Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG: teilunentgeltlicher Erwerb, laufende Grundstückskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den nach § 10e Abs.6 EStG abziehbaren Vorkosten gehören auch laufende Grundstückskosten, wie z.B. Grundsteuer und Gebäudeversicherungsprämien, soweit sie auf die Zeit entfallen, in der die Wohnung zwischen Herstellung oder Anschaffung und Nutzung zu eigenen Wohnzwecken weder vermietet noch vom Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassen war.
2. Erwirbt ein Steuerpflichtiger eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im Wege vorweggenommener Erbfolge durch Übernahme von Verbindlichkeiten teilentgeltlich, sind die Vorkosten im Verhältnis des Verkehrswertes der Wohnung zu den übernommenen Verbindlichkeiten aufzuteilen und nur mit dem den Verbindlichkeiten entsprechenden Anteil nach § 10e Abs.6 EStG zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 6
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 19.12.1990; Aktenzeichen 1 K 3731/89) |
Tatbestand
Die Mutter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) war Eigentümerin eines Zweifamilienhauses. Durch Vertrag vom 8.August 1988 übergab sie dem Kläger dieses Grundstück "schenkungsweise". Die Übergabe war unter anderem an folgende Bedingungen geknüpft: Der Kläger übernimmt die in Abt.III des Grundbuchs eingetragenen Grundschulden in Höhe von 5 000 DM, 18 000 DM und 70 000 DM sowohl in dinglicher als auch in schuldrechtlicher Hinsicht mit schuldbefreiender Wirkung für die Mutter (Abschn.I Nr.5 des Vertrages). Soweit die Grundpfandrechte zwischenzeitlich durch Tilgungen Eigentümergrundschulden geworden sind, tritt die Mutter diese an den Kläger ab (Abschn.I Nr.6 des Vertrages). Der Kläger räumt der Mutter an der Wohnung im Obergeschoß auf Lebenszeit ein dingliches Wohnrecht ein (Abschn.I Nr.8 a des Vertrages). Bei Gebrechlichkeit oder Krankheit hat der Kläger die Mutter zu pflegen oder auf seine Kosten die Versorgung der Mutter durch Dritte sicherzustellen (Abschn.I Nr.8 b des Vertrages).
In der Einkommensteuererklärung 1988 machte der Kläger folgende Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend: Instandhaltungsaufwendungen für die Erdgeschoßwohnung von 17 948 DM, Finanzierungskosten hierfür in Höhe von 1 162 DM sowie anteilige Kosten für Grundsteuer, Straßenreinigung, Hausversicherungen usw. in Höhe von 93 DM, die er im Verhältnis der Fläche des Obergeschosses (51 qm) zu der des Erdgeschosses (78 qm) aufgeteilt hatte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1988 diese Aufwendungen nicht. Der Einspruch des Klägers war erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte das FA aus, bei der Mutter des Klägers hätten zwar im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen, so daß sie gemäß § 52 Abs.21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab 1987 den Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung weiterhin nach § 2 Abs.2 Nr.2 EStG durch Überschußrechnung hätte ermitteln können. Als Einzelrechtsnachfolger trete der Kläger jedoch --anders als ein Gesamtrechtsnachfolger-- nicht in die Rechtsstellung der Mutter ein. Da seit 1987 der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung nicht mehr besteuert werde, seien die mit der eigengenutzten Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen nicht mehr als Werbungskosten abziehbar.
Im finanzgerichtlichen Verfahren beantragte der Kläger, die geltend gemachten Aufwendungen als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG zum Abzug zuzulassen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es war der Auffassung, der in § 10e Abs.6 EStG geforderte Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung der Wohnung sei im Streitfall gegeben, da unter Anschaffung im Sinne dieser Vorschrift auch der unentgeltliche Erwerb zu verstehen sei. Im übrigen liege auch eine gewisse Gegenleistung vor, da der Kläger sich verpflichtet habe, die Mutter bei Gebrechlichkeit oder Krankheit zu pflegen. Das finanzgerichtliche Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 472 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA, § 10e Abs.6 EStG sei verletzt. Nach dieser Vorschrift seien nur Aufwendungen für entgeltlich erworbene Wohnungen begünstigt. Der Kläger habe die Wohnung aber unentgeltlich erworben. Die --aufschiebend bedingte-- vertragliche Übernahme von Pflegekosten sei kein Entgelt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Der Abzug von Aufwendungen nach § 10e Abs.6 EStG setzt unter anderem voraus, daß die Aufwendungen unmittelbar mit der Anschaffung der Wohnung zusammenhängen. Der Senat hatte im Urteil vom 11.März 1992 X R 113/89 (BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886) für den Fall einer Einzelrechtsnachfolge im Wege der Schenkung entschieden, als Anschaffung in diesem Sinn sei auch der unentgeltliche Erwerb anzusehen. In Abkehr von dieser Entscheidung ist der Senat im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Wohnung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nunmehr zu der Auffassung gelangt, daß unter Anschaffung i.S. von § 10e Abs.6 EStG nur der entgeltliche Erwerb zu verstehen ist (Urteil vom 13.Januar 1993 X R 53/91, BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346). Der Senat nimmt auf die Gründe dieses Urteils Bezug.
2. Im Streitfall liegt ein teilentgeltlicher Erwerb vor, der zum Abzug von Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG berechtigt, soweit diese auf den entgeltlichen Teil des Erwerbs entfallen.
a) Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege vorweggenommener Erbfolge unter Übernahme von Verbindlichkeiten steuerrechtlich ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten (vgl. z.B. auch BFH-Urteile vom 7.August 1991 X R 116/89, BFHE 165, 267, BStBl II 1992, 736, und vom 24.April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794). Kein Veräußerungsentgelt sind dagegen Versorgungsleistungen (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C II 1 bis 3), zu denen auch die Verpflichtung gehört, den Übergeber bei Krankheit oder Gebrechlichkeit zu pflegen (BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794). Ebensowenig ist ein vom Übergeber vorbehaltenes Nutzungsrecht eine Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks; es mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794 sowie BFH-Urteil vom 24.April 1991 XI R 5/83, BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793 jeweils m.w.N.).
Da der Kläger laut --vom FG in Bezug genommenem-- Übergabevertrag die auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten übernommen hat, hat er das Grundstück und damit auch die eigengenutzte Wohnung teilentgeltlich erworben.
b) Der teilentgeltliche Erwerb führt jedoch nicht zum vollen Abzug der geltend gemachten Vorkosten. Abziehbar sind nach dem Gesetzeswortlaut nur die unmittelbar mit der Anschaffung (dem entgeltlichen Erwerb) der Wohnung oder des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängenden Aufwendungen. Angeschafft sind Wohnung sowie Grund und Boden aber nur im Umfang des entgeltlichen Erwerbs. Soweit Aufwendungen daher --anders als z.B. Aufwendungen zur Finanzierung der Anschaffungskosten-- nicht allein dem entgeltlichen Teil des Erwerbs zugeordnet werden können, sind sie im Verhältnis der Anschaffungskosten zum Verkehrswert der Wohnung aufzuteilen (ebenso Märkle/Franz, Selbstgenutztes Wohneigentum, 3.Aufl., S.89; Meyer/Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 10e EStG Anm.521; Jaser/Wacker, Die neue Eigenheimbesteuerung, 5.Aufl., S.122).
Entgegen der Auffassung von Meyer (Finanz-Rundschau --FR-- 1991, 717) und Schmidt/Drenseck (Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 10e Anm.9 g) folgt aus dem BFH-Urteil vom 20.Dezember 1990 XI R 2/85 (BFH/NV 1991, 383) nicht, Vorkosten seien trotz teilentgeltlichen Erwerbs in voller Höhe abziehbar. Der XI.Senat hat in diesem und in weiteren Urteilen (z.B. vom 30.Januar 1991 XI R 6/84, BFH/NV 1991, 453, sowie vom 11.September 1991 XI R 4/90, BFH/NV 1992, 169) die bei teilentgeltlichem Erwerb eines Grundstücks anfallenden Gebühren für die notarielle Beurkundung und für die Eintragung in das Grundbuch nicht anteilig dem entgeltlichen und dem unentgeltlichen Erwerb zugeordnet, sondern in voller Höhe als Anschaffungs(neben)kosten behandelt, weil sie erforderlich seien, um das Grundstück von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen. Unabhängig davon, ob der Senat dieser Rechtsprechung folgen könnte, kann jedenfalls aus dem Umstand, daß bestimmte Aufwendungen nicht aufgeteilt, sondern in voller Höhe den Anschaffungskosten zugeordnet werden, nicht gefolgert werden, vor Bezug einer Wohnung entstandene Aufwendungen seien bei teilentgeltlichem Erwerb in voller Höhe abziehbar.
c) Im Streitfall sind anteilig abziehbar die Erhaltungsaufwendungen (vgl. BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886), die dafür aufgewendeten Finanzierungskosten sowie die auf die Erdgeschoßwohnung entfallenden Aufwendungen für Grundsteuer, Hausversicherungen usw. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind auch laufende Grundstückskosten, wie z.B. Grundsteuer und Gebäudeversicherungsprämien, als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG zu berücksichtigen, die auf die Zeit entfallen, in der die Wohnung zwischen Herstellung oder Anschaffung und Nutzung zu eigenen Wohnzwecken weder vermietet noch vom Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassen war, weil derartige Aufwendungen mit der Herstellung oder Anschaffung wirtschaftlich eng zusammenhingen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abs.54). In der Literatur wird dagegen eingewendet, Kosten für den laufenden Unterhalt von Wohnung und Grund und Boden stünden weder in unmittelbarem noch in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Herstellung oder Anschaffung und dürften deshalb nicht als Vorkosten abgezogen werden (z.B. Meyer, FR 1991, 33, 46; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Rz.622; Stephan, Die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 4.Aufl., S.214, 219; Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 10e Anm.9 e, FG Berlin, Urteil vom 10.Januar 1991 I 272-273/89, EFG 1991, 610). Der erkennende Senat hat im Urteil in BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886 für die Abziehbarkeit von Reparaturaufwendungen als Vorkosten den engen zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung genügen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich auch der von der Finanzverwaltung zugebilligte Abzug von laufenden Grundstückskosten rechtfertigen.
3. Das FG hat die geltend gemachten Aufwendungen in voller Höhe zum Abzug zugelassen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird das FG den Verkehrswert der vom Kläger zu eigenen Wohnzwecken genutzten Erdgeschoßwohnung und die hierauf entfallenden Anschaffungskosten feststellen. Hierzu ist der Verkehrswert des gesamten Grundstücks zu ermitteln und entsprechend den Grundflächen der beiden Wohnungen aufzuteilen. Da das vorbehaltene dingliche Wohnrecht den Wert des Grundstücks bzw. den Wert der Obergeschoßwohnung mindert, ist vom Verkehrswert der Obergeschoßwohnung der Kapitalwert des vorbehaltenen Nutzungsrechts abzuziehen (BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793; BFH-Urteil vom 5.Juni 1991 XI R 3/84, BFH/NV 1991, 679). Die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten sind den beiden Wohnungen entsprechend den ermittelten Werten zuzuordnen. Die vor Bezug für die Erdgeschoßwohnung entstandenen Aufwendungen hat das FG nach dem Verhältnis des Wertes der Erdgeschoßwohnung zu den dieser Wohnung zugeordneten Verbindlichkeiten aufzuteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 64644 |
BFH/NV 1993, 54 |
BStBl II 1993, 704 |
BFHE 171, 202 |
BFHE 1994, 202 |
BB 1993, 2001 |
BB 1993, 2001-2002 (LT) |
DB 1993, 1551-1552 (LT) |
DStR 1993, 1096 (KT) |
DStZ 1993, 570 (KT) |
HFR 1993, 506 (LT) |
StE 1993, 378 (K) |