Leitsatz (amtlich)
a) Zur Pfändbarkeit und Abtretbarkeit von Ansprüchen eines Kassenzahnarztes gegen seine Kassenzahnärztliche Vereinigung.
b) Bei Pfändung solcher Ansprüche ist § 850 a Nr. 3 ZPO nicht anwendbar.
Normenkette
BGB § 400; ZPO § 850a Nr. 3, § 850f Abs. 1 Buchst. a; RVO § 368 f. Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Kassel |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Vom 27. November 1984 aufgehoben, soweit es zu deren Nachteil erkannt hat, und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Beklagten das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 7. Juni 1983 abgeändert:
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten in den angeblichen Anspruch des Zahnarztes Dr. Jürgen M… gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe in Münster aus dem Arrestbeschluß des Landgerichts Arnsberg vom 18. Mai 1981 wird für unzulässig erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt, in die Auszahlung des gesamten bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Münster (35 HL 61/81) hinterlegten Betrages einschließlich aufgelaufener Zinsen an die Klägerin einzuwilligen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen zu ihren Gunsten gemäß §§ 372 ff. BGB hinterlegten Betrag:
Dem Zahnarzt Dr. Jürgen M… gewährte die klagende Bank neben einem Überziehungskredit am 23. Mai 1978 ein Darlehen von 500.000 DM zu 6,5 % Zinsen fest bis 30. März 1990. Am 5. Mai 1978 hatte Dr. M… folgende „Abtretungserklärung” unterzeichnet.
„… Zur Sicherung aller gegenwärtigen und zukünftigen… Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung, insbesondere aus laufender Rechnung, Darlehen … tritt der Sicherungsgeber den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens im Sinne des § 850 ZPO, insbesondere
gegen seinen jeweiligen Arbeitgeber und seine gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die für seinen jeweiligen Niederlassungsort zuständige, zuständig werdende und zuständig gewesene Kassenärztliche oder Kassenzahnärztliche Vereinigung an die Bank ab….”
Auf Anzeige bestätigte die Kassenzahnärztliche Vereinigung W… (künftig KZV) am 12. Juli 1978 die Abtretung.
Dr. M… arbeitete in der Folgezeit mit der Beklagten zusammen, die ein Dental-Labor betreibt. Seine Aufträge bestätigte die Beklagte jeweils mit Schreiben, auf deren Rückseite u.a. diese Bedingung abgedruckt ist:
„9. Eigentumsvorbehalt.
9.1. An sämtlichen gelieferten Arbeiten wird das Eigentum vorbehalten bis zur vollständigen Bezahlung aller Forderungen, auch der Nebenforderungen, aus der Geschäftsverbindung.
9.2. Mit der Auftragserteilung tritt der Auftragsgeber Forderungen, die er in Ausübung seiner Berufs- oder Erwerbstätigkeit erworben hat, in Höhe des gesamten Laborauftrags an den Auftragsnehmer ab.”
Dr. M… erzielte in seiner Zahnarztpraxis 1978 einen Umsatz von mehr als 1 Million DM, 1979 von über 1, 5 Millionen DM. Nachdem ihm die Kassenzulassung entzogen worden war, kündigte die Klägerin die Darlehen. Am 18. Mai 1981 ordnete das Landgericht Arnsberg auf Antrag der Beklagten wegen eines Werklohnanspruchs in Höhe von 137.585,07 DM nebst 12,75 % Zinsen seit 13. Februar 1981 sowie wegen einer Kostenpauschale von 4.000 DM den dinglichen Arrest in das Vermögen des Dr. M… an und pfändete zugleich in Vollziehung des Arrestes bis zum Höchstbetrag von 142.000 DM seine angebliche Forderung gegen die KZV „auf Auszahlung seines Guthabens aus der Einziehung ihm zustehender Forderungen nebst Zinsen”. Der Beschluß wurde am 27. Mai 1981 zugestellt. Die KZV hinterlegte beim Amtsgericht Münster am 8. Oktober 1981 den Dr. M… aus der Kassenabrechnung noch zustehenden Betrag von 160.000 DM zu Gunsten der Parteien und verzichtete auf Rücknahme.
Das Landgericht verurteilte die Beklagte, der Auszahlung von 80.000 DM der hinterlegten Summe zuzustimmen, und wies die weitergehende Klage ab. Mit der Berufung verfolgte die Klägerin ihren Antrag auf Zustimmung in die Auszahlung der restlichen 80.000 DM weiter und verlangte auch, die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Arrestbeschluß des Landgerichts Arnsberg vom 18. Mai 1981 in die Forderung des Dr. M… gegen die KZV für unzulässig zu erklären. Mit der Schlußberufung begehrte die Beklagte die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Das Oberlandesgericht erklärte die Zwangsvollstreckung der Beklagten in die Forderung des Dr. M… gegen die KZV nur in Höhe von 80.000 DM für unzulässig und wies im übrigen die Berufung, aber auch die Anschlußberufung zurück. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge, soweit ihnen nicht stattgegeben ist, weiter. Die Beklagte bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
1. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten in den Anspruch des Dr. auf Auszahlung seines Guthabens bei der KZV ist zulässig. Denn die Zwangsvollstreckung der Beklagten ist weder aufgehoben (vgl. BGHZ 66, 394) noch durch die gemäß § 372 BGB erfolgte Hinterlegung des bisher nicht herausgegebenen Betrags der gepfändeten Forderung beendet (BGHZ 72, 334, 337).
2. Die Drittwiderspruchsklage ist begründet, weil die Klägerin durch den Abtretungsvertrag vom Mai 1978 die Forderung erlangt hat, die Dr. M… bei Beendigung seiner Tätigkeit als Kassenarzt im Jahre 1981 gegen die KZV laut deren Abrechnung noch zugestanden hatte und die erst später von der Beklagten gepfändet worden ist.
a) Durch die Erklärung vom 5. Mai 1978 hat Dr. M… den pfändbaren Teil seines künftigen Arbeitseinkommens im Sinne des § 850 ZPO an die Klägerin abgetreten. Dazu zählen nach Absatz 2 dieser Vorschrift Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen.
Das trifft, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, für Ansprüche des Zahnarztes gegen seine Kassenzahnärztliche Vereinigung zu. Diese Ansprüche beruhen allerdings auf rechtlichen Regelungen, die sich grundlegend von denen des Honoraranspruchs gegen Privatpatienten unterscheiden: Nach §§ 165 ff. RVO Versicherte haben Anspruch auf Krankenversorgung und auf zahnärztliche Versorgung (§§ 179 Abs. 1 Nr. 2; 182 Abs. 1 a, d; 368 e RVO, im folgenden jeweils in der mit Inkrafttreten des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes – KVKG, BGBl. I 1977, 1069 – ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung) nur gegen ihre Versicherungsträger, die Krankenkassen (§ 225 RVO). Diese schulden ihren Versicherten Sachleistungen oder Dienstleistungen in Natur (Naturalleistungsprinzip). Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen auf dem Gebiet der ärztlichen Krankenversorgung (§ 368 Abs. 2 RVO) schließen die Landesverbände oder Bundesverbände der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Verträge, aufgrund deren die Kassenärztlichen Vereinigungen die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherstellen und die jeweilige angeschlossene Krankenkasse zur Zahlung einer Gesamtvergütung an die versorgende Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet wird (§§ 368, 368 f, 368 g und 368 n RVO). Zu den Kosten für zahntechnische Leistungen bei Zahnersatz und Zahnkronen zahlen die Krankenkassen, allerdings nur Zuschüsse, deren Höhe die Satzung der jeweiligen Krankenkasse bestimmt (§ 182 c RVO). Die vertraglichen Bestimmungen über die kassenärztliche Versorgung sind für den Kassenarzt aufgrund seiner Zulassung und nach der Satzung seiner Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung bindend (§ 368 a Abs. 4 RVO). Diese verteilt die ihr zufließenden Gesamtvergütungen auf ihre Mitglieder nach einem Bewertungsmaßstab, den sie im Benehmen mit den Krankenkassen festgesetzt hat (§ 368 f. Abs. 1 RVO). Die Kassenzahnärztliche Vereinigung hat danach Entgelte für eine nicht weisungsgebundene Tätigkeit innerhalb der für den Zahnarzt verbindlichen Bestimmungen über die kassenzahnärztliche Versorgung (§§ 368 a Abs. 4, 368 d Abs. 4 RVO; Satzung der für ihn zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung; Bundesmantelvertrag Z) zu zahlen. Daß es sich dabei um die Vergütung für eine Tätigkeit in einem freien Beruf handelt, ist für die Einordnung als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO nur von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, daß es sich um Vergütungen für Dienstleistungen handelt, die die Existenzgrundlage des Schuldners bilden, weil sie seine Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen (BGH, Urt. v. 8. Dezember 1977 – II ZR 219/75, NJW 1978, 756; BAG NJW 1962, 1221; Stöber/Zöller ZPO 14. Aufl. § 850 Rdnr. 9; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 20. Aufl. § 850 Rdnr. 40; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 43. Aufl. § 850 Anm. 2 F). Diese Voraussetzungen sind hier für die Vergütungen der KZV an Dr. M… gegeben. Die KZV schuldete ihm unstreitig im Jahre 1979 insgesamt eine Vergütung von 1.181.000 DM, während er in seiner Privatpraxis im selben Jahr nur 320.000 DM umsetzte (Bl. 123). Für die nachfolgenden Jahre ist von einer vergleichbaren Relation auszugehen.
b) Die Abtretung auch der künftigen Ansprüche gegen die KZV ist nicht gemäß § 138 BGB nichtig. Für die von der Beklagten geltend gemachte Knebelung fehlt ein tatsächlicher Anhalt. Die Sicherungsabtretung vom Mai 1978 hat weder die wirtschaftliche Entschließungs- und Handlungsfreiheit des Dr. M… über Gebühr eingeschränkt noch andere Gläubiger sittenwidrig gefährdet (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1975 – III ZR 81/73, LM BGB § 398 Nr. 28). Dr. M… und die Klägerin haben nach deren Darstellung die Erklärung vom 5. Mai 1978 dahin verstanden, daß nur die Ansprüche gegen die KZV abgetreten worden sind. Dementsprechend hat die Klägerin keine Ansprüche gegen Privatpatienten des Dr. M… geltend gemacht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Wortlaut der Abtretungserklärung solche Ansprüche überhaupt erfaßt hat. Dr. M… sind auch nach dem 5. Mai 1978 die Honorare der Privatpatienten sowie sonstiges Einkommen ungeschmälert zugeflossen. Er hat zudem zu außerordentlich günstigen Konditionen (bis 1990 tilgungsfreies Darlehen für 6,5% Zinsen pro Jahr) 500.000 DM erhalten, über die er frei verfügen konnte und deren Gegenwert dem Zugriff anderer Gläubiger offenstand. Danach kann auch von Wucher keine Rede sein.
c) Das Berufungsgericht ist der Meinung, daß die Klägerin den Teil des Vergütungsanspruchs gegen die KZV, der zur Deckung der Sachaufwendungen bestimmt gewesen sei, nicht durch Abtretung erworben habe: Zwar falle auch dieser Teil der Vergütung unter den Begriff des Arbeitseinkommens im Sinne des § 850 ZPO. Nach § 850 a Nr. 3 ZPO könnten aber unter anderem Aufwandsentschädigungen und auch das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial nicht gepfändet werden, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht überstiegen. Das habe seinen Grund darin, daß sie in Wirklichkeit gar kein Entgelt für eine Arbeitsleistung darstellten, sondern den Ersatz für tatsächlich entstandene Auslagen, für die der Empfänger der Vergütung bereits seine Gegenleistung aus seinem Vermögen erbracht habe oder noch erbringen müsse. Der Schuldner solle davor geschützt werden, daß ihm der Gegenwert für seine tatsächlichen Aufwendungen durch die Pfändung noch einmal entzogen und daß ihm damit letztlich die Fortführung seiner Tätigkeit unmöglich gemacht werde, weil er die dafür erforderlichen Auslagen nicht mehr aufbringen könne. Dieser Zweck des § 850 a Nr. 3 ZPO gelte auch für die Beträge, die ein Kassenzahnarzt von der KZV als Vergütung für Sachleistungen erhalte. Der Umstand, daß der Zahnarzt den Kassenpatienten gegenüber zu der Versorgung mit Zahnkronen und Zahnersatz verpflichtet sei, ändere nichts daran, daß mit der Vergütung, die er hierfür von der KZV erhalte, keine Tätigkeit des Zahnarztes, sondern seine Aufwendungen abgegolten würden. Die KZV unterscheide, wie ihre Auskunft vom 16. Mai 1983 bestätige, bei den Beträgen, die sie den Kassenärzten zahle, anders als bei der Abrechnung des Zahnarztes mit seinen Privatpatienten, nicht zwischen Dienstleistungshonoraren und Sachaufwendungen. Dennoch sei es nicht gerechtfertigt, nach § 850 a Nr. 3 ZPO die Auslagen des Arztes verschieden zu behandeln, je nachdem ob sie für die Behandlung von Privatpatienten oder Kassenpatienten entstanden seien. Der Anteil der Sachaufwendungen müsse hier nach den vorgelegten Veröffentlichungen über die Kostenstruktur in Zahnarztpraxen (ZM 1980, 459; 1982, 609) auf 50 % der von der KZV zu zahlenden Vergütung geschätzt werden.
Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis zu Recht. Die Pfändbarkeit und damit die Abtretbarkeit (§ 400 BGB) von Ansprüchen eines Kassenzahnarztes gegen seine Kassenzahnärztliche Vereinigung werden durch § 850 a Nr. 3 ZPO nicht eingeschränkt.
aa) Nach dieser Vorschrift sind unpfändbar Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des üblichen nicht übersteigen. War neben dem Arbeitsverdienst ein Ersatz für jene Aufwendungen durch Pauschalbeträge der Höhe nach vereinbart und ist entsprechend abgerechnet worden, so ist der ausgewiesene Betrag nach § 850 a Nr. 3 ZPO unpfändbar, soweit er den steuerlichen Erfahrungswerten entspricht und dann auch nicht den Rahmen des üblichen übersteigt (BAG BB 1971, 1197). Die damit nicht beantwortete Frage, ob Aufwandsentschädigungen und die übrigen in § 850 a Nr. 3 ZPO genannten Zulagen und Gelder auch dann als unpfändbar zu gelten haben, wenn sie nicht als solche getrennt vom Verdienst berechnet, mithin nicht der Höhe nach ausgewiesen sind (vgl. dazu OLG Hamm in BB 1956, 668; LAG Hamburg in BB 1971, 132; Bischoff-Rochlitz, Die Lohnpfändung 3. Aufl. Anm. 3 c bb zu § 850 a ZPO; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 20. Aufl. § 850 a RNr. 21 einerseits und andererseits LAG Baden-Württemberg in BB 1958, 1057; OLG Hamm in BB 1972, 855; Stöber, Forderungspfändung 6. Aufl. Rdnr. 992), ist hier nicht entscheidungserheblich. Denn § 850 a Nr. 3 ZPO erfaßt von vornherein nicht den Anspruch eines Zahnarztes gegen seine Kassenzahnärztliche Vereinigung:
Wie sich aus den bereits erörterten gesetzlichen Grundlagen dieses Anspruchs ergibt, richtet er sich auf den Teil der von den einzelnen Krankenkassen gezahlten Gesamtvergütung, der an den Zahnarzt nach Art und Umfang seiner Leistungen unter Zugrundelegung des im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Maßstabs zu verteilen ist (§ 368 f. Abs. 1 Satz 2 bis 4 RVO). Durch die Befriedigung dieses einheitlichen Anspruchs werden alle Leistungen auch zahntechnischer Art (Zahnkronen und Zahnersatz mit der sich aus § 182 c RVO ergebenden Einschränkung) abgegolten, die der Zahnarzt in Erfüllung der seiner Kassenzahnärztlichen Vereinigung obliegenden Versorgung der Versicherten erbringt. Aus dem Umsatz mit seiner Kassenzahnärztlichen Vereinigung muß der Zahnarzt seinen gesamten auf die kassenzahnärztliche Versorgung entfallenden Aufwand, so die Kosten der Fortbildung und des Personals, die Miete, die Aufwendungen für Geräte, Apparaturen und die zahntechnischen Leistungen aus dem eigenen oder einem fremden Labor, auch etwaige praxisbezogenen Schuldzinsen usw. bestreiten; der Rest ist (zu versteuernder) Gewinn, der von Praxis zu Praxis verschieden hoch ist. Der Wortlaut und der sich aus ihm erschließende Sinn des § 850 a Nr. 3 ZPO lassen es nicht zu, daß mit seiner Hilfe nur der steuerpflichtige Gewinn eines Zahnarztes der Pfändung unterworfen wird. Durch § 850 a Nr. 3 ZPO sollen vielmehr Arbeitnehmer, allenfalls noch Handelsvertreter, die ihnen nahestehen (vgl. § 92 a HGB), begünstigt werden, soweit sie neben Lohn, Gehalt oder auch Provision ausnahmsweise Entschädigungen für die in § 850 a Nr. 3 ZPO kasuistisch aufgezählten Aufwendungen oder Zulagen für gefährliche oder sonst erschwerte Arbeit erhalten. Diesen besonderen, genau umschriebenen Fällen einer Abspaltung unpfändbarer Beträge vom Arbeitseinkommen abhängig Beschäftigter sind die auf die einzelnen Kassenzahnärzte entfallenden Teile der an die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen gezahlten Gesamtvergütungen wegen ihrer völlig verschiedenen rechtlichen Ausgestaltung, aber auch deshalb nicht vergleichbar, weil der in einem freien Beruf tätige Kassenzahnarzt aus der ihm zufließenden Vergütung nicht nur bestimmte festgelegte Aufwendungen, vielmehr den ganzen für die kassenzahnärztliche Versorgung der Versicherten notwendigen Aufwand tragen muß. Davon einzelne Posten herauszugreifen und als Aufwendungsentschädigung oder Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial für unpfändbar zu erklären, wäre willkürlich; sie würden ohne Grund gegenüber anderen Kosten, etwa denen für Fortbildung oder das Personal, privilegiert. Deshalb scheidet auch eine analoge Anwendung des § 850 a Nr. 3 ZPO aus.
Vielmehr greift § 850 f. Abs. 1 lit a ZPO ein. Diese Vorschrift trägt den Interessen der Kassenzahnärzte ausreichend Rechnung, die den zur Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung erforderlichen Aufwand aus einer Gesamtvergütung bestreiten müssen; auf ihren Antrag hat das Vollstreckungsgericht die pfändungsfreien Beträge dieser undifferenzierten Vergütung festzusetzen und dabei den gesamten, den Verdienst (Gewinn) schmälernden Aufwand zu berücksichtigen. Das Gebot der Klarheit und Bestimmtheit des Umfangs der Pfändungswirkungen erfordert diese Auslegung (Stöber a.a.O.). Dem Gläubiger und insbesondere dem Drittschuldner darf nicht zugemutet werden, die Frage, welche Teile der Vergütung eines Kassenzahnarztes unpfändbar sind, durch das Urteil des Prozeßgerichts im Erkenntnisverfahren gegen den Drittschuldner klären lassen zu müssen. Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts nach § 850 f Abs. 1 lit a ZPO, welche Beträge aus seiner Vergütung einem Kassenzahnarzt als berufsbedingter Aufwand verbleiben sollen, wird mithin den Interessen aller Beteiligten gerecht. Sie ergeht kostengünstig und kann weit schneller als ein Urteil erlangt werden.
bb) Daraus folgt: Da es dem Schuldner überlassen ist, ob er durch Antrag nach § 850 f ZPO einen pfändungsfreien Betrag erreichen will, steht es ihm auch frei, seinen Anspruch abzutreten. Die Möglichkeit, daß dem Schuldner auf seinen Antrag nach § 850 f. ZPO ein höherer pfändungsfreier Betrag, als es § 850 c und § 850 e ZPO vorsehen, belassen wird, hindert die wirksame Abtretung nicht (Stein/Jonas/Münzberg ZPO 20. Aufl. § 850 Rdnr. 61 a.E.; § 850 f. Rdnr. 26; Stöber, Forderungspfändung 6. Aufl. Rdnr. 1250).
cc) Wie die Parteien vor dem erkennenden Senat bestätigten, ist ihr Vortrag in den Tatsacheninstanzen dahin zu verstehen, daß in dem Zeitraum, für den Dr. M… die hinterlegte Summe von der KZV zu fordern hatte, ihm bereits die Freibeträge nach § 850 c und § 850 e ZPO übersteigendes Arbeitseinkommen zugeflossen war. Sein mithin uneingeschränkt pfändbarer Anspruch in Höhe von 160.000 DM gegen die KZV ist deshalb wirksam an die Klägerin abgetreten (§§ 398, 400 BGB). Die nachfolgende Vollstreckung der Beklagten in einen angeblichen Anspruch des Dr. M… gegen die KZV hat kein Recht zur Befriedigung aus der der Klägerin zustehenden Forderung begründet. Der Drittwiderspruchsklage ist mithin in vollem Umfang stattzugeben.
II.
Das Berufungsgericht hat den Berufungsantrag, die Beklagte zu verurteilen, der Auszahlung des gesamten hinterlegten Betrages, also der restlichen 80.000 DM zuzustimmen, zurückgewiesen. Auch insoweit ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Klägerin hat aufgrund der Abtretung vom 5. Mai 1978 den Anspruch des Dr. M… gegen die KZV erworben. Deshalb sind die nachfolgenden, in 9.2 der Auftragsbestätigungen der Beklagten enthaltenen Abtretungen, selbst wenn sie den Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit genügt hätten (vgl. BGHZ 70, 86, 89), unwirksam. Die Beklagte hat sich zu Unrecht berühmt, Inhaberin der Ansprüche gegen die KZV aufgrund Abtretung zu sein. Auch wegen dieser Berühmung ist zu Gunsten der Beklagten nach § 372 BGB hinterlegt worden. Diese Rechtsstellung hat sie ohne rechtfertigenden Grund auf Kosten der berechtigten Klägerin erlangt. Daher ist sie zur Freigabe des hinterlegten Betrags zu Gunsten der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet (BGHZ 35, 165, 170) und dementsprechend nach deren Antrag zu verurteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 609813 |
BGHZ, 324 |
NJW 1986, 2362 |
JZ 1986, 498 |