Entscheidungsstichwort (Thema)
Seemann. privater Landgang. Unfallversicherungsschutz
Orientierungssatz
Zum Unfallversicherungsschutz eines Seemanns beim privaten Landgang.
Normenkette
RVO § 838 Nr 2
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 25.07.1991; Aktenzeichen L 2 U 15/91) |
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines bei einem privaten Landgang von einem Motorschiff, auf dem er als Decksmann beschäftigt war, beim Überqueren einer Straße in Tarent/Italien erlittenen Verkehrsunfalls ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 27. Dezember 1985, Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1986; Urteile des Sozialgerichts vom 14. Juni 1989 u. des Landessozialgerichts -LSG- vom 25. Juli 1991). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe keinen Wegeunfall (§ 55O der Reichsversicherungsordnung -RVO-) erlitten; er habe die Arbeitsstätte - hier das Schiff - aus privaten Gründen zum Einkaufen verlassen. Ebensowenig habe ein Versicherungsschutz nach § 838 Nr 2 RVO bestanden.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Er beantragt zugleich, ihm unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Zur Begründung macht er im wesentlichen geltend, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, "ob ein Seemann bei einem Landgang aus privaten Gründen in einem fremden Hafen ebenso unter berufsgenossenschaftlichem Versicherungsschutz steht wie ein Arbeitnehmer auf dem Wege von seiner Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück".
Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe setzt nach § 73a Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- iVm § 114 der Zivilprozeßordnung ua
voraus, daß die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall, weil sich die Beschwerde als unzulässig erweist. Sie entspricht nicht der in § 16O Abs 2 und § 16Oa Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form. Der vom Kläger vorgetragene Zulassungsgrund ist nicht schlüssig dargelegt (s BSG SozR 15OO § 16Oa Nr 47).
Nach § 16O Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 16Oa Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Revisionsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in diesem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Das ist dann der Fall, wenn die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX RdNr 63 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Beantwortung der vom Beschwerdeführer bezeichneten Rechtsfrage unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist,also schon aus sich heraus klar ist und die Antwort außer Zweifel steht (BSG SozR 15OO § 16O Nr 17; Krasney/Udsching aaO IX RdNr 66 mwN). Das ist hier der Fall.
Wie das LSG festgestellt hat, befand sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt zwar auf dem Weg zu dem Schiff, das als seine Arbeitsstätte anzusehen ist. Der auf diesem Weg erlittene Unfall stellt jedoch schon deshalb keinen nach § 55O RVO versicherten sogenannten Wegeunfall dar, weil der Kläger zuvor das Schiff aus privaten Gründen zum Einkaufen verlassen hatte. Ebenso wie beim Verlassen der Arbeitsstätte zu einer privaten Zwecken dienenden Verrichtung, etwa zum Einkaufen, ist § 55O RVO auf Sachverhalte dieser Art überhaupt nicht anwendbar (siehe dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Auflage, S 485s mit weiteren Nachweisen). Dementsprechend sieht § 839 RVO auch ausdrücklich vor, daß ein Unfall, den ein Seemann bei einem privaten Landgang außerhalb des Hafengebiets erleidet, dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen ist und kein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall ist. Erleidet der Seemann bei einem Landgang einen Unfall innerhalb des Hafengebiets, so ist der Versicherungsschutz beschränkt auf die Unfälle, die durch die einem Hafen eigentümlichen Gefahren eintreten (§ 838 Nr 2 RVO). Diese Sondervorschriften für Seeleute zeigen die Absicht des Gesetzgebers, private Landgänge eines Seemanns nur unter besonderen Voraussetzungen unter Versicherungsschutz zu stellen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, von denen im Verfahren der auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde auszugehen ist, befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf einem privaten Landgang. Soweit sich der Unfall außerhalb des Hafengebiets ereignete, hat das LSG gemäß § 839 RVO einen Arbeitsunfall verneint. Soweit sich der Unfall auf dem Rückweg zum Schiff bereits wieder innerhalb des Hafengebiets ereignete, hat das LSG festgestellt, daß der Unfall, der sich im Straßenverkehr auf einer vierspurig ausgebauten und zwei Stadtteile miteinander verbindenden Straße ereignet hatte, nicht durch hafeneigentümliche Gefahren eingetreten ist. Inwieweit bei dieser eindeutigen Sach- und Rechtslage eine Rechtsfortbildung notwendig erscheint, ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG). Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen