Erste Tätigkeitsstätte eines Piloten erneut auf dem Prüfstand

Da im Urteilsfall des BFH die Pilotin in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen hatte, verfügte sie dort über eine erste Tätigkeitsstätte (BFH, Urteil v. 11.4.2019, VI R 40/16). Auch hatte der BFH zum Ausdruck gebracht, dass ein Flughafen eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte sein kann. Inzwischen haben sich allerdings insbesondere durch die zunehmede Digitalisierung die Rahmenbedingungen für Piloten geändert, was ggf. zu einer neuen Bewertung führen könnte.
Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte
Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
Neben der dauerhaften Zuordnung ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Dies ergibt sich aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer an diesem Ort auch tätig werden soll
Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z. B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht.
Fall des FG Köln mit neuen Rahmenbedingungen
Im Rahmen eines Urteilsfalls des FG Köln (Streitjahr 2018) flog der Kläger Langstrecke und musste, wie auch die Crew des jeweiligen Fluges, eine Stunde und 50 Minuten vor dem Abflug am Flughafen sein und sich dort online einchecken.
Der Kläger ging davon aus, dass er am Flughafen – trotz Zuordnung durch den Arbeitgeber – keine erste Tätigkeitsstätte hat. Das Urteil des BFH sei nicht auf seinen Fall übertragbar, da dort von dem Sachverhalt ausgegangen worden sei, dass aufgrund von dienstlichen Vorschriften ein Aufenthalt und Briefing von 2 Stunden am Flughafen vorgelegen habe. Dies sei vielleicht vor vielen Jahren einmal der Fall gewesen, als es noch keine elektronische Verarbeitung gegeben habe. Dies werde aber schon seit vielen Jahren nicht mehr praktiziert.
Auch stelle der Arbeitgeber dem Piloten kein Büro am Flughafen zur Verfügung und er, der Kläger, führe dort auch keine Bürotätigkeiten aus. Die Digitalisierung erlaube die Flugvorbereitung und die Updates an jedem Ort, der einen Internetanschluss habe. Nach der Ankunft auf dem Flughafen begebe sich der Kläger zusammen mit der Crew unmittelbar zum Flugzeug, wo er dann im Cockpit sämtliche sicherheitsrelevanten Arbeiten rund um den Flug absolviere.
FG Köln zum Umfang einer großräumigen Tätigkeitsstätte
Das FG Köln (Urteil v. 4.12.2024, 12 K 1369/21) geht weiterhin von einer ersten Tätigkeitsstätte aus. Der Kläger sei in Erfüllung seines Arbeitsvertrages im hinreichenden Umfang seinem Berufsbild als Pilot entsprechend am Flughafen tätig, um diesen als erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG einzuordnen.
Wie der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekundet hat, musste er eine Stunde und 50 Minuten vor der Abflugzeit am Flughafen online einchecken. In der Zeit bis zum Abflug traf er sich mit der Crew und führte bei der Hälfte der Flüge im Flughafengebäude ein Update der Flugdaten durch, besprach den Flug, was eine bis fünf Minuten dauerte. Daneben unterzog sich der Kläger dort der Sicherheitskontrolle.
Das FG hat offen gelassen, ob diese im Flughafengebäude ausgeführten Tätigkeiten bereits ausreichen, um dort eine erste Tätigkeitsstätte anzunehmen. Zu den Tätigkeiten gehörten nämlich alle auf dem Flughafengelände als großräumige ortsfeste betriebliche Einrichtung ausgeführten Tätigkeiten. Hierzu zählten mithin auch die Tätigkeiten des Klägers im Flugzeug bis zu dessen Abheben von der Rollbahn.
Vor dem Abheben spielte der Kläger die Flugdaten per Kabel ins Flugzeugsystem ein, teilte dem Tankfahrzeug die konkret zu tankende Treibstoffmenge mit und überwachte den Tankvorgang. Auch musste der Kläger das Flugzeug auf Flugsicherheit überprüfen, was laut seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung mit einem erheblichen Aufwand verbunden war. Es kamen im Cockpit noch weitere Tätigkeiten hinzu, welcher nach Auffassung des FG dem Berufsbild eines Piloten entsprechen. Zwar sei das Cockpit keine ortsfeste Einrichtung, es würden aber Leistungen auf der "großräumigen Tätigkeitsstätte Flughafen" erbracht.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Das FG hat die Revision zugelassen, da der BFH noch nicht die Frage entschieden habe, ob die Tätigkeiten eines Piloten im Cockpit eines Flugzeugs der großräumigen Tätigkeitsstätte Flughafen zuzuordnen sind. Das Revisionsverfahren ist unter dem Az. VI R 4/25 beim BFH anhängig
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