Leitsatz (amtlich)
Für Gehalts- und Pensionsklagen von Mitgliedern des Vertretungsorgans einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft ist der Streitwert grundsätzlich nach § 17 Abs. 3 GKG zu berechnen (Abweichung von LM GKG 1975 § 17 Nr. 1).
Normenkette
GKG 1975 § 17 Abs. 3; ZPO § 9
Verfahrensgang
LG Kiel |
Schleswig-Holsteinisches OLG |
Tenor
Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird auf 54.000 DM festgesetzt.
Gründe
Das Berufungsgericht hat die Beklagte, eine GmbH, verurteilt, in Ergänzung eines mit dem Kläger als ihrem früheren Geschäftsführer abgeschlossenen Dienstvertrags einer Vereinbarung zuzustimmen, wonach der Kläger bei Dienstunfähigkeit oder Eintritt in den Ruhestand ein Ruhegeld wie ein Landesbeamter der Besoldungsgruppe B 1 erhalten soll, vermindert um Leistungen aus der Angestelltenversicherung. Die hiergegen eingelegte Revision hat die Beklagte zurückgenommen.
Der (Gebühren-) Streitwert für die Revisionsinstanz, ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Ausgangspunkt hierfür ist der Wert, der anzusetzen wäre, wenn der Kläger einen zeitlich unbegrenzten bezifferten Ruhegeldanspruch eingeklagt hätte.
Nach § 17 Abs. 3 GKG ist bei „Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen” der dreifache Jahresbetrag dieser Leistungen für die Wertberechnung maßgebend. Unter den Begriff „Arbeitnehmer” fallen im engeren Sinne nur sozial abhängige Arbeiter und Angestellte, nicht aber Mitglieder des Vertretungsorgans einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft. In diesem Sinne wird er vor allem im Arbeitsrecht gebraucht (vgl. z.B. § 5 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG; § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG; § 5 Abs. 2a BetrVG). Auf gleiche Weise hat der Senat in ständiger Rechtsprechung bislang auch § 17 Abs. 3 GKG dahin ausgelegt, daß der Streitwert für Gehalts- und Pensionsklagen von Organmitgliedern nicht nach dieser Vorschrift, sondern nach § 9 ZPO zu berechnen ist (Beschl. v. 15.6.78 – II ZR 120/77, LM GKG 1975, § 17 Nr. 1). An dieser Auffassung hält er angesichts der weiter fortgeschrittenen Rechtsentwicklung in Übereinstimmung mit einer in der Rechtsprechung der unteren Instanzen und im Schrifttum stark verbreiteten Gegenmeinung nicht mehr fest (vgl. die Nachw. bei Hartmann, Kostengesetze, 20. Aufl., § 17 GKG Anm. 4).
In neuerer Zeit ist der Gesetzgeber zunehmend dazu übergegangen, bei solchen Vorschriften, bei denen nicht die Eigenschaft als gesetzliches Vertretungsorgan oder die Ausübung von Arbeitgeberfunktionen gegenüber anderen Betriebsangehörigen im Vordergrund stehen, sondern das Schutzbedürfnis von Personen, deren Lebensunterhalt auf persönlichen Dienstleistungen beruht, Gesellschaftsorgane und sogar selbständig Tätige in dem gebotenen Umfang einem Arbeitnehmer gleichzustellen. So kommt der Pfändungsschutz nach § 850 Abs. 2 ZPO in der heute geltenden Fassung grundsätzlich auch Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern wegen ihrer laufenden Dienst- und Versorgungsbezüge zugute (Urt. d. Sen. v 8.12.1977 – II ZR 219/75, LM ZPO § 850 Nr. 2). Dasselbe gilt hinsichtlich von Ruhegeldansprüchen auch für die Schutzvorschriften des Betriebsrentengesetzes (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG) und die Konkursvorrechte nach § 59 Abs. 1 Nr. 3d und § 60 Abs. 1 Nr. 1d KO i.d.F. von 1974 (Urt. d. Sen. v. 14.7.1980 – II ZR 106/79, NJW 1980, 2468 zu III 2).
Darüber hinaus hat der Senat seit jeher einzelne arbeitsrechtliche Vorschriften oder Grundsätze dort, wo er es nach deren Zweck für angebracht hielt, auch auf Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person angewandt; so die Einschränkung des § 323 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Treuepflicht (BGHZ 10, 187, 190 f.) oder die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung (Urt. v. 3.12.1962 – II ZR 201/61, LM GmbHG § 35 Nr. 5) oder Erteilung eines Zeugnisses (BGHZ 49, 30). Auch zur Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB, der seinem Wortlaut nach das „Arbeitsverhältnis eines Angestellten” betrifft, hat der Senat unlängst entschieden, daß diese Frist für den Geschäftsführer einer GmbH entsprechend gilt (Urt. v. 29.1.1981 – II ZR 92/90, zur Veröffentl. vorgesehen). Für diese Entscheidungen war vor allem der Gedanke maßgebend, daß Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder in der Regel zwar nicht in gleichem Maße wie Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Verständnis sozial abhängig sind, gleichwohl aber als Angestellte dienstvertraglich gebunden und auf die hierauf beruhenden Gehalts- und Versorgungsbezüge mehr oder weniger wirtschaftlich angewiesen sind.
Dieser Gedanke kann bei einer Auslegung des § 17 Abs. 3 GKG nicht mehr außer Betracht bleiben. Denn der Sinn dieser Vorschrift ist der, die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen, aus denen der Berechtigte seinen Lebensunterhalt erzielt, zu erleichtern. Dieser Schutzzweck trifft in weitestem Umfang auch auf Vergütungs- und Ruhegeldansprüche von Organmitgliedern zu. Dabei hält es der Senat nicht für angezeigt, so wie etwa das Sozialversicherungsrecht (§ 3 Abs. 1a AVG) zwischen GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern zu unterscheiden. Zwar sind Vorstandsmitglieder im Gegensatz zu den Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich nicht an Weisungen gebunden (§ 76 Abs. 1 AktG, § 27 Abs. 1 GenG). Aber auch für sie bildet das Anstellungsverhältnis, dessen Bestand vom Vertrauen der Bestellungsorgane abhängt, oftmals die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz und die Hauptquelle ihrer Altersversorgung. Zudem kann die tatsächliche Stellung auch eines Vorstandsmitglieds, vor allem in einer konzernabhängigen Aktiengesellschaft, stark an die eines Arbeitnehmers angenähert sein.
Das schließt nicht aus, in Fällen, auf die § 17 Abs. 3 GKG offensichtlich nicht gemünzt ist, insbesondere bei Streitigkeiten über die Bezüge eines Mehrheitsgesellschafters, den Streitwert nach wie vor nach § 9 ZPO zu bestimmen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Das Berufungsgericht hat aufgrund der Angaben des Klägers (Klageschrift S. 10: Geschätztes Ruhegehalt bei der gewünschten Einstufung in B 3 monatlich 3.000 DM) den Streitwert für seine nur teilweise erfolgreich gebliebene Klage gemäß § 17 Abs. 3 GKG mit 108.000 DM und seine Beschwer mit 54.000 DM angenommen. Dem schließt sich der Senat für die Streitwertberechnung an.
Fundstellen
Haufe-Index 609346 |
NJW 1981, 2465 |