Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur doppelten Haushaltsführung eines ausländischen Arbeitnehmers
Leitsatz (NV)
An den Nachweis der finanziellen Beteiligung eines Gastarbeiters am Haushalt in seinem Heimatland sind weniger strenge Anforderungen zu stellen als bei der Geltendmachung von Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein türkischer Staatsangehöriger, arbeitet seit mindestens dem Jahre 1969 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Seine Ehefrau und drei Kinder leben in der Türkei, ein weiteres Kind hält sich in der Bundesrepublik auf. Im Rahmen des Verfahrens über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1978 hatte der Kläger gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 6 551 DM als Werbungskosten geltend gemacht. Das FA hatte die Anerkennung dieser Aufwendungen versagt und zur Begründung in seiner Einspruchsentscheidung ausgeführt, daß der Kläger eine maßgebliche persönliche und finanzielle Beteiligung am Familienhaushalt nicht nachgewiesen habe. Eine Steuerermäßigung wegen doppelter Haushaltsführung würde auch zu einer unzutreffenden Besteuerung führen.
Mit seiner Klage hatte der Kläger in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der ab 1. Januar 1978 - mithin auch für das Streitjahr - geltenden Fassung (vgl. § 52 Abs. 11 a EStG 1979) als gegeben an. Danach gehörten zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Außer dem Nachweis für das Entstehen derartiger Aufwendungen, müsse der Steuerpflichtige indessen auch nachweisen, daß er sich an seinem Haushalt in der Heimat sowohl persönlich als auch finanziell hinreichend beteiligt habe. Die hier allein streitige finanzielle Beteiligung durch den Kläger sehe das FG indessen als erwiesen an. Zwar habe der Kläger nur die Überweisung von 1 580 DM an seine Ehefrau nachgewiesen. Dieser Betrag allein liege unter dem im Rahmen des § 33 a EStG für Unterhaltsberechtigte in der Türkei allgemein berücksichtigten Existenzminimum und - wie das FA zu Recht ausgeführt habe - niedriger als das Kindergeld von 2 352 DM (einschließlich Zulage), das der Kläger für die drei in der Türkei lebenden Kinder erhalten habe. Zugunsten des Klägers müsse aber davon ausgegangen werden, daß er anläßlich seiner Heimfahrt im Streitjahr 1978 seiner Familie weitere Gegenstände und Geldbeträge übergeben habe. Es entspreche der Lebenserfahrung und den Erkenntnissen, die das FG aus vergleichbaren Fällen gewonnen habe, daß türkische Gastarbeiter bei jährlichen Familienbesuchen nicht ,,mit leeren Händen" ankämen. Der Kläger habe sich auch nicht - worauf seine lange Abwesenheit in Deutschland hindeuten könne - von seiner Familie gelöst. Er habe nicht nur 1 580 DM überwiesen, sondern zur Überzeugung des Gerichts weitere Aufwendungen für die in der Türkei lebende Familie gehabt. Seine Familienverbundenheit zeige sich auch darin, daß er seinem Sohn für die Wohnungseinrichtung 3 500 DM überlassen habe. Bei der maßgeblichen finanziellen Beteiligung am Familienhaushalt sei auch zu berücksichtigen, daß der Kläger der Familie ein Haus in einem Dorf belassen habe, die Familie dort mithin mietfrei wohne, und daß das Leben auf dem Dorf in der Türkei wesentlich weniger Geldmittel erfordere als etwa in einer türkischen Großstadt.
Mit seiner Revision rügt das FA einmal in formeller Hinsicht, daß das FG seiner Aufklärungspflicht nicht hinreichend nachgekommen sei. So habe es einen Betrag von 3 500 DM als an einen Sohn des Klägers geflossen angesehen, obwohl ein amtlicher Lebensnachweis über diesen Sohn nicht vorgelegen habe.
Darüber hinaus rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Auch nach der Neufassung dieser Vorschrift seien Mehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung u.a. nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn eine maßgebliche finanzielle Beteiligung am ausländischen Familienhaushalt nachgewiesen werde. Ein solcher Nachweis sei hier nicht erbracht, denn die als überwiesen geltend gemachten Beträge von insgesamt 1 580 DM seien den Umständen nach erkennbar unzureichend gewesen.
Das FA beantragt daher, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat zur Sache keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG in der genannten Fassung gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Zu einer doppelten Haushaltsführung in diesem Sinne ist ferner erforderlich, daß der Steuerpflichtige sich an dem Haushalt in seinem Heimatland hinreichend persönlich und finanziell beteiligt. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1983 VI R 3/81, BFHE 140, 241, BStBl II 1984, 521, mit Hinweisen auf frühere Entscheidungen), daß Inländer wie Ausländer auf Verlangen nachweisen müssen, mit welchen Beträgen sie sich an dem hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung finanziell beteiligt haben. Zugleich hat der Senat aber dabei darauf hingewiesen, daß es bei in der Bundesrepublik tätigen ausländischen Arbeitnehmern allerdings oft schwierig sei festzustellen, welcher Betrag erforderlich ist, um von einer maßgeblichen finanziellen Beteiligung sprechen zu können, da die Lebensumstände im Ausland oft erheblich anders als in der Bundesrepublik sind. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung hat der Senat daher in der Regel auf den Nachweis verzichtet, welche Beträge im Einzelfall zur Haushaltsführung notwendig sind. Eine maßgebliche finanzielle Beteiligung am Familienhaushalt ist mithin im allgemeinen nur zu verneinen, wenn die Beträge für die Unterhaltung des Haushalts erkennbar unzureichend sind.
Das ist hier jedoch nicht der Fall, wie die Vorinstanz mit dem Bundesfinanzhof als Revisionsgericht bindender Wirkung festgestellt hat (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Gegen diese Feststellung hat das FA zwar insofern Einwendungen erhoben, als das FG einen Betrag von 3 500 DM als Zahlung an einen in der Türkei lebenden Sohn angenommen hat und dieser Betrag für die Anschaffung einer Wohnungseinrichtung bestimmt gewesen sei. Das FA übersieht jedoch, daß es sich hierbei um die Entscheidung nicht tragende Gründe handelt (obiter dicta). Denn diesen Hinweis hat das FG nur gebracht, um darzulegen, daß der Kläger trotz seines langen Aufenthalts in der Bundesrepublik bzw. Berlin (West) sich nicht von seiner Familie gelöst hat (persönliche Beteiligung am Familienhaushalt). Daß er sich auch finanziell am Familienhaushalt beteiligt hat, hat das FG aus der Zahlung bzw. Überweisung von 1 580 DM gefolgert, zumal es nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen ist und auch ausgehen konnte, daß der Kläger bei seinem Heimatbesuch weitere Geldmittel seiner Ehefrau übergeben hat. Damit hat sich das FG im Rahmen der Grundsätze gehalten, die der Senat in dem bereits zitierten Urteil in BFHE 140, 241, BStBl II 1984, 521 aufgestellt hat. Das FA übersieht hier ähnlich wie der Beklagte in dem zitierten Urteilsfall, daß die Anforderungen an den Nachweis solcher Haushaltsbeträge nicht so streng wie bei der Geltendmachung von Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland zu handhaben sind. Bei letzterem sind die Aufwendungen im einzelnen nachzuweisen, weil sie selbst als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden sollen. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung können die Beiträge für den Familienhaushalt das Einkommen hingegen nicht mindern; sie sind vielmehr nur ein Indiz dafür, daß der Steuerpflichtige während der Zeit der doppelten Haushaltsführung den Haushalt seiner Familie am bisherigen Wohnort weiterhin unterhält bzw. mitunterhält.
Die Revision das FA war daher unter Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 414151 |
BFH/NV 1987, 25 |