Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.06.1989; Aktenzeichen L 5 Ar 1804/87)

SG Freiburg i. Br. (Urteil vom 23.02.1988)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird – unter Zurückweisung der Revision im übrigen – das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 1989 geändert:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Februar 1988 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/6 der außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungs- und im Revisionsverfahren.

 

Tatbestand

I

Der Kläger ist während der Dauer einer von der Beklagten geförderten Fortbildungsmaßnahme nicht umgezogen, weil er seinen gelähmten Vater zu betreuen hatte. Die Beklagte bewilligte gemäß § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Pendelfahrten den Betrag, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterkunft und Verpflegung nach §§ 14, 16 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) zu leisten gewesen wäre. Aus der im Anordnungsrecht vorgegebenen Monatspauschale hat die Beklagte einen täglichen Fahrkostenhöchstsatz von DM 16,– ermittelt und dem Kläger diesen Betrag für 136 Tage bewilligt, insgesamt DM 2.176,– (Bescheid vom 14. November 1986 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. Dezember 1986 und Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1987). Der Kläger hält diesen Betrag für zu niedrig und begehrt Fahrkostenersatz in Höhe von 0,36 DM pro gefahrenen Kilometer. Bei einer pauschalen Kostenabgeltung hätten überdies 19 fiktive Wochenendheimfahrten und 5 Monatskarten innerhalb von Karlsruhe zugrunde gelegt werden müssen. In jedem Fall sei nicht nach Tagen, sondern nach Monatsbeträgen abzurechnen. In erster Instanz hatte der Kläger insoweit Erfolg, als der Erstattungsbetrag auf DM 2.288,–erhöht worden ist, weil das Sozialgericht (SG) die Unterkunftspauschale für 5 volle Monate und nicht wie die Beklagte für 136 Tage in die Berechnung eingestellt hat. Beide Beteiligten haben die zugelassene Berufung eingelegt. Der Kläger hatte keinen Erfolg; auf die Berufung der Beklagten ist die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg -LSG- vom 27. Juni 1989).

Der Kläger hat die – vom LSG zugelassene – Revision eingelegt. Nach seiner Auffassung werden Pendler benachteiligt. Ihnen müsse wenigstens der Betrag zufließen, der denjenigen zugute komme, die tatsächlich an den Maßnahmeort umzögen. Die Beklagte dürfe durch das Pendeln keine Kosten sparen; dafür gebe der Wortlaut nichts her. Im übrigen habe die Beklagte ein Ermessen auch die monatlichen Heimfahrten in die Höchstbetragsberechnung einzubeziehen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen zu ändern und nach seinem Antrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und weist darauf hin, daß die im voliegenden Fall maßgebliche Regelung über die Erstattung von Fahrkosten inzwischen abgelöst sei mit der Folge, daß in aller Regel geringere Beträge übernommen würden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist in dem Umfang begründet, daß das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen ist.

Nach § 45 AFG in der hier maßgeblichen Fassung durch das Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) trägt die Beklagte ganz oder teilweise die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, insbesondere Lehrgangskosten, Kosten für Lernmittel, Fahrkosten, Kosten der Arbeitskleidung, der Kranken- und Unfallversicherung sowie Kosten der Unterkunft und Mehrkosten der Verpflegung, wenn die Teilnahme an einer Maßnahme auswärtige Unterbringung erfordert. Die Höhe der Leistungen ergibt sich aus dem Anordnungsrecht, zu dem der Verwaltungsrat durch § 39 AFG ermächtigt ist. Die AFuU legt den Umfang der Förderung fest, wobei Kosten vollständig oder auch nur teilweise übernommen und die Leistungen teilweise pauschaliert werden dürfen (vgl BSGE 39, 119 = SozR 4100 § 45 Nr 4; BSG AuB 1983, 123 f; SozR 4100 § 45 Nr 9). Dieser gesetzlichen Ermächtigung entspricht die hier maßgebliche Regelung über die pauschalierte Übernahme von Fahrkosten in § 14 AFuU (idF der 13. Änderungsanordnung vom 28. Januar 1986 – ANBA 1986 S 557).

Nach § 14 Abs 2 AFuU ergeben sich die monatlichen Pauschbeträge für Pendler nach Maßgabe einer der Anordnung beigefügten Anlage, die nach Wegstrecken und Häufigkeit der Fahrten pro Monat differenziert. Zusätzlich legt § 14 Abs 7 AFuU als absolute Höchstgrenze den Betrag fest, der bei auswärtiger Unterbringung für Unterkunft und Verpflegung nach § 16 Abs 2 AFuU zu leisten wäre. Die Vorschrift verweist auf eine weitere Norm des Satzungsrechts, die unmittelbar lediglich auf solche Teilnehmer an einer Maßnahme Anwendung findet, die unter Beibehaltung ihres Familienwohnsitzes am Maßnahmeort einen Zweitwohnsitz begründen. Dabei wird – entgegen der Auffassung des Klägers – für die Pendelfahrten nicht das als Höchstbetrag festgelegt, was auswärtige Untergebrachten insgesamt zusteht, sondern lediglich der Betrag nach § 16 Abs 2 AFuU.

Auch diese Kosten für Unterkunft und Verpflegung, auf die für die Fahrkosten verwiesen wird, sind in § 16 Abs 2 AFuU pauschaliert; es werden monatliche Beträge ausgewiesen, ohne Rücksicht darauf, welche Kosten dem auswärtig Untergebrachten tatsächlich entstehen. Ob diese Pauschbeträge auf Tage umzurechnen sind, ist im Gesetz (§ 45 AFG) nicht ausdrücklich geregelt. Das Anordnungsrecht gibt in § 16 AFuU nur einen Monatsbetrag an; auch § 14 AFuU rechnet in monatlichen Pauschalen, die nach Entfernungen und Häufigkeit des Pendelns in Stufen gestaffelt sind, bis bei 13 und mehr monatlichen Pendelfahrten ein Höchstbetrag erreicht wird.

Ganz sicher darf hier nicht in Tagespauschalen umgerechnet werden; eine solche Umrechnung würde das Tabellenwerk verändern. Auch die Auszahlungsvorschrift des § 22 AFuU sagt nichts darüber, ob der Höchstbetrag einer Fahrkostenerstattung für Pendelfahrten nach Tages- oder Monatspauschalen zu berechnen ist.

Angesichts der Tatsache, daß bei mehr als 13 Pendelfahrten im Monat eine monatliche Höchstpauschale nach der in der Anlage abgedruckten Tabelle zu gewähren ist, läge auch für den in § 14 Abs 7 AFuU festgesetzten pauschalierten absoluten Höchstbetrag eine monatliche Berechnungsweise nahe. Die Vorschrift verweist jedoch auf die Zahlungen, die nach § 16 Abs 2 AFuU für solche Teilnehmer zu erbringen sind, die eine auswärtige Unterbringung in Anspruch nehmen. Zwar ist § 16 Abs 2 AFuU nicht unmittelbar anzuwenden; die Vorschrift dient nur dazu, formal die Fahrkostenerstattung nach oben zu begrenzen. Die dynamisch ausgestaltete Verweisungsvorschrift schreibt vor, vergleichsweise zu prüfen, was bei auswärtiger Unterbringung für Unterkunft und Verpflegung zu leisten wäre. § 16 Abs 2 AFuU ist nicht lediglich entsprechend anwendbar; vielmehr ist im Rahmen eines hypothetischen Sachverhalts der Betrag zu ermitteln, der den auswärtig Untergebrachten für den gleichen Zeitraum zuzufließen hat.

Hat die Beklagte tatsächlich entstehende Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu gewähren, so ergibt sich für die Anwendung von § 16 Abs 2 AFuU eine Auslegungshilfe unmittelbar aus § 45 AFG. Es sind die notwendigen Kosten zu übernehmen, wobei die Verpflegungskosten als „Mehrkosten” definiert sind (seit dem 4. AFG-ÄndG vom 12. Dezember 1977 – BGBl I 2557). Mehrkosten für Verpflegung entstehen aber nur an den Tagen, an denen die Maßnahme tatsächlich stattfindet. Vor Beginn der Maßnahme und nach ihrem Ende können solche Kosten nicht mehr anfallen, so daß für die Teil-Monate die von der Beklagten vorgenommene Umrechnung der Monatspauschale in Tagespauschalen zutreffend ist, ohne daß hier darüber zu entscheiden wäre, ob Verpflegungsmehrkosten bei Familienheimfahrten und sonstigen kurzzeitigen Unterbrechungen der Maßnahme entsprechend gekürzt werden dürften.

Die Unterkunftskosten sind jedoch aus den vom SG zutreffend genannten Gründen grundsätzlich als Monatspauschalen zu zahlen. Der damals im Anordnungsrecht ausgewiesene Betrag von monatlich 240,– DM (dem heute noch ein Betrag von 210,– DM entspricht – § 16 Abs 2 AFuU idF durch die 17. Änderungsanordnung vom 28. Februar 1989 – ANBA 1989, 473) deckt ohnedies die notwendig entstehenden Unterbringungskosten nur teilweise. Bei länger andauernden Maßnahmen sind Unterkünfte monatlich anzumieten. Bei einer tageweisen Inanspruchnahme von Hotels oder Pensionen ist die effektive Belastung erfahrungsgemäß erheblich höher als die Monatsmiete für möblierte oder unmöblierte Unterkünfte. Ebenso wie bei den pauschalierten Fahrkosten in der Tabelle zu § 14 Abs 2 AFuU wird man jedenfalls bei einer monatlichen Inanspruchnahme von 13 und mehr Tagen keine weiteren Abstufungen vornehmen können und den vollen Monatsbetrag in Ansatz bringen müssen.

Im vorliegenden Streitfall, in dem es um die ersten fünf Tage des Oktober und die letzten 8 Tage des Februar geht, ist offenbar, daß ein Maßnahmeteilnehmer seine Kosten nicht dadurch verringern kann, daß er eine Unterkunft tageweise anmietet. Ob die Beklagte die Unterkunftskosten auf täglich 8,– DM begrenzen dürfte, wenn im ersten oder letzten Monat einer Maßnahme nur für vereinzelte Tage eine auswärtige Unterbringung benötigt wird, bedarf hier keiner Entscheidung, erscheint angesichts der minimalen Höhe dennoch zweifelhaft; ersichtlich ist der Pauschbetrag auf die monatliche Anmietung preiswerter Studentenzimmer zugeschnitten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klage nur in dem schon in erster Instanz zuerkannten Umfang Erfolg hatte.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175131

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