Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. innerer Zusammenhang. Dienstreise. Kontaktpflege. dienstlicher Auftrag
Leitsatz (amtlich)
Zum Versicherungsschutz bei Teilnahme an einer von einem anderen Unternehmen für seine Mitarbeiter durchgeführten „Motivationsreise”, um den Ausbau von Geschäftsbeziehungen zu diesem Unternehmen zu fördern (Abgrenzung zu BSG vom 25.8.1994 2 RU 23/93 = SozR 3-2200 § 548 Nr 21).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, als er auf einer Skiabfahrt am 14. Januar 1992 einen Unfall erlitt.
Der im Jahre 1958 geborene Kläger nahm im Januar 1992 als Vorstandsassistent der H. … Versicherungsgruppe an einer von der Firma OVB (… …) ausgerichteten Veranstaltung in Österreich (sog Winterwochen) teil. Er hatte seitens seines Arbeitgebers die Aufgabe, die Veranstaltung „aktiv zu begleiten” und hierbei den Ausbau von Geschäftsbeziehungen zu fördern. Die Mitarbeiter der OVB waren als Vertragsvermittler für verschiedene Versicherungen tätig. An diesen Winterwochen nahmen neben etwa 700 Mitarbeitern der OVB die Organisationsdirektoren verschiedener Versicherungen teil, um die Mitarbeiter der OVB zu Tätigkeiten für ihre Unternehmen zu motivieren. Diese Aufgabe hatte auch der Kläger gegenüber seinem Unternehmen zu erfüllen.
Für die Winterwochen bestand kein festes Tagungsprogramm. Während nachmittags und abends Veranstaltungen eingeplant waren, verbrachten die Teilnehmer die Vormittage in der Regel mit Skilaufen und verteilten sich hierbei bereits morgens regelmäßig auf das gesamte Skigebiet. Der Kläger schloß sich im allgemeinen unterschiedlichen Gruppen an, um bei von ihm ausgesuchten Mitarbeitern der OVB gezielt für die H. … zu werben.
Am 14. Januar 1992 besprach der Kläger bereits während des Frühstücks mit den Führungskräften der OVB, die in demselben Hotel wie er in Sölden/Österreich wohnten, gemeinsame geschäftliche Probleme. Anschließend begab sich diese Gruppe, zu der neben ihm drei weitere Herren der OVB gehörten, gegen 10.00 Uhr zum Skilift, um sich auf eine Höhe von etwa 2000 m zu begeben und anschließend die Abfahrt „Giggi-Joch” zu befahren. Von der oberen Liftstation glitten sie mit Skiern zur „Obstler-Hütte” und aßen dort zu Mittag. Sie wollten nach dem Mittagessen schon relativ frühzeitig den Rest der Abfahrt bis nach Sölden bewältigen, um anschließend im Hotel die „allgemeinen Marketinggespräche unmittelbar fortzusetzen”. Bei dieser Abfahrt wurde der Kläger von einem anderen Skifahrer angefahren, wobei er sich eine Sprengung des Schulter-Eckgelenks rechts zuzog.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab (Bescheid vom 2. November 1993 idF des Widerspruchsbescheids vom 24. März 1994). Zwar habe die H. … die Teilnahme des Klägers an sportlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen als vertrauensbildende Maßnahme erwartet. Hierzu sei er jedoch arbeitsvertraglich nicht verpflichtet gewesen. Vielmehr habe beim Skilaufen der sportliche Aspekt im Vordergrund gestanden, so daß die Betätigung der persönlichen Freizeitgestaltung zuzurechnen sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28. Juli 1994). Es hat sich im wesentlichen der Auffassung der Beklagten angeschlossen und ergänzend hervorgehoben, die Tätigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt sei jedenfalls nach ihrer erkennbaren Handlungstendenz nicht durch ein Tätigwerden für seine Arbeitgeberin geprägt gewesen, sondern durch die Skiabfahrt zum Hotel, die der unversicherten Freizeitgestaltung zuzurechnen sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Gerichtsbescheid des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, daß die Sprengung des Schultereckgelenks rechts durch den Arbeitsunfall vom 14. Januar 1992 verursacht sei (Urteil vom 29. Juli 1996). Die Betätigung des Klägers im Unfallzeitpunkt habe in einem inneren Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Der Kläger habe nicht nur die Aufgabe gehabt, die Mitarbeiter der OVB für einen Einsatz zugunsten der H. … zu motivieren. Sein Auftrag habe vielmehr auch darin bestanden, geschäftlichen Kontakt zu den Führungskräften der OVB zu pflegen. Dieses betriebliche den Interessen seiner Arbeitgeberin objektiv dienende Ziel habe bei der am Morgen des 14. Januar 1992 beginnenden Skifahrt sowie dem Eintritt des Unfalls im Vordergrund gestanden. Im Hinblick auf die Konzeption der „Winterwochen”, den Aufgabenbereich des Klägers und den durch geschäftliche Unterredungen bestimmten Tagesanfang bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger ohne den (zusätzlichen) privaten Zweck – die Freizeitgestaltung durch Skifahren – der gemeinsamen Abfahrt mit den führenden Mitarbeitern der OVB ferngeblieben wäre. Für ihn hätte die Teilnahme an der gemeinsamen Abfahrt vielmehr auch dann objektiv nahegelegen, wenn er nach seinen persönlichen Interessen einen anderen Tagesablauf bevorzugt hätte. Die Pflege der Beziehungen zu den leitenden Mitarbeitern der OVB habe für ihn schon wegen der Einflußmöglichkeiten dieser Personengruppe zumindest so bedeutsam sein müssen, wie die ihm ebenfalls übertragene Kontaktpflege zu den anderen Mitarbeitern der OVB. Selbst wenn er seine Teilnahme an den einzelnen Veranstaltungen der Winterwochen im wesentlichen nach eigenen Vorstellungen habe bestimmen können und demgemäß auch die Möglichkeit gehabt hätte, überwiegend oder ausschließlich private Verrichtungen neben den Veranstaltungsteilen einzuplanen, so habe diese Gelegenheit am 14. Januar 1992 jedoch weniger als an anderen Tagen bestanden. Das Gewicht der Geschäftskontakte gerade zu den führenden Mitarbeitern der OVB lasse die gemeinsame Skifahrt nach einem in derselben Gruppenzusammensetzung eingenommenen Frühstück als konsequente Fortführung des geschäftlichen Kontakts erscheinen. Es sei nicht entscheidend, in welchem Umfang der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen sei, gerade an der für den Unfall maßgeblichen Skifahrt teilzunehmen. Selbst wenn eine entsprechende Rechtspflicht nicht bestanden hätte, so stünde dies dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht entgegen. Maßgeblich sei allein, ob die gemeinsame Skifahrt mit den leitenden Mitarbeitern der OVB wesentlich den betrieblichen Interessen der H. … objektiv gedient habe und auch habe dienen sollen.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 548 Abs 1 Satz 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Das LSG habe es versäumt, sich mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Incentive-Reise auseinanderzusetzen. Vor allem die in der Entscheidung des BSG vom 25. August 1994 (2 RU 23/93 – „Grasroller”) entwickelten Rechtsgrundsätzen und Wertungen seien auf den hier vorliegenden Sachverhalt vor allem auch deshalb uneingeschränkt zu übertragen, da im dortigen Fall der Organisator der Veranstaltung verunglückt sei, der ja jedenfalls ein stärkeres auch berufliches Interesse am Gelingen der Veranstaltung habe als ein einfacher Teilnehmer. Das LSG habe es weiter versäumt, sich mit dem Urteil des BSG vom 24. August 1976 (8 RU 126/75) auseinanderzusetzen. Hier habe das BSG entschieden, daß, auch wenn es in einem Betrieb üblich sei, die Gäste oder Mitarbeiter in großzügiger Weise zu betreuen, der gesetzliche Unfallversicherungsschutz auf eine solche Freizeitgestaltung nicht ausgedehnt werde, wenn ein Zusammenhang mit konkreten betrieblichen Belangen nicht feststellbar sei. Für den hier zu entscheidenden Fall bedeute dies, daß zwar der Aufenthalt des Klägers in Österreich als versicherte Tätigkeit, nämlich als Dienstreise zum Zwecke der Erfüllung der vom LSG festgestellten Aufgaben anzusehen wäre. Soweit der Kläger jedoch Ski gefahren sei, könne der Unfallversicherungsschutz nicht darauf ausgeweitet werden, da dies nicht dem betriebsbezogenen Gefahrenbereich der H. … entspreche. Das LSG habe schließlich versäumt, den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Einheit des Rechts zu würdigen. Nach Angaben des Klägers habe die H. … sämtliche Kosten der Teilnahme an der Veranstaltung übernommen. Dies habe auch für den geldwerten Vorteil der Reise gegolten, den er an sich hätte versteuern müssen. Hieraus ergäbe sich für sie – die Revisionsklägerin –, daß das zuständige Finanzamt in dieser Reise keine Dienstreise, sondern überwiegend eine Reise mit Freizeitwert und Erholungscharakter gesehen habe. Mit der bereits zitierten „Grasroller”-Entscheidung sei das BSG auf einer Linie mit den Entscheidungen der Finanzgerichte. Bei Bestand der Entscheidung des LSG drohte hier ein Auseinanderklaffen der Rechtsprechung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Juli 1996 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 28. Juli 1994 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Der Entschädigungsanspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der vom Kläger als Arbeitsunfall geltend gemachte Unfall sich vor Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) am 1. Januar 1997 ereignet hat (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Das LSG hat rechtlich zutreffend entschieden, daß der Kläger unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, als er beim Skifahren während der Dienstreise verunglückte und sich am rechten Schultereckgelenk verletzte. Entgegen der Auffassung der Revision hat er sich diese Verletzungen bei seiner nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versicherten Tätigkeit als Vorstandsassistent bei der H. … Versicherungsgruppe zugezogen und damit einen Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO) erlitten.
§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO setzt voraus, daß sich der Arbeitsunfall „bei” der versicherten Tätigkeit ereignet hat. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274; BSG SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn 21 und 27; BSG Urteil vom 31. Mai 1996 – 2 RU 24/95 – HVBG-INFO 1996, 2071). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77; 61, 127, 128; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, 1997, § 8 RdNr 27 mwN). Dabei muß bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls sicher feststehen, daß im Unfallzeitpunkt eine – noch – versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128).
Im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen auch Geschäfts- und Dienstreisen außerhalb des Betriebsorts, die den Interessen des Unternehmens wesentlich zu dienen bestimmt sind (s ua BSGE 45, 254, 256; 51, 257, 259; BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn 19 und 21 sowie BSG Urteil vom 14. November 1996 – 2 RU 1/96 – HVBG-INFO 1997, 252; Brackmann/Krasney aaO § 8 RdNr 95). Geschäfts- und Dienstreisen stehen versicherungsrechtlich insoweit der Betriebsarbeit gleich.
Im Zeitpunkt des Unfalls befand sich der Kläger auf einer – versicherten – Dienstreise; denn nach den Feststellungen des LSG hatte er den Auftrag, auf der von seiner Arbeitgeberin finanzierten Reise die geschäftlichen Beziehungen zur OVB zu fördern. Während einer solchen Dienstreise besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kein Versicherungsschutz „rund um die Uhr”. Vielmehr ist hier ebenfalls wie bei Tätigkeiten am Arbeitsplatz zu unterscheiden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängen, und solchen Verrichtungen, die der privaten Sphäre des Reisenden zuzurechnen sind. Allerdings ist bei nicht unmittelbar zur versicherten Tätigkeit gehörenden Verrichtungen ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis am Ort der auswärtigen Tätigkeit in der Regel eher anzunehmen als am Wohn- oder Betriebsort (BSGE 50, 100, 101; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 25; Brackmann/Krasney aaO § 8 RdNr 100; Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 30 RdNr 91). Andererseits hat der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, daß der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf einer Dienstreise nicht schon deshalb ohne weiteres gegeben ist, weil sich der Versicherte im betrieblichen Interesse außerhalb seines Beschäftigungs- und Wohnorts aufhalten und bewegen muß. Hier kommt es ebenfalls darauf an, ob die unfallbringende Betätigung jeweils mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängt (BSG SozR 2200 § 548 Nr 95; SozR 2200 § 539 Nr 110). Auch während einer Dienstreise bieten sich nach der Lebenserfahrung zahlreiche Gelegenheiten, bei denen sich der Reisende außerhalb einer solchen Beziehung zum Unternehmen befindet (s BSG SozR 2200 § 548 Nr 95). Von diesen rechtlichen Grundsätzen ausgehend hat das LSG unter Berücksichtigung der hier gegebenen besonderen Umstände mit rechtlich zutreffenden Erwägungen angenommen, daß sich der Versicherungsschutz auch auf die Skiabfahrt vom 14. Januar 1992 erstreckte, bei der sich der zur Schulterverletzung führende Unfall ereignete.
Nach den Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) hatte der Kläger auf dieser Reise nicht nur die Aufgabe, die teilnehmenden Mitarbeiter der OVB für einen Einsatz zugunsten der H. … Versicherungsgruppe zu motivieren; sein Auftrag bestand vielmehr auch darin, geschäftliche Kontakte zu den ebenfalls mitreisenden Führungskräften der OVB zu pflegen. Dieses betriebliche und den Interessen der H. … objektiv dienende Ziel stand auch bei der am Morgen des 14. Januar 1992 beginnenden Skiabfahrt sowie beim Eintritt des Unfalls im Vordergrund.
Entsprechend den Feststellungen des LSG mag die Skiabfahrt darüber hinaus den sportlichen Interessen der Teilnehmer dieser Gruppe entsprochen haben und damit auch von privaten Motiven getragen gewesen sein. Dies schließt den inneren Zusammenhang der Verrichtung mit der betrieblichen Tätigkeit nicht von von vornherein aus. Vielmehr ist die Frage nach dem Bestehen des Versicherungsschutzes in solchen Fällen nach den Grundsätzen der gemischten Tätigkeit zu beantworten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn 19 und 25). Danach besteht Versicherungsschutz in den Fällen, in denen eine Zerlegung der Verrichtung in einen privaten und einen betrieblichen Zwecken dienenden Teil nicht möglich ist, auch dann, wenn die Verrichtung im Einzelfall betrieblichen Zwecken wesentlich, nicht notwendig überwiegend zu dienen bestimmt ist (BSG aaO). Dies beurteilt sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten. Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob die Tätigkeit rechtlich wesentlich betrieblichen Interessen gedient hat, ist, ob diese Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 25 mwN).
Im Hinblick auf die Konzeption der „Winterwochen”, den Aufgabenbereich des Klägers während dieser Zeit und den durch geschäftliche Unterredungen bestimmten Tagesanfang hat das LSG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise keine objektiven Anhaltspunkte dafür festgestellt, daß der Kläger der gemeinsamen Abfahrt mit den führenden Mitarbeitern der OVB ferngeblieben wäre, wenn der zusätzliche private Zweck – die Freizeitgestaltung durch Skifahren – entfallen wäre (BSG SozR aaO). Für ihn hätte, wie das LSG dazu festgestellt hat, die Teilnahme an der gemeinsamen Abfahrt vielmehr auch dann objektiv nahegelegen, wenn er nach seinen persönlichen Interessen einen anderen Tagesablauf bevorzugt hätte. Die Pflege der Beziehungen zu den leitenden Mitarbeitern der OVB mußte für ihn schon wegen ihrer Einflußmöglichkeiten zumindest so bedeutsam sein wie die ihm ebenfalls übertragende Kontaktpflege zu den anderen Mitarbeitern der OVB. Das Gewicht der Geschäftskontakte gerade zu den Führungskräften der OVB läßt die gemeinsame Skiabfahrt nach einem in derselben Gruppenzusammensetzung eingenommenen gemeinsamen Frühstück mit geschäftlichen Besprechungsthemen als konsequente Fortführung des geschäftlichen Kontakts vor den an die Skiabfahrt sich anschließenden erneuten geschäftlichen Gesprächen erscheinen.
Die Frage, ob und in welchem Umfang auch während des gemeinsamen Mittagessens auf der Skihütte noch geschäftliche Gespräche im Vordergrund standen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte insgesamt die Begleitung der Gruppe und damit auch die Abfahrt wesentlich betrieblichen Zwecken gedient. Angesichts seines Auftrags zur Kontaktpflege gerade auch mit den Führungskräften der OVB auf dieser Dienstreise hätte der Kläger, wenn er nach dem gemeinsamen Frühstück an der gemeinsamen Skifahrt nicht teilgenommen hätte, den Eindruck mangelnden Interesses erwecken können. Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, daß der Kläger davon ausgehen mußte, daß ein derartiger Anschein den Interessen der H. … Versicherungsgruppe hätte schaden können; insoweit entsprach seine Teilnahme an dem gemeinsamen Skilauf nicht nur aus seiner eigenen Sicht, sondern auch objektiv den Interessen der H. …. In welchem Umfang der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet war, gerade an der für den Unfall maßgeblichen Skifahrt teilzunehmen, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Maßgeblich ist allein, ob die gemeinsame Skifahrt mit den Führungskräften der OVB wesentlich den betrieblichen Interessen der H. … zu dienen bestimmt war. Die Skifahrt war wesentlicher Bestandteil der geschäftlichen Kontaktpflege im Auftrag und im Interesse des Arbeitgebers des Klägers. Dabei lag es – worauf der Kläger zutreffend hinweist – in der Natur des dienstlichen Auftrags, daß er sich den jeweiligen Aufenthaltsorten und Aktivitäten seiner Gesprächspartner bei der OVB unterordnen mußte; um seinen dienstlichen Auftrag zur Kontaktpflege und Aufnahme geschäftlicher Besprechungen ordnungsgemäß erfüllen zu können, mußte er sich dorthin begeben, wo sich seine Gesprächspartner und Kontaktpersonen aufhielten.
Entgegen der Auffassung der Revision steht dieses Ergebnis nicht dem Urteil des Senats vom 25. August 1994 (2 RU 23/93 – SozR 3-2200 § 548 Nr 21) entgegen. Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nahm der Versicherte als Arbeitnehmer auf Einladung seines Arbeitgebers an einer sog „Incentive-Reise” in die Schweiz teil, die im wesentlichen von Freizeit- und sportlichen Veranstaltungen geprägt war „klares Übergewicht von rein touristischen Vorhaben, Besichtigungsfahrten und kulturellen Veranstaltungen”), und verunglückte bei der Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf im Rahmen dieser Reise. Im vorliegenden hiermit nicht vergleichbaren Fall hingegen nahm der Kläger nicht als Arbeitnehmer an einer sog Incentive-Reise seines Arbeitgebers, sondern an der Veranstaltung der OVB teil, um während dieser seinen Auftrag zu erfüllen, nämlich geschäftliche Kontakte zu den Mitarbeitern der OVB zu einer stärkeren Motivation für einen Einsatz zugunsten der H. … zu pflegen und geschäftliche Gespräche mit den Führungskräften der OVB zu führen.
Das gleiche gilt für die weitere von der Revision angezogene Entscheidung des BSG vom 24. August 1976 (8 RU 126/75 – BSG SozR 2200 § 548 Nr 23). Nach dieser Entscheidung war im Hinblick auf die zugrundeliegenden Feststellungen des LSG eine betrieblich bedingte Wartezeit von etwa 10 Stunden bis zum Ende einer Versuchsreihe nur der äußere Anlaß für eine dem unversicherten privaten Bereich zuzurechnende Vergnügungs-, Erholungs- oder Bildungsfahrt, die ihrerseits „mit betrieblichen Dingen nichts mehr zu tun hatte”. Nach den Feststellungen des LSG hatte vorliegend der Kläger den dienstlichen Auftrag, soviel wie möglich mit den Mitarbeitern und Führungskräften der OVB in Kontakt zu treten und Gespräche zu führen. Es handelte sich nicht um Freizeitaktivitäten seines Arbeitsgebers ihm gegenüber oder von ihm selbst geplante, sondern um Aktivitäten seiner Gesprächspartner, denen sich der Kläger anzuschließen hatte, um seinen dienstlichen Auftrag ordnungsgemäß erfüllen zu können.
Dieses Ergebnis stimmt auch mit der von der Revision angeführten Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 1996 (L 15 U 159/95) und nachfolgend des Senats vom 27. Mai 1997 (2 RU 29/96) überein, wonach – entsprechend den Feststellungen des LSG – deutlich eine Zäsur zwischen den geschäftlichen Gesprächen und den dazwischen durchgeführten – dem privaten Bereich zuzurechnenden – Tennisspielen während einer Dienstreise gezogen werden konnte; im Anschluß an die versicherte Tätigkeit oder in sie eingeschoben lag in diesem angezogenen Fall eine eindeutige und nachhaltige Hinwendung zu einer abgrenzbaren eigenwirtschaftlichen Tätigkeit – das Tennisspielen – vor. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall waren in dem dortigen Sachverhalt die geschäftlichen und die sonstigen Aktivitäten zeitlich und räumlich auseinanderzuhalten; eine Zerlegung der Verrichtungen in einen betrieblichen und einen privaten Zwecken wesentlich zu dienenden Teil war nach den dortigen Feststellungen des LSG möglich.
Soweit die Revision schließlich unter dem Gesichtspunkt der Einheit des Rechts ein „Auseinanderklaffen der Rechtsprechung” zwischen Unfallversicherungs- einerseits und Steuerrecht andererseits befürchtet, kommt es für die Frage des Unfallversicherungsschutzes nicht darauf an, ob das zuständige Finanzamt diese Reise als Dienstreise oder als Reise mit einem geldwerten Vorteil angesehen hat. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, daß mit steuerrechtlichen Grundsätzen sich unfallversicherungsrechtliche Sachverhalte insoweit nicht lösen lassen.
Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
DStR 1998, 1318 |
NJW 1998, 404 |
SozR 3-2200 § 548, Nr.32 |
SpuRt 1998, 82 |
SozSi 1998, 278 |