Leitsatz (amtlich)
Ein Haftungsanspruch für nichtabgeführte Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs.5 EStG 1977) kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Steueranspruch (Nachforderungsanspruch) gegen den Steuerschuldner verjährt ist. Das gilt auch dann, wenn der Steuerschuldner beschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
Orientierungssatz
1. Die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, bedeutet einmal (§ 96 Abs. 2 FGO), daß das FG nur solche Tatsachen und Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde legen darf, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war. Zum anderen ist das rechtliche Gehör --insbesondere i.S. des Art. 103 Abs. 1 GG-- auch dann verletzt, wenn die Beteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten bisher nicht geäußert haben und nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens zu einer Äußerung auch keine Veranlassung bestanden hat (vgl. BFH-Rechtsprechung). Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, den Beteiligten die einzelnen für seine Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im voraus anzudeuten.
2. Die im BFH-Urteil vom 23.10.1985 I R 247/81 aufgestellten Grundsätze zur Vorteilsgewährung zwischen Schwestergesellschaften, die von einer gemeinsamen Muttergesellschaft beherrscht werden, gelten sinngemäß, wenn Schwestergesellschaften nicht von einer gemeinsamen Muttergesellschaft beherrscht werden, aber an ihnen dieselben natürlichen Personen als Gesellschafter beteiligt sind.
3. Einkünfte aus Kapitalvermögen sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften erfüllt (vgl. BFH-Beschluß vom 29.11.1982 GrS 1/81).
4. Betriebsprüfungen, die nicht beim Steuerpflichtigen, sondern bei einem Dritten durchgeführt werden, hemmen den Ablauf der Verjährung gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht (vgl. BFH-Rechtsprechung). Erstreckte sich die Betriebsprüfung bei einer GmbH auf die Kapitalertragsteuer (KapSt), so ist eine Hemmung der Verjährung des Haftungsanspruchs für KapSt gegenüber der GmbH eingetreten (Festhalten an BFH-Urteil vom 13.11.1974 I R 166/72). Eine Hemmung der Verjährung der Steueransprüche gegenüber den Gesellschaftern der GmbH als Steuerschuldner der KapSt ist dadurch nicht eingetreten.
5. Erstreckte sich die Betriebsprüfung bei einer GmbH tatsächlich auf die Kapitalertragsteuer, obwohl die Kapitalertragsteuer in der Betriebsprüfungsanordnung nicht erwähnt war, so wurde dennoch der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.1971 III R 35/71).
6. Der Regelung des § 149 AO (jetzt: § 191 Abs. 5 AO 1977) liegt der Gedanke zugrunde, daß Steuerschuldner und Haftungsschuldner Gesamtschuldner sind (BFH) und daß die Verjährung für Steuerschuldner und Haftungsschuldner jeweils selbständig zu beurteilen ist (BFH; Lit.).
7. Das FA darf Einkünfte, die dem Steuerabzug (unter anderem) vom Kapitalertrag unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht gesondert veranlagen oder bei einer Veranlagung anderer Einkünfte in die Veranlagung einbeziehen (vgl. BFH-Urteil vom 26.4.1978 I R 97/76). Dadurch wird indessen der Anspruch des Steuergläubigers, die Kapitalertragsteuer beim Steuerschuldner nachzufordern, nicht berührt.
Normenkette
EStG 1969 §§ 20, 44 Abs. 3, § 50 Abs. 4; EStG 1977 § 44 Abs. 5; AO § 144 S. 2, § 144; AO 1977 § 191 Abs. 5; FGO § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2; AO § 146a Abs. 3; BPO St § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (Entscheidung vom 25.02.1982; Aktenzeichen II 265/79) |
Tatbestand
Die Revisionsklägerin ist eine GmbH, die zuletzt unter A-GmbH, früher unter der Bezeichnung S-GmbH (Klägerin), noch früher als R-GmbH firmiert hatte. Bei einer Betriebsprüfung in den Jahren 1973 bis 1978, die sich auch auf die Kapitalertragsteuer erstreckte, ergab sich, daß die R-GmbH im Jahre 1970 der J-GmbH ein Grundstück zum Buchwert übertragen hatte. An der R-GmbH und der J-GmbH waren dieselben Personen beteiligt.
In dem Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Teilwert (2 250 000 DM) sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) verdeckte Gewinnausschüttungen und nahm durch Haftungsbescheid vom 6.Dezember 1977 für die auf die beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter entfallenden Anteile an den verdeckten Gewinnausschüttungen die Klägerin für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer in Höhe von 120 363 DM zuzüglich einer Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 610 DM in Anspruch. Die Haftungssummen waren in einer Anlage zum Bescheid nach Steuerschuldnern (natürliche Personen) und Steuerschulden aufgegliedert.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage beim Finanzgericht (FG) gegen den Haftungsbescheid mit der Begründung, die persönlichen Steuerschulden der Gesellschafter seien verjährt. Zumindest aber sei die streitige Haftungssumme um 35 009,80 DM zu ermäßigen, da dieser Betrag auf sieben im Ausland lebende Anteilseigner entfalle, die ihre Anteile jeweils zugunsten inländischer Personen nießbrauchsbelastet hätten.
Die Klage hatte keinen Erfolg. In seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 629 abgedruckten Entscheidung bejahte das FG das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen in der vom FA festgestellten Höhe. Ob der Ablauf der Verjährungsfrist auch mit Wirkung gegen die beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter gehemmt worden sei, sei anders zu beurteilen als bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern. Bei nur beschränkter Steuerpflicht sei die Kapitalertragsteuer mit dem Steuerabzug abgegolten (§ 50 Abs.4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1969). Die Kapitalertragsteuer könne daher nur noch im Haftungswege von der ausschüttenden Gesellschaft eingefordert werden. Insoweit werde die Kapitalertragsteuer zu einer Objektsteuer. Dann müsse sich folgerichtig die Hemmung der Verjährung auch hierauf beziehen.
Zu Recht sei die Kapitalertragsteuerhaftung auch auf diejenigen Gesellschafter erstreckt worden, für die die Klägerin eine Nießbrauchsbelastung zugunsten inländischer unbeschränkt steuerpflichtiger Personen geltend mache. Wer an einem Gesellschaftsanteil einen Rechtsnießbrauch schuldrechtlicher oder dinglicher Art erwerbe, dürfe lediglich die Vorteile aus dem Recht ziehen. Der Nießbraucher werde nicht auch Inhaber des Rechts, so daß er den Tatbestand des § 20 Abs.1 Nr.1 EStG nicht erfülle.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und nach den von der Klägerin in der Vorinstanz gestellten Anträgen zu erkennen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
A. Die Klägerin hat Verletzung rechtlichen Gehörs (Art.103 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs.2 FGO, § 119 Nr.3 FGO) gerügt. Die Rüge ist nicht begründet.
Die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, bedeutet einmal (§ 96 Abs.2 FGO), daß das FG nur solche Tatsachen und Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde legen darf, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war. Zum anderen ist das rechtliche Gehör --insbesondere i.S. des Art.103 Abs.1 GG-- auch dann verletzt, wenn die Beteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten bisher nicht geäußert haben und nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens zu einer Äußerung auch keine Veranlassung bestanden hat (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22.März 1972 II R 121/68, BFHE 105, 515, BStBl II 1972, 637; vom 12.Juli 1972 I R 205/70, BFHE 107, 186, BStBl II 1973, 59, und vom 12.Oktober 1977 I R 181/75, BFHE 123, 404, BStBl II 1978, 59). Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, den Beteiligten die einzelnen für seine Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im voraus anzudeuten.
Die Klägerin hatte im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens ausreichend Gelegenheit, zur Bedeutung des Nießbrauchs für die Frage der Zurechnung der Kapitalerträge in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Die Klägerin trägt selbst vor, daß die Rechtsfrage in den vorbereitenden Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung kontrovers erörtert worden sei. Die Klägerin hatte Anlaß, im einzelnen vorzutragen, wie der Nießbrauch im jeweiligen Fall begründet worden ist. Zwar hat der BFH im Urteil vom 14.Dezember 1976 VIII R 146/73 (BFHE 121, 53, BStBl II 1977, 115) ausgesprochen, daß ein unentgeltlicher Nießbrauch an Wertpapieren die Zurechnung der Wertpapiererträge als Einkünfte des Wertpapierinhabers aus Kapitalvermögen nicht ändere. Der BFH hat es indes ausdrücklich offengelassen, ob dies auch dann gilt, wenn jemand schenkweise Kapitalvermögensgegenstände unter gleichzeitiger Zurückbehaltung des Nießbrauchs (Vorbehaltsnießbrauch) veräußert und hat eine abweichende Beurteilung für den Fall angedeutet, daß der Nießbraucher als wirtschaftlicher Inhaber des verbrieften Rechts anzusehen ist oder selbst Kapital zur Nutzung gegen Entgelt in der Weise überläßt, daß er die Erträgnisansprüche gegen Entgelt stundet. Bei Beachtung dieser Ausführungen hätte die Klägerin sich nicht auf den Vortrag beschränken dürfen, an einzelnen GmbH-Anteilen sei ein Nießbrauch bestellt, sondern hätte sowohl Art und Weise der Begründung als auch die inhaltliche Ausgestaltung des Nießbrauchs im einzelnen darstellen können.
B. I. Die Klägerin wäre aufgrund verdeckter Gewinnausschüttungen verpflichtet gewesen, Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen.
1. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß in der Übertragung des Grundstückes an die J-GmbH in Höhe eines Betrages von 2 250 000 DM im Jahre 1970 verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- a.F.) zu erblicken sind, die bei den gemeinsamen Gesellschaftern der R-GmbH und der J-GmbH zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs.1 und Abs.2 Nr.1 EStG 1969) geführt haben. Bei diesen Einkünften wird die Einkommensteuer nach § 43 Abs.1 Nr.1 i.V.m. Abs.3 EStG durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben. Es handelt sich um besondere Vorteile, die neben den Gewinnanteilen gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 4.Juli 1984 I R 195/81, BFHE 142, 38, BStBl II 1984, 842).
Was unter besonderen Vorteilen zu verstehen ist, läßt sich aus der Begriffsbestimmung der Einnahmen i.S. des § 8 Abs.1 EStG folgern. Danach sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart des § 2 Abs.1 Nr.4 bis 7 EStG zufließen. Bei Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften leistet zwar die begünstigende Schwestergesellschaft unmittelbar an die begünstigte Schwestergesellschaft. Die wirtschaftliche Veranlassung für diese Vorteilsgewährung ist jedoch in der Beteiligung der gemeinsamen Muttergesellschaft zu suchen. Dazu ist davon auszugehen, daß es die Aufgabe jeder Kapitalgesellschaft ist, als Erwerbsunternehmen Gewinne zu erzielen und die Gewinne nach Möglichkeit zu steigern. Eine Kapitalgesellschaft wird deshalb grundsätzlich nicht bereit sein, Vorteile unentgeltlich zu überlassen. Tut sie es dennoch, so spricht eine Vermutung dafür, daß die Vorteilsüberlassung nicht betrieblich veranlaßt ist. Die nichtbetriebliche Veranlassung kann gleichermaßen darin liegen, daß die begünstigende Tochtergesellschaft entweder auf Weisung der Muttergesellschaft oder nach Art eines Geschäftsführers ohne Auftrag für diese tätig wird. In beiden Fällen fließt der Muttergesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung zu, weil es ihre Sache ist, einer Tochtergesellschaft (verdeckte) Einlagen zuzuführen. Insoweit nimmt die begünstigende Tochtergesellschaft objektiv ein Geschäft ihrer Muttergesellschaft wahr. Deren Aufgabenstellung ist die maßgebliche wirtschaftliche Veranlassung für die unentgeltliche Vorteilszuführung (vgl. BFH-Urteil vom 23.Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195, 199). Diese Grundsätze gelten sinngemäß, wenn --wie hier-- Schwestergesellschaften nicht von einer gemeinsamen Muttergesellschaft beherrscht werden, aber an ihnen dieselben natürlichen Personen als Gesellschafter beteiligt sind.
2. Sind die durch die verdeckte Gewinnausschüttung begünstigten Gesellschafter nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so sind sie mit ihren durch die verdeckte Gewinnausschüttung zugeflossenen Vorteilen (§ 20 Abs.1 Nr.1 EStG) nach § 49 Abs.1 Nr.5 EStG beschränkt steuerpflichtig, weil die Klägerin als die Schuldnerin (der Kapitalerträge) ihre Geschäftsleitung im Inland hatte. Die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer besteht fort (§ 44 Abs.3, § 50 Abs.4 EStG).
II. Da die Klägerin ihrer Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge nicht nachgekommen ist, haftet sie gemäß § 44 Abs.5 EStG 1977 unter der Voraussetzung, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids am 6.Dezember 1977 weder der Haftungsanspruch des FA, soweit er Kapitalerträge beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter der Klägerin betrifft, noch die Steueransprüche gegen die Steuerschuldner (Nachforderungsansprüche) verjährt waren.
1. Der Haftungsanspruch war nicht verjährt.
a) Der Haftungsbescheid gegen die Klägerin ist nach Inkrafttreten der Abgabenordnung (AO 1977) bekanntgegeben worden. Die Vorschriften der AO 1977 über die Festsetzungsverjährung gelten erstmals für die Festsetzung von Steuern, die nach dem 31.Dezember 1976 entstanden sind. Auf früher entstandene Ansprüche sind die Vorschriften der Reichsabgabenordnung (AO) über die Verjährung anzuwenden (Art.97 § 10 des Einführungsgesetzes der Abgabenordnung --EGAO 1977-- vom 14.Dezember 1976, BGBl I, 3341). Der Haftungsanspruch für Kapitalertragsteuer gegen die Klägerin war nach den vor Inkrafttreten der AO 1977 geltenden Vorschriften (§ 3 Abs.5 Nr.1 des Steueranpassungsgesetzes --StAnpG--) im Zeitpunkt des Zufließens der steuerpflichtigen Einkünfte --also mit Abschluß des Kaufvertrags über das Grundstück im Jahre 1970-- entstanden. Die Verjährung begann mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden war (§ 145 Abs.1 AO), also mit Ablauf des Jahres 1970. Da die Verjährungsfrist fünf Jahre betrug (§ 144 Abs.1 AO), wäre die Verjährung im Regelfall mit Ablauf des Jahres 1975 eingetreten.
b) Der Ablauf der Verjährungsfrist war im Streitfall --wie das FG insoweit zu Recht erkannt hat-- nach § 146a Abs.3 AO gehemmt, weil vor Ablauf der Verjährungsfrist --nämlich schon im Jahre 1973-- bei der Klägerin mit einer Betriebsprüfung begonnen wurde, die sich auch auf den Haftungsanspruch des FA erstreckt hat.
aa) Was den sachlichen Umfang der Ablaufhemmung anbelangt, genügt es, daß sich die Prüfung tatsächlich auf die Kapitalertragsteuer erstreckt hat. Dies war im Streitfall geschehen (Betriebsprüfungsbericht Tz.142). Zwar war die Kapitalertragsteuer nicht in der Betriebsprüfungsanordnung erwähnt. Diese Unterlassung verstieß insoweit gegen § 6 Abs.2 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) --BpO (St)--. Die Verletzung einer --jedenfalls nach damaliger Rechtslage-- reinen Ordnungsvorschrift hat jedoch nicht das Gewicht, das der tatsächlichen Prüfung der Kapitalertragsteuer zuzumessen ist (BFH-Urteil vom 10.Dezember 1971 III R 35/71, BFHE 104, 282, BStBl II 1972, 331).
bb) In persönlicher Hinsicht geht die Wirkung der Ablaufhemmung nach § 146a Abs.3 AO nicht über den steuerlichen Bereich des von der Betriebsprüfung betroffenen Adressaten hinaus. Betriebsprüfungen, die nicht beim Steuerpflichtigen, sondern bei einem Dritten durchgeführt werden, hemmen den Ablauf der Verjährung gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht (BFH-Urteil vom 6.Mai 1975 VII R 109/72, BFHE 116, 2, BStBl II 1975, 723). Diese Auffassung hat der erkennende Senat im Urteil vom 18.Mai 1977 I R 36/75 (BFHE 122, 248, BStBl II 1977, 652) bekräftigt. Dabei war nicht darüber zu befinden, ob die Verjährung des Haftungsanspruchs (für Kapitalertragsteuer) gegenüber der geprüften GmbH gehemmt werde, sondern lediglich darüber, ob durch die Prüfung bei einer GmbH eine Verjährungshemmung mit Wirkung für den Gesellschafter einer GmbH eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 24.April 1979 VIII R 64/77, BFHE 128, 139, BStBl II 1979, 744). Im Streitfall war Gegenstand der Betriebsprüfung kein Steueranspruch gegen die Anteilseigner der Klägerin, sondern nur der Haftungsanspruch gegen die Klägerin wegen Kapitalertragsteuer. Nur insoweit ist auch eine Hemmung der Verjährung eingetreten. Dies hat der Senat im Urteil vom 13.November 1974 I R 166/72 (BFHE 114, 19, BStBl II 1975, 273) ausgesprochen. Insoweit wird an dieser Entscheidung festgehalten.
2. Das FG hat bisher nicht geprüft, ob die Haftung der Klägerin ganz oder zum Teil daran scheitert, daß Steueransprüche gegen die Steuerschuldner verjährt sind und deshalb der Haftungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden darf (§ 149 AO).
a) § 149 AO ist der Vorläufer von § 191 Abs.5 AO 1977, der auf den Streitfall nach Art.97 § 11 EGAO 1977 noch nicht anwendbar ist. Nach § 149 AO kann, wenn der Anspruch gegen die Abgabepflichtigen verjährt ist, der neben dem Abgabepflichtigen Haftende nicht mehr in Anspruch genommen werden. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß Steuerschuldner und Haftungsschuldner Gesamtschuldner sind (vgl. § 7 Abs.1 StAnpG; BFH-Urteil vom 27.März 1968 II 98/62, BFHE 91, 434, BStBl II 1968, 376) und daß die Verjährung für Steuerschuldner und Haftungsschuldner jeweils selbständig zu beurteilen ist (BFH-Beschluß vom 15.November 1966 I B 16/66, BFHE 87, 270, BStBl III 1967, 130; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7.Aufl., § 149 Tz.1). Auch bei der Kapitalertragsteuer stehen Steueranspruch und Haftungsanspruch (vgl. § 44 Abs.5 EStG) als verjährbare Ansprüche nebeneinander. Der Steueranspruch kann gegenüber dem Steuerschuldner (Gläubiger der Vergütungen) gemäß § 73g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) durch Nachforderungsbescheid unter den Voraussetzungen des § 44 Abs.5 EStG geltend gemacht werden.
b) Aus § 50 Abs.4 EStG 1969 ergeben sich für beschränkt steuerpflichtige Steuerschuldner keine Besonderheiten. Nach dieser Vorschrift gilt die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug (unter anderem) vom Kapitalertrag unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten, wenn die Einkünfte nicht Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebes sind. Das FA darf danach die fraglichen Einkünfte bei beschränkt steuerpflichtigen Steuerschuldnern nicht gesondert veranlagen oder bei einer Veranlagung anderer Einkünfte in die Veranlagung einbeziehen (BFH-Urteil vom 26.April 1978 I R 97/76, BFHE 125, 375, BStBl II 1978, 628). Dadurch wird indessen der Anspruch des Steuergläubigers, die Kapitalertragsteuer beim Steuerschuldner nachzufordern (§ 44 Abs.5 EStG), nicht berührt. Dies hat das FG verkannt.
3. Das FG hatte aufgrund seiner bisherigen, vom erkennenden Senat nicht gebilligten Rechtsauffassung keine Veranlassung zu prüfen, ob Nachforderungsansprüche gegen beschränkt steuerpflichtige Steuerschuldner verjährt sind. Hierzu muß es noch Tatsachen feststellen.
Möglicherweise kann die Frage der Verjährung je nachdem unterschiedlich zu beurteilen sein, ob die Einkünfte aus Kapitalvermögen beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern der Klägerin oder unbeschränkt steuerpflichtigen Nießbrauchern zuzurechnen sind. Die Klägerin wird im zweiten Rechtsgang vor dem FG Gelegenheit haben, detailliert darzulegen, daß in einzelnen Fällen an den Gesellschaftsanteilen ihrer Gesellschafter ein Nießbrauch zugunsten unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen begründet worden sei, und zwar mit der Folge, daß der Nießbraucher selbst eigene Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt habe. Sollte das FG auf diese Frage näher eingehen müssen, so wäre zu berücksichtigen, daß Einkünfte aus Kapitalvermögen demjenigen zuzurechnen sind, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften erfüllt (BFH-Beschluß vom 29.November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272, mit weiteren Hinweisen). Auf die Ausführungen des erkennenden Senats unter A. im Zusammenhang mit dem Urteil in BFHE 121, 53, BStBl II 1977, 115 wird hingewiesen. Der Senat sieht beim derzeitigen Stand des Verfahrens keine Veranlassung, diese Fragen zu vertiefen.
Fundstellen
Haufe-Index 61345 |
BStBl II 1987, 293 |
BFHE 148, 507 |
BFHE 1987, 507 |
BB 1987, 665 |
BB 1987, 665-667 (ST) |
HFR 1987, 350-351 (ST) |