Bei voll unentgeltlicher Übertragung ergibt sich beim Übertragenden schon mangels Gegenleistung keine steuerpflichtige Veräußerung nach § 23 EStG. Der Grundstücksübernehmer muss jedoch beachten, dass ihm die Anschaffung oder Überführung ins Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen ist (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG).
Bei teilentgeltlicher Übertragung kann sich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des entgeltlich erworbenen Teils ergeben. Hier gilt die sog. Trennungstheorie (BFH, Urteil v. 29.6 2011, X R 28/12, BStBl 2011 II S. 873).
Eingeräumtes Wohnrecht
Ein unentgeltlicher Erwerb i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn im Rahmen der Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein (dingliches) Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherte Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden (BFH, Urteil v. 3.9.2019, IX R 8/18, BStBl 2020 II S. 122).
Kein Gestaltungsmissbrauch
Bei einer unentgeltlichen Übertragung ist die Annahme von Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) ausgeschlossen (BFH, Urteil v. 23.4.2021, IX R 8/20, BStBl 2021 II S. 743). Denn die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG veräußert, unterfällt dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG und stellt daher ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO dar.