Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Laufende Bezüge, die von bischöflichen Kassen an dienstlich nicht verwendete ostvertriebene Geistliche gezahlt werden, unterliegen dem Steuerabzug vom Arbeitslohn.
EStG 1949 § 3 Ziffer 2, § 19 Absatz 1; LStDV 1949 § 2 Absatz 1, § 6 Ziffer 1; LStR 1948 Abschnitt 10
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 2, § 19/1; LStDV § 2 Abs. 1, § 6/1
Tatbestand
Der Bischof zahlt durch die Bistumshauptkasse an ostvertriebene Geistliche, die dienstlich nicht wieder verwendet werden können, laufende Unterstützungen, die dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden sind. Die Mittel dafür werden durch freiwillige Spenden und Kollekten bei den Gläubigen beschafft. Ergebnislose Verhandlungen wegen der Lohnsteuerfreiheit dieser Bezüge haben zu dem vorliegenden Musterstreit geführt. Die Bistumshauptkasse hat auf Anweisung des Generalvikariats bei dem ostvertriebenen Pfarrer X, der in der Gemeinde Y wohnhaft ist und eine Unterstützung von monatlich 200 DM bezieht, für den Monat Juni 1949 die auf die Unterstützung entfallende Lohnsteuer im Betrage von 12,75 DM nicht abgeführt. Das Finanzamt forderte daraufhin mit Haftungsbescheid vom 11. August 1949 die Zahlung der Lohnsteuer. Gegen diesen Haftungsbescheid eingelegte Rechtsmittel wurden vom Finanzamt und Finanzgericht als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgerichts-Urteil ging in seiner Begründung von der Vorschrift des § 2 Absatz 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1949 S. 157, Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets - AMBlFin - 1949 S. 170) über den Begriff des Arbeitslohnes aus. Wegen der Rechtsprechung bezog es sich auf das Urteil des RFHofs VI A 141/34 vom 24. Oktober 1934 (Reichssteuerbl. 1935 S. 335 = Steuer und Wirtschaft 1934 Nr. 725; vgl. hierzu Enno Becker, Steuer und Wirtschaft 1934 Sp. 1619 ff.). Arbeitslohn sei danach im weitesten Sinne alles, was im Rahmen eines nichtselbständigen Arbeitsverhältnisses als Anlaß und als Ausfluß dieser Tätigkeit dem Arbeitnehmer zufließe, also auch Entschädigungen (und überhaupt Zuwendungen), die der Arbeitgeber seinen früheren Angestellten aus Gründen der Sitte und des Anstands, aus Entgegenkommen gewähre. Das Finanzgerichts-Urteil nahm wegen der Leistungen Dritter als Arbeitslohn weiter Bezug auf öftering, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 3. Aufl. Eberswalde 1944, § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsbestimmungen 1939, Anm. 33 S. 75, 76. Es heißt dort:
"Dritte Personen als Arbeitgeber". "Es gibt (aber) Fälle, in denen zwischen dem Dritten, der den Arbeitslohn an die Arbeitnehmer eines anderen zahlt, und dem anderen besondere Beziehungen bestehen, die es rechtfertigen, die Zahlung des Dritten als Arbeitslohn und den Dritten selbst als Arbeitgeber anzusehen. Es ist diesen Fällen immer gemeinsam, daß zwischen dem Dritten und dem anderen Verhältnisse gegeben sind, die den Dritten, wirtschaftlich betrachtet, als einen Vertreter des anderen erscheinen lassen. Beispiele für solche Verhältnisse:
A. Der Sohn zahlt für den verstorbenen Vater an dessen langjährige Hausgehilfin ein Ruhegeld."
Die von der Bistumshauptkasse gezahlten Unterstützungen kämen den Teilzahlungen an vertriebene Ostbeamte, auf die ebenfalls kein Rechtsanspruch bestehe (Artikel 131 Satz 3 des Bonner Grundgesetzes) und von denen stets die Lohnsteuer einbehalten worden sei, in ihrer Höhe etwa gleich. Wenn eingewandt werde, daß im Gegensatz zum früheren Reich und öffentlich-rechtlichen Körperschaften im früheren Reich wie Provinzialverbänden und Städten die katholische Kirche weder in Deutschland noch in der Welt als Gesamtkirche in wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht eine Einheit darstelle und deshalb die Diözesen weder rechtlich noch wirtschaftlich einer Leitung und Aufsicht durch die römische Zentralgewalt unterlägen, so spiele dieser Unterschied für die Frage, ob Zahlungen an vertriebene Ostbeamte oder Ostgeistliche als Arbeitslohn anzusehen seien, keine Rolle. In beiden Fällen bildeten die früheren Dienstverhältnisse Veranlassung und Grund für die Zahlung, es handle sich in beiden Fällen nicht um Almosen. Die Entscheidung des Hauptamtes für Soforthilfe
"Diese freiwilligen Leistungen (an ostvertriebene Ruhestandsgeistliche) bleiben bei der Prüfung der Bedürftigkeit insofern nach dem Soforthilfegesetz (SHG) außer Ansatz (Steuerdurchführungsverordnung zum Soforthilfegesetz Ziffer 5 zu § 35) und werden auch auf die Unterhaltsbeihilfe selbst nicht angerechnet (ß 36 Absatz 4 SHG)" sei für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung. Schließlich könne ein Arbeitgeber, der sich die Mittel für die Zahlungen an seine Arbeitnehmer teilweise durch Sammlungen beschaffe, nicht geltend machen, daß seine Zahlungen dadurch ihren rechtlichen Charakter als Arbeitslohn verlören; ebensowenig könne sich ein Dritter, der Zahlungen mit Rücksicht auf ein früheres Dienstverhältnis leiste, darauf berufen.
Der Beschwerdeführer (Bf.) weist in seiner Rechtsbeschwerde demgegenüber wiederholt darauf hin, daß die allgemeine Verbindung der Gläubigen durch das Band des katholischen Glaubens und des allgemeinen Priestertums nicht der Grund für die Festlegung einer Lohnzahlung sein könne, es sich vielmehr um freie Liebestätigkeit der Kirche handle. Bei diesen Zahlungen sei nur ein Besonderes, daß der Bischof die alten und kranken Geistlichen vorweg unterstütze, weil sie mehr noch in Not und auf zuvorkommende Hilfe angewiesen seien als andere Personen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Der erkennende Senat tritt den Gründen des Finanzgerichts-Urteils, soweit sie oben wiedergegeben sind, im vollen Umfange bei. Insbesondere sieht auch er keine Veranlassung, auf die Frage, ob die römisch-katholische Kirche eine Rechts- und Verwaltungseinheit ist und die Diözesen einer Aufsicht und Leitung durch die römische Zentralgewalt unterliegen, näher einzugehen. Es ist jedenfalls auch im deutschen Staatskirchenrecht überall anerkannt, daß die Bistümer nicht bloß kirchliche Verwaltungsbezirke sind, sondern auch juristische Persönlichkeit besitzen und als solche durch den Bischof vertreten werden. Sicher vermögen ferner die Vorschriften des Soforthilfegesetzes und seiner Durchführungsverordnung zur Unterhaltshilfe darüber nichts Maßgebliches anzuordnen, was Arbeitslohn im einkommensteuerrechtlichen Sinne sein soll.
Enno Becker, a. a. O., unterscheidet zwischen dem, was Frucht der (früheren) Arbeitstätigkeit ist, was dem Arbeitnehmer seiner Arbeit wegen zukommt (Arbeitslohn), oder was ihm aus einem anderen Grund, insbesondere als Geschenk oder aus Barmherzigkeit, zufällt. Was den vertriebenen Ostgeistlichen in Fällen der vorliegenden Art zufließt, ist Frucht der früheren Arbeitstätigkeit, kein Geschenk oder Almosen. Die Zuwendungen werden nicht aus den Mitteln des Caritasverbandes aufgebracht; sie werden nur an Ruhestandsgeistliche, nicht an andere Katholiken gezahlt. Es mag sein, daß zwischen den an ostvertriebene Beamte vom Staat gezahlten Unterstützungen und den hier in Rede stehenden Zuwendungen gewisse Gradunterschiede hinsichtlich der zugrunde liegenden Verbundenheit bestehen. Wesentlich ist der tatsächliche Zusammenhang mit dem ehemaligen Dienstverhältnis. Auch bei den vertriebenen Beamten (Flüchtlingen) steht der tatsächliche Zusammenhang mit dem ehemaligen Dienstverhältnis im Vordergrund. Auf den rechtlichen Zusammenhang mit dem früheren oder auch noch gegenwärtigen (Inkardination), can. 111 - 117 des Codex Juris Canonici) Dienstverhältnis kommt es nicht wesentlich an. Es wird sich nicht bestreiten lassen, daß zwischen den Diözesen der Gesamtkirche ein solcher tatsächlicher Zusammenhang wenigstens (eine ausreichende Beziehung, vgl. Abschnitt 10 Absatz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1948) besteht. Abschnitt 10 Absatz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 1948 (AMBlFin 1948 S. 64) hat das Finanzgericht mit Recht als nicht die Lohnsteuerfreiheit der Unterstützung begründend bezeichnet, weil laufende Zahlungen zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts keine "Unterstützungen aus öffentlichen Kassen in besonderen Notfällen (z. B. Krankheits- und Unglückfällen)" darstellen. Auch eine sonstige sachliche Steuerbefreiung im Sinne des § 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 (vgl. besonders § 3 Ziffer 2 EStG 1949 und § 6 Ziffer 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1949) ist nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 407202 |
BStBl III 1951, 80 |
BFHE 1952, 212 |
BFHE 55, 212 |