Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufleben der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG für ein Erstobjekt, das statt des Folgeobjekts vor Ablauf des Abzugszeitraums erneut eigengenutzt wird
Leitsatz (amtlich)
Nutzt der Steuerpflichtige vor Ablauf des Abzugszeitraums statt des Folgeobjekts wieder das Erstobjekt zu eigenen Wohnzwecken, lebt die Berechtigung zur Inanspruchnahme der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG für das Erstobjekt wieder auf.
Normenkette
EStG § 7b Abs. 5, § 10e Abs. 4
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1998, 454; LEXinform-Nr. 0145207) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) ―zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute― nahmen für die Jahre 1973 bis 1980 erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch.
Im Einkommensteuerbescheid für 1989 gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) für eine Wohnung, welche die Kläger ab Dezember 1989 zu eigenen Wohnzwecken nutzten, die beantragte Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG.
Im Mai 1990 schafften die Kläger ein Wohnhaus an, das sie von September 1990 an bewohnten. Sie behandelten das Gebäude als Folgeobjekt und beanspruchten bei den Einkommensteuerveranlagungen 1990 bis 1992 hierfür die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 EStG.
Im Streitjahr 1993 zogen die Kläger wieder in die ―zwischendurch vermietete― Wohnung ein. Unter Berufung auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31. Dezember 1994 IV B 3 -S 2225 a- 294/94 (BStBl I 1994, 887, Rz. 81) lehnte das FA im Einkommensteuerbescheid für 1993 die beantragte Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG für die eigengenutzte Wohnung ab. Die bei einem Folgeobjekt nicht ausgenutzten Jahre des Abzugszeitraums könnten nicht auf ein weiteres (drittes) Objekt übertragen werden. Ein drittes Objekt sei auch das ―wieder zu eigenen Wohnzwecken genutzte― Erstobjekt. Der Einspruch der Kläger war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 454 veröffentlicht ist, gab der Klage statt. Es war der Auffassung, die Grundförderung für das Erstobjekt lebe wieder auf, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf des Abzugszeitraums anstelle des Folgeobjekts wieder das Erstobjekt zu eigenen Wohnzwecken nutze.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 4 EStG. Es führt aus:
Übertrage der Steuerpflichtige die nicht ausgenutzten Jahre des Abzugszeitraums auf ein weiteres begünstigtes Objekt, ende der Abzugszeitraum für das Erstobjekt. Für das Folgeobjekt gelte ein eigenständiger Abzugszeitraum, der um die Anzahl der Jahre zu kürzen sei, in denen er für das Erstobjekt die Grundförderung hätte in Anspruch nehmen können. Werde auch der Abzugszeitraum des Folgeobjekts nicht ausgenutzt, ende die Förderung. Eine Übertragung der nicht ausgenutzten Jahre des Abzugszeitraums auf ein weiteres Objekt sehe das Gesetz ebenso wenig vor wie eine Rückübertragung der Grundförderung auf ein früher begünstigtes Objekt. Bei Inanspruchnahme der Folgeobjektregelung werde die Förderung des Erstobjekts nicht nur unterbrochen, sondern erlösche endgültig.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die beantragte Grundförderung für das Erstobjekt gewährt.
1. Schafft der Steuerpflichtige eine Wohnung an, kann er unter den weiteren Voraussetzungen des § 10e EStG im Jahr der Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Abzugszeitraum) einen bestimmten Teil der Anschaffungskosten wie Sonderausgaben abziehen (§ 10e Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG). Voraussetzung für den Abzug der Beträge ist, dass der Steuerpflichtige die Wohnung im jeweiligen Jahr des Abzugszeitraums zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (§ 10e Abs. 1 Satz 2 EStG). Zieht er aus der Wohnung aus, steht ihm für die Jahre, in denen er die Wohnung nicht bewohnt hat, die Grundförderung somit nicht zu. Zieht er innerhalb des Abzugszeitraums wieder ein, ist ihm die Grundförderung vom Jahr des Einzugs an wieder zu gewähren.
2. Nutzt der Steuerpflichtige die begünstigte Wohnung nicht bis zum Ablauf des Abzugszeitraums zu eigenen Wohnzwecken und steht ihm deshalb die Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG nicht mehr zu, kann er die Abzugsbeträge bei einer weiteren Wohnung (Folgeobjekt) in Anspruch nehmen, wenn er das Folgeobjekt innerhalb eines bestimmten Zeitraums anschafft oder herstellt (§ 10e Abs. 4 Satz 4 EStG). Der Abzugszeitraum für das Folgeobjekt ist um die Anzahl der Veranlagungszeiträume zu kürzen, in denen der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge für das Erstobjekt hätte abziehen können (§ 10e Abs. 4 Satz 5 EStG).
Bei der Grundförderung für das Folgeobjekt wird nicht die für das Erstobjekt bestehende Abzugsberechtigung weitergeführt. Vielmehr wird die Bemessungsgrundlage für die Abzugsbeträge des Folgeobjekts unabhängig von der Bemessungsgrundlage für das Erstobjekt nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Folgeobjekts ermittelt; es beginnt ein neuer, abgekürzter Abzugszeitraum. Infolge der Selbständigkeit des Folgeobjekts ist die Grundförderung nicht nach den für das Erstobjekt geltenden Vorschriften zu gewähren, sondern ―sofern sich die Vorschriften inzwischen geändert haben― nach den zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Folgeobjekts maßgeblichen Vorschriften (Senatsbeschluss vom 29. Juli 1998 X B 66/98, BFH/NV 1999, 173, m.w.N.).
Nutzt der Steuerpflichtige auch das Folgeobjekt nicht bis zum Ablauf des Abzugszeitraums zu eigenen Wohnzwecken, ist nach allgemeiner Meinung eine Übertragung auf ein drittes Objekt nicht möglich (z.B. BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 887, Rz. 81; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10e EStG Rz. 132; Drenseck in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 10e Rz. 72; Stuhrmann in Bordewin/ Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10e Rz. 120).
3. Nicht einheitlich wird dagegen der Sachverhalt beurteilt, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf des Abzugszeitraums statt des Folgeobjekts wieder das Erstobjekt zu eigenen Wohnzwecken nutzt. In der Einzelbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 10/3633, S. 16) wird hierzu ausgeführt: Nutze der Steuerpflichtige das Erstobjekt vor Ablauf des Abzugszeitraums für das Folgeobjekt wieder zu eigenen Wohnzwecken, stehe ihm für das Erstobjekt entsprechend dem bisherigen Recht keine Begünstigung mehr zu. Diese Auffassung wird von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 887, Rz. 81) und der überwiegenden Meinung im Schrifttum (z.B. Stephan in Littmann/ Bitz/Hellwig, a.a.O., § 10e EStG Rz. 132; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Rz. 465; Stuhrmann in Bordewin/ Brandt, a.a.O., § 10e Rz. 120) geteilt. Sie stützt sich zum Teil darauf, dass das Erstobjekt ein drittes Objekt und deshalb nicht begünstigt sei; zum Teil wird der Standpunkt vertreten, mit Übertragung der nicht ausgenutzten Jahre der Förderung auf ein Folgeobjekt erlösche der Anspruch auf Grundförderung für das Erstobjekt endgültig. Dagegen ist Drenseck in Schmidt (a.a.O., § 10e Rz. 71) der Ansicht, die Begünstigung des Erstobjekts lebe wieder auf, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf des Abzugszeitraums die Eigennutzung des Folgeobjekts aufgebe und stattdessen wieder in das Erstobjekt einziehe.
4. Das der Kommentierung von Drenseck folgende finanzgerichtliche Urteil ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Aufgrund der Inanspruchnahme der Grundförderung für ein Folgeobjekt und des Beginns eines neuen abgekürzten Abzugszeitraums für das Folgeobjekt endet der Abzugszeitraum für das Erstobjekt und es entfällt der Anspruch auf Grundförderung für das Erstobjekt. Die Berechtigung zur Inanspruchnahme der Grundförderung für das Erstobjekt kann jedoch wieder aufleben, wenn der Steuerpflichtige die Eigennutzung des Folgeobjekts vor Ablauf des Abzugszeitraums aufgibt und erneut in das Erstobjekt einzieht. Der Gesetzeswortlaut steht dieser Auslegung nicht entgegen.
b) Die eine Begünstigung des Erstobjekts ablehnende Auffassung lässt sich nicht auf die bisherige Rechtslage bei den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG stützen, da die Folgeobjektregelungen unterschiedlich ausgestaltet sind. § 10e Abs. 4 Satz 4 EStG unterscheidet sich von § 7b Abs. 5 Satz 4 EStG unter anderem dadurch, dass der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nur für die Jahre des Abzugszeitraums beanspruchen kann, in denen er das Objekt zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Daher knüpft die Folgeobjektregelung nicht wie bei § 7b EStG daran an, dass das Erstobjekt dem Steuerpflichtigen nicht mehr zuzurechnen ist, sondern dass er das Erstobjekt nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzt.
Da erhöhte Absetzungen für ―zu mehr als 66 2/3 Wohnzwecken dienende― Einfamilien-, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen gewährt wurden, also nicht beschränkt waren auf zu eigenen Wohnzwecken genutzte Objekte, kam die Folgeobjektregelung erst in Betracht, wenn das Erstobjekt dem Steuerpflichtigen nicht mehr zuzurechnen war. Ein Nutzungswechsel von der Eigennutzung zur Vermietung beeinflusste den Anspruch auf erhöhte Absetzungen nicht. Veräußerte der Steuerpflichtige das Erstobjekt vor Ablauf des Begünstigungszeitraums für die erhöhten Absetzungen und nahm für ein weiteres begünstigtes Objekt die Folgeobjektregelung in Anspruch, konnte er, wenn ihm auch das Folgeobjekt nicht bis zum Ablauf des Begünstigungszeitraums zuzurechnen war, die ausgenutzten Jahre des Begünstigungszeitraums nicht auf ein drittes Objekt übertragen. Im Falle eines Rückerwerbs des ursprünglichen Objekts hätte es sich um den Erwerb eines dritten Objekts in diesem Sinne gehandelt.
Dagegen hängt bei § 10e EStG die Übertragung nicht ausgenutzter Jahre des Abzugszeitraums auf ein Folgeobjekt nicht davon ab, dass dem Steuerpflichtigen das Erstobjekt nicht mehr zuzurechnen ist; es reicht aus, dass ihm die Grundförderung deshalb nicht mehr zusteht, weil er das Erstobjekt nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzt, sondern ―wie im Streitfall― vermietet. Bewohnt er in einem späteren Jahr des Abzugszeitraums das Erstobjekt doch wieder selbst, handelt es sich mangels Anschaffung oder Herstellung nicht um ein drittes Objekt.
c) Eine Fortführung der Grundförderung für das Erstobjekt könnte nur dann ausgeschlossen sein, wenn mit Inanspruchnahme der Folgeobjektregelung die Berechtigung für die Grundförderung des Erstobjekts endgültig erlöschen würde. Eine solche Auslegung der Folgeobjektregelung in § 10e Abs. 4 EStG ist zwar möglich, aber nicht zwingend. Vor allem aber trägt sie dem mit der Folgeobjektregelung verfolgten Zweck, die volle Ausnutzung des Abzugszeitraums zu ermöglichen, nicht Rechnung. Deshalb steht auch die Gesetzesbegründung, nach der eine Fortführung der Grundförderung beim Erstobjekt nicht möglich sein soll, der Entscheidung des Senats nicht entgegen. Denn die Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten können nur insoweit berücksichtigt werden, als sie aus dem Gesetz selbst erkennbar sind. Maßgebend für die Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift ist der in ihr zum Ausdruck gekommene, objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 131; vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, 121; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167). Die Gleichstellung in der Gesetzesbegründung mit der Rechtslage zu § 7b EStG lässt sich aber wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen für die Folgeobjektregelung gerade nicht auf den Wortlaut der Vorschrift stützen.
Fundstellen
BFH/NV 2001, 690 |
BStBl II 2001, 755 |
BFHE 194, 84 |
BFHE 2002, 84 |
BB 2001, 718 |
DB 2001, 1067 |
DStRE 2001, 571 |
DStZ 2001, 364 |
HFR 2001, 564 |
StE 2001, 183 |
FR 2001, 697 |
LEXinform-Nr. 0571732 |
NJW 2002, 2344 |
Inf 2001, 315 |
NWB 2001, 1109 |
EStB 2001, 169 |
NZM 2002, 573 |
stak 2001 |