Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsschutz eines Seemanns während eines privaten Landgangs. tätliche Auseinandersetzung innerhalb des Hafengebiets. hafeneigentümliche Gefahr
Orientierungssatz
Erleidet der Seemann bei einem Landgang einen Unfall (hier: tätliche Auseinandersetzung mit einem Arbeitskollegen) innerhalb des Hafengebiets, so ist der Versicherungsschutz nach § 838 Nr 2 RVO beschränkt auf die Unfälle, die durch die einem Hafen eigentümlichen Gefahren eintreten.
Normenkette
RVO § 838 Nr 2
Verfahrensgang
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines am 12. August 1983 erlittenen Verrenkungsbruchs des rechten oberen Sprunggelenks ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 1989 und Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1990; Urteile des Sozialgerichts vom 14. Mai 1991 und des Landessozialgerichts (LSG) vom 11. März 1992). Das LSG hat festgestellt, der Kläger habe sich auf dem Rückweg von einem privaten Landgang im Hafengebiet von A bei einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Schiffsingenieur L verletzt. Bei diesem Unfallgeschehen handele es sich nicht um einen Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Es habe sich um eine private Auseinandersetzung zwischen Arbeitskollegen gehandelt, die nicht dem betrieblichen Bereich zugerechnet werden könne. Damit fehle der erforderliche innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Der Kläger sei bei dem Unfall auch nicht gemäß § 838 Nr 2 RVO versichert gewesen. Der Unfall habe sich zwar in einem Hafengebiet ereignet; er sei jedoch nicht durch die einem Hafen eigentümlichen Gefahren eingetreten. Ebensowenig habe ein Versicherungsschutz nach § 550 Abs 1 RVO bestanden, weil sich das Unfallgeschehen bei einem privaten Landgang, also bei einer eigenwirtschaftlichen Betätigung ereignet habe.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, es gehe "entscheidungserheblich um die Frage, in welchem Umfang § 839 RVO Versicherungsschutz für Landgänge gewährt." Außerdem stütze das Berufungsgericht sich zur Frage des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit "insofern auf eine in der Literatur vertretene Auffassung, wonach es darauf ankommen soll, ob die zum Unfall führende Auseinandersetzung im wesentlichen dem privaten oder dem betrieblichen Bereich zuzurechnen ist. Dem privaten Bereich soll sie dann zuzurechnen sein, wenn der Streit erst bei einem privaten Beisammensein zum Ausbruch kommt." Dies sei eine grundsätzliche Frage, die, soweit ersichtlich, bisher nicht obergerichtlich entschieden worden sei.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerde.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Revisionsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in diesem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Das ist dann der Fall, wenn die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (Krasney/Udsching, aaO, IX RdNr 63 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Beantwortung der vom Beschwerdeführer bezeichneten Rechtsfrage unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist, also schon aus sich heraus klar ist und die Antwort außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 4; Krasney/Udsching, aaO, IX RdNr 66 mwN). Das ist hier der Fall.
Wie das LSG festgestellt hat, befand sich der Kläger zu dem Zeitpunkt der tätlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitskollegen, in deren Folge er die Verletzungen erlitt, zwar auf dem Weg zu dem Schiff, das als seine Arbeitsstätte anzusehen ist. Dieses Unfallgeschehen ereignete sich jedoch nicht auf einem mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach dem Ort der Tätigkeit, sondern bei einem privaten Landgang, also bei privater, eigenwirtschaftlicher Betätigung. Ebenso wie beim Verlassen der Arbeitsstätte zu einer privaten Zwecken dienenden Verrichtung, etwa zum Einkaufen, ist § 550 RVO auf Sachverhalte dieser Art überhaupt nicht anwendbar (s dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 485s mwN). Dementsprechend sieht § 839 RVO auch ausdrücklich vor, daß ein Unfall, den ein Seemann bei einem privaten Landgang außerhalb des Hafengebiets erleidet, dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen und kein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall ist. Erleidet der Seemann bei einem Landgang einen Unfall innerhalb des Hafengebiets, so ist der Versicherungsschutz nach § 838 Nr 2 RVO beschränkt auf die Unfälle, die durch die einem Hafen eigentümlichen Gefahren eintreten. Diese Sondervorschriften für Seeleute zeigen die Absicht des Gesetzgebers, private Landgänge eines Seemanns nur unter besonderen Voraussetzungen unter Versicherungsschutz zu stellen (s Beschluß des Senats vom 10. Dezember 1991 - 2 BU 186/91 -).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, von denen im Verfahren der auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde auszugehen ist, befand sich der Kläger auf einem privaten Landgang. Das Unfallgeschehen ereignete sich zwar innerhalb des Hafengebiets; es trat jedoch, wie das LSG ausdrücklich festgestellt hat, nicht durch hafeneigentümliche Gefahren ein. Eine für ein Hafengebiet typische Gefahr habe bei der Verletzung des Klägers nicht mitgewirkt. Inwieweit bei dieser eindeutigen Sach- und Rechtslage eine Rechtsfortbildung notwendig erscheint, ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.
Soweit der Kläger die Frage des inneren Zusammenhangs zwischen einer tätlichen Auseinandersetzung unter Arbeitskollegen und der versicherten Tätigkeit für grundsätzlich bedeutsam hält, hat er keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Für eine schlüssige auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde hat der Beschwerdeführer aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX RdNrn 65, 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichenden Ausführungen. Der Kläger setzt sich insbesondere nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage des Versicherungsschutzes bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Beschäftigten desselben Unternehmens auseinander (s insbesondere die Nachweise zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei Brackmann aaO, S 484y/z), noch zeigt er auf, inwiefern über diese Rechtsprechung hinaus für die Entscheidung des vorliegenden Falls noch klärungsbedürftige Fragen bestehen.
Alle übrigen Ausführungen und Rügen des Klägers betreffen die vorhandenen Beweise sowie deren Würdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG durch das LSG. Auf diese Rügen kann die Beschwerde jedoch nicht gestützt werden (s § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen