Übertragung einer Immobilie auf Kinder

Entsteht einem Steuerpflichtigen, der eine Immobilie auf einen Angehörigen innerhalb der Veräußerungsfrist von 10 Jahren zu einem Entgelt überträgt, das unterhalb der historischen Anschaffungskosten liegt, ein Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft?

Gesetzliche Regelung

Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG).

Anschaffung und Veräußerung i.S.d. § 23 EStG

§ 23 Abs. 1 EStG setzt sowohl die Anschaffung als auch die Veräußerung des betroffenen Wirtschaftsguts voraus. Anschaffung ist indes (nur) der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts, Veräußerung die entgeltliche Übertragung des zuvor angeschafften Wirtschaftsguts auf einen Dritten.

Unentgeltliche Vorgänge

Unentgeltliche Vorgänge sind keine Anschaffungen und dementsprechend keine Veräußerung. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ordnet jedoch an, dass bei unentgeltlichem Erwerb dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke dieser Vorschrift die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen ist. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift i.S.d. § 42 AO. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass durch die unentgeltliche Übertragung die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft umgangen werden kann, indem vor einer Veräußerung das betroffene Wirtschaftsgut z.B. auf eine nahestehende Person übertragen wird, die dann den Veräußerungsvorgang verwirklicht (BFH, Urteil v. 23.4.2021, IX R 8/20, BStBl 2021 II S. 743 Rn. 22).

Ein Erbfall ist kein Fall des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG, da die Gesamtrechtsnachfolge i.S.d. § 1922 BGB ohnehin keine Anschaffung ist. Dem Erben wird als Gesamtrechtsnachfolger die Anschaffung des Erblassers (samt Anschaffungskosten) zugerechnet (Schmidt/Levedag, EStG, 43. Aufl. 2024, § 23 Rn. 40).

Teilentgeltliche Vorgänge

Eine teilentgeltliche Übertragung liegt u.a. vor, wenn Wirtschaftsgüter des Privatvermögens im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge (z.B. gegen Ausgleichszahlungen, Gleichstellungsgelder, Übernahme von Verbindlichkeiten) auf Angehörige übertragen werden. In diesem Fall erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH für einkommensteuerliche Zwecke nach der sog. strengen Trennungstheorie eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts (BFH, Urteil v. 29.6.2011, IX R 63/10, BStBl 2011 II S. 873).

Beispiel: Vater überträgt ein Grundstück auf seinen Sohn

V hat im Jahr 2017 ein bebautes Grundstück für insgesamt 200.000 EUR erworben und anschließend vermietet. Er erzielte insoweit Vermietungseinkünfte. Einen Teil des Erwerbs hatte er durch ein Bankdarlehen finanziert. Im Jahr 2024 überträgt V die Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn S. Das Bankdarlehen, das S übernahm, valutiert noch mit 100.000 EUR. Der Verkehrswert der Immobilie beläuft sich im Übertragungszeitpunkt auf 250.000 EUR.

Hier liegt eine teilentgeltliche Übertragung vor, weil das Entgelt, d.h. das Darlehen von 100.000 EUR unterhalb des Verkehrswerts des Grundstücks liegt. Nach bisheriger Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung erzielt V einen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in folgender Höhe:

Verkehrswert Immobilie

250.000 EUR

= 100 %

entgeltlicher Teil (Darlehensübernahme)

100.000 EUR

= 40 %

unentgeltlicher Teil

150.000 EUR

= 60 %

Veräußerungserlös des V

100.000 EUR

anteiligen Anschaffungskosten auf den entgeltlichen Teil

200.000 EUR x 40 %

./. 80.000 EUR

Veräußerungsgewinn i.S.d. § 23 EStG

20.000 EUR

Von dieser Berechnungsweise weicht das Niedersächsische FG in einer neuen Entscheidung ab ( Urteil v. 29.5.2024, 3 K 36/24). Es hat entschieden, dass teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – jedenfalls für einen Preis unterhalb der historischen Anschaffungskosten – keine tatbestandlichen Veräußerungen im Sinne des § 23 EStG sind. In diesem Fall könne es zu keinem „realisierten Wertzuwachs“ kommen, der der ertragsteuerlichen Besteuerung zugänglich sei. Andernfalls unterläge ein fiktiver steuerlicher Ertrag der Einkommensteuer. Das Gericht hat das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts verneint.

Steuer-Tipp: Revision anhängig

Das FG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen. In der Rechtsprechung des BFH sei weiterhin ungeklärt, ob bei teilentgeltlichen Übertragungen im Rahmen des § 23 EStG durch die Heranziehung von Verkehrswerten auf den Zeitpunkt der Übertragung lediglich fiktive, aber nicht tatsächlich realisierte Überschüsse im Sinne der sog. strengen Trennungstheorie der Besteuerung unterliegen. Das Finanzamt hat Revision eingelegt (Az. des BFH: IX R 17/24). Einschlägige Fälle sollten offengehalten werden.