Leitsatz (amtlich)
Beiträge eines Arbeitnehmers zur gesetzlichen Rentenversicherung sind keine vorab entstandenen Werbungskosten gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 EStG zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte nach § 22 Nr.1 Buchst.a EStG. Sie sind nur als Sonderausgaben nach § 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.a EStG im Rahmen der für Vorsorgeaufwendungen geltenden Höchstbeträge (§ 10 Abs.3 EStG) abziehbar.
Orientierungssatz
1. Der Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung gehört zum Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 5.4.1974 VI R 124/77).
2. Vorab entstandene Werbungskosten sind abziehbar, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird, besteht. Ein solcher Zusammenhang ist von dem Zeitpunkt an zu bejahen, zu dem sich an Hand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Entschluß, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1983 VIII R 96/81).
3. Aufwendungen zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern, die der Einnahmeerzielung dienen, sind bei den Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG keine (sofort abziehbaren) Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. BFH-Rechtsprechung). Derartige Aufwendungen können nur in Form von Absetzungen für Abnutzung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG als Werbungskosten berücksichtigt werden, sofern sie sich auf die Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter beziehen.
4. Der in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte trägt mit seinen Beiträgen zur Finanzierung der zur Zeit der Beitragsentrichtung fälligen Rentenzahlungen bei. Dafür erwirbt er einen staatlich garantierten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft, nach Erreichen der Altersgrenze durch die dann Erwerbstätigen ebenfalls versorgt zu werden. Dieser Anspruch stellt beim Rentenversicherten einen Vermögenswert dar (BVerfG). Als solcher wird er auch in § 111 Nr. 2 BewG behandelt; er wird in dieser Vorschrift lediglich vom steuerpflichtigen Vermögen ausgenommen.
5. Es ist nicht geboten, die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung anteilig in Werbungskosten und beschränkt abziehbare Sonderausgaben aufzuteilen, je nachdem, in welchem Maße sie letztlich der Versorgung des einzelnen Arbeitnehmers und seiner Familie oder anderer Personen dienen.
6. Der Gesetzgeber ist bisher nicht seiner Verpflichtung gemäß dem BVerfG-Beschluß vom 26.3.1980 1 BvR 121, 122/76 nachgekommen, die Besteuerung der Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen zur Beseitigung von Ungleichheiten neu zu regeln. Eine Gleichbehandlung beider Formen der Altersversorgung könnte er beispielsweise dadurch erreichen, daß er Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung --abgesehen von Freibeträgen-- vollen Umfangs als sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 EStG der Einkommensbesteuerung unterwirft. Erst dann könnte sich die grundsätzliche Frage stellen, ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vorab entstandene Werbungskosten darstellen, weil hierin Aufwand zur Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen erblickt werden kann, und ob sie als Anschaffungskosten für die Rentenanwartschaft anzusehen und nur nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG abziehbar sind.
7. Mit seiner Verneinung des Werbungskostencharakters von Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zum BFH-Urteil vom 21.7.1981 VIII R 32/80, in dem der VIII. Senat Schuldzinsen für einen Kredit zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Angestelltenversicherung als vorab entstandene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften in voller Höhe anerkannt hat. Der erkennende Senat läßt offen, ob er sich dieser Entscheidung anschließt. Denn sie betraf nur den Abzug von Finanzierungskosten als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Finanzierungskosten sind einkommensteuerrechtlich anders zu behandeln als Aufwendungen zum Erwerb einer Rentenanwartschaft. Aus dem gleichen Grund konnte in diesem Zusammenhang die Frage dahinstehen, ob Rechtsberatungskosten und Prozeßkosten im Zusammenhang mit Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Werbungskosten anzuerkennen sind. 8. NV: Eine Revisionsschrift genügt den Anforderungen an die eigenhändige handschriftliche Unterzeichnung, wenn ein individuell gestalteter Vorname und Nachname vorliegen, die die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lassen, auch wenn der Nachname nur als flüchtig geschrieben erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1984 IV R 274/83).
Normenkette
BewG 1974 § 111 Nr. 2; EStG 1981 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 10 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 3, § 22 Nr. 1 Buchst. a; FGO § 120 Abs. 1; EStG 1981 § 9 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 1 S. 3 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1; EStG § 19 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.07.1984; Aktenzeichen IV K 513/83) |
Nachgehend
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Zusammenveranlagung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer für das Jahr 1982 die vom Kläger als Arbeitnehmer geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Sonderausgaben nach § 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.a des Einkommensteuergesetzes 1981 (EStG) im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs.3 EStG. Wegen der Begrenzung nach dieser Vorschrift wirkte sich ein Teil der Vorsorgeaufwendungen nicht einkommensteuermindernd aus.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren begehrten der Kläger und seine Ehefrau mit ihrer Klage den Abzug der Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorab entstandene Werbungskosten zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte nach § 22 Nr.1 Buchst.a EStG. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Deutsches Steuerrecht (DStR) 1985, 707 auszugsweise veröffentlichten Urteil ab.
Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 9 Abs.1 Satz 1, § 10 i.V.m. § 22 EStG und des § 11 Abs.1 EStG. Soweit sein Arbeitgeber seinen Arbeitslohn um Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt habe, fehle es an einem Zufluß von Arbeitslohn entsprechend § 11 Abs.1 EStG. Selbst wenn man dem nicht folge, müßten seine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorab entstandene Werbungskosten zum Erwerb späterer sonstiger Einkünfte nach § 22 Nr.1 Buchst.a EStG beurteilt werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer für das Jahr 1982 unter Ermäßigung des Gesamtbetrages der Einkünfte um 4 899 DM entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
++/ Die Revision des Klägers ist zulässig.
Sie ist insbesondere formgerecht (§ 120 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) eingelegt worden. Die Revisionsschrift ist von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers --entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung an die handschriftliche Unterzeichnung von Revisionsschriften (vgl. BFH-Urteil vom 13.Dezember 1984 IV R 274/83, BFHE 143, 198, BStBl II 1985, 367)-- eigenhändig unterzeichnet. Es liegen ein individuell gestalteter Vor- und Nachname vor, die die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lassen, auch wenn der Nachname nur als flüchtig geschrieben erscheint. /++
Die Revision ist unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist davon auszugehen, daß zu seinem ihm zugeflossenen Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs.1 EStG auch der Teilbetrag gehört, den sein Arbeitgeber von seinem Arbeitslohn zur Entrichtung des Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Rentenversicherung einbehielt und abführte. Daß der Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung zum Arbeitslohn gehört, hat der BFH mit Urteil vom 5.April 1974 VI R 110/71 (BFHE 112, 463, BStBl II 1974, 664) bestätigt. Der Kläger kann sich zur Stützung seiner Ansicht, es liege bei ihm kein gegenwärtiger Zufluß vor, nicht auf das BFH-Urteil vom 14.Mai 1982 VI R 124/77 (BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469) berufen. Dort hatte der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer Gewinnanteile lediglich in seinen Büchern ohne eine wirtschaftliche Verfügungsmöglichkeit des Arbeitnehmers gutgeschrieben. Die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung behält der Arbeitgeber jedoch vom Arbeitslohn ein und führt sie für den Arbeitnehmer an die Einzugsstelle ab (vgl. § 1397 Abs.1 der Reichsversicherungsordnung --RVO--). Er erfüllt damit die Pflicht des Arbeitnehmers, seinen Anteil zu den Mitteln der Rentenversicherung aufzubringen (§§ 1382, 1385 Abs.4 RVO).
2. Das FG hat es rechtsfehlerfrei verneint, daß die Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorab entstandene Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte i.S. von § 22 Nr.1 Buchst.a EStG abziehbar sind. Es hat sie zutreffend nur als Sonderausgaben nach § 10 Abs.1 Nr.2 Buchst.a EStG im Rahmen der für Vorsorgeaufwendungen geltenden Höchstbeträge nach § 10 Abs.3 EStG zum Abzug zugelassen.
a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind bei der Einkunftsart abziehbar, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs.1 Sätze 1 und 2 EStG). Unter den Werbungskostenbegriff fallen alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlaßt sind. Sie sind auch bereits vor dem Anfall von Einnahmen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Ein solcher Zusammenhang ist von dem Zeitpunkt an zu bejahen, zu dem sich an Hand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Entschluß, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt ist (BFH-Urteil vom 29.November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Keine (sofort abziehbaren) Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sind hingegen bei den Einkünften i.S. von § 2 Abs.1 Nr.4 bis 7 EStG Aufwendungen zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern, die der Einnahmenerzielung dienen (so in ständiger Rechtsprechung BFH-Urteile vom 14.Februar 1978 VIII R 9/76, BFHE 125, 153, BStBl II 1978, 455; vom 21.Dezember 1982 VIII R 215/78, BFHE 138, 44, BStBl II 1983, 410; vom 29.November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307). Derartige Aufwendungen können nur in Form von Absetzungen für Abnutzung nach Maßgabe des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG als Werbungskosten berücksichtigt werden, sofern sie sich auf die Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter beziehen.
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze unterscheidet die Rechtsprechung des BFH bei Einkünften aus Kapitalvermögen zwischen dem Geldkapital als solchem und den Erträgnissen als Frucht des Kapitals. Sparbeiträge zur Ansammlung des Geldkapitals oder andere Aufwendungen zum Erwerb einer Kapitalanlage wirken sich als rechtsbegründende Anschaffungskosten ebenso wie eine Wertveränderung der Kapitalanlage bei der Einkommensbesteuerung nicht aus (BFH-Urteile vom 9.Oktober 1979 VIII R 67/77, BFHE 129, 132, BStBl II 1980, 116; vom 24.März 1981 VIII R 117/78, BFHE 133, 60, BStBl II 1981, 505; vom 8.Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355).
b) Dementsprechend sind auch Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung keine nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG abziehbaren, vorab entstandenen Werbungskosten zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte nach § 22 Nr.1 Buchst.a EStG. Der Gesetzgeber ist bei der Neufassung des § 22 Nr.1 Buchst.a EStG durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16.Dezember 1954 (BGBl I, 373) davon ausgegangen, daß Leibrenten einschließlich der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung sich aus einem Kapitalanteil und einem Zinsanteil zusammensetzen. Der Erwerb der Rentenanwartschaft führt ebensowenig zu Werbungskosten, wie die in den Rentenbezügen enthaltenen Kapitalrückzahlungen keine steuerpflichtigen Einnahmen darstellen (vgl. Amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern, BTDrucks II/481, und Urteil des BFH vom 12.April 1956 IV 653/54, Der Betrieb --DB-- 1956, 539). Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung unterscheiden sich nicht von anderen Aufwendungen zum Erwerb einer Kapitalanlage.
An dieser einkommensteuerrechtlichen Beurteilung hat die Einführung des reinen Umlageverfahrens in der Sozialversicherung ab 1969 nichts geändert. Allerdings beruht die gesetzliche Rentenversicherung seitdem nicht mehr auf dem die private Lebensversicherung beherrschenden Prinzip der Kapitalansammlung; vielmehr trägt der Versicherte mit seinen Beiträgen zur Finanzierung der zur Zeit der Beitragsentrichtung fälligen Rentenzahlungen bei. Dafür erwirbt er einen staatlich garantierten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft, nach Erreichen der Altersgrenze durch die dann Erwerbstätigen ebenfalls versorgt zu werden. Dieser Anspruch stellt beim Rentenversicherten einen Vermögenswert dar (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 26.März 1980 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE 54, 11, 28, und BVerfG-Urteil vom 16.Juli 1985 1 BvL 5/80 u.a., BVerfGE 69, 272 zum Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Rechtspositionen, die auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und der Sicherung seiner Existenz dienen). Als solcher wird er auch in § 111 Nr.2 des Bewertungsgesetzes (BewG) behandelt; er wird in dieser Vorschrift lediglich vom steuerpflichtigen Vermögen ausgenommen.
Die Beiträge des Versicherten sind damit auch im Rahmen des Umlageverfahrens Anschaffungskosten zur Begründung seiner Versorgungsanwartschaft. Sie sind nach wie vor keine Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften; dementsprechend sind die in den Rentenbezügen enthaltenen Kapitalrückzahlungen für die Einkommensbesteuerung nicht relevant. Lediglich der zinsähnliche Ertragsanteil wird in § 22 Nr.1 Buchst.a EStG der Einkommensteuer unterworfen.
Es ist auch nicht geboten, die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung anteilig in Werbungskosten und beschränkt abziehbare Sonderausgaben aufzuteilen, je nachdem, in welchem Maße sie letztlich der Versorgung des einzelnen Arbeitnehmers und seiner Familie oder anderer Personen dienen werden. Wie das BVerfG in seinem Beschluß vom 28.Dezember 1984 1 BvR 1472/84, 1 BvR 1473/84 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 337) unter Bezugnahme auf seinen Beschluß vom 16.Oktober 1962 2 BvL 27/60 (BVerfGE 14, 312, 317 f.) entschieden hat, gehört es zum Wesen einer Sozialversicherungs- und Versorgungseinrichtung, daß nicht genau festgestellt werden kann, welche Beitragsanteile der eigenen Versorgung und welche dem sozialen Ausgleich innerhalb der Solidargemeinschaft der Versicherten zu dienen bestimmt sind.
c) Der Gesetzgeber ist bisher nicht seiner Verpflichtung gemäß dem Beschluß in BVerfGE 54, 11 nachgekommen, die Besteuerung der Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen zur Beseitigung von Ungleichheiten neu zu regeln. Eine Gleichbehandlung beider Formen der Altersversorgung könnte er beispielsweise dadurch erreichen, daß er Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung --abgesehen von Freibeträgen-- vollen Umfangs als sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr.1 EStG der Einkommensbesteuerung unterwirft (vgl. Die Vorschläge der Kommission Alterssicherungssysteme zur Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte: Arendt, Betriebs-Berater 1984, 1565, und Gutachten zur einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinkünften, erstattet vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesminister der Finanzen --BMF--, Schriftenreihe des BMF, Heft 38/1986). Erst dann könnte sich die grundsätzliche Frage stellen, ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vorab entstandene Werbungskosten darstellen, weil hierin Aufwand zur Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen erblickt werden kann, und ob sie als Anschaffungskosten für die Rentenanwartschaft anzusehen und nur nach Maßgabe des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG abziehbar sind.
d) Mit seiner Verneinung des Werbungskostencharakters von Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu dem Urteil des BFH vom 21.Juli 1981 VIII R 32/80 (BFHE 134, 124, BStBl II 1982, 41), in dem der VIII.Senat Schuldzinsen für einen Kredit zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Angestelltenversicherung als vorab entstandene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr.1 Buchst.a EStG) in voller Höhe anerkannt hat. Der erkennende Senat kann offenlassen, ob er sich dieser Entscheidung anschließt. Denn sie betrifft nur den Abzug von Finanzierungskosten als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 EStG. Finanzierungskosten sind einkommensteuerrechtlich anders zu behandeln als Aufwendungen zum Erwerb einer Rentenanwartschaft, wie bereits der VIII.Senat in seiner vorstehenden Entscheidung ausgeführt hat. Aus dem gleichen Grund kann in diesem Zusammenhang die Frage dahinstehen, ob Rechtsberatungs- und Prozeßkosten im Zusammenhang mit Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Werbungskosten anzuerkennen sind (vgl. Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 6.August 1972 F/IV B 3-S 2255-35/71 II, Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 22 Nr.24).
Fundstellen
Haufe-Index 61435 |
BStBl II 1986, 747 |
BFHE 147, 176 |
BFHE 1987, 176 |
DB 1986, 1903-1905 (ST) |
DStZ 1987, 46-48 (ST) |
HFR 1987, 11-12 (ST) |