Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse dem Kläger die Kosten für ein privatärztlich verordnetes Arzneimittel zu erstatten hat.
Der Kläger ist bei der Beklagten pflichtversichert. Seit 1991 wird er wegen eines Non-Hodgkin-Lymphoms ambulant und stationär u.a. mit Chemotherapie behandelt. Im April 1992 verordnete ihm der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. das Arzneimittel Edelfosin. Den Antrag des Herstellers, der Firma m. GmbH, auf Zulassung von Edelfosin für den Indikationsbereich "nicht-kleinzellige Bronchialtumore" hatte das Bundesgesundheitsamt (BGA) mit Bescheid vom 9. Februar 1990 abgelehnt. Der Widerspruch des Herstellers ist durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - der Nachfolgebehörde des BGA - mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1994 zurückgewiesen worden. Dagegen hat der Hersteller Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.
Mit Schreiben vom 14. April 1992 beantragte Dr. R. für den Kläger die Übernahme der Kosten des Arzneimittels Edelfosin in Höhe von 57, 00 DM täglich. Die Beklagte erstattete dem Kläger die Kosten der ersten Rechnung in Höhe von 1.710, 00 DM (57, 00 DM x 30), da ihm die Bezahlung des bereits bestellten Mittels nicht zumutbar sei, und lehnte den Antrag im übrigen mit der Begründung ab, daß Edelfosin mangels Zulassung nicht allgemein verkehrsfähig, die Krankenkasse für die Kosten während der kontrollierten klinischen Prüfung eines Mittels nicht zuständig sei und Belege für eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit des Therapieerfolges nicht vorlägen (Bescheid vom 21. Mai 1992; Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1992).
Klage und die vom Sozialgericht (SG) zugelassene Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg (Urteil des SG Aachen vom 25. Januar 1993; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 1994). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V aF) seien nicht erfüllt. Bei der Verordnung von Edelfosin ab dem 16. April 1992 habe es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung i.S. einer Notfallbehandlung gehandelt. Dem Kläger seien auch nicht deshalb Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, weil die Beklagte diese zu Unrecht abgelehnt hätte. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch scheitere daran, daß ein entsprechender Sachleistungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht bestanden habe. Das streitige Arzneimittel Edelfosin sei nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnungsfähig. Ihm fehle die gemäß §§ 2 Abs. 1, 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) erforderliche Zulassung. Dem Ausstehen der endgültigen Entscheidung über die Zulassung komme dieselbe Wirkung zu wie einer bindenden Ablehnung. Die Verordnungsfähigkeit des Mittels während der klinischen Prüfung komme auch nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu den Außenseitermethoden nicht in Betracht. Dafür lägen bereits die Voraussetzungen nicht vor. Es sei nämlich nicht ersichtlich, daß der Kläger alle Mittel der Schulmedizin ausgeschöpft hätte. Zudem sei es nach Aktenlage auch unter der Edelfosintherapie zu einer Verschlimmerung gekommen. Im übrigen ergebe sich aus §§ 2, 12 SGB V und der Gesetzesbegründung zum Gesundheits-Reformgesetz (GRG), daß es nicht Aufgabe der Krankenkassen sei, die medizinische Forschung und die klinische Erprobung von Arzneimitteln zu finanzieren.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Der Anspruch auf Kostenerstattung ab Antragstellung sei nicht deshalb gemäß § 12 SGB V ausgeschlossen, weil das Arzneimittel Edelfosin noch nicht von der zuständigen Behörde nach dem AMG zugelassen sei. Versicherte hätten gemäß § 31 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 Abs. 1 SGB V, durch Rechtsverordnung oder Richtlinien des Bundesausschusses aufgrund § 34 Abs. 2 bis 4 SGB V ausgeschlossen seien. Nach den Vorschriften des SGB V sei die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln somit nicht an die Zulassung nach den Bestimmungen des AMG gebunden. Dem Wortlaut des § 92a Abs. 6 SGB V sei vielmehr im Umkehrschluß zu entnehmen, daß nur bei Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen bestimmte Anerkennungen nach dem AMG Voraussetzung für die Aufnahme in die Liste verordnungsfähiger Arzneimittel seien. Etwas anderes könne ausnahmsweise nur dann gelten, wenn die Verwaltung die Zulassung des Arzneimittels bestandskräftig abgelehnt habe. Auch nach dem Inkrafttreten des GRG komme eine Kostenerstattung solcher Arzneimittel in Betracht, deren allgemeine Wirksamkeit zwar noch nicht nachgewiesen sei, mit denen ein Patient aber mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg behandelt werden könne. Im April 1992 habe für ihn, den Kläger, keine Möglichkeit mehr bestanden, mit Hilfe der Schulmedizin oder anerkannter Heilmethoden eine Besserung oder Heilung zu erzielen. Weder die Beklagte noch ihr Medizinischer Dienst hätten eine Alternative zur Edelfosintherapie vorgeschlagen. Wenn das LSG Zweifel an der Wirksamkeit des Arzneimittels gehabt hätte, hätte es den Sachverhalt gemäß §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) insoweit aufklären müssen. Im Hinblick auf den aus Art 1 und 2 Grundgesetz abgeleiteten verfassungsrechtlichen Anspruch des Patienten auf Gesundheit dürfe die Kostenerstattung nach dem SGB V nicht allein mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, daß sich das gewünschte Arzneimittel noch im Stadium der klinischen Erprobung befinde.
Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 1994 und des Sozialgerichts Aachen vom 25. Januar 1993 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Behandlung mit Edelfosin im Zeitraum vom 16. April bis 1. September 1992 in Höhe von täglich 57, 00 DM auch über den ersten Behandlungsmonat hinaus zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch zu Recht verneint.
Statthafte Klageart ist eine Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG. Der Erstattungsanspruch bezieht sich auf die Behandlung des Klägers in der Zeit vom 16. April bis 1. September 1992. Damit geht es um eine abgeschlossen in der Vergangenheit liegende Behandlung, so daß für die Entscheidung die Sach-und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt maßgeblich ist. Deshalb sind die Vorschriften des SGB V i.d.F. des GRG vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, 2477) anzuwenden.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs. 2 SGB V a.F. (§ 13 Abs. 3 SGB V nF) in Betracht (BSGE 73, 271, 273 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4; BSG, Urteil vom 29. Juni 1994 - 1 RK 40/93 -). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 SGB V) nunmehr Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).
Gemäß § 13 Abs. 2 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung vor Änderung durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, 2266 ≪jetzt: § 13 Abs. 3 SGB V nF≫) sind dem Versicherten die für die selbstbeschaffte Leistung entstandenen Kosten, soweit sie notwendig waren, von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe u.a. zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
Der Senat läßt offen, ob eine Erstattung der Kosten auch für den Zeitraum vor Erlaß des ablehnenden Bescheides der Beklagten am 21. Mai 1992 in Betracht kommen könnte. Jedenfalls scheitert die begehrte Kostenerstattung daran, daß dem Kläger ein entsprechender Sachleistungsanspruch nicht zusteht (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 15; BSGE 70, 24, 26 = SozR 3-2500 § 12 Nr. 2; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 2; BSGE 73, 271, 273 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4).
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (zu § 27 SGB V als Anspruchsgrundlage vgl. BSGE 73, 271, 280 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4). Gemäß § 31 Abs. 1 SGB V haben Versicherte u.a. Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Dabei besteht die Leistungspflicht der Krankenkasse jedoch nicht für jede Art von Versorgung. Einschränkungen ergeben sich aus §§ 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 SGB V. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Der Kläger hat bereits deshalb keinen Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte, weil das streitige Arzneimittel nicht i.S. von § 12 Abs. 1 SGB V verordnungsfähig war, denn es fehlt an der Zweckmäßigkeit und damit auch der Wirtschaftlichkeit des Mittels.
Die Versagung der erforderlichen Zulassung zum Verkehr wirkt sich dahin aus, daß das Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden darf. Das streitige Präparat ist Arzneimittel i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, weil es dazu bestimmt ist, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Es handelt sich - wie das LSG ausführt -auch um ein Fertigarzneimittel gemäß § 4 Abs. 1 AMG, d.h. um ein Arzneimittel, das im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird. Derartige Fertigarzneimittel dürfen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG (mit Ausnahme der Altpräparate, die den Übergangsvorschriften des Art 3 §§ 7 bis 9 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976, BGBl. I, 2445 unterliegen) im Geltungsbereich des AMG nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde (früher: das BGA - jetzt: das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ≪vgl Art 1 § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über Nachfolgeeinrichtungen des BGA vom 24. Juni 1994, BGBl. I, 1416≫) zugelassen sind, soweit sie nicht nach der Vorschrift des § 21 Abs. 2 AMG keiner Zulassung bedürfen. Als Fertigarzneimittel i.S. der §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 AMG ist Edelfosin somit grundsätzlich zulassungspflichtig. Der Hersteller betreibt auch seit Jahren die Zulassung, die durch Bescheid des BGA vom 9. Februar 1990 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 14. Oktober 1994) abgelehnt worden ist.
Mit Urteil vom 8. Juni 1993 (BSGE 72, 252, 256f. = SozR 3-2200 § 182 Nr. 17) hat das BSG entschieden, daß ein zulassungspflichtiges Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht verordnet werden darf, dessen Zulassung zum Verkehr förmlich versagt worden ist (zur negativen Vorgreiflichkeit der Arzneimittelzulassung im Bereich der GKV vgl. auch BVerwGE 58, 167, 173; SG Karlsruhe, Breithaupt 1988, 361, 366; Schlenker, DOK 1987, 236, 239 f; ders SGb 1988, 473, 474; Kamps, MedR 1988, 168 Fn 5; Töns, DOK 1980, 769, 772 ff; Höfler in KassKomm § 31 RdNr 5; Zipperer in Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V, GKV-Komm § 31 RdNr 4b; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, SGB V, Komm, K, § 31 RdNr 4; Mengert in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 13 RdNr 40; Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 31. Oktober 1988, BT-Drucks 11/3267 S. 248; aA BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 2; LSG Baden-Württemberg, SGb 1988, 469, 473; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, SGB V, § 31 RdNr 4; Schroeder-Printzen, MedR 1993, 339, 340). Das gleiche gilt, wenn - wie hier - bereits eine ablehnende Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Zulassung vorliegt, diese aber wegen eines laufenden Klageverfahrens noch nicht bestandskräftig geworden ist. Auch in einem solchen Fall schließt die fehlende Zulassung die Verordnungsfähigkeit des Medikaments zu Lasten der GKV aus. Dies ergibt sich aus § 12 SGB V i.V.m. Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des AMG und seinem Verhältnis zum SGB V.
Zwar enthält das Krankenversicherungsrecht keine Regelung, die die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln von der - positiven oder negativen - Zulassungsentscheidung abhängig macht (so BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 2). Gleichwohl kann das AMG nicht isoliert vom SGB V betrachtet werden; vielmehr stehen die beiden Gesetze in einem Abhängigkeitsverhältnis mit der Folge, daß sich eine Ablehnung der Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln auswirkt. Die Voraussetzungen für die Zulassung eines Arzneimittels nach dem AMG entsprechen den Mindestvoraussetzungen, die im Rahmen der GKV an eine "wirtschaftliche" Verordnungsweise i.S. von §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V gestellt werden (BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 17 zu §§ 182, 368e RVO). Eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistung i.S. des § 12 SGB V, § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V setzt voraus, daß die Leistung, also auch das verordnete Arzneimittel, überhaupt geeignet ist, die bezweckte Heilwirkung zu erzielen. Das bedeutet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, daß nicht nur die Unbedenklichkeit des zu verordnenden Arzneimittels, sondern vor allem seine therapeutische Wirkung ausreichend sicher sein muß. Das ergibt sich auch aus Nr. 11 Satz 1 der auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V beruhenden - grundsätzlich verbindlichen (vgl. BSGE 73, 271, 287 m.w.N. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4) - Arzneimittelrichtlinien (AMR), wo zur Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsbegriffs der ausreichend sichere therapeutische Nutzen des verordneten Arzneimittels verlangt wird. Dies setzt aber voraus, daß das nach dem AMG vorgesehene Zulassungsverfahren erfolgreich abgeschlossen ist. Nach der öffentlichen Diskussion über verschiedene Arzneimittelkatastrophen (Contergan) und aus der Einsicht, daß jedes Arzneimittel ein potentielles Gesundheitsrisiko darstellt, ist 1976/78 durch die AMG-Novelle das frühere - auf die formelle Prüfung abgestellte - Registrierverfahren durch ein materielles Genehmigungsverfahren abgelöst worden (vgl. Zwischenbericht, BT-Drucks 11/3267 S. 249; AmtlBegr zu § 20 des Entwurfs für das AMG 1976, abgedruckt bei Kloesel/Cyran, Komm zum Arzneimittelrecht, § 21 AMG; Schlenker, SGb 1988, 473, 474; ders DOK 1987, 236, 239). Nach dem nunmehr in §§ 21ff. AMG geregelten Zulassungsverfahren dürfen Fertigarzneimittel i.S. eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 17; Schlenker, SGb 1988, 474) nicht ohne Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Die Zulassung ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der konstitutiv die Verkehrsfähigkeit eines pharmazeutischen Produktes als Arzneimittel eröffnet (Kloesel/Cyran, § 25 AMG Anm. 1; Schwerdtfeger, Die Bindungswirkung der Arzneimittelzulassung, 1983, S. 70). Dieses Verfahren soll eine optimale Arzneimittelsicherheit verwirklichen, deren Schwerpunkt gleichermaßen in der Sorge für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels liegt (§ 1 AMG). Erst durch die Zulassung wird, wie § 25 Abs. 2 Nrn 3, 4, 5 AMG zeigt, die Unbedenklichkeit und zumindest prinzipielle Wirksamkeit eines pharmazeutischen Produkts festgestellt (vgl. Schlenker, DOK 1987, 236, 239 m.w.N.). Die vom Schutzzweck des AMG angestrebte Arzneimittelsicherheit wäre nicht gewährleistet, wenn ein Arzneimittel verordnet werden dürfte, dessen Zulassung - wie hier - durch die zuständige Fachbehörde durch Bescheid und Widerspruchsbescheid versagt worden ist. Der Schutzzweck des AMG ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht erst dann gefährdet, wenn die Zulassung bindend mit präjudizieller Wirkung abgelehnt worden ist. Ist die Zulassung bereits durch Bescheid abgelehnt worden, kann das Arzneimittel jedenfalls nicht als unbedenklich i.S. des § 1 AMG angesehen werden. Da Vorschriften über die Kontrolle von Arzneimitteln im Recht der GKV nicht bestehen, darf den Versicherten der durch das AMG gewährleistete Mindestsicherheits- und Qualitätsstandard nicht entzogen werden.
Der Senat hat die Versagung der Zulassung des strittigen Arzneimittels seiner Entscheidung wie eine Tatsache zugrunde zu legen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Entscheidungen des BGA oder des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Hierfür fehlt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Zuständigkeit. Entgegen der Auffassung der Revision ist es im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits auch nicht möglich, danach zu differenzieren, aus welchen Gründen die Zulassung des Medikaments Edelfosin nach dem AMG versagt worden ist. Denn jede Versagung der Zulassung hat zur Folge, daß das zulassungspflichtige Arzneimittel nicht in den Verkehr gebracht und demzufolge auch nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnet werden darf.
Entgegen der Ansicht des Klägers läßt sich aus der Anknüpfung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen an Zulassungen/Registrierungen nach dem AMG nichts Gegenteiliges herleiten. § 92a Abs. 6 SGB V schreibt vor, daß Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophie bei Zulassungen nach § 25 AMG, Standardzulassungen nach § 36 AMG, Registrierung als homöopathisches oder anthroposophisches Arzneimittel nach § 38 AMG und/oder positiver Bewertung durch die Aufbereitungskommission nach § 25 Abs. 7 AMG i.V.m. Art 3 § 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts in die Vorschlagsliste verordnungsfähiger Arzneimittel aufzunehmen sind. Damit soll der besonderen Wirkungsweise der besonderen Therapierichtungen Rechnung getragen werden, ohne ihnen gegenüber den Arzneimitteln der Schulmedizin eine Sonderstellung einzuräumen (BT-Drucks 11/3480 S. 49 zu § 2). Der Zusammenhang zwischen bestimmten Anerkennungen nach dem AMG und der Aufnahme von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen in die Liste verordnungsfähiger Arzneimittel zeigt vielmehr, daß Entscheidungen nach dem AMG auch im Rahmen des SGB V zu berücksichtigen sind.
Die Verordnungsfähigkeit des Mittels Edelfosin kommt auch nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu den Außenseitermethoden (vgl. BSGE 63, 102 = SozR 2200 § 368e Nr. 11; BSGE 64, 255, 257 = SozR 2200 § 182 Nr. 114; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 2) unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten (vgl. BSGE 73, 66, 71 = SozR 3-2500 § 2 Nr. 2) nicht in Betracht, denn die Versagung der Zulassung schließt die Verordnungsfähigkeit auch für diesen Bereich aus. Es wäre mit dem Zweck des AMG nicht vereinbar, das Mittel unter Berufung auf Außenseitermethoden als verordnungsfähig anzusehen, obwohl es nicht einmal den Mindestanforderungen für eine Zulassung durch die zuständige Fachbehörde genügt. Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 30. Mai 1990 - 27 U 169/87 - beruft und meint, der behandelnde Arzt könne im Einzelfalle sogar verpflichtet sein, auch ein nicht zugelassenes Arzneimittel zu verordnen, geht der Hinweis fehl. Das OLG Köln hatte lediglich darüber zu entscheiden, ob der Arzt sich schadensersatzpflichtig macht, wenn er ein für ein bestimmtes Therapieziel arzneimittelrechtlich zulässiges Medikament nicht auch für eine andere Behandlung verwendet, obwohl dies erfolgversprechend ist.
Die Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV scheidet auch für die Zeit der klinischen Prüfung (§§ 40, 41 AMG) aus, währenddessen es einer Zulassung nicht bedarf (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG). Bereits nach § 11 Satz 2 der AMR sind Erprobungen von Arzneimitteln auf Kosten des Versicherungsträgers unzulässig. Es kann hier dahinstehen, ob dieser Bestimmung eine eigene normative Bedeutung zukommt oder ob es an einer Ermächtigung der Bundesausschüsse fehlt, in eigener Zuständigkeit die Erprobung zu Lasten der Krankenkasse auszuschließen (vgl. zu den AMR BSGE 73, 66, 70 = SozR 3-2500 § 2 Nr. 2; BSGE 73, 271, 287 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4; BSGE 66, 163 = SozR 3-2200 § 182 Nr. 1; BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 17). Der Ausschluß der Erprobung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen folgt bereits aus Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des § 2 SGB V, der eine eigenständige normative Bedeutung hat (Schirmer in von Maydell, GKV-SGB V § 2 RdNr 13). Nach der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1 SGB V dürfen sich neue Behandlungsmethoden nicht mehr im Erprobungsverfahren befinden, denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (BT-Drucks 11/2237 S. 157). Zwar schreibt § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vor, daß Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Dies setzt jedoch voraus, daß die neue Methode oder das neue Medikament in jedem Fall eine ausreichende Phase der wissenschaftlichen Erprobung bereits abgeschlossen haben muß. Denn neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, sollen nach der Zielsetzung des Gesetzgebers gerade keine Leistungspflicht der Krankenkassen auslösen (BT-Drucks 11/2237 S. 157 zu § 2 Abs. 1; Schirmer in von Maydell, GKV-SGB V § 2 RdNr 32). Erst nach der Phase der klinischen Erprobung steht fest, daß das neue Arzneimittel den Anforderungen an Unbedenklichkeit, Qualität und Wirksamkeit gerecht wird, so daß der Versicherte erst dann Anspruch auf diese Leistung hat. Darüber hinaus ist Sinn und Zweck der klinischen Prüfung in erster Linie, Erkenntnisse über das betreffende Arzneimittel im Hinblick auf die Zulassung oder die Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines bereits zugelassenen Arzneimittels zu gewinnen. Dafür besteht aber keine Leistungspflicht der GKV. Andernfalls würden nämlich klinische Studien an Personen, die an einer Krankheit leiden, bei der anerkannte Behandlungsmittel fehlen oder im Einzelfall ungeeignet sind, zu deren Behebung aber das zu prüfende Arzneimittel angewendet werden soll, regelmäßig zu Lasten der Krankenkassen erfolgen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. September und 11. Oktober 1994 (1 BvR 1651/94) zu § 47 Abs. 1 Nr. 2f. i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des AMG vom 9. August 1994 (BGBl. I, 2078). Durch diese Entscheidungen ist die Anwendung der genannten Vorschrift einstweilen ausgesetzt worden, so daß die Arzneimittelhersteller zur Zeit nicht verpflichtet sind, Arzneimittel zur klinischen Erprobung kostenlos abzugeben. Selbst wenn das BVerfG bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis kommen sollte, daß § 47 Abs. 1 Nr. 2f. AMG n.F. verfassungswidrig ist, fehlt es an einer Rechtsgrundlage für den vom Kläger als Versicherten geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch. Denn für nicht verordnungsfähige Arzneimittel, die zur klinischen Erprobung verwendet werden, kennt das SGB V bisher keine Sonderregelung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 518165 |
NJW 1995, 2438 |
PharmaR 1996, 54 |
Breith. 1996, 95 |