EU-Geldern im Rahmen von Frontex-Einsätzen sind steuerpflichtig

Gelder der Europäischen Union, die an einen Polizeibeamten mit Wohnsitz im Inland für dessen Tätigkeit im Rahmen von Frontex-Einsätzen in Griechenland gezahlt werden, unterliegen der inländischen Steuerpflicht.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Der Einkommensteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt.

Sachverhalt: Unterliegen aufgrund von Einsätzen bei der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX in Griechenland bezogene EU-Gelder der inländischen Besteuerung?

Der Kläger, der als Polizeibeamter beim Bundesland A beschäftigt war, hatte in den Streitjahren 2015 bis 2017 seinen Wohnsitz im Inland.

In verschiedenen Zeiträumen der jeweiligen Streitjahre war er an das Bundespolizeipräsidium (BPOLP) in B abgeordnet. Das BPOLP wies den Kläger seinerseits der Küstenwache der Hellenischen Republik (Griechenland) zur Verwendung auf der Insel C zu. Dies erfolgte zur Unterstützung der griechischen Küstenwache im Rahmen von Frontex, der errichteten Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (in "Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache" umbenannt). Auf der Insel C wurde der Kläger als "Fingerprint Expert zgl. Escort Officer" eingesetzt.

Das Bundesland A zahlte die laufenden Dienstbezüge des Klägers während der Auslandseinsätze weiter. Außerdem hatte der Kläger Anspruch auf Auslandstrennungsgeld nach § 12 Abs. 7 der Auslandstrennungsgeldverordnung. Daneben erhielt er für seine Auslandseinsätze durch Frontex Gelder der EU. Diese wurden der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), hier dem BPOLP, zur Weiterleitung an den Kläger zur Verfügung gestellt und durch dieses an den Kläger ausgezahlt.

Das BPOLP meldete dem Finanzamt (FA) im Wege der Verwaltungshilfe die weitergeleiteten EU-Gelder und rechnete diese in seinen Reisekostenabrechnungen auf die Reisekostenvergütungen des Klägers nach nationalem Recht an.

Das FA behandelte die EU-Gelder insoweit als steuerpflichtig, als sie die vom BPOLP angesetzten Reisekosten nach nationalem Recht überstiegen.

Die Einsprüche des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2015 und 2016 hatten insoweit Erfolg, als das FA auf die EU-Gelder fiktive steuerfreie Reisekostenerstattungen nach § 3 Nr. 13 EStG und steuerfreie Auslandsdienstbezüge gem. § 3 Nr. 64 EStG steuermindernd anrechnete. Soweit keine Reisekostenerstattungen durch das BPOLP errechnet worden waren, aber ein Werbungskostenabzug der vom Kläger getragenen Aufwendungen für die Auslandseinsätze möglich war, berücksichtigte das FA diese Werbungskosten ebenfalls steuermindernd. Für das Streitjahr 2017 ergab sich insoweit keine Minderung der Einkommensteuer, sodass das FA diesen Einspruch als unbegründet zurückwies.

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab.

Mit der Revision beantragte der Kläger die gezahlten EU-Gelder als steuerfrei zu behandeln.

Entscheidung: BFH bestätigt die Auffassung des FG

Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossenen EU-Gelder nur in dem vom FA berücksichtigten Umfang steuerfrei sind.

Keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 64 Satz 1 EStG oder § 3 Nr. 13 EStG

Der Kläger, der seinen Wohnsitz im Inland hat, ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Bei den von ihm in den Streitjahren bezogenen EU-Geldern im Zusammenhang mit seinen Einsätzen in Griechenland auf der Insel C handelt es sich um Arbeitslohn (Drittlohn) gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die EU-Gelder sind mangels Zahlung aus (inländischen) "öffentlichen Kassen" nicht gem. § 3 Nr. 64 Satz 1 EStG oder § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei.

Keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 64 Satz 2 EStG

Die Steuerfreiheit der EU-Gelder nach § 3 Nr. 64 Satz 2 EStG scheidet ebenfalls aus. Denn der Kläger stand nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Recht, das grundsätzlich von einem zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff ausgeht, nicht in einem Dienstverhältnis zu Frontex, sondern zum Bundesland A. Außerdem hat § 3 Nr. 64 Satz 2 EStG zur weiteren Voraussetzung, dass der Arbeitslohn nach den Grundsätzen des Bundesbesoldungsgesetzes ermittelt wird, was bei den streitigen EU-Geldern ebenfalls nicht der Fall ist.

Kläger kein Beamter oder sonstiger Bediensteter der EU

Die dem Kläger in den Streitjahren ausgezahlten EU-Gelder sind auch nicht gem. Art. 12 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der EU (ABlEU C 326 vom 26.10.2012, S. 266) steuerbefreit. Nach dieser Vorschrift sind die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union von innerstaatlichen Steuern auf die von der Union gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit. Der Kläger, der als Beamter des Bundeslands A für die Einsätze in Griechenland an das BPOLP abgeordnet war und von diesem sodann der griechischen Küstenwache im Rahmen von Frontex zugewiesen wurde, war aber weder Beamter noch sonstiger Bediensteter der EU. Die Einstufung als Beamter oder Bediensteter der EU kann nach der Rechtsprechung des EuGH nur durch einen formellen Rechtsakt des betreffenden Gemeinschaftsorgans erfolgen. Ein solcher Rechtsakt liegt für den Kläger nicht vor.

Da der Kläger nicht durch einen Rechtsakt zum Beamten bestellt wurde, auch nicht als sonstiger Bediensteter eingestellt oder für eine leitende Funktion an Frontex abgeordnet wurde, kommt auch eine Steuerbefreiung nicht nach Art. 18 i.V.m. Art. 17 der VO (EG) 2007/2004 und Art. 59 i.V.m. Art. 58 VO (EU) 2016/1624 in Betracht.

Keine Steuerbefreiung nach DBA Griechenland

Nach Art. XI Abs. 2 Satz 1 DBA-Griechenland können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staate besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in diesem anderen Staate besteuert werden (Art. XI Abs. 2 Satz 2 DBA-Griechenland).

Deutschland steht im Streitfall als Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht zu, da sich der Kläger in den Streitjahren nicht länger als jeweils 183 Tage in Griechenland aufgehalten hat (Art. XI Abs. 3 Buchst. a DBA-Griechenland).

Der Kläger war von seinem inländischen Dienstherrn (Bundesland A) für die Einsätze in Griechenland jeweils an das BPOLP abgeordnet und von diesem wiederum der griechischen Küstenwache zur Verwendung auf der Insel C zugewiesen worden.

Frontex als Arbeitgeber des Klägers

Hinsichtlich der EU-Gelder ist Frontex – neben dem Bundesland A – als Arbeitgeber des Klägers im abkommensrechtlichen Sinne anzusehen.

Arbeitgeber im Sinne des Doppelbesteuerungsrechts ist im Zweifel derjenige, der die Vergütungen für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, sei es, dass er die Vergütungen unmittelbar dem betreffenden Arbeitnehmer auszahlt, sei es, dass ein anderes Unternehmen für ihn mit diesen Arbeitsvergütungen in Vorlage tritt.

Der Kläger war aufgrund Zuweisung in die Organisation der Frontex-Einsätze eingebunden und weisungsabhängig tätig. Ausweislich der Abordnungs- und Zuweisungsverfügung des Klägers war insoweit auch ein "Frontexbriefing" auf der Insel C vorgesehen, für das sich der Kläger nach seiner Ankunft mit dem Ansprechpartner in Verbindung setzen sollte. Die vom Kläger bezogenen EU-Gelder wurden wirtschaftlich von Frontex – einer Einrichtung der Union mit Rechtspersönlichkeit, die in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkannt ist, besitzt – getragen und Deutschland bereitgestellt und vom BPOLP an den Kläger weitergeleitet.

Sitz von Frontex in Warschau

Frontex ist auch nicht i.S.d. DBA-Griechenland in Griechenland ansässig (Art. XI Abs. 3 Buchst. b DBA-Griechenland). Der Sitz von Frontex befindet sich in Warschau (Art. 56 Abs. 5 VO (EU) 2016/1624). Frontex verfügt in Griechenland zudem auch nicht über eine Betriebsstätte oder eine feste Einrichtung, von deren Gewinn die Vergütungen des Klägers abgezogen wurden (Art. XI Abs. 3 Buchst. c DBA-Griechenland).

DBA Polen

Eine Besteuerung der vom Kläger bezogenen EU-Gelder in Polen kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Der Kläger hat seine Arbeit im Rahmen der Frontex-Einsätze nicht in Polen als dem Sitzstaat von Frontex ausgeübt, sondern in Griechenland. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des DBA-Polen kommt eine Auslegung dergestalt, dass seine Tätigkeit in Griechenland "funktional dem Sitz von Frontex in Polen zuzuordnen" wäre, nicht in Betracht. Maßgeblich ist vielmehr der Ort der (tatsächlichen) Arbeitsausübung, also der Ort, wo sich der Arbeitnehmer zur Ausführung seiner Tätigkeit persönlich aufhält.

BFH, Urteil v. 16.5.2024, VI R 31/21; veröffentlicht am 18.7.2024

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