Neuberechnung des steuerfreien Teils der Witwenrente

Auswirkungen von Rentenanpassungen
Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) Satz 1 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften u. a. Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie der Besteuerung unterliegen. Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist nach Satz 2 der Norm der Jahresbetrag der Rente.
Der der Besteuerung unterliegende Anteil beträgt (z. B.) gem. Satz 3 der Norm bei einem Rentenbeginn bis zum Jahr 2005 50 %. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist nach Satz 4 der Norm der steuerfreie Teil der Rente. Nach Satz 5 der Norm gilt der steuerfreie Teil der Rente grundsätzlich ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs.
Abweichend von der Festschreibung des steuerfreien Teils der Rente nach Satz 5 der Norm ist gemäß deren Satz 6 der steuerfreie Teil der Rente bei einer Veränderung des Jahresbetrags der Rente in dem Verhältnis anzupassen, in dem der veränderte Jahresbetrag der Rente zum Jahresbetrag der Rente steht, der der Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente zugrunde liegt.
Nach Satz 7 der Norm führen regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrags der Rente nicht zu einer Neuberechnung und bleiben bei einer Neuberechnung außer Betracht. Reguläre Rentenerhöhungen führen somit gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) Satz 7 EStG nicht zur Erhöhung des steuerfreien Teils der Rente und sind somit in voller Höhe steuerpflichtig.
Anpassungen des Jahresbetrags z. B. einer Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen haben aber nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente zur Folge, da es sich nicht um regelmäßige Rentenanpassungen handelt (BMF, Schreiben v. 19.8.2013, BStBl 2013 I S. 1087 Rz. 232).
Fall des FG Berlin Brandenburg: Anrechnung von Einkommen
Der Kläger bezog schon vor 2005 eine Witwenrente und hat einen festgeschriebenen Freibetrag von 3.906 EUR (7.811 EUR x 50 %). Für 2018 übermittelte die Deutschen Rentenversicherung Bund an den Beklagten einen Jahresbetrag der vom Kläger bezogenen Witwerrente i. H. von 5.642 EUR. Der darin enthaltene (regelmäßige) Anpassungsbetrag wurde mit 966 EUR angegeben. Die Verminderung resultiert aus der Anrechnung von Einkommen des Klägers. Das Finanzamt errechnete einen steuerfreien Teil i. H. v. 2.338 EUR (5.642 EUR ./. 966 EUR x 50 %).
Der Kläger ist der Auffassung, dass der steuerfreie Teil der Witwerrente weiterhin EUR 3.906 betrage. Er bezieht sich dabei auf § 22 Buchst. a) Doppelbucht. aa) Satz 7 EStG, wonach bei der Berechnung des steuerfreien Teils der Witwerrente regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrags der Rente nicht zu einer Neuberechnung führen und bei der Neuberechnung außer Betracht bleiben würden.
Rechtsprechung der Finanzgerichte
Zu der hier dargestellten Problematik gab es schon einige Urteile von Finanzgerichten. Es wird einstimmig die Auffassung vertreten, dass Veränderungen des Jahresbetrags einer Witwer- oder Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Doppelbuchst. a) Satz 6 EStG führen (FG München, Urteil v. 2.10.2018, 2 K 494/17, Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 13.12.2017, 5 K 126/16, FG Köln, Urteile v. 7.4.2017, 8 K 1489/15 und v. 23.10.2013, 4 K 2322/10) und FG Düsseldorf, Urteil v. 22.6.2016, 15 K 1989/13 E. Zu einer abschließenden Entscheidung des BFH ist es aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht gekommen (teilweise waren zwischenzeitlich auch Revisionsverfahren anhängig).
FG Berlin-Brandenburg schließt sich der Auffassung an
Auch das FG Berlin Brandenburg hat sich aktuell der einstimmigen Auffassung angeschlossen (Urteil v. 7.11.2024, 14 K 9179/21), sodass im Falle der Veränderung des Jahresbetrags einer Witwer- oder Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen – wie im Streitfall – eine Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente zu erfolgen hat. Hierfür spreche insbesondere, dass der Gesetzgeber die Einkommensanrechnung ausdrücklich als Grund für eine Neuberechnung des steuerfreien Teils einer Rente angeführt hat.
Dies sei sachgerecht, weil andernfalls etwa ein vorübergehend fehlendes anzurechnendes Einkommen des Rentenempfängers zu Beginn der Rentenzahlung zu einem dauerhaft (zu) hohen Steuerfreibetrag führen würde, während ein sehr hohes anzurechnendes Einkommen des Rentenempfängers zu Beginn der Rentenzahlung ggf. zu gar keinem steuerfreien Rentenbezug führen würde.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Das FG Berlin-Brandenburg hat die Revision zugelassen. Mittlerweile ist (wieder) eine Revision unter dem Az. X R 4/25 beim BFH anhängig. Der weitere Verfahrensgang bleibt abzuwarten.
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