Schlussabrechnung Coronahilfen bei mehreren Firmen

Bei der Schlussabrechnung der Corona-Überbrückungshilfen drohen vielen Einzelunternehmern mit mehreren Firmen unerwartet hohe Rückforderungen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die bisherige Antragsstellung infrage gestellt und für erhebliche Rechtsunsicherheit gesorgt.

Praxis vieler Steuerberater wird infrage gestellt

Viele prüfende Dritte haben für Einzelunternehmer mit mehreren geschäftlichen Aktivitäten separate Anträge gestellt, wenn die Firmen in unterschiedlichen Branchen tätig waren. Die Begründung: Nach der EU-Definition und den FAQ zu den Überbrückungshilfen galten Unternehmen einer natürlichen Person nur dann als verbundene Unternehmen, wenn sie "ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind".

Beispiel: Ein Einzelunternehmer A betreibt ein Reisebüro und einen Online-Shop für Kosmetikartikel. Während des Lockdowns erlitt das Reisebüro massive Umsatzeinbrüche, der Online-Handel florierte hingegen. Die Unternehmen werden unter verschiedenen Namen und Adressen betrieben und funktionieren weitgehend unabhängig voneinander. Der Steuerberater stellte einen Antrag auf Überbrückungshilfe nur für das Reisebüro.

BMWK: Grundsätzlich Unternehmensverbund

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat allerdings klargestellt, dass es Abstand nimmt von der bisherigen Interpretation, dass nur dann ein Unternehmensverbund angenommen wird, wenn die Unternehmen auf demselben oder benachbarten Markt tätig sind.
Mit anderen Worten: Nach Auffassung des Ministeriums bilden alle Firmen eines Einzelunternehmers grundsätzlich einen Unternehmensverbund – unabhängig davon, ob sie in der gleichen Branche tätig sind oder nicht. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass bei Zusammenrechnung aller Aktivitäten die Voraussetzungen für die Überbrückungshilfe nicht mehr erfüllt sind.

Erhebliche Auswirkungen für Betroffene

Die Folgen dieser Neubewertung sind gravierend:

  • Bei der Schlussabrechnung müssen alle Unternehmen des Einzelunternehmers zusammengerechnet werden.
  • In vielen Fällen entfällt dadurch die Antragsberechtigung rückwirkend.
  • Bereits erhaltene Förderungen müssen zurückgezahlt werden.

Besonders problematisch ist, dass diese Auslegung erst in der Phase der Schlussabrechnungen deutlich kommuniziert wird – viele Antragsteller haben bereits Zahlungen erhalten und sehen sich nun mit unerwarteten Rückforderungen konfrontiert.

Rechtliche Bewertung

Die Rechtsfrage ist komplex und nicht eindeutig geklärt:

  1. EU-beihilferechtliche Lage: Die zugrundeliegende EU-Definition aus Anhang I Artikel 3 Absatz 3 VO (EU) Nr. 651/2014 lässt durchaus die Interpretation zu, dass nur dann ein Unternehmensverbund vorliegt, wenn die Firmen auf demselben oder benachbarten Markt tätig sind.
  2. FAQ zu den Überbrückungshilfen: In Ziffer 5.2 der FAQ heißt es klarstellend, dass Unternehmen, die derselben natürlichen Person gehören, verbundene Unternehmen sind, "sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in sachlich benachbarten Märkten tätig sind". Das Wort "sofern" deutet auf eine Bedingung hin.

Die nun vom BMWK vertretene Position, dass ein Einzelunternehmer mit seinen verschiedenen Aktivitäten grundsätzlich einen Unternehmensverbund bildet, steht im Widerspruch zum Wortlaut sowohl der EU-Definition als auch der bisher veröffentlichten FAQ.

Handlungsempfehlungen

Betroffene Unternehmer sollten abhängig von ihrer individuellen Situation verschiedene Schritte erwägen:

  • Bei bereits ergangenen Rückforderungsbescheiden: Innerhalb eines Monats nach Zugang Widerspruch oder Klage einlegen. Ohne Rechtsbehelf werden die Bescheide bestandskräftig. Ob Widerspruch oder Klage statthaft ist, richtet sich nach dem jeweiligen Bundesland. In Bayern, Hessen und NRW ist beispielsweise kein Widerspruch mehr möglich. Wichtig: Bekanntgabe gegenüber dem prüfenden Dritten gilt als Bekanntgabe gegenüber dem Unternehmer – ab dann laufen die Fristen.
  • Bei laufendem Schlussabrechnungsverfahren und Rückfragen: Eine fundierte rechtliche Stellungnahme einreichen, die die oben genannten Aspekte und den Gedanken des Vertrauensschutzes beinhaltet. Dabei sollten die Argumente auf den jeweiligen Einzelfall angepasst werden und insbesondere die Tätigkeit auf verschiedenen Märkten sowie die Unabhängigkeit der Firmen betont werden.

Die Rechtsprechung hat noch keine abschließende Einschätzung getroffen. Es kann auch nicht pauschal zum rechtlichen Vorgehen geraten werden, da dies immer eine Frage des konkreten Falls ist (wie unabhängig sind die Firmen wirklich voneinander?) und eine wirtschaftliche Abwägung ist (macht ein Vorgehen angesichts der Risiken betriebswirtschaftlich Sinn?). 

Wie immer empfehlen wir prüfenden Dritten, nicht selbst Klage zu erheben, sondern dem Mandanten zu raten, anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen. Nicht selten wollen die Einzelunternehmer nachträglich die prüfenden Dritten wegen vermeintlicher Fehlberatung in Anspruch nehmen, wenn es zu Rückforderungen kommt.

Fazit

Die neue Auslegung des BMWK stellt die bisherige Antragspraxis vieler Steuerberater infrage. Ob diese nachträgliche Änderung rechtlich haltbar ist, bleibt offen – insbesondere unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes. Für betroffene Unternehmer ist es ratsam, sich rechtzeitig fachkundigen Rat einzuholen und gegebenenfalls gegen Rückforderungsbescheide vorzugehen

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