Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird einem Beamten, der eine Wehrübung ableistet, das Gehalt um den Wehrsold gekürzt, so ist nur das gekürzte Gehalt dem Lohnsteuerabzug zugrunde zu legen. Der Wehrsold ist auch bei Beamten gemäß § 3 Ziff. 5 EStG 1961 steuerfrei.
EStG 1961 § 3 Ziff. 5; Arbeitsplatzschutzgesetz vom 30. März 1957 (BGBl 1957 I S. 293) in der Fassung des Art. 2 Ziff. 5 des Gesetzes zur änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes vom 21. April
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 5
Tatbestand
Der Bg., ein Beamter, wurde im Jahre 1961 für 26 Tage zu einer Wehrübung eingezogen und erhielt als Major der Reserve einen täglichen Wehrsold von 6,90 DM. Als Beamter, der über 25 Jahre alt war, war er während der Wehrübung mit Dienstbezügen beurlaubt (ß 9 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst vom 30. März 1957, BGBl 1957 S. 293, in der Fassung des Art. 2 Ziff. 5 des Gesetzes zur änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes vom 21. April 1961, BGBl 1961 I S. 457). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsplatzschutzgesetzes wurden die Nettobezüge des Bg. im Streitjahr 1962 im Monat Mai und den folgenden Monaten um den Wehrsold verringert. Auf die Lohnsteuerberechnung wirkte sich diese Minderung der Nettobezüge nicht aus. Der Bg. beantragte im Lohnsteuerjahresausgleich für 1962 von dem Bruttogehalt 1962 den verrechneten Wehrsold von 179,40 DM abzusetzen. Das Finanzamt lehnte das unter Berufung auf die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen S 2.176 - 95/4 - 26.894 II vom 15. Mai 1963 ab.
Auf seine Sprungberufung entsprach das Finanzgericht, dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 178 auszugsweise veröffentlicht ist, dem Antrag des Bg. im wesentlichen mit folgender Begründung: Dadurch, daß die Nettobezüge des Bg. im Verrechnungswege um den Wehrsold gekürzt worden seien, habe der Bg. im wirtschaftlichen Ergebnis Dienstbezüge zurückgezahlt. Die Rückzahlung von Arbeitslohn sei aber im Kalenderjahr der Rückzahlung steuerlich wie Werbungskosten zu behandeln. Durch die Verminderung der Nettobezüge um 179,40 DM seien auch die Bruttobezüge des Bg. in gleicher Höhe vermindert worden. Die Steuerfreiheit des Wehrsoldes nach § 3 Ziff. 5 EStG dürfe durch die Verrechnung nicht aufgehoben werden. Der Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen in der Entschließung vom 15. Mai 1963, daß § 9 Abs. 1 des Arbeitsplatzschutzgesetzes eine Sonderregelung für die Lohnsteuerberechnung bei Beamten enthalte, sei nicht beizutreten.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt unrichtige Rechtsanwendung durch das Finanzgericht und vertritt die Ansicht, § 9 Abs. 1 Satz 4 des Arbeitsplatzschutzgesetzes bringe eindeutig zum Ausdruck, daß auch während der Wehrübung die Bruttobezüge des Beamten dem Lohnsteuerabzug zugrunde zu legen seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.
Nach § 3 Ziff. 5 EStG 1961 sind die Geld- und Sachbezüge steuerfrei, die Soldaten auf Grund des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Wehrsoldgesetzes in der Fassung vom 22. August 1961 (BGBl 1961 I S. 1611) erhalten. Soldaten, die Wehrdienst leisten, erhalten während der Dienstzeit Wehrsold, Verpflegung, Unterkunft, Dienstbekleidung, Heilfürsorge und übungsgeld (ß 1 Abs. 1 Satz 1 des Wehrsoldgesetzes). Wehrdienst leistet auch, wer zu Wehrübungen eingezogen wird (ß 4 Abs. 1 Ziff. 2 des Wehrpflichtgesetzes vom 14. Januar 1961, BGBl 1961 I S. 29).
Der Senat tritt dem Finanzgericht darin bei, daß § 9 Abs. 1 des Arbeitsplatzschutzgesetzes nicht die Steuerfreiheit des Wehrsoldes aufheben will, wie sie in § 3 Ziff. 5 EStG 1961 vorgesehen ist. § 9 Abs. 1 regelt, welche Dienstbezüge ein Beamter oder Richter erhält, der zum Grundwehrdienst oder zu Wehrübungen einberufen wird; § 9 Abs. 1 Satz 3 bestimmt sodann, daß die Nettodienstbezüge um den Wehrsold zu vermindern sind. Die zu Wehrübungen einberufenen und mit Gehalt beurlaubten Beamten erhalten also den Wehrsold sowie ihr um den Wehrsold gemindertes Gehalt. Lohnsteuerpflichtig kann aber nur das um den Wehrsold geminderte Gehalt sein. § 9 Abs. 1 Sätze 3 und 4 lassen nicht erkennen, daß sie Fragen der Besteuerung regeln und als Spezialgesetz gegenüber § 3 Ziffer 5 EStG gelten wollen. Sie enthalten vielmehr offensichtlich lediglich besoldungsrechtliche Bestimmungen und regeln die Form der Gehaltskürzung. Jedenfalls kann man aus § 9 Abs. 1 Sätze 3 und 4 nicht den Willen des Gesetzgebers entnehmen, daß die in § 3 Ziff. 5 EStG 1961 allgemein garantierte Steuerfreiheit des Wehrsoldes für Beamte nicht gelten soll. Das aber würde eintreten, wenn bei der Lohnsteuerberechnung von Beamten weiterhin das ungekürzte Gehalt zugrunde gelegt würde. § 9 Abs. 1 Satz 4 bestimmt die Nettobezüge näher, die nach Satz 3 um den Wehrsold zu kürzen sind. Beamte, die sich den Wehrsold auf ihre Nettobezüge anrechnen lassen müssen, können aber steuerlich nicht anders gestellt sein, als wenn sie von den ihnen wie bisher zunächst voll ausgezahlten Nettobezügen einen dem Wehrsold entsprechenden Betrag zurückzahlen müßten. Dann wären, wie das Finanzgericht zutreffend annimmt, die Rückzahlungsbeträge im Lohnsteuerjahresausgleich von den Jahresbezügen abzusetzen (vgl. Urteil des Senats VI 22/61 S vom 13. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 184, Slg. Bd. 78 S. 477).
Die gegenteilige Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zur Auslegung des § 3 Ziff. 5 EStG in der Entschließung vom 15. Mai 1963 hat das Finanzgericht zutreffend als mit § 3 Ziff. 5 EStG unvereinbar bezeichnet. Diese Auffassung würde dazu führen, Beamte, die Wehrübungen ableisten, um den vom Gesetzgeber in § 3 Ziff. 5 EStG bewußt geschaffenen Vorteil der Steuerfreiheit des Wehrsolds zu bringen. Solange ein solcher Wille des Gesetzgebers zur steuerrechtlichen Sonderbehandlung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes nicht klar erkennbar ist, hält der Senat es nicht für gerechtfertigt, diesem Personenkreis einen steuerlichen Vorteil zu versagen, der allen anderen Steuerpflichtigen zugute kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 411420 |
BStBl III 1965, 68 |
BFHE 1965, 190 |
BFHE 81, 190 |