Steuerabzug bei Transfer von Know-how
Hintergrund: Technologietransfer aus dem Ausland
Streitig war, ob die inländische K-GmbH der Steuerabzugspflicht nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG a.F. (jetzt: § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) unterlag und hierfür haftet.
Die K-GmbH vereinbarte mit der P-Kft. (Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn) den Transfer eines Verfahrens zur Herstellung eines Wirkstoffs verbunden mit dem Transfer des Know-how.
Als Vergütung für die Übertragung der exklusiven Rechte zur Nutzung der Technologie war eine Pauschale von 1 Mio. EUR vorgesehen. Bei Vertragsschluss (2007) sollten hiervon 300.000 EUR gezahlt werden. Von K wurde hierfür keine Abzugsteuer angemeldet, einbehalten oder abgeführt. Nach Unstimmigkeiten zwischen K und P wurde das Vertragsverhältnis in 2009 beendet.
Das FA ging davon aus, K sei für die Zahlung von 300.000 EUR zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG (jetzt: § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) verpflichtet gewesen und erließ gegenüber K einen Haftungsbescheid nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG über KSt in Höhe von 60.000 EUR (20 % von 300.000 EUR). P habe durch den Technologietransfer beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erzielt. K sei als Vergütungsschuldnerin dieser Einkünfte ihrer Abzugspflicht nicht nachgekommen.
Dem folgte das FG und wies die Klage ab.
Entscheidung: Haftung für nicht gehzahlte Abzugsteuer
Der BFH bestätigte das FG-Urteil und wies die Revision der K als unbegründet zurück. P unterlag nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. K hätte für die Zahlung an P Abzugsteuer nach § 50a EStG einbehalten, anmelden und abführen müssen.
Einkünfte der P aus Überlassung von Know-how
P erzielte inländische Einkünfte i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Die Regelung (Nutzungsüberlassung) erfasst auch die Überlassung von Know-how (BFH v. 19.12.2012, I R 81/11, BFH/NV 2013, S. 698). Das gilt auch dann, wenn das Know-how zeitlich unbegrenzt überlassen wird. Die Überlassung wird nur dann nicht (mehr) von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst, wenn der Inhaber des Know-how dieses nicht nur zur Nutzung überlässt, sondern veräußert (BFH v. 16.5.2001, I R 64/99, BStBl II 2003, S. 641). Denn bei einer Veräußerung des Nutzungsrechts wird dieses nicht mehr (nur) "überlassen" (BFH v. 16.5.2001, I R 64/99, BStBl II 2003, S. 641).
Das FG hat – für den BFH bindend – den Technologietransfervertrag dahin ausgelegt, dass eine zeitlich unbegrenzte Überlassung des Know-how und keine Veräußerung i.S. einer endgültigen Aufgabe des Know-how durch P in seiner Substanz vorliegt.
Inlandsbezug der Einkünfte
Auch der territoriale Inlandsbezug der Einkünfte i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG ("im Inland genutzt") liegt vor. Das von P überlassene Know-how sollte in einer inländischen Betriebsstätte der Schwestergesellschaft der K genutzt werden. Der Technologietransfervertrag hat ungeachtet seiner vorzeitigen Beendigung zu einem Leistungsaustausch geführt. Dass das Know-how nicht den vereinbarten Umfang hatte, um die von der K verfolgten Zwecke zu erfüllen, ändert nichts an dem vom FG festgestellten Leistungsaustausch.
Steuerabzug bei beabsichtigter Nutzung des Know-how
Für die Verpflichtung zum Steuerabzug ist es unerheblich, ob der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG bereits zum Zeitpunkt der Zahlung vollständig erfüllt war. Denn nach § 50a Abs. 5 Satz 1 EStG entsteht die Steuer nach § 50a EStG in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt. Zu diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütung den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG). Dabei genügt es für die Verpflichtung zum Steuerabzug, wenn die tatsächliche Nutzung im Inland zum Zeitpunkt des Zuflusses beim Gläubiger beabsichtigt war.
Kein Ermessensfehler des FA
Wird die Abzugsteuer nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG (wie im Streitfall) nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt, hat das FA die Steuer von dem Vergütungsschuldner (hier K) durch Haftungsbescheid oder vom Steuerschuldner (hier P) durch Steuerbescheid anzufordern. Das FA hat das Auswahlermessen zulasten der K im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Steueranspruchs gegenüber dem ausländischen Steuerschuldner (P) ohne Ermessensfehler ausgeübt.
Hinweis: Billigkeitserwägungen
Der BFH ergänzt, der Umstand, dass P insolvent geworden ist und ein Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 Satz 2 ff. EStG deswegen möglicherweise nicht mehr durchgeführt werden kann, könnte ggf. in einem gesonderten Billigkeitsverfahren nach § 227 AO berücksichtigt werden. Im Streitfall war das Entschließungsermessen nach § 73g Abs. 1 EStDV eingeschränkt. Denn danach "hat" das FA die Steuer nachzufordern. Deshalb sind die Insolvenz der P und die sich daraus ergebenden Folgen für das Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG (erst) im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen. Die Insolvenz der P kann im Rahmen der Billigkeitserwägungen nicht allein deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die Insolvenz schon zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids eingetreten war.
Keine Anwendung des DBA Ungarn
Abkommensrechtliche Vorschriften sind im Steuerabzugsverfahren nicht zu berücksichtigen (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG). Das entspricht dem Zweck des Verfahrens, eine effiziente und gleichmäßige Steuerfestsetzung herbeizuführen. Zudem folgt aus § 50d Abs. 1 Satz 10 (jetzt Satz 13) EStG, dass sich der Vergütungsschuldner auch im Haftungsverfahren nicht auf eine abkommensrechtliche Freistellung des Vergütungsgläubigers berufen kann. Vielmehr werden abkommensrechtliche Freistellungen (erst) in einem gesonderten Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 Satz 2 ff. EStG berücksichtigt.
BFH Urteil vom 13.10.2021 - I R 18/18 (veröffentlicht am 14.04.2022)
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