscheidung VI 244/61 U ausgeführt, der Gesetzeswortlaut des § 33 a Abs. 3 EStG stelle darauf ab, daß zwischen dem Steuerpflichtigen und der Hausgehilfin ein Dienstvertrag - speziell bezüglich der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten - besteht, was in jenem Streitfall jedoch nicht gegeben war. Wie diese Frage für den Fall der Beschäftigung einer Hausgehilfin künftig zu entscheiden ist, kann hier offenbleiben.
Bezüglich einer Haushaltshilfe hält es der Senat jedenfalls nicht für erforderlich, daß diese im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu dem Steuerpflichtigen tätig wird. Dies folgt schon daraus, daß sich bei einer nur stundenweisen Beschäftigung, wie sie bei Haushaltshilfen vorliegt, die Beziehungen zwischen der Haushaltshilfe und dem Steuerpflichtigen regelmäßig wesentlich freier gestalten als bei einer Hausgehilfin, die entweder in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen oder in dessen Haushalt voll beschäftigt sein muß (BFH-Urteil VI 260/57 U). Bei der oft nur schwer zu treffenden Entscheidung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder nicht, würde es zu willkürlichen Ergebnissen führen, wenn man die Gewährung des Freibetrages nach § 33 a Abs. 3 Satz 2 EStG von dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abhängig machen würde. Dem entspricht auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, der dahin geht, den betreffenden Kreis von Steuerpflichtigen wegen ihrer Aufwendungen für eine Haushaltshilfe durch eine typisierende Regelung zu entlasten. Die Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die Beauftragung eines Kleinunternehmers mit häuslichen Arbeiten erwachsen, stellen für ihn wirtschaftlich betrachtet keine andersartige Belastung dar als die aufgrund der Entlohnung eines Arbeitnehmers. Der Sinn und Zweck des Gesetzes gebietet für beide Fälle die gleiche steuerliche Behandlung.
Dem steht der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Zwar wird im Einkommensteuerrecht der Begriff "Beschäftigung" regelmäßig im Zusammenhang mit nichtselbständig Tätigen verwandt (vgl. z. B. § 19 EStG, § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -). Jedenfalls aber kann unter einer "stundenweisen Beschäftigung" auch die Beauftragung eines Selbständigen im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages verstanden werden. Auch aus dem Begriff "Haushaltshilfe" ergibt sich nichts anderes; denn eine Hilfeleistung im Haushalt setzt nicht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Eine andere Auslegung ließe auch unberücksichtigt, daß heutzutage in zunehmendem Maße typische, im Haushalt anfallende Arbeiten von Kleinunternehmern in gleicher Weise wie von Arbeitnehmern ausgeführt werden, so daß von einem Berufsbild der Haushaltshilfe als einer Arbeitnehmerin nicht mehr ausgegangen werden muß.
Der Senat hebt die Vorentscheidung gleichwohl auf und weist die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück, da ihm anhand des bisher festgestellten Sachverhalts die Prüfung nicht möglich ist, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrages nach § 33 a Abs. 3 Satz 2 EStG in allen Kalendermonaten des Streitjahres erfüllt waren. Dies ist aber, wie sich aus § 33 a Abs. 4 EStG ergibt, für die Gewährung des vollen Betrags von 600 DM erforderlich. Die Feststellungen des FG reichen dazu nicht aus. Es führt lediglich aus, die Kläger hätten 621 DM für Fensterreinigung an S bezahlt, nicht jedoch, in wieviel Monaten die Kläger einen Fensterputzer in Anspruch genommen haben. Weil die ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch tatsächliche Feststellungen gedeckt ist, liegt eine fehlerhafte Rechtsanwendung vor. Da der Senat bereits aus diesen materiell-rechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung gelangt, bedarf es keines Eingehens mehr auf die formellen Einwendungen des FA gegen den Tenor der Vorentscheidung.
Fundstellen
Haufe-Index 73071 |
BStBl II 1979, 326 |
BFHE 1979, 175 |