Unfallversicherungsschutz bei Firmenlauf

Ein Firmenlauf unter Beteiligung diverser Unternehmen ist keine betriebliche Veranstaltung. Der hierbei erlittene Sturz einer Arbeitnehmerin löst keine Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung aus.

Anlass für das vom Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg entschiedene Gerichtsverfahren war der Sturz einer Beschäftigten eines Berliner Unternehmens im Rahmen einer als „Berliner Firmenlauf“ bezeichneten Veranstaltung im Berliner Tiergarten.

„Firmenlauf“ wurde von diversen Unternehmen gesponsert

Die Klägerin und Mitarbeiterin eines Unternehmens für Medizinproduktesicherheit war Mitglied einer Gruppe von Beschäftigten des gleichen Unternehmens, die sich unregelmäßig zum gemeinsamen Skaten verabredete. Im Mai 2019 fand der sogenannte 18. Berliner Firmenlauf statt, bei dem die Mitarbeiter verschiedener Unternehmen u. a. in den Disziplinen Laufen, Walken und Skaten gegeneinander im Wettbewerb antraten. Der Wettbewerb wurde von den teilnehmenden Unternehmen finanziell unterstützt. Das Unternehmen, für das die Klägerin tätig war, war auf der Veranstaltung mit einem eigenen Werbestand vertreten, es erstattete der Klägerin die Anmeldegebühr und stellte auch Teile der Laufbekleidung.

Unfall mit anschließender 18-monatiger Arbeitsunfähigkeit

Die an der Veranstaltung teilnehmende Klägerin kam beim Skaten auf nassem Untergrund zu Fall und zog sich einen komplizierten Bruch des rechten Handgelenks zu. Die bei der späteren operativen Behandlung entstandenen Komplikationen in Form einer Morbus-Sudeck-Erkrankung führten zu einer sich über eineinhalb Jahre hinziehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin.

Unfallkasse lehnte Eintrittspflicht ab

Die beklagte Unfallkasse lehnte eine Eintrittspflicht der Unfallversicherung für die entstandenen Unfallfolgen ab. Begründung: Es liege kein Arbeitsunfall vor. Bei dem Firmenlauf handle es sich um eine Privatveranstaltung. Die Veranstaltung werde zwar von diversen Unternehmen gesponsert, jedoch erfolge die Anmeldung der Teilnehmenden privat. Der Wettbewerb finde in der Freizeit und nicht als betriebliche Veranstaltung statt.

Innerer Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit erforderlich

Sowohl das erstinstanzlich mit der Sache befasste SG als auch das zweitinstanzlich zuständige LSG schlossen sich dieser Auffassung des Versicherungsträgers an. Die Gerichte verneinten das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Erforderlich für die Anerkennung als Arbeitsunfall sei, dass die Verrichtung des Versicherten zum Zeitpunkt des Unfalls den Tatbestand einer betrieblichen Tätigkeit erfülle, d. h. dass ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit besteht.

Auf die Handlungstendenz kommt es an

Der innere Zusammenhang zwischen Verrichtung und Unfall ist nach der Rechtsprechung des BSG wertend zu ermitteln. Die konkrete Verrichtung muss danach innerhalb der Grenze liegen, bis zu welcher der gesetzliche Versicherungsschutz reicht (BSG, Urteil v. 28.6.2022, B 2 U 8/20 R). Maßgeblich ist laut BSG dabei die der konkreten Verrichtung innewohnende Handlungstendenz des Versicherten.

Firmenlauf außerhalb der vertraglichen Arbeitnehmerpflichten

Nach Auffassung der Gerichte hat sich der seitens der Klägerin erlittene Unfall nicht bei einer Aktivität ereignet, die mit der Beschäftigung in einem so engen Zusammenhang stehen würde, dass von einer betrieblichen Tätigkeit auszugehen wäre. Insbesondere habe die Teilnahme an der Sportveranstaltung nicht der Erfüllung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis gedient. Der von den Unternehmen gesponserte Firmenlauf finde nur einmal jährlich statt und habe den Charakter eines Wettstreits. Die Teilnahme sei freiwillig und liege deutlich außerhalb der vertraglich geschuldeten Arbeitnehmerpflichten.

Firmenlauf war Bestandteil des Arbeitgebermarketings

Diese Beurteilung ändert sich nach Auffassung des LSG auch nicht dadurch, dass die Teilnahme möglicherweise seitens der Arbeitgeberin erwünscht gewesen sei. Die Erfüllung einer Erwartungshaltung der Arbeitgeberin sei nicht mit einer arbeitsrechtlich bestehenden vertraglichen Pflicht gleichzusetzen, auch wenn das Unternehmen für Marketingzwecke eigens einen eigenen Stand gemietet und Mitarbeiterinnen der Marketingabteilung zur Betreuung des Informationsstandes eingesetzt habe.

Betriebssport nur unter engen Voraussetzungen unfallversichert

Das LSG listete in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG die Grundvoraussetzungen für die Eintrittspflicht der Unfallversicherung im Fall von Betriebssport auf. Danach besteht der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn

  • der Sport Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter hat,
  • regelmäßig stattfindet und
  • der Teilnehmerkreis im wesentlichen auf Unternehmensangehörige beschränkt ist,
  • wobei auch mehrere Unternehmen sich im Rahmen einer Gemeinschaftsaktion zusammenschließen könnten, wenn dies erkennbar der Förderung des Zusammenhalts der Unternehmensmitarbeiter dient.
  • In jedem Fall sei ein innerer Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit erforderlich, der selbst im Fall der Aufnahme einer Maßnahme in das betriebliche Gesundheitsmanagement des Unternehmens fehlen könne (BSG, Urteil v. 28.6.2022, B 2 U 8/20 R).

Ergebnis: Keine Eintrittspflicht der Unfallkasse

Im Ergebnis bestätigte das LSG die Entscheidung der Vorinstanz wonach der Sturz der Klägerin nicht als Arbeitsunfall zu werten ist und damit nicht der betrieblichen Unfallversicherung unterliegt.


(LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 21.3.2023, L 3 U 66/21)


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