Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Umstritten ist ein Anspruch auf Familienkrankenhilfe.
Die Klägerin ist freiwilliges Mitglied der beklagten Betriebskrankenkasse. Im Juli 1977 gab sie dieser gegenüber an, sie selbst sei ohne Einkommen, ihr (als Rechtsanwalt berufstätiger) Ehemann habe ein Jahreseinkommen von 37.800,-- DM. Daraufhin teilte ihr die Beklagte mit, für ihre Kinder R…, N… und K… (der Sohn F… leistete damals Wehrdienst) bestehe kein Anspruch auf Familienkrankenhilfe, weil der Vater der Kinder, ihr Ehemann, keiner gesetzlichen Krankenkasse angehöre, sein monatliches Gesamteinkommen ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze (für 1977 2.550,-- DM) überschreite und sein Gesamteinkommen höher sei als ihr Gesamteinkommen. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Nach § 205 Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung habe die Klägerin aus den von der Beklagten genannten Gründen keinen Anspruch auf Familienkrankenhilfe für ihre Kinder. Die behaupteten Grundrechtsverletzungen, Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), lägen nicht vor. Die (beitragsfreie) Familienkrankenhilfe sei eine Maßnahme des sozialen Ausgleichs zur Entlastung von Familien, die von ihrem Einkommen Kinder zu unterhalten hätten. Die Entlastung sei aber nur insoweit geboten, als das Einkommen der Eltern jeweils nach seiner Höhe die gesamte Familie dem Personenkreis zuordne, der der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung bedürfe. Familienbezogene Zusatzleistungen entbehrten dann jeder Rechtfertigung, wenn die Familie insgesamt deshalb nicht mehr besonders schutzbedürftig in der Krankenversicherung erscheine, weil der Hauptverdiener mit seinem Einkommen die Versicherungspflichtgrenze überschreite.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin erneut geltend, § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO verstoße gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 und 3 GG und sei daher nichtig. Die unterschiedliche Berücksichtigung von Arbeitsverdienst i.S. des § 165 RVO und Einkommen i.S. des § 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führe zu einer Ungleichbehandlung, die sich durch nichts rechtfertigen lasse. Die Differenzierung der Schutzbedürftigkeit einer Familie nach den Einkommensverhältnissen des Hauptverdieners sei verfassungswidrig, denn Ehe und Familie stünden unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieser besondere Schutz könne nicht davon abhängen, ob die Familie über ein beträchtliches oder nur geringes Einkommen verfüge. Betrachte man die Auswirkungen der Neufassung des § 205 RVO, so sei festzustellen, daß die Vorschrift ehe- und kinderfeindlich sei. Abgesehen von diesen verfassungsrechtlichen Gründen hätte dem Klageantrag auch deshalb entsprochen werden müssen, weil die Beklagte bei der Beitragsberechnung die Fiktion des Einkommensplittings angewandt habe und daher konsequenterweise gehalten sei, diese Fiktion bei der Bewertung des Einkommens ihres Ehemannes aufrechtzuerhalten. Schließlich habe das LSG zu Recht auf das Jahreseinkommen abgestellt; bei § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO komme es auf das Gesamteinkommen "regelmäßig im Monat" an. Es wäre zu prüfen gewesen, ob das monatliche Einkommen ihres Ehemannes regelmäßig, also Monat für Monat, ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze überstiegen habe. Es dürfte gerichtsbekannt sein, daß die Einkünfte eines freiberuflich Tätigen in größerem Maße Schwankungen unterworfen seien. Tatsächlich habe das Einkommen ihres Mannes in manchen Monaten weit unter der monatlichen Arbeitsverdienstgrenze und in anderen Monaten erheblich darüber gelegen. Das LSG habe insoweit seine Aufklärungspflicht verletzt.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juni 1979 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Juni 1978 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 1977 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 1977 aufzuheben und festzustellen, daß für die im Haushalt der Klägerin lebenden Kinder R…, N… und K… ein Anspruch auf Familienhilfe besteht, hilfsweise, unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts die Streitsache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie weist vor allem darauf hin, daß der Begriff des Gesamteinkommens in § 16 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) bestimmt werde und das regelmäßige Monatseinkommen insbesondere für einen selbständig Erwerbstätigen nur aus dem Jahreseinkommen errechnet werden könne.
II
Die Revision ist unbegründet.
Die Beklagte und die Vorinstanzen haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Familienkrankenhilfe für ihre Kinder ab 1. Juli 1977 verneint. Familienkrankenhilfe ist zwar eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung, die den freiwillig Versicherten ebenso wie den Pflichtversicherten zu gewähren ist (§§ 176 ff., 179, 205, 215 und 507 Abs. 4 RVO; vgl. BSGE 48, 134, 136, 137 = SozR 5428 § 4 der 12. Aufbau-Verordnung Nr. 6), ein Anspruch darauf steht aber den Versicherten nur unter bestimmten Voraussetzungen zu.
Die den Familienhilfeanspruch regelnde Grundnorm, § 205 RVO, ist für die hier in Frage stehende Zeit i.d.F. anzuwenden, die sie durch das insoweit am 1. Juli 1977 in Kraft getretene Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I 1069), erhalten hat (Art. 1 § 1 Nr. 18, Art. 2 § 17 KVKG). Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, Krankenhilfe und sonstige Hilfen (ausgenommen Krankengeld) für den unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder, wenn diese sich gewöhnlich im Geltungsbereich der RVO aufhalten, kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Fünftel der monatlichen Bezugsgröße (nach der vom 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1980 geltenden Fassung DM 390,-- und nach der ab 1. Januar 1981 geltenden Fassung ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße - Art. 4 § 1 Nr. 2 und AN 2 § 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 4 § 3 des 21. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) vom 25. Juli 1978, BGBl. I 1089) überschreitet, und nicht anderweitig einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege haben. Satz 2 enthält die weitere Einschränkung, daß für Kinder kein Anspruch besteht, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte des Versicherten nicht Mitglied bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO) übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Versicherten ist. Unter Gesamteinkommen i.S. dieser Vorschrift ist gemäß § 16 SGB IV vom 23. Dezember 1976, BGBl. I 3845, die Summe der Einkünfte i.S. des Einkommensteuerrechts zu verstehen; es umfaßt insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen.
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ergeben, daß ein Familienhilfeanspruch der Klägerin für ihre Kinder ab 1. Juli 1977 nach Satz 2 des § 205 Abs. 1 RVO ausgeschlossen war. Ob das auch noch für die Zeit nach der Entscheidung des LSG zu gelten hat, ist von den Einkommensverhältnissen der Klägerin und ihres Ehemannes in dieser Zeit abhängig. Da es dem Senat verwehrt ist, selbst Tatsachenfeststellungen zu treffen, hat er die ihm obliegende Rechtsprüfung auf die Zeit zu beschränken, auf die sich die Entscheidung des LSG bezieht. In dieser Zeit war die Klägerin ohne Einkommen, hingegen hatte, ihr Ehemann ein Jahreseinkommen von DM 37.800,--. In Anbetracht des schwankenden Einkommens des Ehemannes der Klägerin hat die Beklagte zu Recht den monatlichen Durchschnitt des Jahreseinkommens als das regelmäßige monatliche Gesamteinkommen berücksichtigt. Der durchschnittliche Monatsbetrag von (DM 37.800,-- : 12 = 3.150,--) übersteigt in der streitbefangenen Zeit die Jahresarbeitsverdienstgrenze i.S. des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO (1977 DM 2.550,--, 1978 DM 2.775,-- und 1979 DM 3.000,--). Die Einwendungen der Revision gegen die Berücksichtigung des monatlichen Durchschnittseinkommens sind nicht gerechtfertigt. Der von der Klägerin vertretenen Auffassung, es könne nur das "Monat für Monat'' erzielte Einkommen in Ansatz gebracht werden, kann nicht zugestimmt werden.
Das Einkommen des Ehemannes der Klägerin besteht nicht aus monatlich gleichbleibenden Einkünften, es ist vielmehr Schwankungen unterworfen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und aufgrund der selbständigen Erwerbstätigkeit des Ehemannes der Klägerin als Rechtsanwalt unzweifelhaft, Was in einem solchen Falle als "Gesamteinkommen regelmäßig im Monat" i.S. des § 205 Abs. 1 RVO zu verstehen ist, läßt sich dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung allein nicht entnehmen. Es bedarf einer Auslegung, die dem Gesetzeszweck entspricht (zur Auslegung des Begriffes "regelmäßige, wöchentliche Arbeitsstunden" i.S. des § 182 Abs. 5 Satz 2 RVO vgI. BSGE 35, 126 ff. = SozR Nr. 57 zu § 182 RVO). Eine Auslegung i.S. der Revision scheidet allerdings von vornherein aus. Das Begehren der Klägerin, nur das "Monat für Monat" tatsächlich erzielte Einkommen zu berücksichtigen, kann darauf gerichtet sein, lediglich auf das Einkommen, das mindestens in jedem Monat erreicht wird, abzustellen. Wäre eine solche Regelung beabsichtigt gewesen, hätte das im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck kommen müssen - (z.B. durch Verwendung des Wortes "Mindesteinkommen"). Sollte die Klägerin aber der Meinung sein, es müsse das jeweilige monatliche Einkommen, also ein monatliches Einkommen von unterschiedlicher Höhe maßgebend sein, dann ließe sie außer acht, daß der Versicherungsschutz des § 205 RVO nicht erst nachträglich, jeweils am Ende eines Monats zur Verfügung zu stellen ist. Der Versicherte und seine Familienangehörigen müssen im vorhinein wissen, ob Anspruch auf Familienkrankenhilfe besteht.
Wie bei schwankendem Einkommen das für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung maßgebende Einkommen zu berechnen ist, war schon lange vor der Neufassung des § 205 Abs. 1 RVO durch das KVKG eine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Bereits das Krankenversicherungsgesetz (KVG) i.d.F. vom 10. April 1892, RGBl. S. 379, machte die Versicherungspflicht bei bestimmten Arbeitnehmern - z.B. bei Betriebsbeamten, Werkmeistern, Handlungsgehilfen - davon abhängig, daß der Arbeitsverdienst einen, gewissen Betrag nicht überstieg (§ 2 b KVG). Diese Regelung ist im Grundsatz bis heute beibehalten worden. Eine an sich gegebene Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung kann entfallen, wenn der regelmäßige Jahresarbeitsverdienst bzw. das jährliche Gesamteinkommen 75 v.H. der für Jahresbezüge in der Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze i.S. des § 1385 Abs. 2 RVO übersteigt (§ 165 Abs. 1 Nr. 2, § 166 Halbsatz 2, § 176 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 RVO). Außerdem ist grundsätzlich versicherungsfrei, wer nur eine geringfügige Beschäftigung oder eine geringfügige Tätigkeit ausübt (§ 168 Halbsatz 1 RV0); eine solche Beschäftigung oder Tätigkeit liegt vor, wenn sie regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt bzw. das Arbeitseinkommen regelmäßig im Monat ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße i.S. des § 18 SGB IV bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB IV i.d.F. des Art. 2 § 9 Nr. 1, Art. 4 § 3 des 21. RAG); für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1980 galten als Grenzbeträge DM 390,-- bzw. ein Fünftel des Gesamteinkommens (§ 8 SGB IV i.d.F. des Art. 4 § 1 Nr. 6, § 3 des 21. RAG).
Zu den entsprechenden sozialrechtlichen Regelungen hatte schon das Reichsversicherungsamt (RVA) entschieden, daß bei schwankenden Bezügen das voraussichtliche Einkommen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu schätzen ist und dabei auch, wenn keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, vom durchschnittlichen Verdienst der zurückliegenden Zeit auszugehen ist (AN 1915, 575; 1934, 24). Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BSG vom 30. Juni 1965 - GS 2/64 - (BSGE 23, 129, 131 = SozR Nr. 49 zu § 165 RVO) ist der regelmäßige Jahresarbeitsverdienst eines Arbeitnehmers, der im Laufe eines Jahres mehrere Beschäftigungen ausgeübt hatte und auch arbeitslos gewesen war, nach den Gesamtumständen unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte des Arbeitnehmers oder des Verdienstes vergleichbarer Personen entsprechend den Grundsätzen zu ermitteln, welche die Rechtsprechung zur Ermittlung des Jahresarbeitsverdienstes bei schwankendem Entgelt während desselben Beschäftigungsverhältnisses entwickelt hat. Auch einmalige Bezüge sind in diesem Zusammenhang als berücksichtigungsfähig angesehen worden, soweit mit ihnen mit hinreichender Sicherheit gerechnet werden konnte (BSG SozR Nr. 17 zu § 165 RVO; BSGE 6, 204, 209; 24, 262, 265 = SozR Nr. 50 zu § 165 RVO). Der Senat hat des weiteren entschieden, daß die der Feststellung der Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit zugrunde liegende vorausschauende Beurteilung auch dann (für die vergangene Zeit) maßgebend bleibt, wenn die als solche richtige Schätzung infolge nicht sicher voraussehbarer Umstände mit dem tatsächlichen Ablauf des Arbeitsverhältnisses nicht übereinstimmt (SozR Nr. 6 zu § 168 RVO). Er hat dabei darauf hingewiesen, daß eine rückwirkende Betrachtungsweise mit dem Wesen der Sozialversicherung nicht vereinbar ist. Es ist im Interesse aller Beteiligten die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon beim Beginn des Beschäftigungsverhältnisses und beim Eintritt späterer Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse (für die zukünftige Zeit) zu klären, weil dies nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflicht der Krankenkasse von entscheidender Bedeutung ist (SozR a.a.O.; vgl. auch SozR 2200 § 1228 RVO Nr. 1). Entsprechendes gilt auch für selbständig Erwerbstätige (§ 166 RVO), deren Einkommen meistens Schwankungen unterworfen ist (BSGE 23, 129, 135).
Die heute geltende Regelung über Versicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung und geringfügiger selbständiger Tätigkeit, die darauf abstellt, daß ein Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen regelmäßig im Monat einen bestimmten Betrag nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB IV), hat Vorschriften der RVO und anderer sozialrechtlicher Gesetze ersetzt, die eine Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit des Entgelts vorgesehen hatten. Teilweise war nach diesen Vorschriften für die Versicherungsfreiheit das durchschnittliche Entgelt maßgebend (§ 168 Abs. 2 und § 1228 Abs. 2 RVO a.F., § 4 Abs. 2 des Angestellten-Versicherungsgesetzes - AVG - a.F.). In § 8 des Regierungsentwurfes eines SGB IV war zunächst ebenfalls das durchschnittliche Arbeitsentgelt als maßgebend angesehen worden (BT-Drucks. 7/4122 S. 5). Im Gesetzgebungsverfahren wurde das Wort "durchschnittlich'' durch das Wort "regelmäßig" ersetzt, um der bewährten Praxis der Sozialversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit (BA) Rechnung zu tragen; damit sollte u.a. klargestellt werden, daß nach wie vor eine vorausschauende Beurteilung und nicht eine rückschauende Betrachtung anzuwenden ist (BT-Drucks. a.a.O. S. 43 ff.; 7/5457 S. 4). Diese Änderung des Gesetzeswortlauts läßt nicht den Schluß zu, daß bei schwankenden Bezügen das regelmäßige Einkommen anders als bisher zu ermitteln ist.
Die für die Feststellung der Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit maßgebenden Grundsätze haben auch Bedeutung für den Familienhilfeanspruch nach § 205 RVO. Ebenso wie dort muß auch hier bereits zu Beginn der fraglichen Zeit feststehen, ob ein Versicherungsschutz gegeben ist. Das den Versicherungsschutz ausschließende Gesamteinkommen der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ist auf entsprechende Weise zu ermitteln wie das die Versicherungspflicht oder die Versicherungsberechtigung ausschließende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Dafür spricht schon die teilweise Angleichung des Gesetzeswortlauts (§ 205 RVO und § 8 SGB IV: Gesamteinkommen bzw. Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat). Vor allem aber ergibt sich das aus dem Zusammenhang der hier in Betracht kommenden Regelungen.
Der Versicherungsschutz nach § 205 RVO wird gemäß dem diese beitragsfreie Versicherungsleistung rechtfertigenden besonderen Schutzbedürfnis für den unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder nur gewährt, wenn diese nicht selbst über ein Einkommen verfügen, das als Arbeitsentgelt die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Folge hätte und damit eine eigene beitragspflichtige Mitgliedschaft entstehen ließe (§ 205 Abs. 1 Satz 1, § 168 RVO, § 8 SGB IV). Das dem Familienhilfeanspruch zugrunde liegende besondere Schutzbedürfnis wird schließlich auch dann verneint, wenn der Ehegatte mit dem höheren Einkommen, also der Haupt- oder Alleinverdiener der Familie, nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehört und aufgrund der Höhe seines Einkommens auch nicht angehören kann (§ 205 Abs. 1 Satz 2, § 165 Abs. 1 Nr. 2, § 166, § 176 Abs. 1 RVO).
Bereits vor Geltung des KVKG stand dem Versicherten für einen Familienangehörigen kein Familienhilfeanspruch zu, wenn dessen regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst die Krankenversicherungspflichtgrenze für Angestellte überschritt (BSGE 32, 13 ff. = SozR Nr. 27 zu § 205 RVO; SozR 2200 § 205 RVO Nr. 8). Diese Rechtsprechung, die auch bei anderen Einkünften Anwendung fand (SozR 2200 § 205 RVO Nr. 15; vgl. auch BVerfG SozR 2200 § 205 RVO Nr. 16), beruhte auf der grundsätzlichen Erwägung, daß Personen, die der Gesetzgeber wegen der Höhe des Einkommens von der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließt und damit auf die eigene Vorsorge verweist, auch einen Versicherungsschutz im Rahmen der beitragsfreien Familienkrankenhilfe nicht haben können. Die Neufassung des § 205 Abs. 1 RVO durch das KVKG hat diesen grundsätzlichen Erwägungen Rechnung getragen (BT-Drucks. 8/166 S. 26 zu § 1 Nr. 17).
Ergibt sich demnach, daß das für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Familienhilfeanspruchs maßgebende Einkommen des Familienangehörigen nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln ist wie das für die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit maßgebende Einkommen, so ist die Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend von dem bei Beginn der hier streitbefangenen Zeit bekannten letzten Jahreseinkommen des Ehemannes der Klägerin ausgegangen. In Anbetracht der beruflichen Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin als Rechtsanwalt und der unterschiedlichen Einnahmen aus dieser selbständigen Erwerbstätigkeit konnte die Beklagte das der Zeit ab 1. Juli 1977 zugrunde zu legende monatliche Einkommen nur aus dem letzten Jahreseinkommen ermitteln. Es ist nicht zulässig, den Familienhilfeanspruch davon abhängig zu machen, ob ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen monatlich oder in größeren zeitlichen Abständen vereinnahmt wird. Die Modalität der Lohnzahlung und des Einkommensbezuges kann nicht entscheidend sein. Es kommt bei schwankenden Bezügen vielmehr darauf an, daß es sich um Einnahmen handelt, die regelmäßig in einem nach Monaten bemessenen Zeitraum mit gleichen Verhältnissen - mit gleichen Erwerbsverhältnissen bei Einnahmen aus beruflicher Tätigkeit - erzielt werden. Bei selbständig Tätigen, die ihre Einnahmen zum Teil selbst - z.B. durch entsprechende Rechnungsstellung - zeitlich disponieren können, bietet sich als oft allein praktikable Möglichkeit an, aus den regelmäßigen Einnahmen über einen längeren Zeitraum (z.B. über ein Jahr) einen durchschnittlichen Monatsbetrag zu ermitteln (vgl. Krauskopf/SchroederPrintzen, Soziale Krankenversicherung, Stand Januar 1981, § 8 SGB IV Anm. 2.1.3. sowie § 205 RVO Anm. 1.2.1.). Ändern sich jedoch die maßgebenden Verhältnisse nicht nur vorübergehend, so ist auch bei schwankenden Bezügen das auf den Monat bezogene Einkommen neu festzustellen.
Dem Ausschluß des Familienhilfeanspruchs steht nicht entgegen, daß, wie die Klägerin behauptet, der Festsetzung ihres Krankenversicherungsbeitrages die Hälfte des Einkommens ihres Ehemannes zugrundegelegt wird. Zwischen dem Anspruch auf Familienkrankenhilfe und der Höhe des Krankenversicherungsbeitrages bestehen keine unmittelbaren rechtlichen Beziehungen. Der Anspruch auf Familienkrankenhilfe ist ohne Einfluß auf die Höhe des Beitrages. Er kann daher auch nicht von der Höhe des Beitrages abhängig sein. Maßgebend für die Beitragshöhe sind die Einkommensverhältnisse des Versicherten, bei freiwillig Versicherten ohne eigenes Einkommen auch die Einkommensverhältnisse des Ehegatten, die in diesem Falle die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie und damit auch die für die Beitragshöhe maßgebende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten bestimmen. Die beitragsfreie Familienhilfe beruht dagegen auf einem besonderen Schutzbedürfnis, das nicht gegeben ist, wenn der mit dem Kind verwandte Ehegatte des Versicherten ein höheres Einkommen als der Versicherte hat und der gesetzlichen Krankenversicherung nicht angehört sowie in Anbetracht der Höhe seines Einkommens nicht angehören kann. Eine andere Frage ist es, auf welche Weise der für die Beitragshöhe maßgebende Grundlohn nach § 180 Abs. 4 Satz 3 RVO zu bestimmen ist, wenn mehrere Mitglieder einer Familie, die über kein eigenes Einkommen verfügen, der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten, z.B. die Kinder eines Versicherten gemäß § 176 b Abs. 1 Nr. 2 RVO nach Wegfall des Anspruchs auf Familienkrankenhilfe (vgl. Urteil des Senats vom 12. Dezember 1979 - 3 RK 98/78 - SozR 2200 § 180 RVO Nr. 4; Behrends, Die Sozialgerichtsbarkeit 1980, 487 ff.).
Schließlich sind auch die verfassungsrechtlichen Beanstandungen der Klägerin nicht begründet. Die in § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO i.d.F. des KVKG getroffene Regelung und ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG noch gegen sonstige Verfassungsnormen (vgl. BVerfG SozR 2200 § 205 RVO Nr. 18). Art. 3 Abs. 1 GG läßt dem Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Beobachtungsweise vereinbar ist, weil ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehlt (BVerfGE 48, 227, 234, 235 m.w.N.). Die in § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO vorgenommene Differenzierung entspricht der Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung, sie ist daher gerechtfertigt. Die schutzbedürftigen Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind, haben bei einer ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitragsverpflichtung in der Regel- von den Barleistungen abgesehen - Anspruch auf gleiche Leistungen. Dieser Schutz wäre unvollkommen, würde er sich nicht auch auf Familienangehörige des Versicherten erstrecken, die diesem gegenüber unterhaltsberechtigt sind und die Kosten ihrer Krankenbehandlung bzw. einer eigenen Krankenversicherung nicht selbst aufbringen können. Das insoweit bestehende besondere Schutzbedürfnis macht es erforderlich, solchen Familienangehörigen einen entsprechenden Krankenversicherungsschutz ohne zusätzliche Beitragsverpflichtung zuteil werden zu lassen. Dem Schutzbedürfnis ist jedoch ausreichend Rechnung getragen, wenn in den Krankenversicherungsschutz nur diejenigen Familienangehörigen einbezogen werden, die auf die Sicherstellung der Krankenbehandlung durch den Versicherten angewiesen sind. Das ist nicht der Fall, wenn die Familienangehörigen des Versicherten ein eigenes Gesamteinkommen haben, das bei einem Arbeitsentgelt Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet oder bei Kindern, wenn der andere, nicht versicherte Elternteil ein Gesamteinkommen hat, das regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze übersteigt und höher als das Gesamteinkommen des Versicherten ist.
Auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor, denn die Pflicht zur Förderung der Familie gebietet es nicht, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung allen Versicherten ohne Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse ihrer Ehegatten Familienkrankenhilfe für ihre Kinder zu gewähren. Da es sich bei der Familienkrankenhilfe um eine beitragsunabhängige Zusatzleistung handelt, der ein besonderes Schutzbedürfnis zugrunde liegt, ist es sachlich gerechtfertigt, diese Leistung von den Einkommensverhältnissen des nicht der Versichertengemeinschaft angehörenden Ehegatten abhängig zu machen.
Die Einwendungen der Klägerin erlauben keine andere Beurteilung. Sie beinhalten im wesentlichen allgemeine sozial- und familienpolitische Erwägungen, die nicht ausreichend die Besonderheiten der gesetzlichen Krankenversicherung beachten. Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung dem Arbeitsverdienst einerseits und den sonstigen Einkünften andererseits unterschiedliche Bedeutung zukommt und daß das der Familie zufließende Einkommen nicht in gleicher Weise Berücksichtigung findet, sondern u.a. auch zwischen dem Einkommen des Versicherten und dem seines Ehegatten unterschieden wird, übersieht sie zwei wesentliche Gesichtspunkte. Bei der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung, die im zweiten Buch der RVO geregelt ist, handelt es sich dem Grunde nach um eine Arbeitnehmerversicherung (BSGE 44, 142, 144 = SozR 2200 § 205 RVO Nr. 13). Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß für diese Versicherung dem Arbeitsverdienst bzw. dem Arbeitsentgelt besondere Bedeutung zukommt. Des weiteren kann nicht außer acht gelassen werden, daß nur der Versicherte Mitglied der Solidargemeinschaft der Krankenversicherung ist, als solcher aber die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen Mitglieder haben muß. Sein nichtversicherter Ehegatte hat nicht die Rechtsstellung eines Versicherten, ihm wird der Krankenversicherungsschutz nur aufgrund und im Rahmen eines besonderen Schutzbedürfnisses gewährt, das von seinen Einkommensverhältnissen abhängig ist. Dementsprechend ist es auch sachlich gerechtfertigt , die Familienkrankenhilfe für seine Kinder von der Höhe seines Einkommens abhängig zu machen, wenn sein Gesamteinkommen das seines allein versicherten Ehegatten übersteigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.3 RK 5/80
Bundessozialgericht
Verkündet am
4. Juni 1981
Fundstellen