Leitsatz (amtlich)
Der Gläubiger kann einen klarstellenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts verlangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei der Berechnung des pfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Schuldner an den Unterhaltsberechtigten keinen Unterhalt leistet.
Normenkette
ZPO § 850c Abs. 1 S. 2, Abs. 4
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 14.12.2015; Aktenzeichen 16 T 7507/15) |
AG Nürnberg (Beschluss vom 30.09.2015; Aktenzeichen 1 M 13862/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden der Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Nürnberg-Fürth vom 14.12.2015 und der Beschluss des AG Nürnberg - Vollstreckungsgericht - vom 30.9.2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Gläubigers vom 21.9.2015, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das AG Nürnberg - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des AG T. in Griechenland. Er hat am 21.8.2015 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen die Schuldnerin bezüglich der Pfändung mehrerer Forderungen der Schuldnerin gegenüber Drittschuldnern beantragt, hierunter das Arbeitseinkommen der Schuldnerin. Dabei hat der Gläubiger einen Antrag auf Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten gem. § 850c Abs. 4 ZPO mit der Begründung gestellt, die Schuldnerin zahle keinen Unterhalt für ihre Kinder, die auch nicht bei der Schuldnerin leben würden. Das AG - Vollstreckungsgericht - hat den Gläubiger darauf hingewiesen, dass eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO nur für den Fall möglich sei, dass der Unterhaltsberechtigte eigenes Einkommen habe. Der Gläubiger hat daraufhin mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21.9.2015 den Erlass eines klarstellenden Beschlusses über die Anordnung der Nichtberücksichtigung der Kinder bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der Schuldnerin gem. § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO beantragt.
Rz. 2
Das AG - Vollstreckungsgericht - hat den Antrag zurückgewiesen und der sofortigen Beschwerde des Gläubigers nicht abgeholfen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers.
II.
Rz. 3
Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen und Zurückverweisung der Sache an das AG - Vollstreckungsgericht -.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, eine gesetzliche Grundlage für die vom Gläubiger begehrte Anordnung bestehe nicht, da § 850c Abs. 4 ZPO eine solche Anordnung lediglich bei eigenem Einkommen des Unterhaltsberechtigten vorsehe. Auch eine entsprechende Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO komme mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO erhöhe sich der unpfändbare Anteil des Arbeitseinkommens der Schuldnerin nur, wenn die Schuldnerin aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt tatsächlich gewähre. Diese Rechtsfolge sei somit gesetzlich festgelegt und eine zusätzliche Anordnung überflüssig. Eine Entscheidung, wie sie vom Gläubiger begehrt werde, würde lediglich eine klarstellende Funktion haben. Da sie ohne gesetzliche Grundlage erginge, wäre sie bei nachfolgenden Streitigkeiten zwischen dem Beschwerdeführer und dem Drittschuldner über die Höhe der gepfändeten Forderung ohne Bedeutung. Da somit der begehrte Zweck nicht erreicht werden könne, fehle auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers.
Rz. 5
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 6
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass eine Anordnung der Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens nicht auf § 850c Abs. 4 ZPO gestützt werden kann, wenn der Schuldner keinen Unterhalt zahlt. Vielmehr ergibt sich bereits aus § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass sich der unpfändbare Anteil des Arbeitseinkommens des Schuldners nur erhöht, wenn der Schuldner tatsächlich aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt leistet (vgl. BAG NJW 2013, 3532 Rz. 14 m.w.N.). Eine entsprechende Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Umstand, dass der Unterhaltsberechtigte keinen Unterhalt erhält, nicht mit der Situation vergleichbar ist, in der er ein eigenes Einkommen erzielt (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2007 - VII ZB 94/06, NJW-RR 2007, 938 Rz. 16).
Rz. 7
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann der Gläubiger jedoch einen klarstellenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts verlangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei der Berechnung des pfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Schuldner an den Unterhaltsberechtigten keinen Unterhalt leistet.
Rz. 8
Der Antrag des Gläubigers richtete sich für die Pfändung von Arbeitseinkommen auf Erlass eines Blankettbeschlusses, der gem. § 850c Abs. 3 Satz 2 ZPO wegen der Berechnung der pfändbaren Beträge auf die Anwendung der Tabelle zu dieser Vorschrift verweist. Die allgemein gefassten Angaben in einem solchen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss können im Einzelfall zu Unklarheiten führen. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass Schuldner, Gläubiger und Drittschuldner ein Rechtsschutzbedürfnis haben, derartige Unklarheiten durch Anrufung des Vollstreckungsgerichts zu beseitigen. Dieses hat dann eine klarstellende Entscheidung zu treffen, die den Blankettbeschluss ergänzt und konkrete Berechnungskriterien für den Drittschuldner aufzeigt (BGH, Beschl. v. 24.1.2006 - VII ZB 93/05, BGHZ 166, 48 Rz. 14; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl., § 850c Rz. 9; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 1057; BeckOK ZPO/Riedel, Stand: 1.7.2017, § 850c Rz. 13b; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/Lorenz, ZPO, 6. Aufl., § 850c Rz. 9; Mock in Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 7. Aufl., § 850c ZPO Rz. 20a; PG/Ahrens, ZPO, 9. Aufl., § 850c Rz. 26). Das Vollstreckungsgericht kann dabei auf Antrag eines Beteiligten auch eine Feststellung über die zu berücksichtigenden unterhaltsberechtigten Angehörigen mit Hilfe eines klarstellenden Beschlusses treffen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 21.2.2008 - IX ZR 202/06, NJW-RR 2008, 1578 Rz. 13). Funktionell ist der Rechtspfleger bei dem Vollstreckungsgericht zuständig, § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG (BGH, Beschl. v. 24.1.2006 - VII ZB 93/05, BGHZ 166, 48 Rz. 15-18).
Rz. 9
Ein klarstellender Beschluss sichert den Drittschuldner ab, dessen Zahlung zur Erfüllung im Verhältnis zu Gläubiger und Schuldner führt, wenn er sich an den Beschluss hält (vgl. Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl. § 850c Rz. 9). Dies dient auch dem Gläubiger, der bei fehlender Berücksichtigung von Unterhaltsberechtigten aufgrund klarstellenden Beschlusses einen höheren Betrag des Arbeitseinkommens des Schuldners überwiesen erhält.
Rz. 10
3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Es ist bislang nicht festgestellt, ob der zulässige Antrag des Gläubigers vom 21.9.2015 auch begründet ist. Die Sache ist daher an das AG - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, §§ 577 Abs. 4 Satz 1, 572 Abs. 3 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 11343759 |
NJW 2017, 10 |
NJW 2017, 3591 |
FamRZ 2017, 2037 |
JurBüro 2018, 107 |
ZAP 2018, 75 |
DGVZ 2018, 42 |
JZ 2018, 46 |
MDR 2017, 1446 |
Rpfleger 2018, 159 |
FamRB 2018, 151 |
FoVo 2018, 148 |
InsbürO 2018, 121 |
InsbürO 2019, 21 |
VE 2018, 4 |
VE 2019, 129 |