Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung im Revisionsverfahren
Leitsatz (NV)
Ergeht im Revisionsverfahren ein Änderungsbescheid, kann von der Zurückverweisung an das FG (§ 127 FGO) abgesehen werden, wenn die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die späteren Änderungen des angefochtenen Bescheids unberührt geblieben sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 26. Februar 2014 I R 56/12, BFHE 245, 143, BStBl II 2014, 703). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn erkennbar wird, dass bereits das FG verfahrensfehlerhaft einen (früheren) Änderungsbescheid nicht zum Gegenstand seiner Feststellungen gemacht hat.
Normenkette
FGO §§ 68, 127
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 1. November 2012 6 K 382/10 aufgehoben.
Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist, ob und in welcher Höhe aus der Anlage in einem Investmentfonds ein steuerfreier Veräußerungsgewinn erzielt wurde.
Rz. 2
Am 19. Mai 2008 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, Anteile an dem X-Fonds, einem Investmentvermögen i.S. des § 1 Abs. 1 des Investmentsteuergesetzes (InvStG). Dem Erwerb der Fondsanteile folgte der Verkauf am 15. Dezember 2008, der zu einem (handelsrechtlichen) Veräußerungsgewinn von … EUR führte. Die Bank bescheinigte in einer Wertpapierabrechnung einen steuerrelevanten Aktiengewinn (i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 InvStG) von 73,05 % des Rücknahmepreises vom 10. Dezember 2008 und 36,83 % des Erwerbspreises vom 14. Mai 2008, so dass der auf die Besitzzeit entfallende Aktiengewinn … EUR betrug. Dies soll nach den Berechnungen der Klägerin zu einem steuerfreien Veräußerungsgewinn i.S. des § 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 8 InvStG in Höhe von … EUR (95 % des auf die Besitzzeit entfallenden Aktiengewinns) führen. Nach ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr (2008) erzielte die Klägerin einen Jahresüberschuss in Höhe von … EUR.
Rz. 3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) hingegen ermittelte das Einkommen ohne Ansatz eines steuerfreien Veräußerungsgewinns und setzte auf dieser Grundlage die Körperschaftsteuer (mit Blick auf eine mögliche –zwischenzeitlich in Gang gesetzte– Außenprüfung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) fest. Zur Begründung führte er aus, eine Steuerfreiheit nach § 8b KStG liege nicht vor, da es sich um einen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung handele. Die dagegen erhobene –nach dem Antrag der Klägerin auf den Ansatz eines steuerfreien Veräußerungsgewinns in dem „Bescheid vom 30.11.2009 über Körperschaftsteuer 2008 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 07.09.2010” gerichtete– Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches Finanzgericht –FG–, Urteil vom 1. November 2012 6 K 382/10, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 328). Dabei hatte das FG dargelegt, dass die von der Klägerin in ihrer Steuererklärung erklärten und dabei von ihr selbst auf der Grundlage der vom Fonds gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 InvStG veröffentlichten Informationen errechneten „Aktiengewinne” vom FA auch wegen einer anstehenden Außenprüfung der Höhe nach nicht überprüft worden seien.
Rz. 4
Die Beteiligten waren mit einem Aufklärungsschreiben des Senatsvorsitzenden darauf aufmerksam gemacht worden, dass nach einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen vom 14. August 2014 (juris: VV NW OFD NRW 2014-08-14 S 2750a-1014-St 131) „zwischenzeitlich … die Besteuerungsgrundlagen für die am 31.01.2009 und am 31.01.2010 endenden Geschäftsjahre des … Investmentfonds … durch das Bundeszentralamt für Steuern geprüft (wurden). Neben den Ankäufen und Verkäufen von Aktien erwarb der Fonds auch Optionsscheine und Forwards, welche sich jeweils auf die Referenzaktie bezogen. Diese Geschäfte stehen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Aktiengeschäften. Die Gewinne und Verluste aus diesen Options- und Termingeschäften wurden daher bei der (Neu-)Berechnung des Fonds-Aktiengewinns berücksichtigt. … „.
Rz. 5
Unter dem 9. Juli 2015 erging daraufhin ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid; unter Hinweis auf Prüfungsfeststellungen des Bundeszentralamts für Steuern berücksichtigte man dabei einen „Aktiengewinn während der Besitzzeit” von … EUR und (nach Abzug von nicht abziehbaren Ausgaben) einen „steuerfreien Veräußerungsgewinn gem. § 8b KStG” in Höhe von … EUR einkommensmindernd. In den Erläuterungen des Bescheids wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid den Bescheid vom 24. März 2015 ändere. In jenem Bescheid, der dem Senat im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgelegt wurde, heißt es, jener Bescheid ändere den Bescheid vom 1. Dezember 2011.
Rz. 6
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung einer Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns Fonds-Anteile in Höhe von … EUR festzusetzen.
Rz. 7
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
II. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Rz. 9
1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da im Revisionsverfahren Änderungsbescheide ergangen sind (Änderungsbescheid vom 9. Juli 2015, der wiederum den Bescheid vom 24. März 2015 geändert hat). Diese Bescheide sind im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe jeweils an die Stelle des ursprünglich angefochtenen Bescheids getreten (§ 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).
Rz. 10
2. Da ausweislich des Erläuterungstextes zum Bescheid vom 24. März 2015 der ursprünglich angefochtene Bescheid bereits während des finanzgerichtlichen Verfahrens durch einen Bescheid vom 1. Dezember 2011 ersetzt worden war, der aber verfahrensfehlerhaft nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils geworden ist, kann der Senat nicht von einer Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO absehen. Denn eine solche Verfahrensweise setzt voraus, dass die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die späteren Änderungen des angefochtenen Bescheids unberührt geblieben sind (s. z.B. Senatsurteile vom 7. September 2011 I R 12/11, BFHE 235, 225, BStBl II 2012, 194; vom 26. Februar 2014 I R 56/12, BFHE 245, 143, BStBl II 2014, 703). Im hier zu entscheidenden Verfahren lässt sich aber nicht mit ausreichender Sicherheit erkennen, ob die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs (auf der Grundlage des ursprünglich angefochtenen Bescheids vom 30. November 2009) durch die (ihm vom FA offenbar entgegen § 68 Satz 3 FGO nicht mitgeteilten und deshalb unbekannten) Änderungen des angefochtenen Bescheids (Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2011) unberührt geblieben sind. Dann kann aber der –wahrscheinlich durch einen Verstoß des FA gegen § 68 Satz 3 FGO veranlasste– Verfahrensfehler des FG nicht unter dem Gesichtspunkt unbeachtlich bleiben, dass der Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte geschaffen hat (s. insoweit Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 2. Dezember 2013 III B 157/12, BFH/NV 2014, 545, m.w.N.).
Rz. 11
3. Die Zurückverweisung verschafft dem FG die Gelegenheit, eine Entscheidung zur Ermittlung der Höhe des Veräußerungsgewinns auf der Grundlage der letzten behördlichen Entscheidung im Änderungsbescheid vom 9. Juli 2015 zu treffen, was die Notwendigkeit einschließt, die unter den Beteiligten streitige Rechtsfrage einer Anwendung der Rechtsgrundsätze des Senatsurteils vom 9. April 2014 I R 52/12 (BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861) zu entscheiden.
Rz. 12
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 9329282 |
BFH/NV 2016, 1034 |