Anrechnung eigener Einkünfte der unterhaltenen Person beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen
Hintergrund: Negative Einkünfte des unterhaltenen Kindes
Die Eheleute haben eine Tochter (T), die im Streitjahr 2017 das 29. Lebensjahr erreichte. T studierte und wohnte am Studienort in einer den Eheleuten gehörenden Wohnung.
Im Streitjahr erhielt sie öffentliche Ausbildungshilfen (BAföG-Zuschüsse) von 4.020 EUR. Daneben bezog sie Arbeitslohn von 1.830 EUR. Bei geltend gemachten Werbungskosten von 2.180 EUR ergaben sich negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 350 EUR (1.830 EUR ./. 2.180 EUR).
Die Eheleute machten Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG an T in Höhe von 9.920 EUR wie folgt geltend: Höchstbetrag nach Satz 1 (8.820 EUR) betreffend Sachleistungen zuzüglich Erhöhungsbetrag nach Satz 2 (1.100) EUR für Übernahme der der Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die BAföG-Leistungen (4.020 EUR) setzten sie nicht mindernd an, da höhere Kosten (6.404 EUR) für Studium und doppelte Haushaltsführung entstanden seien.
Das FA berücksichtigte die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht und zog von den BAföG-Leistungen (4.020 EUR) lediglich die Kostenpauschale von 180 EUR (Abschn. R 33a.1 Abs. 3 Satz 5 EStR) ab sodass bei anzurechnenden Zuschüssen von 3.840 (4.020 EUR ./. 180 EUR) abzugsfähige Unterhaltsleistungen von 6.079 EUR verblieben.
Die Klage hatte insoweit Erfolg als das FG die negativen Einkünfte der T aus nichtselbständiger Arbeit (350 EUR) mit den BAföG-Leistungen verrechnete, sodass sich die abziehbaren Unterhaltsleistungen entsprechend erhöhten.
Entscheidung: Keine Saldierung der negativen Einkünfte mit den Zuschüssen
Der BFH wies die Revision zurück. Die negativen Einkünfte der T (350 EUR) mindern nicht die nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG auf die Unterhaltsleistungen anzurechnenden BAföG-Zuschüsse.
Verrechnung negativer Einkünfte
Anrechenbare Einkünfte i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG sind die nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnden Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG (BFH v. 18.06.2015 - VI R 45/13, BStBl II 2015, 928, Rz 13). Bei verschiedenen Einkünften und Einkünften aus verschiedenen Einkunftsarten ist die Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) maßgeblich, so dass auch Verluste zu berücksichtigen sind und außerdem eine Verrechnung von negativen Einkünften mit positiven Bezügen zulässig ist (BFH v. 7.3.2002, III R 22/01, BStBl II 2002, S. 802).
Keine Verrechnung mit Ausbildungshilfen
Die BAföG-Zuschüsse sind nicht mit den negativen Einkünften der T zu saldieren. Die negativen Einkünfte der T mindern die nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG anzurechnende Ausbildungsbeihilfe (BAföG-Zuschüsse) nicht. Denn § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG unterscheidet zwischen Einkünften und Bezügen einerseits und Ausbildungszuschüssen andererseits. Erstere sind auf den Unterhaltshöchstbetrag bei Überschreiten des anrechnungsfreien Betrags (624 EUR) anzurechnen. Ausbildungszuschüsse sind dagegen ohne Einschränkung und damit in voller Höhe anzurechnen (Grundsatz der Vollanrechnung).
Auch aus der Gesetzesentwicklung ergibt sich, dass negative Einkünfte nur zur Minderung im Grundsatz anzurechnender Einkünfte oder Bezüge genutzt werden können, nicht aber zur Minderung anrechenbarer Ausbildungszuschüsse (BT-Drs. 12/5630, S. 60). Dadurch wird zudem eine sonst mögliche doppelte staatliche Förderung durch die Ausbildungszuschüsse einerseits und die Steuerentlastung andererseits vermieden.
Hinweis: Parallele zum Ausbildungsfreibetrag
Die Entscheidung ist durch das BFH-Urteil zum Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG i.d.F. bis 2011 vorgezeichnet. Danach verminderte sich der Freibetrag um die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes sowie um die vom Kind als Ausbildungshilfe bezogenen Zuschüsse. Dazu hat der BFH entschieden, dass die Saldierung von Ausbildungsbeihilfen mit negativen Einkünften und Bezügen des Kindes ausgeschlossen ist (BFH v. 7.3.2002, III R 22/01, BStBl II 2002, S. 802, zu § 33a Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 EStG a.F.). Die Ausbildungshilfe ist als selbständiger Minderungsposten neben den Einkünften und Bezügen ausgestaltet.
"Verböserungsverbot"
Die Formulierung des BFH-Urteils lässt vermuten, dass möglicherweise Bedenken bestehen könnten, ob T tatsächlich negative Einkünfte von 350 EUR erzielt hat und den Eltern Aufwendungen über den vom FA bereits anerkannten Betrag (6.079 EUR) hinaus entstanden sind. Wegen der Bindung an den Revisionsantrag des FA und des Verbots einer verbösernden Entscheidung konnte der BFH die Sache insoweit auf sich beruhen lassen.
BFH Urteil vom 08.06.2022 - VI R 45/20 (veröffentlicht am 06.10.2022)
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