Leitsatz (amtlich)
1. Die Durchführung oder Ablehnung einer Fehleraufdeckung im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO durch die Aufsichtsbehörde ist eine Ermessensentscheidung.
2. Der Bescheid über die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Vermögensabgabe wird in der Regel als einheitlicher Bescheid im Sinne des § 210 Abs. 2 Satz 1 AO ergehen; er muß aber nicht als einheitlicher Bescheid erlassen werden.
2. Die durch das BVerfG festgestellte verfassungswidrige Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG gibt keinen selbständigen Anlaß zu einer rückwirkenden Fehlerberichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO.
2. Gegenüber der allgemeinen Berichtigungsvorschrift des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO enthält § 55c LAG insofern eine Sonderregelung, als darin abschließend die Frage entschieden worden ist, unter welchen Voraussetzungen und von welchem Zeitpunkt ab eine fehlerhafte Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG nach unanfechtbar gewordener Vermögensabgabeveranlagung im Hinblick auf die Gewährung von Ehegattenfreibeträgen zu einer Herabsetzung des Vierteljahrsbetrages führt.
Normenkette
GG Art. 6 Abs. 1; BVerfGG § 79 Abs. 2 S. 1, § 82 Abs. 1, § 95 Abs. 3 S. 3; AO § 210 Abs. 2 S. 1, § 222 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2; AO a.F. § 314; LAG §§ 29, 38, 55c, 203 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Ablehnung einer Fehleraufdeckung durch die Aufsichtsbehörde gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO ermessensfehlerhaft gewesen ist.
Mit unanfechtbar gewordenem Bescheid vom 31. August 1955 hatte das FA die Zusammenveranlagung zur Vermögensabgabe der Eheleute, die am 21. Juni 1948 nicht dauernd getrennt gelebt hatten, durchgeführt. Der Vermögensabgabebescheid war unstreitig nur an den Ehemann (Revisionskläger) adressiert. In dem Bescheid war das gemäß §§ 22 Abs. 1, 38 LAG zusammengerechnete gesamte der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen der Ehegatten ermittelt und nach Abzug eines Freibetrages von 5 000 DM die Abgabeschuld festgesetzt worden.
Der Prozeßbevollmächtigte der Revisionskläger beantragte mit einem an die OFD gerichteten Schreiben vom 12. April 1961, die OFD möge gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO eine Berichtigungsveranlagung hinsichtlich der Vermögensabgabe veranlassen, durch die der bei der Veranlagung begangene und durch die Entscheidung des BVerfG 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961 (BStBl I 1961, 55) beanstandete Fehler, nämlich die auf verfassungswidriger Auslegung des § 29 LAG beruhende Nichtberücksichtigung eines weiteren Ehegattenfreibetrages, für die Zeit ab 1. April 1952 richtiggestellt würde. Gegen die den Antrag auf Fehleraufdeckung ablehnende Entscheidung der OFD erhob der Prozeßbevollmächtigte Beschwerde an den Finanzminister des Landes, die ebenfalls erfolglos war. Mit der gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegten Berufung wurde beantragt, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die OFD anzuweisen, die Vermögensabgabeveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO unter Zugrundelegung der verfassungskonformen Auslegung des § 29 LAG zu berichtigen.
Das FG hat die Berufung als unbegründet kostenpflichtig zurückgewiesen. Soweit die Ehefrau Berufung eingelegt habe, müsse Zurückweisung schon deshalb erfolgen, weil der Vermögensabgabebescheid nicht an sie gerichtet und sie daher durch ihn auch nicht beschwert gewesen sei. Die Berufung des Ehemannes sei sachlich unbegründet. Die Ablehnung des Antrags des Ehemannes auf Fehleraufdeckung stelle keine Ermessensverletzung dar. Die Berichtigungsvorschriften der AO könnten nicht als besondere gesetzliche Regelung im Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG angesehen werden. In der Entscheidung des BVerfG vom 21. Februar 1961 sei nur die bisherige Auslegung des § 29 LAG als verfassungswidrig beanstandet worden. Ein Berichtigungsgrund nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO könne aus dieser Entscheidung nicht hergeleitet werden. Auch das Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten, der an den Ehemann gerichtete Vermögensabgabebescheid sei unrichtig, weil in ihm Vermögensteile enthalten seien, die nicht dem Ehemann gehört hätten, lasse die Ablehnung der Fehleraufdeckung durch die Finanzverwaltungsbehörden nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen. Ein Steuerpflichtiger, der gegen einen nach seiner Meinung fehlerhaften Bescheid das ordentliche Rechtsmittel hätte einlegen können, könne sich nach Rechtskraft des Bescheides nicht auf § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO berufen. Zur Kostenentscheidung führte die Vorinstanz aus, auch der berufungsführenden Ehefrau seien die Kosten der Berufung aufzuerlegen gewesen, weil sie mit ihrem sachlichen Antrag nicht durchgedrungen sei. Die Voraussetzungen des § 314 AO a. F. seien nach Ansicht der Kammer nicht gegeben, weil die unrichtige Behandlung der Sache von den Finanzverwaltungsbehörden nicht allein zu vertreten sei. Der Prozeßbevollmächtigte habe als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht schon bei Einlegung des Rechtsmittels erkennen können und müssen, daß die Ehefrau nicht befugt gewesen sei, einen Antrag auf Fehleraufdeckung zu stellen.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wurde beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der angefochtenen Beschwerdeentscheidung die OFD anzuweisen, die Vermögensabgabeveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO unter Zugrundelegung der verfassungskonformen Auslegung zu § 29 Abs. 1 LAG ab 1. April 1952 berichtigen zu lassen. Hilfsweise wurde in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Vorentscheidung wegen Verletzung der Vorschriften über die notwendige Zuziehung (notwendige Beiladung) aufzuheben. Als Verfahrensmangel wurde geltend gemacht, die Vorinstanzen hätten unterlassen zu prüfen, ob die in den Akten enthaltene und den eigentlichen Verwaltungsakt darstellende Verfügung über die Zusammenrechnung der Ehegattenvermögen und die Zusammenveranlagung zur Vermögensabgabe mit dem an den Ehemann (Revisionskläger) gerichteten Vermögensabgabeveranlagungsbescheid übereinstimme. Wäre diese Prüfung erfolgt, dann hätte vermieden werden können, die Ehefrau (Revisionsklägerin) in das Verfahren als Partei einzuführen. Denn aus dem ursprünglich gestellten Antrag auf Fehleraufdeckung, in dem zwar die "Eheleute" als Antragsteller bezeichnet seien, hätte seinem Sinn und Zweck nach entnommen werden müssen, daß nur die Berichtigung der wirksam durchgeführten Vermögensabgabeveranlagung gemeint gewesen sei. Wirksam sei möglicherweise aber nur die Vermögensabgabeveranlagung des Ehemannes gewesen, denn nur an ihn sei der Bescheid gerichtet gewesen. Daher habe die Ehefrau aus eigenem Recht keinen Berichtigungsantrag nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO stellen können. Die Ehefrau hätte aber zum Verfahren notwendig zugezogen werden müssen, da sie unmittelbar von der Entscheidung als Dritte betroffen worden wäre, wenn man mit der Vorinstanz davon ausgehe, daß sie bei einer endgültigen Ablehnung einer Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO den Berichtigungsanspruch gleichfalls verloren hätte. Auf die unterlassene Zuziehung der Ehefrau zum Verfahren werde der Hilfsantrag auf Aufhebung der Vorentscheidung gestützt.
Materiell-rechtlich werde mit der Revision die unrichtige Anwendung der §§ 1 und 2 StAnpG, des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO, des § 314 AO a. F. sowie die unrichtige Anwendung der Art. 3 und 6 des Grundgesetzes (GG) gerügt. Außerdem werde die Revision darauf gestützt, daß ein Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten vorliege. Die Berechtigung des Revisionsklägers zur Anregung einer Fehleraufdeckung beruhe darauf, daß der unanfechtbar gewordene Vermögensabgabebescheid in mehrfacher Hinsicht unrichtig sei. Einmal stehe unstreitig fest, daß in dem gesamten der Vermögensabgabe unterworfenen Vermögen sowohl Vermögensteile des Ehemannes als auch der Ehefrau enthalten seien. Da der Bescheid aber nur an den Ehemann gerichtet gewesen sei, sei er sachlich unrichtig, weil dem Ehemann mehr an Vermögen zugerechnet worden sei, als er überhaupt besessen habe. Er selbst sei nicht in der Lage gewesen, schon im Veranlagungsverfahren auf Beseitigung des von ihm nicht erkennbaren Veranlagungsfehlers zu drängen. Vielmehr habe er auf Grund der Gepflogenheiten der Finanzverwaltung jeweils davon ausgehen müssen und können, daß alle ihn betreffenden Steuerbescheide auch seine Ehefrau miterfaßten. Der Revisionskläger habe diesen Fehler erst auf Grund des FG-Urteils erkennen können. Lägen somit die Voraussetzungen für eine Fehleraufdeckung entsprechend den Grundsätzen des Urteils des BFH III 112/56 U vom 17. August 1956 (BFH 63, 243, BStBl III 1956, 290 f.) vor, so folge daraus die Pflicht der Finanzverwaltung, den Fehler richtigzustellen und bei der Veranlagung des Ehemannes nur dessen eigenes Vermögen zu erfassen. Folge man aber nicht dieser Ansicht, sondern gehe man davon aus, daß eine Zusammenveranlagung der Ehegattenvermögen erfolgt sei, diese aber nur dem revisionsführenden Ehemann gegenüber geltend gemacht worden sei, so liege ein Verfahrensverstoß gemäß § 210 Abs. 2 AO vor, weil kein einheitlicher Steuerbescheid erlassen worden sei. Nach Ansicht der Revision sei im Falle einer Zusammenveranlagung der Erlaß eines einheitlichen Bescheides im Sinne des § 210 Abs. 2 AO nicht nur zulässig, sondern es bestehe wegen der Besonderheit eines solchen Gesamtschuldverhältnisses sogar eine Verpflichtung der Verwaltung, nach § 210 Abs. 2 AO einen einheitlichen Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid zu erlassen. Daß eine Zusammenveranlagung zwar erfolgt, wegen Verstoßes gegen § 210 Abs. 2 AO aber beiden Ehegatten gegenüber nicht wirksam geworden sei, sei ein weiterer Fehler, den die Aufsichtsbehörden richtigzustellen hätten, und zwar unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH zum Problemkreis der §§ 38 und 55c Abs. 1 LAG. Das FA müsse angewiesen werden, einen Bescheid zu erteilen, der sowohl in materiell-rechtlicher Hinsicht den Vorschriften des LAG entspreche, als auch den formellen Vorschriften über die Zusammenveranlagung von Ehegatten und Bekanntgabe gegenüber Ehegatten gerecht werde. Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgen würde, müsse der Ehefrau ein wirksamer Bescheid erteilt werden, und zwar für die Zeit ab 1. April 1952. da eine wirksame Zusammenveranlagung Voraussetzung für die Anwendung des § 55c Abs. 1 LAG sei. Die mit der beantragten Fehleraufdeckung zu beseitigende materiell-rechtliche Unrichtigkeit des Vermögensabgabebescheids beruhe auf der nichtverfassungskonformen Anwendung des § 29 LAG. Aus dem übergeordneten Grundsatz von Treu und Glauben sei im Streitfall eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO geboten. Da allein die Finanzverwaltungsbehörden und die Finanzgerichtsbarkeit diese Fehler und die eingetretenen Schäden zu vertreten hätten, ergebe sich daraus für sie nach Treu und Glauben die Pflicht, diesen Schaden wiedergutzumachen. Nach Ansicht der Revisionskläger müsse im Fall einer nichtverfassungskonformen Anwendung eines Steuergesetzes stets die Berichtigungsmöglichkeit des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO gegeben sein, weil die nichtverfassungskonforme Anwendung eines Gesetzes etwas gänzlich anderes sei als ein verfassungswidriges Gesetz selbst. Der Anwendung des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO stehe Abs. 2 dieser Vorschrift nicht entgegen. Auch die Ausführungen über eine analoge Anwendung der Grundsätze des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG unter Berücksichtigung der Regelung des § 55c LAG könnten nicht dazu führen, die Verpflichtung der Finanzverwaltungsbehörden zu verneinen, den durch den Verfassungsverstoß begangenen Fehler für die Zeit vor dem 21. Februar 1961 zu berichtigen, da dies den Grundsätzen von Treu und Glauben und Recht und Billigkeit zuwiderlaufen würde. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG geschlossen werden können, daß dieses gerade durch die Konstruktion einer nichtverfassungskonformen Auslegung die Verwaltung habe verpflichten wollen, hier die zu Unrecht erhobenen Lastenausgleichsbeträge an die Abgabepflichtigen zurückzuerstatten. Schließlich gehe auch der Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 55c LAG fehl, wenn daraus geschlossen werde, daß rückwirkende Berichtigungen rechtskräftiger Veranlagungen nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO aus Rechtsgründen nicht mehr zulässig seien. Im übrigen habe das BVerfG in dem Beschluß 2 BvR 246/62, 257/62, 110/63, 111/63 vom 3. November 1965 (BStBl I 1966, 181), in dem es die Vereinbarkeit des § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO mit dem GG bejaht habe, ausgeführt, der Steuerpflichtige dürfe nicht erwarten, daß eine zu niedrig festgesetzte Steuerschuld mit Rücksicht auf das Prinzip der Rechtssicherheit bestehen bleibe und auch dann nicht berichtigt werde, wenn die Finanzbehörde nachträglich einen Fehler entdecke, da der Steuerpflichtige andererseits damit rechnen dürfe, daß die Finanzbehörde den Steuerbescheid auch zu seinen Gunsten ändere, wenn sie feststelle, daß er zu Unrecht zu hoch veranlagt worden sei. Damit habe das BVerfG die Vorschriften des § 222 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AO in einen engen Zusammenhang gebracht. Es widerspreche daher dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Aufdeckung eines Fehlers zugunsten des Steuerpflichtigen nur in das Ermessen der Aufsichtsbehörde zu stellen. Der beantragten Fehleraufdeckung stehe der Beschluß des BVerfG 1 BvR 178/64, 1 BvR 164/64 vom 11. Oktober 1966 (BStBl III 1966, 665) nicht entgegen, mit dem dieses das Urteil des BFH III 93/64 U vom 12. März 1965 (BFH 82, 567, BStBl III 1965, 452) bestätigt habe. Denn die für den Streitfall allein entscheidende Frage, in welchem Verhältnis die Vorschriften des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO und des § 55c Abs. 1 LAG zueinander stehen, sei vom BVerfG nicht erörtert worden. Eine Untersuchung beider Normen und deren Anwendung auf den vorliegenden Fall ergebe jedoch, daß die Vorschrift des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO durch § 55c Abs. 1 LAG nicht ausgeschlossen werde, soweit es sich um die Fehlerberichtigungen für die Zeit vor dem 21. Februar 1961 handele. Wenn nach der Rechtsprechung des BFH auch bei Lastenausgleichsabgaben eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO im Interesse einer gerechten Besteuerung zulässig sei, so müsse dies in gleichem Maße gelten, wenn sich die Berichtigung zugunsten des Abgabepflichtigen auswirke; in beiden Fällen müsse gleichmäßig der Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit gegenüber dem Grundsatz der Rechtssicherheit den Vorrang haben.
Die Revision wendet sich schließlich auch dagegen, daß der Ehefrau unter Versagen der Vergünstigung des § 314 AO a. F. die Kosten der Berufungsinstanz auferlegt worden sind. Von dem Fehlen einer Antragsbefugnis der Ehefrau sei den Klägern und dem Prozeßbevollmächtigten nichts bekannt gewesen. In der Annahme, der Vermögensabgabebescheid sei an beide Eheleute ergangen, sei der Prozeßbevollmächtigte durch das Verhalten der Finanzverwaltungsbehörden bestärkt worden. Auch der Finanzminister habe in seinem Erlaß davon gesprochen, daß die Eheleute zusammen veranlagt worden seien. Daraus folge, daß hier offensichtlich ohne Schuld der Ehefrau Rechtsmittelgebühren und Auslagen der Rechtsmittelbehörden entstanden seien. Auch aus der Korrespondenz habe der Prozeßbevollmächtigte entnehmen müssen, daß hier nicht nur materiell eine Zusammenveranlagung stattgefunden habe, sondern auch formell. Von einem konkurrierenden Verschulden der Ehefrau bzw. des Prozeßbevollmächtigten könne daher nicht gesprochen werden. Die unrichtige Sachbehandlung habe vielmehr ausschließlich die Verwaltung zu vertreten, so daß § 314 AO a. F. zugunsten der Ehefrau anzuwenden sei.
Der Revisionsbeklagte beantragt, die Revision als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen.
Gemäß § 287 Nr. 2 AO a. F. hat der BdF seinen Beitritt zum Verfahren erklärt und ebenfalls beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Vorentscheidung enthalte weder einen Verstoß gegen das materielle Recht noch Ermessensfehler. Das FG habe mit Recht festgestellt, daß es sich bei dem Vermögensabgabebescheid seinem Inhalt nach materiell um eine Zusammenveranlagung beider Ehegatten zur Vermögensabgabe handele, die zwangsläufig das Vermögen der Ehefrau einbeziehe. Eine Einzelveranlagung des Ehemanns habe das FA allein schon wegen der zwingenden Vorschrift des § 38 LAG nicht vornehmen können und wollen. Da die Zusammenveranlagung sachlich berechtigt gewesen sei, handle es sich bei der Einbeziehung der Vermögensteile der Ehefrau in die Berechnung der Vermögensabgabe nicht um einen Veranlagungsfehler. Ein Fehler sei dem FA lediglich bei der Bekanntgabe des Bescheids unterlaufen. Da der Revisionskläger seinerzeit den Vermögensabgabebescheid widerspruchslos hingenommen habe, sei der Schluß gerechtfertigt, daß auch er in den darin enthaltenen Vermögensansätzen beider Ehegatten sachlich die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau gesehen habe und nicht etwa eine ihn mit ihm nicht gehörenden Vermögensteilen belastende Einzelveranlagung. Hätte er sich damals bereits in dem Sinne, wie er heute vortrage, beschwert gefühlt, so hätte er noch im Veranlagungsverfahren selbst durch Rechtsmittel auf die Beseitigung des angeblichen Fehlers drängen können und müssen. Da er aber davon keinen Gebrauch gemacht habe, könne er jetzt mit dieser Begründung nicht mehr eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO verlangen. Dem Antrag auf Berichtigung des Abgabebescheids könne aber auch insoweit nicht stattgegeben werden, als damit die Zuerkennung des zweiten Freibetrags mit Wirkung vom 1. April 1952 angestrebt werde. Die Revision übersehe, daß der Durchführung der Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO eine Schranke in § 222 Abs. 2 AO gesetzt sei. Zwar stelle § 222 Abs. 2 AO seinem Wortlaut nach lediglich auf eine Entscheidung des BFH ab. Nach Ansicht des BdF sei aber diese Vorschrift auch auf Entscheidungen des BVerfG, die die Nichtigkeit einer Rechtsnorm feststellen, analog anzuwenden. Aus Rechtsgründen könne daher dem Berichtigungsbegehren nicht entsprochen werden. Nach Erlaß der Entscheidung des BVerfG zu § 29 LAG seien Bundesregierung und Bundestag zu dem Ergebnis gekommen, daß nach geltendem Recht zumindest für die zurückliegende Zeit keine rechtliche Möglichkeit für eine Änderung bzw. Berichtigung rechtskräftiger Fälle ersichtlich sei. Im Hinblick auf die lange Laufzeit der Vermögensabgabe habe jedoch Einigkeit darüber bestanden, daß für die Zukunft auch bei rechtskräftigen Veranlagungen von Eheleuten die verfassungskonforme Auslegung des § 29 LAG berücksichtigt werden müsse. Auf Grund dieser Erwägungen sei § 55c in das LAG eingefügt worden. Dabei könne dem Umstand, daß die Anwendung des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO durch das 15. ÄndGLAG nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden sei, keine besondere Bedeutung beigemessen werden. Hierzu habe für den Gesetzgeber keine Veranlassung bestanden, da er davon ausgegangen sei, daß diese Vorschrift im gegebenen Fall ohnehin nicht anwendbar wäre. Wenn eine Berichtigungsmöglichkeit nach geltendem Recht bestanden hätte, wäre die Aufnahme des § 55c LAG unverständlich. Auch durch die Entstehungsgeschichte des § 55c LAG werde somit bestätigt, daß rückwirkende Berichtigungen rechtskräftiger Veranlagungen nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO aus Rechtsgründen nicht zulässig seien. § 55c LAG sei lex specialis gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO. Zur Problematik des § 79 Abs. 2 BVerfGG vertrat der BdF die Ansicht, daß dann, wenn schon nicht mehr anfechtbare Verwaltungsakte, die auf einer nach § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, kraft Gesetzes in ihrem Bestand unberührt bleiben (§ 79 Abs. 2 BVerfGG), dies erst recht für Entscheidungen gelten müsse, die zwar zu einer rechtsgültigen Norm ergangen sind, diese aber nach der Feststellung des BVerfG grundgesetzwidrig ausgelegt haben. Anderenfalls wären die Folgen solcher Feststellungen, wie das FG zutreffend betont habe, von erheblich größerer Tragweite als die einer Nichtigkeitserklärung.
Nach Einlegung der Revision hat das FA die Vierteljahrsbeträge antragsgemäß nach § 55c Abs. 1 LAG ab 1. April 1961 gemindert.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die vom Prozeßbevollmächtigten der Revisionskläger erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Der Vorwurf, die Vorinstanz hätte versäumt zu prüfen, ob die Bescheidausfertigung mit der Aktenverfügung übereinstimme, ist im Streitfall schon insofern unbeachtlich, als der erteilte Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid mit der Aktenverfügung übereinstimmt. Selbst wenn es zuträfe, daß die Vorinstanz - wie die Revisionskläger behaupten - die Prüfung der Übereinstimmung unterlassen, die Übereinstimmung bei ihrer Entscheidung vielmehr nur unterstellt hätte, wäre hierdurch angesichts der wirklich gegebenen Übereinstimmung zwischen Aktenverfügung und Bescheidausfertigung die Möglichkeit einer anderen Sachentscheidung in keinem Fall geschaffen worden, so daß der Verfahrensverstoß, wäre er von der Vorinstanz begangen worden, unerheblich wäre. Die von den Revisionsklägern im Zusammenhang hiermit vertretene Auffassung, bei Prüfung der Übereinstimmung zwischen Aktenverfügung und Bescheid hätte vermieden werden können, die Ehefrau (Revisionsklägerin) in das Verfahren als Partei einzuführen, teilt der Senat ebenfalls nicht. Die Einführung der Ehefrau als Partei in das laufende Verfahren ist weder von der Vorinstanz, noch von den Verwaltungsbehörden, sondern ausschließlich durch den Prozeßbevollmächtigten der Revisionskläger selbst herbeigeführt worden. Denn er hatte unstreitig die Berichtigungsanträge im Namen beider Ehegatten gestellt und auch stets im Namen beider Ehegatten Rechtsmittel eingelegt. Die - zeitlich vorausgegangene - Antragstellung und Prozeßführung im Namen beider Ehegatten kann somit nicht auf die - behauptete - Unterlassung einer Prüfung der Übereinstimmung von Aktenverfügung und Bescheid zurückgeführt werden, sondern darauf, daß der Prozeßbevollmächtigte - ebenso wie die Finanzverwaltungsbehörden - unterstellt hat, der Vermögensabgabebescheid sei an beide Ehegatten gerichtet gewesen, so daß auch beide Ehegatten eine Berichtigung des Bescheids verlangen könnten. Den Ausführungen der Revisionskläger kann daher in verfahrensmäßiger Hinsicht keine Bedeutung zukommen. Das gilt auch für den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Aufhebung der Vorentscheidung wegen Nichtbeachtung der Vorschriften über eine notwendige Zuziehung (notwendige Beiladung) der Ehefrau. Im Streitfall erübrigte sich allein schon deshalb eine Zuziehung der Ehefrau zum Verfahren, weil diese von Anfang an am Verfahren, und zwar sowohl im Verwaltungsvorverfahren als auch im finanzgerichtlichen Verfahren, als Hauptbeteiligte teilgenommen hat. Der hilfsweise gestellte Antrag des Prozeßbevollmächtigten, die Vorentscheidung wegen Nichtzuziehung der Ehefrau aufzuheben, entbehrt daher der Rechtsgrundlage.
Auch materiell-rechtlich ist die Entscheidung der Vorinstanz nicht zu beanstanden. Soweit mit der Revision erneut vorgetragen wird, der Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid sei deshalb unrichtig und die Ablehnung einer Fehleraufdeckung ermessensfehlerhaft, weil der nur an den Ehemann gerichtete Bescheid auch Vermögen erfasse, das nicht ihm, sondern der Ehefrau gehöre, kann die Revision keinen Erfolg haben. Das FA hatte bei den Ehegatten auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift keine Einzelveranlagung zur Vermögensabgabe, sondern eine Vermögensabgabe-Zusammenveranlagung durchzuführen, weil beide Ehegatten zu Beginn des 21. Juni 1948 unbeschränkt abgabepflichtig waren und nicht dauernd getrennt lebten (§ 38 LAG). Erfolgte Zusammenveranlagung der Ehegatten, so mußte für die Ermittlung des Gesamtvermögens deren Vermögen zusammengerechnet werden (§ 22 Abs. 1 LAG). Dies ist in dem in Frage stehenden Vermögensabgabebescheid geschehen, so daß insoweit, als der Bescheid das Vermögen beider Ehegatten erfaßt hat, kein Fehler vorliegt.
Mit der Vorentscheidung ist davon auszugehen, daß die Entscheidung einer Aufsichtsbehörde, ob sie gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO einen Fehler aufdeckt oder eine bei ihr angeregte Fehleraufdeckung ablehnt, eine Ermessensentscheidung ist (vgl. Urteil des BFH V 22/62 U vom 23. April 1964, BFH 79, 249, BStBl III 1964, 321 - sowie die daselbst angeführte Judikatur). Diese Rechtsprechung ist vom I. Senat des BFH im Urteil I 109/65 vom 21. Juni 1967 (BFH 89, 174, BStBl III 1967, 577) erneut bestätigt worden. Hieraus folgt, daß die Vorinstanz die angefochtene Beschwerdeentscheidung des Finanzministers nur daraufhin prüfen konnte, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten sind. Das FG ist danach verfahren. Es hat eine Ermessensverletzung des Revisionsbeklagten mit Recht verneint und zutreffend angenommen, daß eine Zusammenrechnung der Vermögen beider Ehegatten und eine Zusammenveranlagung erfolgt sind. Die Zusammenveranlagung ist allerdings nur dem Ehemann gegenüber wirksam geworden, weil der Zusammenveranlagungsbescheid, der nach dem Willen des FA seinem Inhalt nach für beide Ehegatten bestimmt war, infolge Nichtanführung des Namens der Ehefrau nur an den Ehemann adressiert und daher nur ihm gegenüber wirksam zugegangen war. Diese Feststellungen sind erstmals vom FG getroffen worden. Sie waren den Revisionsklägern nach ihrem eigenen Vorbringen vorher nicht bekannt. Sie konnten daher im Zeitpunkt der Anregung der Fehleraufdeckung für die Revisionskläger ebensowenig eine Rolle gespielt haben wie für die Aufsichtsbehörde und den Revisionsbeklagten bei der Ablehnung der Fehleraufdeckung. Dieses Vorbringen ist daher nicht geeignet, das Revisionsbegehren zu fördern.
Die Ausführungen der Revisionskläger über die Verletzung des § 210 Abs. 2 AO rechtfertigen ebenfalls nicht, die Ablehnung der Fehleraufdeckung als ermessensfehlerhaft anzusehen. Sind zur Entrichtung einer Steuer mehrere gesamtschuldnerisch verpflichtet, was bei Ehegatten, die nach den gesetzlichen Vorschriften - wie im Streitfall bei der Vermögensabgabe gemäß § 38 LAG - zusammen zu veranlagen sind, stets der Fall ist, so ist es nach § 210 Abs. 2 Satz 1 AO in jedem Fall zulässig, gegen die Gesamtschuldner einen einheitlichen Steuerbescheid zu erlassen. Ob das FA von dieser aus Zweckmäßigkeitsgründen geschaffenen Möglichkeit Gebrauch macht oder nicht, liegt entgegen der Ansicht der Revisionskläger ausschließlich in seinem Ermessen (vgl. auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 210 Rd. Ziff. 12; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, § 210 Rd. Ziff. 6; Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, § 210 Tz. 1451). Eine Verpflichtung des FA, einen solchen "einheitlichen Steuerbescheid" zu erlassen, besteht nicht. Denn der Begriff "einheitlicher Steuerbescheid" in § 210 Abs. 2 AO ist nicht gleichbedeutend mit den einheitlichen Bescheiden, die ihrem Wesen nach nur einheitlich, d. h. gleichzeitig und inhaltsgleich mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten ergehen können, wie dies vor allem bei den in § 215 AO aufgeführten einheitlichen Feststellungsbescheiden und bei einer Reihe von einheitlichen Bescheiden auch des Lastenausgleichsrechts, insbesondere bei den Bescheiden nach § 55c Abs. 1 LAG, der Fall ist. Vielmehr handelt es sich bei dem einheitlichen Steuerbescheid im Sinne des § 210 Abs. 2 AO um nur äußerlich in einem Bescheid zusammengefaßte Bescheide, also um eine in einem Bescheid verkörperte Mehrheit inhaltsgleicher Steuerfestsetzungen gegenüber mehreren Steuerpflichtigen, die die gleiche steuerrechtliche Leistung schulden (vgl. Mattern-Meßmer, a. a. O.). Auch bei dem hier in Frage stehenden Vermögensabgabe-Veranlagungsbescheid handelt es sich nicht um einen Bescheid, der einheitlich, d. h. gleichzeitig und inhaltsgleich mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten, hätte ergehen müssen; denn keiner der Ehegatten hatte im Zuge der Veranlagung in vermögensmäßiger Hinsicht Interessen verfolgt, die denen des anderen Ehegatten entgegengestanden haben (vgl. BFH-Urteil III 96/62 vom 28. Januar 1966, BFH 85, 327, BStBl III 1966, 327), so daß es keiner einheitlichen und gleichzeitigen Feststellung der Vermögensverhältnisse der Ehegatten bedurfte. Es handelte sich vielmehr um einen Zusammenveranlagungsbescheid im üblichen Sinne, der aus Zweckmäßigkeitsgründen und im Interesse der Abgabenverwaltung nach § 210 Abs. 2 AO als "einheitlicher Bescheid" hätte ergehen können und sollen, aber nicht als solcher ergehen mußte. Wird ein einheitlicher Steuerbescheid im Sinne des § 210 Abs. 2 Satz 1 AO erlassen, so sind in ihm alle Personen aufzuführen, die auf Grund der Gesamtschuldnerschaft in Anspruch genommen werden, aber nicht auch diejenigen, die das FA - aus welchem Grund auch immer - nicht heranzieht (vgl. Entscheidung des RFH IV A 9/37 vom 10. März 1937, RFH 41, 135, RStBl 1937, 459; BFH-Urteil II 39/62 vom 7. August 1963, HFR 1964, 178 [S. 179]; Mattern-Meßmer, a. a. O., § 210 Tz. 1452; Tipke-Kruse, a. a. O., § 210 Rd. Ziff. 6). Da im Streitfall der nur dem Ehemann gegenüber wirksam bekanntgemachte Vermögensabgabe-Zusammenveranlagungsbescheid keine Angaben über einen anderen Vermögensabgabe-Gesamtschuldner, nämlich die Ehefrau, enthält, liegt hier kein einheitlicher Bescheid im Sinne des § 210 Abs. 2 AO vor, sondern ein Vermögensabgabe-Zusammenveranlagungsbescheid in der Form eines Einzelbescheides. In normalen Zusammenveranlagungsfällen aber keinen "einheitlichen", sondern einen einzelnen Bescheid zu erlassen, ist nach den obigen Ausführungen in das Ermessen des FA gestellt und daher zulässig. Insoweit liegt kein Fehler des FA vor, der nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO richtigzustellen wäre. Aber selbst wenn in dem in Frage stehenden Vermögensabgabebescheid ein "einheitlicher Bescheid" im Sinne des § 210 Abs. 2 Satz 1 AO zu erblicken wäre, läge in der Nichtaufführung des anderen Ehegatten auch kein nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO richtigzustellender Fehler, denn in einem solchen Bescheid wären nur die Personen aufzuführen, die aus der Gesamtschuldnerschaft herangezogen werden. Hat das FA aber den anderen Gesamtschuldner, nämlich die Ehefrau, nicht herangezogen, so brauchte sie im Bescheid auch nicht genannt zu werden. Die Nichtheranziehung der Ehefrau als Gesamtschuldnerin zur Vermögensabgabe stellt jedenfalls kein Verhalten dar, das zu einer Fehleraufdeckung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO führen muß. Die Ablehnung, einer solchen Anregung nachzukommen, ist demnach auch nicht ermessensfehlerhaft gewesen. Die von den Revisionsklägern in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob der Ehefrau nicht allein schon deshalb noch ein Vermögensabgabebescheid für die Zeit ab 1. April 1952 zu erteilen wäre, weil anderenfalls die Herabsetzung nach § 55c Abs. 1 LAG in Frage gestellt sein könnte, ist in diesem Rechtsstreit nicht zu beantworten; sie könnte allenfalls Gegenstand eines Verfahrens nach § 55c Abs. 1 LAG sein, falls die Finanzverwaltung es etwa ablehnen sollte, wegen Nichtheranziehung der Ehefrau eine Herabsetzung nach § 55c Abs. 1 LAG zu verweigern. Dies dürfte jedoch nach den Ausführungen des Revisionsbeklagten am Ende seiner Beschwerdeentscheidung, nach den Ausführungen des BdF und im Hinblick auf die bereits durchgeführte Herabsetzung der Vierteljahrsbeträge nach § 55c Abs. 1 LAG kaum zu erwarten sein.
Das eigentliche Begehren der Revisionskläger auf Fehleraufdeckung, das auf die Berücksichtigung eines zweiten Ehegattenfreibetrags mit Wirkung ab 1. April 1952 gerichtet ist, haben die Aufsichtsbehörden und die Vorinstanz ebenfalls zutreffend abgelehnt. Der BFH hat sich wiederholt mit der Frage befaßt, ob eine festgestellte Verfassungswidrigkeit einen selbständigen Anlaß zu einer Fehlerberichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO gibt. Er hat diese Frage (in den Urteilen V 22/62 U, a. a. O., und I 109/65, a. a. O.) mit ausführlicher Begründung verneint. Die gegen die letztere Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG durch Beschluß 1 BvR 532/67 vom 19. Oktober 1967 wegen offensichtlicher Unbegründetheit nicht zur Entscheidung angenommen. Diese Entscheidungen betrafen Fälle, bei denen das Fehleraufdeckungsbegehren der Steuerpflichtigen auf solche Entscheidungen des BVerfG gestützt wurde, durch die eine Rechtsnorm wegen Grundgesetzwidrigkeit für nichtig erklärt war. In diesen Fällen ergab sich im Hinblick auf den dann unmittelbar geltenden § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, daß ein Steuerpflichtiger grundsätzlich nicht die Berichtigung eines bestandskräftigen Steuerbescheids mit der Begründung verlangen kann, der Bescheid beruhe auf einer verfassungswidrigen Rechtsnorm. Die Verfassungswidrigkeit kann vielmehr nur geltend gemacht werden, soweit Bestimmungen des Steuerrechts dies als besondere gesetzliche Regelung im Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zulassen. Zu einer solchen besonderen gesetzlichen Regelung zählt nach den obengenannten Entscheidungen des BFH nicht die Vorschrift des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO. Im Streitfall, in dem das Fehleraufdeckungsbegehren nicht auf eine vom BVerfG festgestellte Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm, sondern auf die festgestellte Verfassungswidrigkeit der Auslegung einer für verfassungsgemäß erklärten Rechtsnorm gestützt wird, kann jedoch nichts anderes gelten. Wie das BVerfG im Beschluß 1 BvR 178/64, 1 BvR 164/64 vom 11. Oktober 1966 (a. a. O.) ausgeführt hat, haben die sich aus § 79 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 82 Abs. 1 und § 95 Abs. 3 Satz 3 BVerfGG ergebenden Rechtsgrundsätze, wonach die auf Grund der nichtigen Norm ergangenen, nicht mehr anfechtbaren gerichtlichen Entscheidungen (mit Ausnahme von Strafurteilen - § 79 Abs. 1 BVerfGG -) und Verwaltungsakte unberührt bleiben, nicht nur Geltung, wenn die Verwaltung im Vertrauen auf die Gültigkeit einer später für nichtig erklärten gesetzlichen Norm gehandelt hat, sondern auch dann, wenn der Verwaltungsakt auf der verfassungswidrigen Anwendung einer gültigen Norm beruht. Vom Standpunkt des Bürgers - so fährt das BVerfG fort - liege in beiden Fällen ein der gesetzlichen Grundlage ermangelnder Eingriff in sein Grundrecht vor, gegen den er sich mit Hilfe des von der Rechtsordnung gewährten umfangreichen Rechtsschutzes zur Wehr setzen könne. Bei einem Verfassungsverstoß der Verwaltung sei dem Staatsbürger sogar noch eher zuzumuten, hiergegen mit den gegebenen Rechtsmitteln, notfalls mit der Verfassungsbeschwerde vorzugehen, als bei einem mit dem Rechtsschein der Verfassungsmäßigkeit versehenen Gesetz. Nach Ansicht des BVerfG ergeben die Vorschriften des § 79 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 und Satz 4 BVerfGG im Zusammenhang gesehen den Rechtsgedanken, daß die unanfechtbar gewordenen fehlerhaften Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen nachteiligen Wirkungen nicht beseitigt werden sollen, daß aber für die Zukunft die aus einer zwangsweisen Durchsetzung der verfassungswidrigen Entscheidungen sich ergebenden Folgen abgewendet werden sollen. Der Senat schließt sich dem an und kommt hiernach zu dem Ergebnis, daß die durch das BVerfG erfolgte Feststellung der verfassungswidrigen Auslegung der verfassungskonformen Vorschrift des § 29 Abs. 1 LAG keinen selbständigen Anlaß zu einer rückwirkenden Fehlerberichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO geben kann. Es widersprach somit nicht Recht und Billigkeit, wenn sich die OFD und der Revisionsbeklagte bei der Ausübung ihres Ermessens entscheidend von den vom BVerfG bestätigten allgemeinen Rechtsgrundsätzen des § 79 Abs. 2 BVerfGG leiten ließen und eine Fehleraufdeckung in dem von den Revisionsklägern gewünschten Sinne ablehnten.
Mit Recht hat sich der Revisionsbeklagte in der angefochtenen Beschwerdeentscheidung auch auf § 55c LAG bezogen. Es lag im gesetzgeberischen Ermessen, bei der Neuordnung der Freibetragsregelung nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) wegen der langen Laufzeit der Vermögensabgabe in Anlehnung an die - auf einfachem Recht beruhende - generelle Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG eine Berichtigung der Vierteljahrsbeträge vorzusehen, diese aber auf die seit der Entscheidung des BVerfG vom 21. Februar 1961 fällig gewordenen und noch fällig werdenden Vierteljahrsbeträge zu beschränken. Damit gab der Gesetzgeber dem Prinzip der Gerechtigkeit und dem Recht auf die Durchsetzung des Grundrechts des Art. 6 Abs. 1 GG in rechtskräftig abgeschlossenen Fällen für die Zeit ab 1. April 1961 den Vorrang, während er für die Zeit bis zu diesem Zeitpunkt das Prinzip der Rechtssicherheit als vorrangig behandelte. Diese durch die Einfügung des § 55c LAG getroffene Entscheidung des Gesetzgebers sollte der Rechtssicherheit auch im Hinblick auf die besonderen Aufgaben des Lastenausgleichsfonds und dessen Finanzierung Rechnung tragen. Denn der Beitrag der öffentlichen Haushalte zum Ausgleichsfonds ist nach Maßgabe des § 6 LAG mit dem Aufkommen der Lastenausgleichsabgaben gekoppelt. Andererseits sind die Ausgleichsleistungen zu einem erheblichen Teil zeitlich von der jeweils vorhandenen Höhe der Mittel des Ausgleichsfonds abhängig (vgl. § 345 Abs. 1 Satz 2 LAG). Die verfassungskonforme Anwendung des § 29 Abs. 1 LAG rückwirkend für die ganze Laufzeit der Vermögensabgabe hätte daher dem Lastenausgleichsfonds nachträglich erhebliche Mittel entzogen und so das Gefüge des LAG und damit die Rechtssicherheit erschüttert. Der erkennende Senat hatte bereits im Urteil III 93/64 U vom 12. März 1965 (a. a. O.). den § 55c LAG für verfassungskonform erklärt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit dem Beschluß 1 BvR 178/64, 1 BvR 164/64 (a. a. O.) als offensichtlich unbegründet verworfen. Es hat ebenfalls den § 55c LAG ausdrücklich für verfassungskonform erklärt. Wenn im Hinblick auf die in § 55c LAG getroffene gesetzliche Regelung, die eindeutig den Willen des Gesetzgebers erkennen läßt, eine Berichtigung der Vermögensabgabevierteljahrsbeträge nicht rückwirkend, sondern erst ab 1. April 1961 durchzuführen, der Revisionsbeklagte eine rückwirkende Berichtigung der Vierteljahrsbeträge ab 1. April 1952 im Wege der Fehleraufdeckung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO abgelehnt hat, so entspricht dieses Verwaltungsverhalten in jeder Hinsicht dem ausdrücklich bekundeten Willen des Gesetzgebers und kann daher nicht als ein Verstoß gegen Treu und Glauben beanstandet werden. Würden die Aufsichtsbehörden dem Fehleraufdeckungsbegehren im Sinne der Revisionskläger stattgeben, so müßte dies aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in allen in Betracht kommenden Fällen geschehen, was zu einer Durchkreuzung und Sabotierung des insoweit eindeutigen Willens des Gesetzgebers führen würde. Denn damit würde das eintreten, was der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise durch Schaffung des § 55c LAG eindeutig hatte verhindern wollen. Daher enthält die Vorschrift des § 55c LAG nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck insofern eine Sonderregelung gegenüber der allgemeinen Berichtigungsvorschrift des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO, als darin abschließend die Frage entschieden worden ist, unter welchen Voraussetzungen und von welchem Zeitpunkt ab eine fehlerhafte Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG nach unanfechtbar gewordener Vermögensabgabeveranlagung im Hinblick auf die Gewährung eines zweiten Ehegattenfreibetrags zu einer Herabsetzung des Vierteljahrsbetrags führt. Nach § 203 Abs. 1 LAG gelten für die Ausgleichsabgaben die Vorschriften der AO nur, soweit sich nicht aus den Vorschriften des LAG etwas anderes ergibt. Da sich aus § 55c LAG für die darunter fallenden Tatbestände eine von der allgemeinen Berichtigungsvorschrift des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO abweichende Regelung ergibt, entfällt für die im Streitfall zu entscheidende Frage insoweit die Anwendung der letztgenannten Vorschrift der AO. Dies hatte der erkennende Senat bereits im Urteil III 274/63 U vom 7. August 1964 (BFH 80, 337 ff. [345], BStBl III 1964, 594) - allerdings mehr am Rande - ausgesprochen (vgl. auch Tipke-Kruse, a. a. O., § 222 Anm. 4 und 31). Für den Senat erübrigt es sich daher, auf die Erörterungen der Beteiligten über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO einzugehen. Ebensowenig bedarf es eines Eingehens auf die vom BdF in den Vordergrund gestellte und von den Revisionsklägern verneinte Frage, ob im Streitfall die Anwendung der Vorschrift des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO durch § 222 Abs. 2 AO ausgeschlossen sei; der Senat nimmt zu dieser Streitfrage keine Stellung.
Die Vorinstanz hat mit Recht die Anwendung des § 314 AO a. F. abgelehnt. Wie der Senat ausgeführt hat, kommt eine Fehleraufdeckung hinsichtlich der verfassungswidrigen Versagung des zweiten Ehegattenfreibetrages nicht in Betracht, weil § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO auf die Fälle, die den Tatbestand des § 55c LAG beinhalten, insoweit ohnehin nicht anwendbar ist. Ob der Ehemann oder die Ehefrau zur Anregung einer Fehleraufdeckung "befugt" gewesen ist, kann daher nicht entscheidungserheblich sein. Die Kostenentscheidung kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob die Ehefrau befugt gewesen wäre, wenn § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO anwendbar gewesen wäre. Die Anregung zur Fehleraufdeckung konnte vielmehr weder bei dem einen noch bei dem anderen Ehegatten erfolgreich sein; sie ist daher vom Revisionsbeklagten im Ergebnis zutreffend gegenüber beiden Ehegatten abgelehnt worden. Der Umstand, daß der Vermögensabgabebescheid nicht der Ehefrau zugestellt worden ist und weder die Aufsichtsbehörde noch der Revisionsbeklagte dies berücksichtigt hat, ist ohne Bedeutung für die letztlich maßgebliche Entscheidung des Senats, daß die Anwendung des § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO durch die Vorschrift des § 55c LAG nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen des Senats eingeschränkt ist. Für eine Anwendung des § 314 AO a. F. war und ist somit kein Raum, da die Anträge und Rechtsbehelfe, die der Prozeßbevollmächtigte der Revisionskläger von Anfang an im Namen beider Ehegatten gestellt bzw. eingelegt hat, letztlich in jedem Fall erfolglos bleiben mußten. Eine unrichtige Behandlung der Sache im Sinne des § 314 AO a. F. lag nicht vor.
Die Revision war daher in vollem Umfang, auch hinsichtlich der Kosten der Berufungsinstanz, als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412849 |
BStBl II 1968, 163 |
BFHE 1968, 1 |