Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung von Aktienoptionen als Arbeitslohn bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit teilweise steuerfreier Auslandstätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ein nicht handelbares Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis gewährt, so liegt darin zunächst nur die Einräumung einer Chance. Ein geldwerter Vorteil fließt dem Berechtigten erst zu, wenn dieser die Option ausübt und der Kurswert der Aktien den Übernahmepreis übersteigt (Bestätigung des BFH-Urteils vom 10. März 1972 VI R 278/68, BFHE 105, 348, BStBl II 1972, 596, und des BFH-Beschlusses vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BFHE 189, 403, BStBl II 1999, 684).
2. Das Optionsrecht wird regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu verschaffen. Soweit die von dem begünstigten Arbeitnehmer in dem Zeitraum zwischen der Gewährung und der Ausübung des Optionsrechts bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wegen einer Auslandstätigkeit nach Abkommensrecht steuerfrei sind, ist deshalb auch der bei Ausübung des Optionsrechts zugeflossene geldwerte Vorteil anteilig steuerfrei.
3. Die Steuerbefreiung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer das Optionsrecht erst nach Beendigung der Auslandstätigkeit ausübt.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2; DBA GBR Art. XI Abs. 2; DBA GBR Art. XI Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in den Streitjahren 1993 und 1995 und auch in den Jahren zuvor nichtselbständig bei einer inländischen Arbeitgeberin (A) tätig. Deren englische Konzernobergesellschaft (B) hatte ihm 1990 und 1992 vererbliche, nicht handelbare und stufenweise ―frühestens nach Ablauf von drei Jahren, spätestens bis zum Ablauf von zehn Jahren― ausübbare Optionsrechte auf den späteren Erwerb von Aktien an ihrem Unternehmen zu einem bestimmten Übernahmepreis eingeräumt, der dem damaligen Börsenkurs entsprach. Diese Rechte hat der Kläger in den Streitjahren ausgeübt und die erworbenen Aktien unmittelbar anschließend an seine Arbeitgeberin veräußert.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah die vereinnahmten Unterschiedsbeträge zwischen den Börsenkursen bei Einräumung der Optionen und den Börsenkursen bei Optionsausübung als Arbeitslohn der Streitjahre an und erfasste im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen entsprechende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Abweichend von dem laufenden Gehalt des Klägers wurde der Unterschiedsbetrag nicht anteilig gemäß Art. XI Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Buchst. b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung (DBA-Großbritannien) steuerfrei belassen, obwohl der Kläger im Streitjahr 1993 an 76 Arbeitstagen für eine englische Schwestergesellschaft seiner Arbeitgeberin in England gearbeitet hatte, die mit den Lohnkosten belastet worden war.
Die dagegen gerichtete Klage hatte lediglich insoweit Erfolg, als dem Kläger auf die in Rede stehenden Differenzbeträge die Tarifvergünstigung gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährt wurde. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1634 abgedruckt.
Ihre Revision stützen die Kläger auf Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung der angefochtenen Bescheide für 1993 auf … DM und für 1995 auf … DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zwar ist der Vorinstanz darin beizupflichten, dass der geldwerte Vorteil aus der Optionseinräumung dem Kläger erst in jenem Zeitpunkt zufloss, in dem er die Rechte ausübte. Dabei sind jedoch die Zeiten, in denen er seit der jeweiligen Optionsgewährung in England tätig war, nach Maßgabe des DBA-Großbritannien zu berücksichtigen. Die tatrichterlichen Feststellungen hierzu reichen jedoch nicht aus, um in der Sache selbst zu entscheiden.
1. Werden Aktien verbilligt erworben, so stellt dies einen geldwerten Vorteil dar. Dieser ist, wenn die Einräumung der Möglichkeit auf dem Arbeitsverhältnis beruht, Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG). Die hierauf entfallende Einkommensteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG).
Bei der Einräumung eines Rechts deckt sich der Zeitpunkt des Zuflusses im Allgemeinen mit dem Zeitpunkt der Erfüllung des Anspruchs. In Einklang hiermit sieht die Rechtsprechung die Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen, regelmäßig noch nicht als Zufluss eines Vorteils in Geldeswert an (Bundesfinanzhof ―BFH―, Urteil vom 3. Juli 1964 VI 262/63 U, BFHE 81, 225, BStBl III 1965, 83). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten verschafft.
2. Die geschilderten Grundsätze sind unabhängig davon bedeutsam, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bar- oder Sachlohn einräumt. Dementsprechend fließt bei dem Versprechen des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen Gegenstand (z.B. ein Grundstück) zuzuwenden, Arbeitslohn nicht bereits mit wirksamer Zusage, sondern erst in dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum verschafft (BFH-Urteile vom 26. Juli 1985 VI R 200/81, BFH/NV 1986, 306, und vom 10. November 1989 VI R 155/85, BFH/NV 1990, 290). Dabei ist auf den Zuflusszeitpunkt ungeachtet der Tatsache abzustellen, dass damit nicht nur die Höhe des geldwerten Vorteils beeinflusst sein kann, sondern auch ―wie beim Losgewinn (BFH-Urteil vom 25. November 1993 VI R 45/93, BFHE 173, 65, BStBl II 1994, 254)― davon abhängen kann, ob beim betreffenden Arbeitnehmer überhaupt ein geldwerter Vorteil anfällt.
Nichts anderes gilt, wenn sich das Versprechen des Arbeitgebers auf die spätere Verschaffung einer Aktie bezieht. Dementsprechend hat der VI. Senat des BFH für den Fall, dass einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ein nicht handelbares Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis eingeräumt wurde, als Arbeitslohn nicht den Wert des Optionsrechts bei dessen Gewährung, sondern die Differenz zwischen Kurswert und Übernahmepreis bei Ausübung der Option angesehen (BFH-Urteil vom 10. März 1972 VI R 278/68, BFHE 105, 348, BStBl II 1972, 596; BFH-Beschluss vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BFHE 189, 403, BStBl II 1999, 684, m.w.N.). Ob Gleiches auch für handelbare Optionen (vgl. dazu Oberfinanzdirektion Berlin, Verfügung vom 25. März 1999, Der Betrieb ―DB― 1999, 1241) gelten soll, ist bislang unbeantwortet geblieben.
3. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des VI. Senats an. Er folgt nicht den im Schrifttum vielfach vertretenen abweichenden Erwägungen (Nachweise bei Deutschmann, Vergütungshalber gewährte Aktienoptionen im deutschen und US-amerikanischen Steuerrecht, 2000, S. 92 ff.; vgl. auch Schubert, Finanz-Rundschau ―FR― 1999, 639; Neyer, Betriebs-Berater ―BB― 1999, 130; Kau/Leverenz, BB 1998, 2269; Portner/Bödefeld, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1995, 629; Portner, DStR 1998, 1535; vgl. auch die Zusammenfassung bei Herzig, DB 1999, 1). Diese Erwägungen rechtfertigen es weder allgemein noch für den streitgegenständlichen Sachverhalt, von den oben wiedergegebenen Grundsätzen abzuweichen. Sie rechtfertigen es auch nicht, das angefochtene Urteil schon deswegen aufzuheben, weil die Vorinstanz unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das Vorbringen der Kläger teilweise übergangen und sein Urteil nicht hinreichend begründet hätte (§ 105 Abs. 2 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO). Die diesbezüglichen Verfahrensrügen der Kläger greifen nicht durch. Auch wenn das FG nicht sämtliche Einzelaspekte und Sachargumente, die vorgebracht worden sind, berücksichtigt hat, so ist dies doch nicht zu bemängeln. Eine Auseinandersetzung mit jedem einzelnen vorgetragenen Gesichtspunkt ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn die für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe mitgeteilt werden (vgl. von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 105 Rz. 24 und 11, m.w.N.).
a) Dass die Optionen nicht durch den Arbeitgeber, vielmehr durch deren Konzernobergesellschaft, also durch einen Dritten, eingeräumt worden sind, ist unbeachtlich. Es kommt darauf an, dass die Zuwendung des Dritten sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und aus Sicht des Zuwendenden im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (BFH-Urteile vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707; vom 5. Juli 1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545). Ein Zusammenhang ist erst auszuschließen, wenn zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger unmittelbare eigene rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen gegeben sind (Urteil in BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545). Solche Beziehungen sind im Streitfall nicht ersichtlich oder geltend gemacht. Die im Schrifttum (vgl. z.B. Portner, DStR 1997, 1876; 1998, 1535, 1536) geäußerte Vermutung, das Interesse einer Muttergesellschaft, die das Aktienoptionsprogramm auflege, ziele in eine andere Richtung als das Interesse des Arbeitgebers, ist nicht durchschlagend. Auch wenn der Anteilseigner mit einem solchen Programm noch weitere, eigene Zwecke verfolgen sollte, so würde dies doch nichts daran ändern, dass er die Option mit Blick auf das jeweilige konkrete Arbeitsverhältnis einräumt (vgl. im Einzelnen Deutschmann, a.a.O., S. 137 ff.).
b) Die im Streitfall in Rede stehenden Optionsrechte sind nach den Zusagebedingungen nicht übertragbar; ihre Ausübung unterfällt überdies einer dreijährigen Sperrfrist. Damit sind sie für den Berechtigten bis zum Ablauf der Frist unverwertbar. Der Umstand, dass die Optionen vererblich sind, ändert daran nichts. Das bestätigt lediglich, dass es sich bei der Einräumung der Option um einen geldwerten Vorteil handelt und stellt sicher, dass die mit der Einräumung der Anwartschaft versehene Chance beim Tode des Berechtigten nicht ersatzlos wegfällt, sondern auf seine Erben übergehen kann. Dieser tritt als Rechtsnachfolger ―ausnahmsweise― in die Anwartschaftsposition des Berechtigten ein, die an sich von diesem nur höchstpersönlich wahrgenommen werden kann. Die Bedingungen, unter die diese Chance gestellt worden ist, bleiben hiervon jedoch unberührt, insbesondere deren Unübertragbarkeit (Deutschmann, a.a.O., S. 161; Thomas, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1999, 710, 713).
c) Auch der Einwand, die Option lasse sich ungeachtet ihrer Unübertragbarkeit durch ein Gegengeschäft (ein sog. Opening und Closing Geschäft durch Eingehen einer Verpflichtung aus einer sog. Put Option auf die sog. Call Option) "glattstellen", indem der Berechtigte den ihm in Aussicht gestellten Differenzgewinn im Vorwege realisiert, erweist sich als nicht tragfähig. Solche Transaktionen werden gegenwärtig allein an der Deutschen Terminbörse ermöglicht, an der Mitarbeiteroptionen nicht gehandelt werden, wie sie im Streitfall in Rede stehen (vgl. dazu Deutschmann, a.a.O., S. 70, 79 f., 120; Bundesministerium der Finanzen ―BMF―, Schreiben vom 10. November 1994, BStBl I 1994, 816). Eine unabhängig davon mögliche bloße wirtschaftliche "Glattstellung" genügt hingegen nicht, weil sie nicht die endgültige Verwertung der Option gewährleistet. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Glattstellungstransaktion die Aktienoption endgültig zum Erlöschen brächte. Hierfür wäre wiederum eine rechtliche Verknüpfung erforderlich, die indes außerhalb des Börsenhandels nicht möglich ist (Deutschmann, a.a.O., S. 79 f., S. 120; Herzig, DB 1999, 1, 4; vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juni 1999 10 K 464/96, EFG 2000, 64, 65). Die wirtschaftliche "Glattstellung" wird deshalb seitens der Finanzverwaltung zutreffend nicht anerkannt (BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 816; a.A. Portner/Bödefeld, DStR 1995, 629, 634; Schubert, FR 1999, 639, 643). Ob eine hiervon abweichende rechtliche Einschätzung nach Wegfall der Verwertungshindernisse geboten wäre (so FG Baden-Württemberg, Urteil in EFG 2000, 64, 65, gegen BFH-Urteil in BFHE 105, 348, BStBl II 1972, 596), kann im Streitfall dahinstehen; hier fallen das Ende der Sperrfristen und die Optionsausübung in den Streitjahren zusammen.
d) Die Kläger verweisen in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf sonstige Sachzuwendungen, die gleichermaßen nicht übertragbar seien, wie beispielsweise der zur Verfügung gestellte Firmenwagen. Dieses Argument verkennt den Unterschied zwischen dem Recht, ein Wirtschaftsgut nutzen und dem Recht, lediglich das Recht auf dieses Wirtschaftsgut ausüben zu können. Zur Nutzung überlassene Sachzuwendungen und Aktienoptionen sind sonach nicht vergleichbar (Deutschmann, a.a.O., S. 121; Kessler/ Strnad, BB 2000, 641, 645; Herzig, DB 1999, 1, 3).
e) Auch der Vergleich mit Belegschaftsaktien trägt nicht (Schubert, FR 1999, 639, 641). Die Verfügungsbeschränkungen (in Gestalt der sechsjährigen Sperrfrist nach § 19a Abs. 1 Satz 2 EStG) wirken dort nur im Innenverhältnis und lassen die Veräußerbarkeit der Aktien als solche unberührt. Darin unterscheiden sich die Verhältnisse von jenen, wie sie den im Streitfall in Rede stehenden Aktienoptionen zugrunde liegen: Die Beschränkungen wurden hier nicht lediglich in einer vertraglichen Nebenabrede getroffen; sie sind vielmehr als Recht unübertragbar (Deutschmann, a.a.O., S. 120 f., 140 f.).
f) Die Einräumung einer Option durch den Arbeitgeber bewirkt nicht deshalb einen Lohnzufluss, weil ein Optionsrecht ein im Grundsatz bewertbarer Vermögensgegenstand sein kann (zur prinzipiellen Bewertbarkeit von Aktienoptionen, z.B. nach der sog. Black-Scholes-Formel, s. umfassend Deutschmann, a.a.O., S. 101 ff., m.w.N.). Zwar ist unbestritten, dass der Option ein "innerer" Wert beizumessen ist, der sich in dem gegenwärtigen und zukünftigen Wert der Anteilscheine ausdrückt, auf die die Option den Zugriff ermöglicht. Es ist sicherlich auch richtig, dass insbesondere Ausübungshürden, wie Sperrfristen und Wartezeiten, entweder mittels eines Bewertungsabschlages berücksichtigt werden können oder aber im Hinblick auf § 9 des Bewertungsgesetzes unberücksichtigt bleiben müssen (vgl. zum Diskussionsstand Deutschmann, a.a.O., S. 108 ff., m.w.N.; s. auch BFH-Urteil vom 7. April 1989 VI R 47/88, BFHE 156, 468, BStBl II 1989, 608, 611). Solange der Berechtigte aber infolge der Unübertragbarkeit und der Verwertungshindernisse nicht in der Lage ist, diesen Wert zu realisieren, ist er für ihn ohne jeden Nutzen. Zu einem für ihn messbaren Vorteil wird er erst im jenem Zeitpunkt, in dem er die Option ausübt (Deutschmann, a.a.O., S. 118 f.). Wie bei anderen bereits vorhandenen, aber noch nicht erfüllten Ansprüchen auch kommt es sonach weder darauf an, ob ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber ein Wirtschaftsgut darstellt, noch darauf, wie schwer er zu bewerten ist; vielmehr ist einheitlich auf den Zufluss abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 1999 VI R 60/96, BFH/NV 1999, 1411; Beschluss in BFHE 189, 403, BStBl II 1999, 684).
g) Schließlich kann eine Anfangs- anstelle einer Endbesteuerung der Optionen nicht erfolgreich damit begründen werden, dass der Zusagende als sog. Stillhalter möglicherweise gehalten ist, entsprechenden Personalaufwand bereits im Zusagezeitpunkt bilanziell auszuweisen (vgl. dazu im Einzelnen Deutschmann, a.a.O., S. 162 ff.; Haarmann, Steuerrecht und Europäische Integration, Festschrift für Rädler, 1999, S. 229 ff.). Der Zeitpunkt, in dem eine Sozialverpflichtung beim Gewährenden, in der Regel dem Arbeitgeber, zu passivieren ist, und der Zeitpunkt, in dem das Gewährte dem Arbeitnehmer zufließt, brauchen nicht übereinzustimmen.
4. Ungeachtet dessen, dass es für den Zufluss des mit der Optionseinräumung verbundenen geldwerten Vorteils auf diejenigen Zeitpunkte ankommt, in denen die Optionen realisiert werden, können die in Rede stehenden Unterschiedsbeträge gemäß Art. XI Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 DBA-Großbritannien zu einem Teil in England zu besteuern und insoweit im Inland steuerbefreit sein.
a) Zwar war der Kläger sowohl zu jenen Zeitpunkten, als er die Optionsrechte erhielt, als auch zu den Zeitpunkten, als er sie realisierte, bei der A in Deutschland tätig. Die Optionen sind dem Kläger in den Jahren 1990 und 1992 nach Lage der Dinge jedoch nicht gewährt worden, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen rückwirkend abzugelten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. März 1975 VI R 55/73, BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690). Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich hierbei um einen "Anreiz-Lohn" handelte, welcher "erst nach Erreichung des gesetzten Ziels" einen Vermögenszufluss beim Optionsberechtigten auslösen soll (so Deutschmann, a.a.O., S. 125; Thomas, DStR 1991, 1405, 1407). Sinn und Zweck der Option ist es, dem Arbeitnehmer zusätzlich zur normalen Vergütung eine besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu verschaffen. Als solche wird die Option unentgeltlich gewährt. Eine besondere Arbeitsleistung muss hierfür nicht erbracht werden. Dem Arbeitnehmer drohen auch keine Nachteile, wenn erhoffte Leistungsziele nicht eintreten; ihm geht lediglich der mögliche Bonus in Gestalt des Ausübungsvorteils verloren (Deutschmann, a.a.O., S. 56). Zu Recht wird darauf verwiesen, dass die hiervon abweichende Betrachtungsweise der Vorinstanz (vgl. ebenso Knoll, DStZ 1999, 242, 243) zu dem "geradezu paradoxen" Ergebnis führen würde, dass "der Optionsberechtigte … durch zukünftige Mehrleistung erst seinen Zusatzverdienst für die Vergangenheit verdienen" müsste (Deutschmann, a.a.O.). Durch die Optionseinräumung sollen der Unternehmenswert ("shareholder value") erhöht und überdies der Berechtigte für die Zukunft an den Arbeitgeber gebunden werden (Deutschmann, a.a.O., S. 66). Nicht zuletzt deswegen setzt das Optionsrecht regelmäßig ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Optionsausübung voraus, bei vorzeitigem Ausscheiden des berechtigten Arbeitnehmers durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses verfällt es. Im Streitfall verhält es sich nicht anders.
b) Sind hiernach in der bei Ausübung der Optionsrechte in den beiden Streitjahren zugeflossenen Vergütung Leistungen zu sehen, mittels derer die ―vom Zeitpunkt der Optionseinräumung aus gesehen― zukünftige Tätigkeit des Berechtigten bis zur Optionsausübung honoriert wurde, sind die betreffenden Bezüge dem Kläger zeitraumbezogen gewährt worden. Die Bezüge sind deshalb unabhängig von ihren Zuflusszeitpunkten aufzuteilen und zeitanteilig in jenem Umfang, in dem sie auf die Zeit der Auslandsentsendung nach England im Streitjahr 1993 entfallen, nach Maßgabe des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung freizustellen und nur im Einsatzstaat zu besteuern (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. Januar 1972 I R 37/70, BFHE 105, 8, BStBl II 1972, 459; vom 18. Juli 1973 I R 52/69, BFHE 110, 43, BStBl II 1973, 757; vom 5. Februar 1992 I R 158/90, BFHE 167, 496, BStBl II 1992, 660; Prokisch in Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Aufl., Art. 15 Rz. 15; Schieber in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz. 78 und 143; bezogen auf Optionsrechte ausdrücklich auch Vosen, Internationales Steuerrecht 2000, 167; Haas/Pötschan, DStR 2000, 2018, 2021 f.). Dass der Arbeitnehmer das Optionsrecht erst nach Beendigung der Auslandstätigkeit ausübt, steht dem nicht entgegen.
c) Was das konkret für den Kläger bedeutet, lässt sich anhand der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen des FG allerdings nicht abschließend bestimmen. Genaue Angaben über die Beschäftigungszeiten des Klägers in Großbritannien bei der dortigen Schwestergesellschaft der A fehlen. Insbesondere fehlen Angaben dazu, ob die in Rede stehenden Vergütungen gemäß Art. XI Abs. 3 Buchst. b DBA-Großbritannien ―auch― "für" die britische Schwestergesellschaft als zwischenzeitlicher Arbeitgeberin des Klägers gezahlt oder gemäß Buchst. c dieser Vorschrift von einer Betriebsstätte der Arbeitgeberin des Klägers in Großbritannien getragen worden sind. Die erforderlichen Feststellungen sind vom FG nachzuholen.
Zu diesem Zweck ist das Urteil des FG aufzuheben und ist die Sache an das FG zurückzuverweisen. Für die erneute Festsetzung wird der Vorinstanz darin beigepflichtet, dass hierbei die Tarifbegünstigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG (BFH-Urteil in BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690; Deutschmann, a.a.O., S. 156) ebenso wie der Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG i.V.m. Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-Großbritannien) zu berücksichtigen wären.
Fundstellen
BFH/NV 2001, 965 |
BStBl II 2001, 509 |
BFHE 2002, 102 |
DB 2001, 1173 |
DStR 2001, 931 |
DStRE 2001, 653 |
HFR 2001, 761 |
StE 2001, 322 |
WPg 2001, 773 |
FR 2001, 738 |
LEXinform-Nr. 0572199 |
NJW 2001, 2200 |
Inf 2001, 444 |
KFR 2001, 371 |
NWB 2001, 1893 |
IStR 2001, 410 |
IWB 2001, 539 |
EWiR 2001, 627 |
NZA 2001, 948 |
AG 2001, 471 |
PP 2002, 43 |
StSem 2002, 0 |
b&b 2001, 329 |
stak 2001 |