Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erziehungsgeld keine Bezüge i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG)
Leitsatz (amtlich)
Das Erziehungsgeld nach dem BErzGG gehört nicht zu den gemäß § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anrechenbaren anderen Bezügen der Unterhaltsempfänger.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1 S. 3, § 3 Nr. 67; BErzGG §§ 8-9
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 04.03.1993; Aktenzeichen 10 K 157/92) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) machten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1990) Unterhaltszahlungen an ihre unverheiratete Tochter in Höhe von 6 000 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung geltend. Die Tochter war nach der Geburt ihres Kindes nicht mehr berufstätig und daher auf die monatlichen Unterstützungsleistungen der Kläger in Höhe von 500 DM angewiesen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Aufwendungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht. Das FA war der Auffassung, zu den eigenen Einkünften und Bezügen der Tochter rechne neben einem Restlohn und den Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld auch das Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) von monatlich 600 DM. Durch den danach gegenzurechnenden Gesamtbetrag mindere sich der Freibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG auf 0 DM.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Während des Klageverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid, weil sich im Laufe des Verfahrens ergeben hatte, daß das Erziehungsgeld im Streitjahr statt 7 200 DM nur 5 700 DM betragen hatte, so daß sich ein abzugsfähiger Betrag nach § 33a Abs. 1 EStG in Höhe von 721 DM ergab.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 381 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Zu den nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnenden Bezügen gehörten nur solche, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet seien. Das sei bei dem Erziehungsgeld nach dem BErzGG nicht der Fall, denn mit diesen Leistungen solle auf eine ganz bestimmte Situation im Leben der Kinder und Eltern reagiert werden: Die Erziehung und Betreuung in den Monaten nach der Geburt des Kindes solle wegen des damit verbundenen Verzichts auf Erzielung eines Arbeitseinkommens durch die Gewährung von Leistungen erleichtert oder ermöglicht werden. Bei gleichzeitiger Erziehung mehrerer Kinder werde das Erziehungsgeld für jedes Kind gewährt. Dadurch werde deutlich, daß das Erziehungsgeld nicht dem Unterhaltsbedarf des Betreuenden dienen, sondern die Betreuung und Erziehung des Kleinkindes in der ersten Lebensphase fördern solle. Wie sich weiter aus § 9 BErzGG ergebe, solle das Erziehungsgeld dem Berechtigten grundsätzlich nicht mittelbar dadurch wieder entzogen werden, daß Unterhaltspflichtige mit Rücksicht auf den Bezug dieser Förderung ihre eigenen Leistungen kürzten. Diese Regelung beeinflusse auch die Auslegung und Anwendung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG. Nach den Grundsätzen der Individualbesteuerung und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wäre es ein unverständlicher Wertungswiderspruch, Unterhaltspflichtige mit Hilfe staatlichen Zwangs dazu anzuhalten, ihre Unterhaltspflichten ohne Berücksichtigung des Erziehungsgeldes zu erfüllen, sie aber so zu besteuern, als ob sie mit ihren Unterhaltsleistungen freiwillig mehr als nur das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten abdeckten.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt es vor: Das FG habe die Unterscheidungskriterien von "Bezügen, die zur Bestreitung des Unterhalts einer oder mehrerer Personen bestimmt oder geeignet sind", und "Bezügen, die dem Unterhaltsempfänger zweckgebunden für die Abdeckung eines nach Art und Höhe über das Übliche hinausgehenden, besonderen und außergewöhnlichen Lebensbedarfs zufließen", verkannt und sich hierbei zu Unrecht auf die §§ 8 und 9 BErzGG gestützt. Es nehme bei seiner Beurteilung unzulässigerweise eine Verquickung der Bemessung von Unterhaltsleistungen beim Unterhaltsverpflichteten und Anrechnungsgrundsätzen für die eigenen Bezüge beim Unterhaltsberechtigten vor. Inwieweit bei einer nach bürgerlichem Recht bestehenden Unterhaltspflicht Leistungen nach dem BErzGG in Anrechnung zu bringen sind oder nicht (§ 9 BErzGG), könne für die steuerliche Beurteilung der Unterhaltsleistungen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG nicht ausschlaggebend sein und deshalb auch nicht für die steuerlich anrechenbaren Bezüge des Unterhaltsberechtigten. Entsprechendes gelte für die Anrechnungsgrundsätze im Rahmen der Sozialleistungen (§ 8 BErzGG).
Entscheidend sei vielmehr, daß der Empfänger einer Leistung nach § 1 BErzGG keine bzw. nur eine teilweise Erwerbstätigkeit ausüben dürfe und daß für die Berechnung des Erziehungsgeldes grundsätzlich die Summe der positiven Einkünfte maßgebend sei (§ 6 BErzGG). Daraus ergebe sich, daß dem Unterhaltsempfänger durch den steuerfreien Zuschuß die Entscheidung für die Kindererziehung unter Verzicht auf ein Arbeitsentgelt erleichtert werden solle. Das Erziehungsgeld stelle daher einen Ersatz für fehlendes Arbeitseinkommen zur Bestreitung des laufenden Familien-Lebensunterhalts dar, wozu bei einer Mutter auch die Betreuung und Erziehung ihres Kindes zähle.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG ist bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß die der Tochter nach dem BErzGG gewährten Leistungen im Rahmen der Höchstbeträge des § 33a Abs. 1 EStG nicht zu berücksichtigen sind.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder er noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 5 400 DM für jede unterhaltene volljährige und nicht zum Abzug eines Ausbildungsfreibetrages berechtigende Person vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 Nrn.1 und 2 EStG). Hat die unterstützte Person andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Betrag von 5 400 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 4 500 DM übersteigen (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).
Unter den Begriff der Bezüge im Sinne dieser Vorschrift fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, also nicht steuerbare und im einzelnen für steuerfrei erklärte Einnahmen (vgl. BFH-Urteil vom 6. April 1990 III R 131/85, BFHE 160, 490, BStBl II 1990, 885, zur insoweit identischen Regelung in § 33a Abs. 2 Satz 4, früher Satz 2, EStG).
Anzurechnen sind nach der Regelung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG jedoch nur solche "Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind". Unberücksichtigt bleiben daher schon nach bisheriger Rechtsprechung Bezüge, die der unterhaltenen Person zweckgebunden wegen eines nach Art und Höhe über das Übliche hinausgehenden besonderen und außergewöhnlichen Bedarfs zufließen (s. hierzu insbesondere BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 III R 253/83, BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830).
Entgegen der Ansicht des FA gehören darüber hinaus auch die nach § 3 Nr. 67 EStG befreiten Leistungen nach dem BErzGG, das Erziehungsgeld, nicht zu den anrechenbaren anderen Bezügen. Denn das Erziehungsgeld stellt keine übliche Hilfe zum Lebensunterhalt dar. Es dient, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (vgl. BTDrucks 10/3792, S.1 und 13), in erster Linie familienpolitischen Zwecken, nämlich der Förderung der Betreuung und Erziehung des Kleinkindes während der ersten Lebensphase durch die eigenen Eltern und soll zudem eine Anerkennung der Erziehungsleistungen junger Familien durch die Gemeinschaft darstellen. Da das Erziehungsgeld auch an nicht erwerbstätig gewesene Elternteile gezahlt wird (§ 1 Abs. 1 BErzGG), kommt ihm entgegen der Auffassung des FA --anders als z.B. dem früheren Mutterschaftsgeld bzw. Mutterschaftsurlaubsgeld (§ 8a des Mutterschutzgesetzes --MuSchG-- a.F.)-- auch nicht die Funktion eines Lohn- oder Einkommensersatzes zu. Zudem werden die Leistungen während der ersten sechs Monate nach der Geburt des Kindes unabhängig von der Höhe des jeweiligen Einkommens gezahlt (§ 5 Abs. 2 BErzGG).
Das Erziehungsgeld wird --außerdem-- zusätzlich zu anderen Sozialleistungen gewährt (§ 8 BErzGG) und bleibt bei der Bemessung eines zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs in der Regel unberücksichtigt (§ 9 Satz 1 BErzGG). Die Bezieher von Erziehungsgeld sind stets so zu stellen, als ob ihnen die Mittel des Erziehungsgeldes nicht zur Verfügung stünden (Köhler, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1986, 229). Das bedeutet auch, daß Barunterhaltsverpflichtete, zu denen auch die Eltern der Erziehungsgeldempfänger gehören (§ 9 Satz 2 BErzGG, § 1603 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches), durch das Erziehungsgeld in ihrer Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich nicht entlastet werden. Andererseits sollen Barunterhaltsverpflichtete --so der Wille des Gesetzgebers (BTDrucks 10/3792, S.18 zu § 9)-- durch die Regelungen des BErzGG aber auch nicht belastet werden. Wie der Streitfall zeigt, würde aber die Qualifizierung des Erziehungsgeldes als "Bezug" i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG --auf dem Umweg über das Steuerrecht-- zu einer Belastung des Unterhaltsverpflichteten führen.
Schließlich sähe der Senat --worauf auch schon das FG hingewiesen hat-- bei einer Anrechnung des Erziehungsgeldes nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG einen unüberbrückbaren Wertungswiderspruch zwischen insbesondere § 9 BErzGG und dem Steuerrecht. Wenn der Gesetzgeber (nach dieser Vorschrift) eine Kürzung der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung nicht zuläßt, muß dies nach Auffassung des Senats auch im Steuerrecht beachtet werden (vgl. hierzu auch die Urteile des Senats vom 30. Juli 1993 III R 38/92, BFHE 174, 19, BStBl II 1994, 442, und vom 21. September 1993 III R 15/93, BFHE 172, 516, BStBl II 1994, 236, zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen eines Partners in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft).
Fundstellen
Haufe-Index 65244 |
BFH/NV 1995, 26 |
BStBl II 1995, 527 |
BFHE 176, 114 |
BFHE 1995, 114 |
BB 1995, 340 |
BB 1995, 340-341 (LT1) |
DB 1995, 508-509 (LT) |
DStR 1995, 255 (KT) |
DStZ 1995, 251-252 (KT) |
HFR 1995, 200-201 (LT) |
StE 1995, 114 (T) |
WPg 1995, 592 (L) |
StRK, R.129 (LT) |
FR 1995, 236-237 (KT) |
Information StW 1995, 220 (KT) |
NJW 1996, 343 |
NJW 1996, 343 (L) |
KFR, 1/95, 161 (6/1995) (LT) |
FamRZ 1995, 554-555 (LT) |
FuR 1995, 236 (L) |
Breith 1995, 445-448 (LT) |
DAVorm 1996, 85 (L) |
HM 1995, Nr 4, 26 (KT) |
Breith. 1995, 445 |