Steuerabzug für das Honorar ausländischer Künstler
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Die Einkommensteuer wird bei beschränkt Steuerpflichtigen gem. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG – in der in den Streitjahren 1996 bis 1999 geltenden Fassung – u.a. bei Einkünften, die durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG), im Wege des Steuerabzugs erhoben. Der Steuerabzug beträgt 25 v.H. der Einnahmen (§ 50a Abs. 4 Satz 2 EStG).
Sachverhalt: Steht die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen oder Fördermitteln einer Gewinnerzielungsabsicht entgegen?
Die Klägerin, eine GmbH österreichischen Rechts mit Sitz in der Republik Österreich, betrieb im Streitzeitraum (1996 bis 1999) eine Konzertdirektion. Im Rahmen dieser Tätigkeit stellte sie für in Deutschland durchgeführte kulturelle Veranstaltungen ausländische Künstler bzw. Künstlergruppen zur Verfügung. Sie schloss hierzu für jede Veranstaltung einen Werkvertrag mit den jeweiligen Veranstaltern, in der diese sich zur Zahlung einer Vergütung an die Klägerin verpflichteten, sowie einen weiteren Werkvertrag mit den jeweiligen ausländischen Künstlern, in dem die Klägerin sich ihrerseits zur Vergütung der Auftritte verpflichtete.
Nachdem das Finanzamt (FA) hiervon Kenntnis erhalten hatte und die Klägerin auch keine Steueranmeldungen nach § 50a Abs. 5 Satz 3 EStG für die an die ausländischen Künstler gezahlten Honorare abgegeben hatte, nahm es die Klägerin im Oktober/November 1999 mit Haftungsbescheiden wegen nicht angemeldeter und abgeführter Steuerabzugsbeträge in Anspruch. Es setzte dabei die Höhe der an die Künstler gezahlten Vergütungen im Wege der Schätzung an. Die danach abzuführende Einkommensteuer berechnete das FA unter Anwendung des Steuersatzes von 25%.
Im Einspruchsverfahren reichte die Klägerin eine Aufstellung der einzelnen Künstler bzw. Künstlergruppen und die an diese gezahlten Vergütungen ein.
Mit der Einspruchsentscheidung reduzierte das FA die Haftungsbeträge entsprechend den von der Klägerin gemachten Angaben.
Im Klageverfahren trug die Klägerin u.a. vor, dass die verpflichteten ausländischen Künstler und Künstlergruppen zum überwiegenden Teil ohne Gewinnerzielungsabsicht aufgetreten seien, weil sie entweder von ihren Heimatstaaten finanziert worden oder gemeinnützig seien.
Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen.
Gegen das FG-Urteil richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidung: BFH gibt dem Finanzamt Recht
Die von der Klägerin geschuldeten Vergütungen für die inländischen Auftritte der beschränkt steuerpflichtigen Künstler bzw. Künstlerensembles unterliegen der Abzugsteuer, sodass die angefochtenen Haftungsbescheide vom FG zutreffend als rechtmäßig beurteilt worden sind.
Nach § 50 a Abs. 4 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wird bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkommensteuer in bestimmten Fällen im Wege des Steuerabzugs erhoben. Dem Steuerabzug unterliegen u. a. Einkünfte aus inländischen künstlerischen Darbietungen (§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen und unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG).
Der Steuerabzug beträgt in diesen Fällen 25 v. H. (§ 50 a Abs. 4 Satz 2 EStG).
Steuerentstehung
Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt (§ 50 a Abs. 5 Satz 1 EStG). In diesem Zeitpunkt hat der Vergütungsschuldner den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen (§ 50 a Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG) und die innerhalb eines Kalendervierteljahres einbehaltene Steuer an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen (§ 50 a Abs. 5 Satz 3 EStG).
Der Vergütungsschuldner haftet für die Einbehaltung und Abführung der Steuer (§ 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG). Soweit der Vergütungsschuldner seine Verpflichtungen nicht erfüllt, kann das Finanzamt die Steuer bei ihm durch Haftungsbescheid anfordern (§ 73 g Abs. 1 EStDV in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung).
DBA unmaßgeblich
Die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer sind gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) ungeachtet dessen anzuwenden, dass die Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, gegebenenfalls aufgrund eines DBA nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden.
Die von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten häufig Klauseln, denen zufolge das Besteuerungsrecht für Künstlervergütungen ausnahmsweise nicht dem Vertragsstaat, in dem der Auftritt stattfindet, sondern dem Ansässigkeitsstaat des Künstlers zusteht, wenn der Aufenthalt ganz oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln des Ansässigkeitsstaats finanziert worden ist. Derartige Klauseln sind indessen für den Steuerabzug nicht von Bedeutung, weil der Steuerabzug gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG ungeachtet von auf DBA beruhenden Einschränkungen der deutschen Besteuerungsbefugnisse anzuwenden ist.
Auch ausländische Vergütungsschuldner zum Steuerabzug verpflichtet
Auch Vergütungsschuldner, die im Inland weder ihren Sitz unterhalten noch eine Betriebsstätte haben, sind zum Steuerabzug verpflichtet (BFH-Urteil v. 22.8.2007, I R 46/02, BStBl II 2008, 190). Es ist ausreichend, dass Entgelte an Künstler für einen Auftritt im Inland entrichtet werden, die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 2 Buchst. d EStG beschränkt steuerpflichtig sind. Das Anbieten künstlerischer Veranstaltungen im Inland rechtfertigt die Verpflichtung zum Steuerabzug für Rechnung der Künstler, ohne dass Fragen der verwaltungstechnischen Abwicklung des Steuerabzugs eine Rolle spielen. Die an eine Betätigung im Inland anknüpfende beschränkte Steuerpflicht des Vergütungsgläubigers stellt den für die Verpflichtung zum Steuerabzug erforderlichen Inlandsbezug her.
Gewinnerzielungsabsicht
Nach ständiger Rechtsprechung sind Zahlungen und sonstige Vermögensveränderungen nicht der Einkünfteerzielung zuzuordnen, wenn sie im Zusammenhang mit Leistungen stehen, die sich als steuerlich unbeachtliche "Liebhaberei" darstellen. Eine solche liegt vor, wenn die betreffenden Leistungen nicht von dem Streben nach Gewinnerzielung getragen sind, sondern aus persönlichen Motiven erfolgen.
Der BFH teilt die Auffassung des FG, dass die ausländischen Künstlerensembles, an die die Klägerin die Vergütungen gezahlt hat, Gewinnerzielungsabsicht gehabt haben und damit einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig gewesen sind.
Insbesondere spricht hierfür, dass es sich um professionelle Theater- und Musikgruppen gehandelt hat, die europaweite Tourneen durchführten. Vor allem sind populäre Opern, Operetten und Musicals gespielt worden, die ein möglichst breites Publikum ansprechen und damit einen größtmöglichen kommerziellen Erfolg versprechen.
Obwohl sich die Feststellungen des FG nur auf die erkennbaren inländischen Aktivitäten des Künstlerensembles bezogen, reichen sie mangels gegenteiligen substantiierten Vorbringens der Klägerin aus, um auf der Stufe des Steuerabzugs von einer Gewinnerzielungsabsicht der Künstlerensembles ausgehen zu können.
Dabei war zu berücksichtigen, dass dem Vergütungsschuldner meist nähere Kenntnisse über die Einzelheiten und die Gesamtheit der wirtschaftlichen Betätigungen seines Vertragspartners und die von diesem damit verfolgten Absichten fehlen. Es würde ihn regelmäßig überfordern, müsste er im Rahmen des Steuerabzugs zunächst entsprechende Erkundigungen beim Vergütungsgläubiger einholen und auf dieser Basis sodann in eigener Verantwortung und hinreichend rechtssicher dessen Gewinnerzielungsabsicht beurteilen.
An bisheriger Rechtsprechung wird nicht mehr festgehalten
Der BFH weist zur Klarstellung darauf hin, dass, sollte sich aus dem BFH-Urteil v. 7.11.2001, I R 14/01, BStBl II 2002, 861 (ausländischer Preisgeldempfänger bei Teilnahme an einem inländischen Pferdeturnier) oder dem Beschluss vom 2.2.2010, I B 91/09, BFH/NV 2010, 878 (Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht in Ansehung der Gesamtheit der jeweiligen Betätigung) etwas anderes ergeben, daran nicht festgehalten wird.
Staatliche Subventionen
Auch die Inanspruchnahme staatlicher Subventionen durch ein Künstlerensemble spricht nicht grundsätzlich gegen dessen Gewinnerzielungsabsicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund auf staatlichen Subventionen beruhende Einnahmen eines aus Berufsmusikern oder -schauspielern bestehenden Ensembles bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht außer Acht bleiben müssen. Es handelt sich bei staatlichen Subventionen um Einnahmen, die durch die betreffende Einkunftsquelle veranlasst und folglich grundsätzlich den betreffenden Einkünften zuzuordnen sind.
Auswahlermessen, Dienstleistungsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz
Abschließend weist der BFH darauf hin, dass die Inanspruchnahme der Klägerin im Rahmen des Auswahlermessens nicht zu beanstanden ist und dass auch das Steuerabzugsverfahren nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, dem beschränkt steuerpflichtige Künstler im Hinblick auf das Honorar für Auftritte im Inland unterworfen sind, sowie ein sich gegebenenfalls anschließendes Haftungsverfahren gegenüber dem Vergütungsschuldner in ihrer für die Jahre 1996 bis 1999 maßgeblichen Ausgestaltung sowohl mit der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit als auch mit Art. 3 Abs. 1 des GG vereinbar sind.
Die angefochtenen Haftungsbescheide sind danach rechtmäßig.
BFH, Urteil v. 25.10.2023, I R 35/21; veröffentlicht am 21.3.2024
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