Kosten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
Hintergrund: Beratungs- und Lagerkosten im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sieht vor, dass von dem Erwerb unter anderem die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.
Fraglich war im Urteilsfall, ob es sich bei den bei einer Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft angefallenen Beratungs- und Lagerkosten um Nachlassregelungskosten handelt, sodass diese als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig sind?
Der dem Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
- Die Klägerin ist testamentarisch eingesetzte Miterbin nach der im Jahr 2017 verstorbenen Erblasserin. Die Erblasserin war Alleinerbin ihres im selben Jahr vorverstorbenen Ehemannes. Die Eheleute hatten in einem Testament aus dem Jahr 2004 verschiedene Familienmitglieder angeführt, die nach dem Tod des letztverstorbenen Ehegatten Erben oder Vermächtnisnehmer sein sollten. In dem Testament hatten sie festgelegt, welcher Geldbetrag an jeden Erwerber ausgezahlt werden sollte.
- Im Jahr 2012 waren die Eheleute aus dem Ausland in eine Seniorenresidenz in der Bundesrepublik Deutschland gezogen. Für die Einlagerung der späteren Nachlassgegenstände, für die sie in der Seniorenresidenz keinen Platz fanden, schlossen sie einen kostenpflichtigen Lagervertrag ab.
- Im Jahr 2018 wurde allen Miterben ein gemeinschaftlicher Erbschein mit den Erbquoten der einzelnen Erwerber entsprechend dem an sie auszuzahlenden Geldbetrag (für die Klägerin eine Quote in Höhe von 10,103 %) erteilt.
- Der eingesetzte Testamentsvollstrecker machte in der Erbschaftsteuererklärung für die Erbengemeinschaft Räumungskosten für ein Büro und die Wohnung der Erblasserin als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Außerdem gab er Lagerkosten für die Einlagerung der Nachlassgegenstände an, soweit sie auf die Klägerin entfielen.
- Zudem machte er das Honorar einer Kunstexpertin für die Beratung bei der Veräußerung der Nachlassgegenstände geltend. Dies betraf den Anteil der Klägerin an der Erbmasse. Der Testamentsvollstrecker hatte kurz nach dem Tod der Erblasserin mit der Kunstexpertin einen Geschäftsbesorgungsvertrag für die Sichtung, Lagerung, Inventarisierung und Vermittlung der Veräußerung der Nachlassgegenstände geschlossen.
Im Erbschaftsteuerbescheid vom 22.7.2020 erkannte das Finanzamt die erklärten Erbfallkosten nicht als Nachlassverbindlichkeiten an. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen.
Die hiergegen erhobene Klage war teilweise erfolgreich. Das FG ließ die Räumungskosten für Büro und Wohnung als Nachlassverbindlichkeiten zum Abzug zu. Das Honorar für die Kunstexpertin und die Kosten für den Lagervertrag sah es jedoch nicht als Erbfallkosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des ErbStG an. Der notwendige enge sachliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Tod der Erblasserin sei nicht mehr gegeben. Die Miterben hätten die Nachlassgegenstände bereits in Besitz genommen. Die Kosten seien somit erst anlässlich der Verwertung der Nachlassgegenstände angefallen und gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig
Entscheidung: Abzug der Kosten als Nachlassverbindlichkeiten
Die Revision der Klägerin ist begründet. Bei den Kosten für das Honorar der Kunstexpertin und für die Lagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Versteigerung handelt es sich um abzugsfähige Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Der BFH führt hierzu u.a. aus:
- Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.
- Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses.
- Der BFH hat bereits entschieden, dass zu den Kosten für die "Verteilung des Nachlasses" die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gemäß § 2042 BGB gehören (BFH, Urteil v. 9.12.2009, II R 37/08, BStBl II 2010, 489, unter II.1.).
- Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können, wenn – wie im Streitfall – die Auseinandersetzung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers erfolgt, auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkauf dazu dient, die Geldbeträge zu erlangen, die nach dem testamentarischen Willen des Erblassers an die einzelnen Miterben ausgezahlt werden sollen.
- Es ist für den Abzug unschädlich, sondern vielmehr für die Nachlassabwicklungs-, Nachlassregelungs- und Nachlassverteilungskosten typisch, dass der Erbe selbst die Kosten ausgelöst hat. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet hat (§ 2197 Abs. 1 BGB) und der Testamentsvollstrecker die Kosten im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben, die er nach § 2204 Abs. 1 BGB zu bewirken hat, auslöst.
- Das FG hat den Begriff der Kosten der Verteilung des Nachlasses im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zu eng ausgelegt. Es hat bei der Würdigung des Einzelfalls nicht berücksichtigt, dass zu den Kosten für die "Verteilung des Nachlasses" die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gehören, wenn diese in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers erfolgt. Dienen die dabei anfallenden Kosten dazu, die in der letztwilligen Verfügung des Erblassers den einzelnen Miterben zugewandten Geldbeträge zu erzielen, sind sie noch der Verteilung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG und noch nicht der Verwaltung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG zuzuordnen. Die Entscheidung des FG war daher aufzuheben.
BFH, Urteil v. 21.8.2024, II R 43/22, veröffentlicht am 12.12.2024
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