Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsvollstreckung als nachhaltige Tätigkeit
Leitsatz (NV)
1. Auch eine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker in nur einem Verfahren zur Auseinandersetzung eines Nachlasses kann nachhaltig sein. Nachhaltigkeit ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil keine Verwaltungs-, sondern eine sog. Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung ausgeführt wird und diese nur einen "durchschnittlichen bürgerlichen Haushalt" betrifft.
2. Die Nachhaltigkeit einer durch zahlreiche Einzelhandlungen geprägten Vollstreckertätigkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Testamentsvollstrecker z. B. die Führung von Prozessen einem Rechtsanwalt überträgt.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war früher Bürovorsteher einer Rechtsanwaltssozietät. Bei dieser hatte sich die (spätere) Erblasserin des öfteren vom Kläger über die Erstellung von Testamenten beraten und auch ihr Testament vom ... Februar 1976 entwerfen lassen. Der Kläger kannte daher ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse. Am ... September 1980 ordnete die Erblasserin in Ergänzung zum notariellen Testament vom ... Februar 1976 Testamentsvollstreckung an und bestimmte den Kläger zum Testamentsvollstrecker. 1983 verstarb die Erblasserin. Der -- krankheitsbedingt aus dem Berufsleben ausgeschiedene -- Kläger nahm das Amt des Testamentsvollstreckers an und erhielt am 3. Januar 1984 das Testamentsvollstreckerzeugnis durch das Nachlaßgericht.
Die Erblasserin (nicht verheiratet und kinderlos) hatte drei Personen zu je 1/4 und vier Personen zu je 1/16 als Erben eingesetzt. Einer dieser eingesetzten Erben war im Zeitpunkt des Erbfalls bereits verstorben. An seine Stelle traten seine beiden Kinder. Ferner ordnete die Erblasserin in bezug auf ein ihr allein gehörendes Hausgrundstück ein Vermächtnis an und bestimmte im übrigen die Verteilung ihrer Möbel auf die Erben im einzelnen.
Der Nachlaß bestand aus dem vorbezeichneten Hausgrundstück (Verkehrswert etwa ... DM) und aus nicht bebauten kleineren landwirtschaftlichen Grundstücken (z. T. Brachland), in unterschiedlichen Gemarkungen belegen, sowie Anteilen an drei nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaften (Verkehrswert etwa ... DM).
Zusätzlich waren Aktien und festverzinsliche Wertpapiere im Wert von etwa ... DM sowie Bankguthaben in einer Gesamthöhe von etwa ... DM vorhanden. Unter Berücksichtigung der Nachlaßverbindlichkeiten lag der Wert des Nachlasses bei etwa ... DM.
Der wesentliche Teil der Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker fiel in den Jahren 1983 und 1984 an (Streitjahre). In dieser Zeit errichtete er u. a. ein Nachlaßverzeichnis, ermittelte die Erben, verteilte das vorhandene Bargeld und die Wertpapiere, ließ das Hausgrundstück auf den Vermächtnisnehmer umschreiben, erstellte die Erbschaftsteuererklärung und beglich die Nachlaßverbindlichkeiten. 1985 bestand seine Tätigkeit im wesentlichen nur darin, ein verhältnismäßig einfaches Rechtsbehelfsverfahren wegen der Erbschaftsteuer mit dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) zu führen.
Da die Erben kein Interesse an den landwirtschaftlichen Grundstücken hatten und auch eine Verkaufsanzeige keinen Erfolg zeigte, beauftragte der Kläger einen Rechtsanwalt, die Auseinandersetzungsversteigerung dieser Grundstücke und der Grundstücke von drei ungeteilten Erbengemeinschaften zu betreiben. Mit der Durchführung dieses Verfahrens hatte der Kläger -- bis auf die Entgegennahme von Mitteilungen des beauftragten Rechtsanwalts -- nichts mehr zu tun. Die Grundstücke wurden im Juli 1990 versteigert. Der Kläger verteilte anschließend den Erlös an die Erben.
An Testamentsvollstrecker-Gebühren erhielt der Kläger insgesamt ... DM. Davon entfielen ... DM auf das Jahr 1983 und ... DM auf das Jahr 1984.
Das FA beurteilte die Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker zunächst als nachhaltige (unternehmerische) Tätigkeit und setzte mit dem Umsatzsteuerbescheid für 1983 Umsatzsteuer fest.
Nach Einspruch des Klägers setzte das FA mit vorläufigem Umsatzsteuerbescheid für 1983 die Steuer auf 0 DM fest aufgrund der Annahme, Nachhaltigkeit setze die Absicht des Klägers voraus, weitere Testamentsvollstreckungen durchzuführen.
Am 14. August 1986 erließ das FA wieder einen Änderungsbescheid bezüglich der Umsatzsteuer für 1983 und eine erstmalige Umsatzsteuerfestsetzung für 1984. Es ging wieder von Umsatzsteuerbarkeit der Testamentsvollstreckertätigkeit aus aufgrund der Annahme, nachhaltige Tätigkeit sei auch bei einmaliger Testamentsvollstreckung gegeben, wenn die erforderliche Tätigkeit entsprechend umfangreich sei.
Das Einspruchsverfahren, in dem der Kläger auch unzutreffende Anwendung von § 19 Abs. 3 und Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) geltend machte -- insbesondere dürfe keine Hochrechnung des Umsatzes auf einen Jahresumsatz gemäß § 19 Abs. 4 UStG 1980 vorgenommen werden, weil die Übernahme der Testamentsvollstreckung allein vom Todeszeitpunkt des Erblassers abhänge --, hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen auf. Nach Auffassung des FG war die Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker nicht nachhaltig.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 in bezug auf die Voraussetzung der nachhaltigen Tätigkeit.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer gegen Entgelt (neben weiteren Voraussetzungen) ausführt. Unternehmer und damit Steuerpflichtiger i. S. des Umsatzsteuergesetzes ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.
Das hier streitige Merkmal der nachhaltigen Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (vgl. Urteil vom 24. November 1992 V R 8/89, BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379, mit Nachweisen) anhand verschiedener Kriterien zu beurteilen, die im Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung heranzuziehen sind. Die diesbezüglichen Erwägungen des erstinstanzlichen Richters werden überwiegend aus Schlüssen tatsächlicher Art bestehen, an die der BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Das Revisionsgericht hat insoweit nur zu prüfen, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind.
Die angefochtene Entscheidung berücksichtigte bei dieser Würdigung zu Unrecht einige maßgebliche Umstände nicht.
Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß auch eine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker in nur einem Verfahren zur Auseinandersetzung eines Nachlasses eine nachhaltige Tätigkeit sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 26. September 1991 V R 1/87, BFH/NV 1992, 418). Nachhaltigkeit ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil keine Verwaltungs-, sondern eine sog. Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung ausgeführt wird. Zutreffend ging das FG auch davon aus, daß die Nachhaltigkeit sich nicht allein nach der Höhe des Nachlaßwertes, sondern nach dem für die Auseinandersetzung erforderlichen Arbeitsaufwand und dessen Schwierigkeiten richtet. Maßgeblich sind alle Umstände des Einzelfalls.
Mit Erfolg wendet sich aber das FA mit der Revision gegen die (im Anschluß an das Urteil des FG Hamburg vom 21. Oktober 1983 V 279/81, Entscheidungen der Finanzgerichte 1984, 316 vertretene) Auffassung des FG, eine Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung hinsichtlich eines "durchschnittlichen bürgerlichen Haushalts" führe nicht zur Nachhaltigkeit. Eine derartige Einschränkung ist schon im Hinblick auf die Unbestimmtheit des bezeichneten Gegenstands ungeeignet. Zutreffend wendet sich das FA insbesondere gegen die Ausführungen des FG in bezug auf die Verwertung der Stückländereien und die Auflösung der drei ungeteilten Erbengemeinschaften. Diese Tätigkeit hatte der Kläger einem Rechtsanwalt übertragen; er hatte daher nach den Feststellungen des FG mit der Abwicklung dieses Verfahrens -- bis auf die Entgegennahme von Mitteilungen über den Sachstand -- arbeitsmäßig nichts zu tun.
Die Ausklammerung dieser Tätigkeit aus der Gesamtbetrachtung der Vollstreckertätigkeit steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFH/NV 1992, 418). Nach dieser Entscheidung, die zur Auseinandersetzung eines sehr umfangreichen und wertvollen Nachlasses ergangen war, wurde die Nachhaltigkeit der durch zahlreiche Einzelhandlungen geprägten Vollstreckertätigkeiten nicht dadurch in Frage gestellt, daß der (damalige) Kläger sich -- insbesondere bei der Führung der Prozesse -- fachlicher Hilfe bediente und daß noch zwei weitere Testamentsvollstrecker bestellt waren; dem Kläger blieb die Federführung.
Im Streitfall führte das FG wörtlich im Urteil aus: "Hätte der Kläger die Verwertung dieser Grundstücke selbst übernommen, hätte unter Berücksichtigung der gesamten Tätigkeit eine Nachhaltigkeit angenommen werden müssen." Nach Auffassung des FG war die Übertragung einer rechtlich und verfahrensmäßig schwierigen Maßnahme auf einen Dritten (und die vom Dritten durchgeführte schwierige Tätigkeit) bei der Prüfung der Nachhaltigkeit der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers nicht zu berücksichtigen.
Wegen dieser abweichenden Beurteilung eines Merkmals der Nachhaltigkeit (Einschaltung Dritter) war die angefochtene Entscheidung des FG aufzuheben.
Die Sache war an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird eine erneute Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen haben. Dabei wird insbesondere der Umfang der Tätigkeit unter Einbeziehung der "ausgegliederten", aber gleichwohl zum Verantwortungsbereich als Testamentsvollstrecker gehörenden Tätigkeiten zu beachten sein. Auch die Maßgeblichkeit der Verwertung von beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen (aus der früheren Tätigkeit als Bürovorsteher in der Anwaltssozietät) kann eine Rolle spielen.
Fundstellen
Haufe-Index 66042 |
BFH/NV 1996, 938 |