Anleger-Aktiengewinns nach § 8 Abs. 3 InvStG 2004

Bei der Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns ist der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 bis 3 InvStG 2004 ermittelte Wert auch dann nach § 8 Abs. 3 Satz 4 InvStG 2004 zu kürzen, wenn im Vorjahr § 8 InvStG 2004 noch nicht anwendbar gewesen ist.

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie hatte im Jahr 2000 Anteile an dem inländischen Spezial-Sondervermögen Fonds II, erworben, darüber hinaus im Jahr 2001 Anteile an dem inländischen Spezial-Sondervermögen Fonds I. Beide Spezial-Sondervermögen hatten ihr Vermögen in inländische und ausländische Aktiengesellschaften sowie inländische und ausländische festverzinsliche Wertpapiere investiert.

Im Jahr 2005 gab die Klägerin sämtliche Anteile an beiden Spezial-Sondervermögen zurück. Beide Spezial-Sondervermögen wurden im Jahr 2005 aufgelöst.

Das FA erhöhte u.a. den Gewinn der Klägerin für das Jahr 2004 außerbilanziell gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 8 InvStG 2004 i.V.m. § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG. Den Korrekturbetrag berechnete das FA auf der Grundlage der im Schreiben des BMF vom 25.7.2016 (BStBl I 2016, 763) niedergelegten Auffassung der Finanzverwaltung.

Finanzgericht gab Klage statt

Das FG Nürnberg gab der Klage statt und machte die vom FA in den Jahren 2003 und 2004 vorgenommenen außerbilanziellen Hinzurechnungen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften beziehungsweise dem Investmentsteuergesetz 2004 in voller Höhe wieder rückgängig.

Nach Ansicht des FG führt die Anwendung des § 8 InvStG 2004 zu einer nachträglichen Hinzurechnung der in den Jahren 2001 und 2002 steuerwirksam vorgenommenen Teilwertabschreibungen. Darin liege eine verbotene echte Rückwirkung.

Gegen diese Entscheidung hat das FA betreffend die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2004 und den Gewerbesteuermessbetrag für 2004 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 Revision eingelegt.

Das FA hat während des Revisionsverfahrens einen nach § 174 AO geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer für 2004 erlassen und den Gewinn, der der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2004 durch das Urteil der Vorinstanz zu Grunde liegt, um 4.031.220 EUR erhöht. Dem liegt eine geänderte Berechnung der außerbilanziellen Korrektur nach § 8 InvStG 2004 zu Grunde.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, soweit es den Veranlagungszeitraum 2004 betrifft, und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen und den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2004 dahingehend zu ändern, dass die außerbilanzielle Hinzurechnung nach § 8 Abs. 3 InvStG 2004 in Höhe von 4.031.220 EUR rückgängig gemacht wird.

Entscheidung: BFH hält die Revision des FA für begründet

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt in dem durch den Revisionsantrag bestimmten Umfang zur Aufhebung der Vorentscheidung und mangels Spruchreife zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Der BFH weist u.a. auf Folgendes hin:

  • Sollte nach den vom FG noch zu treffenden Feststellungen ein Ansatz der Anteile am Fonds I und am Fonds II zum 31.12.2004 mit unter den Anschaffungskosten liegenden Teilwerten möglich sein, wird das FG im zweiten Rechtsgang den gemäß § 8 Abs. 3 InvStG 2004 i.V.m. § 8b KStG zu berücksichtigenden Teil der Einnahmen/der Vermögensminderungen zu ermitteln haben.
  • Zeitlich ist § 8 InvStG 2004 bei Anteilen an einem inländischen Investmentvermögen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 erstmals auf Einnahmen anzuwenden, die nach dem 31.12.2003 zufließen, sowie auf Gewinnminderungen, die nach dem 31.12.2003 entstehen.
  • Wenn ein Ansatz der Anteile am Fonds I und am Fonds II nach den vom FG noch zu treffenden Feststellungen mit unter den Anschaffungskosten liegenden Teilwerten zutreffend sein sollte, liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 im Streitjahr vor. Eine aus diesem Ansatz folgende Gewinnauswirkung wäre nach dem 31.12.2003 entstanden/zugeflossen.
  • § 8 InvStG 2004 ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 bei Anteilen an inländischen Investmentvermögen uneingeschränkt zeitlich anwendbar, wenn die dem § 8 Abs. 1 und 2 InvStG 2004 unterfallenden Einnahmen oder Vermögensminderungen nach dem 31.12.2003 zugeflossen oder entstanden sind. Ist dies der Fall, hat die Anwendung des § 8 InvStG 2004 vollständig – einschließlich des § 8 Abs. 3 Satz 4 InvStG 2004 – in der zum Bewertungsstichtag anwendbaren Gesetzesfassung zu erfolgen. Daher muss ein Korrekturbetrag nach § 8 Abs. 3 Satz 4 InvStG in der zum Bewertungsstichtag einschlägigen Fassung des Gesetzes auch dann ermittelt werden, wenn dies eine Ermittlung des Anleger-Aktiengewinns und des Bilanzansatzes für einen vor dem 31.12.2003 liegenden Zeitraum zur Folge hat.
  • Eine Korrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 4 InvStG 2004 setzt schließlich – anders als es das FA meint – auch nicht voraus, dass eine auf einem negativen oder positiven Anleger-Aktiengewinn beruhende innerbilanzielle Gewinnauswirkung in den vorangegangenen Jahren tatsächlich außerbilanziell korrigiert wurde. Eine solche Voraussetzung lässt sich § 8 InvStG 2004 nicht entnehmen.
  • Da über § 8 Abs. 3 Satz 4 InvStG 2004 eine nochmalige Korrektur von in den Vorjahren realisierten Wertminderungen bereits verhindert wird, bedarf es – anders als es die Vorinstanz meint – keines Ansatzes eines vom Gesetz nicht vorgesehenen Korrekturpostens zwecks Vermeidung einer unzulässigen Rückwirkung.
  • Ist der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 bis 4 InvStG 2004 ermittelte Betrag negativ, ist in Höhe dieses Betrags eine außerbilanzielle Hinzurechnung nach § 8 Abs. 1 InvStG 2004 i.V.m. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG vorzunehmen. Ist er hingegen positiv – was im Streitfall bei einer Berechnung unter Berücksichtigung der bisher vom FG als Teilwerte angesetzten Rücknahmepreise der Fall wäre – ist der Gewinn insoweit grundsätzlich gemäß § 8 Abs. 2 InvStG 2004 i.V.m. § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG außerbilanziell zu kürzen (vgl. BMF, Schreiben v. 2.6.2005, BStBl. I 2005, 728, Rz. 179). Allerdings scheidet eine außerbilanzielle Kürzung nach § 8 Abs. 2 InvStG 2004 i.V.m. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG dann aus, wenn – wie im Streitfall – in früheren Jahren bereits eine steuerwirksame Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert stattgefunden hat, soweit diese durch den Ansatz des höheren Teilwerts bisher nicht wieder ausgeglichen worden ist.

BFH, Urteil v. 8.5.2024, I R 6/20; veröffentlicht am 8.8.2024

Alle am 8.8.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen