Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiheit der Religionsausübung. Schutz religiöser Feiertage
Leitsatz (amtlich)
1. Das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung (GG Art 4 Abs 2) ist bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes in AFG § 119 Abs 1 S 1 zu beachten.
2. Wäre ein Arbeitsloser bei Annahme einer ihm vom Arbeitsamt angebotenen Arbeit gezwungen, entgegen seiner religiösen Überzeugung und den Geboten seiner Glaubensgemeinschaft (Siebenten-Tags-Adventisten) am Sabbat, dh, zwischen Sonnenuntergang am Freitag und am Sonnabend zu arbeiten, so hat er einen wichtigen Grund zur Ablehnung des Arbeitsangebotes iS des AFG § 119 Abs 1 S 1 Nr 2.
Orientierungssatz
1. Die Freiheit der Religionsausübung nach Art 4 Abs 2 GG, die sich nicht nur auf die christlichen Kirchen, sondern auch auf andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erstreckt, gewährleistet nicht nur die Vornahme kultischer Handlungen (Gottesdienst) und die Beachtung und Ausübung religiöser Gebräuche, sondern sichert auch - wenn auch in begrenzterem Umfange - jedes andere religiöse motivierte Verhalten (vgl BVerfG vom 1968-10-16 1 BvR 241/66 = BVerfGE 24, 236).
2. Art 4 Abs 1 und 2 GG ist nicht durch Art 139 WRV in der Weise eingeschränkt, daß lediglich die Sonntage und sonstige staatlich anerkannte Feiertage den Schutz dieses Grundrechts genießen und deshalb andere religiöse Feiertage aus dem Schutzbereich des Art 4 Abs 1 und 2 GG ausgeschlossen sind.
Normenkette
GG Art 4 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 4 Abs 2 Fassung: 1949-05-23; GG Art 140 Fassung: 1949-05-23; WRV Art 139; AFG § 119 Abs 1 S 1 Nr 2 Fassung: 1969-06-25, § 103 Abs 1a Fassung: 1975-12-18, § 103 Abs 1a Fassung: 1979-07-23, § 14 Abs 1 S 2 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer vierwöchigen Sperrzeit gemäß § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).
Die am 8. Dezember 1924 geborene Klägerin war von 1965 bis Juni 1977 bei der Firma K, S und B in F als Bohrerin und Walzerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (7. September 1976 bis 24. Juli 1977) vom Arbeitgeber zum 30. Juni 1977 gekündigt.
Das Arbeitsamt bewilligte der Klägerin auf ihren Antrag vom 25. Juli 1977 von diesem Tage an Arbeitslosengeld (Alg) für 312 Wochentage.
Am 12. Januar 1978 wurde der Klägerin vom Arbeitsamt eine Stelle als Betriebsarbeiterin bei der Firma B-Werke in F bei 40-stündiger Arbeitszeit und Schichtarbeit (Frühschicht von 6.00 bis 14.15 Uhr; Spätschicht von 14.15 - 22.30 Uhr angeboten. Dieses Angebot lehnte die Klägerin zur Niederschrift des Arbeitsamtes nach Belehrung über die Rechtsfolgen mit der Begründung ab, sie gehöre der Glaubensgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten an, die fest an der Bibel halte, nach deren Regeln dürfe sie am Tag des Herrn, von Sonnenuntergang am Freitag bis Sonnenuntergang am Samstag, nicht arbeiten. Mit Bescheid vom 18. Januar 1978 und Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1978 stellte das Arbeitsamt den Eintritt einer Sperrzeit vom 13. Januar bis 9. Februar 1978 fest. Das Sozialgericht (SG) Speyer hat mit Urteil vom 14. März 1979 auf die Klage die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat mit Urteil vom 21. September 1979 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit seien nicht erfüllt. Die religiösen Motive der Klägerin für die Ablehnung der ihr angebotenen Arbeit seien als wichtiger Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG anzusehen. Nach ihren religiösen Anschauungen, an deren Ernsthaftigkeit kein Zweifel bestehe, habe der Senat von einem für die Klägerin geltenden strengen Arbeitsverbot am Samstag ausgehen müssen. Insoweit könne sich die Klägerin bei der im Rahmen von § 119 Abs 1 AFG anzustellenden Interessenabwägung auf das Grundrecht der Religions- und Glaubensfreiheit sowie die Gewährleistung ungestörter Religionsausübung (Art 4 Abs 1 und 2 des Grundgesetzes -GG-) berufen. Dieses Grundrecht, das in der gesamten Rechtsordnung zu beachten sei, rechtfertige zwar nicht ohne weiteres jede zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft. Obwohl ein Gesetzesvorbehalt in Art 4 Abs 1 und 2 GG fehle, sei die Religionsfreiheit nicht schrankenlos gewährt, sondern durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang eingeschränkt (BVerfGE 28, 243). Hier ergebe sich das von der Rechtsprechung geforderte Rechtsgut von Verfassungsrang aus dem Sozialstaatsprinzip, das auch den Trägern von Religionsfreiheit um des hohen Zieles sozialer Sicherheit wegen - einschließlich ihrer Organisier- und Finanzierbarkeit - Einschränkungen auferlege. Bei der danach erforderlichen Abwägung zwischen der Religionsfreiheit des Einzelnen und der Finanzierbarkeit von Sozialstaatlichkeit seien die ernsthaften religiösen Motive der Klägerin auch objektiv als wichtiger Grund iS von § 119 Abs 1 Satz 1 AFG anzusehen, weil die Hintanstellung der Interessen der Versichertengemeinschaft nicht besondere schwerwiegend sei. Einerseits biete die von der Klägerin akzeptierte Arbeitszeit (Sonntag bis Donnerstag einschließlich Schichtarbeit, Freitag bis 18.00 Uhr) noch erhebliche zeitliche Spielräume für eine Arbeitsvermittlung. Andererseits könne die Klägerin auch gegenüber allen denjenigen Arbeitsuchenden, die zusätzlich persönliche Gründe für die Arbeitsablehnung geltend machen könnten, nicht als besonders privilegiert bezeichnet werden; ihre Gründe höben sich von anderen denkbaren Fällen nicht so weit ab, daß sie diesen gegenüber rechtlich anders zu bewerten seien.
Demgegenüber könne die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, daß die Klägerin nicht versucht habe, mit dem Arbeitgeber einen zeitlichen Kompromiß zu vereinbaren. Auf diese Pflicht hätte das Arbeitsamt die unerfahrene Klägerin von sich aus hinweisen müssen (§ 14 Sozialgesetzbuch 1 -SGB 1-). Eine solche Belehrung sei ausweislich der Niederschrift über die Arbeitsablehnung jedoch nicht mehr erfolgt, so daß die Sperrzeit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht aufrechterhalten werden könne.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, die Zugehörigkeit der Klägerin zur Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten bzw deren Feiertagsgestaltung sei kein wichtiger Grund für die Ablehnung der angebotenen Arbeit. Nach Art 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) iVm Art 140 GG sei nur die Arbeitsruhe an Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen gesetzlich geschützt. Die Klägerin dürfe gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung nicht bevorzugt werden, die bei Ablehnung von Sonn- und Feiertagsarbeit jedenfalls arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen tragen müsse. Daß in vielen Berufsbereichen auch sonnabends gearbeitet werde, stelle - entgegen der Meinung der Klägerin - keinesfalls nur eine Ausnahme von der Regel dar.
Im übrigen habe die Klägerin zumindest versuchen müssen, mit dem Arbeitgeber eine spezielle Arbeitszeitregelung - Beschränkung der Arbeitszeit an Freitagen auf die Morgenschicht - zu treffen. Es sei nichts dafür ersichtlich, daß dieser Versuch von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne das Unterlassen eines solchen Versuchs nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie vom Arbeitsamt nicht auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sei.
Es reiche nämlich nicht aus, wenn die Umstände, die die Annahme eines wichtigen Grundes rechtfertigten, subjektiv als vorliegend angenommen würden; sie müßten vielmehr objektiv gegeben sein. Habe die Klägerin nicht von der Möglichkeit eines Versuchs zur Beseitigung dieser Umstände gewußt, so sei ein wichtiger Grund objektiv nur gegeben, sofern eine Beseitigung schließlich doch nicht möglich gewesen wäre. Insoweit habe das LSG keine Feststellungen getroffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz
vom 21. September 1979 und das Urteil des Sozialgerichts
Speyer vom 14. März 1979 aufzuheben und die Klage
abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Zur Bedeutung des Sabbat verweist sie auf die vorgelegte Monographie von Gmehling, "Christus der Herr im Glauben und Leben der Siebenten-Tags-Adventisten"; danach sei mit einer Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft eine Arbeit am Sabbat unvereinbar.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Bescheide über den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen waren rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG, auf die die angefochtenen Entscheidungen gestützt waren und allein hätten gestützt werden können, haben nicht vorgelegen. Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG tritt eine Sperrzeit von vier Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen oder angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.
Die Klägerin hat zwar trotz ordnungsgemäß erfolgter Belehrung über die Rechtsfolgen der Arbeitsablehnung, die im Zusammenhang und in Verbindung mit dem Arbeitsangebot erfolgt ist, dieses Angebot abgelehnt. Das Arbeitsangebot war nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG auch ausreichend bestimmt, denn es enthielt alle Angaben, deren es bedurfte, damit die Klägerin sich über die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden konnte.
Die Klägerin war jedoch berechtigt, das Arbeitsangebot für eine Beschäftigung bei der Firma B-Werke abzulehnen, weil sie unter den gegebenen Umständen einen wichtigen Grund zur Ablehnung hatte. Die Beklagte hat bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs des wichtigen Grundes den Bestand und die Reichweite des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art 4 Abs 1 GG) sowie die Gewährleistung ungestörter Religionsausübung (Art 4 Abs 2 GG) nicht hinreichend berücksichtigt.
Was als wichtiger Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG anzusehen ist, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zu BT-Drucks V/4110 S 20/21, Vorbemerkung zu § 108a). Die in den früheren Bestimmungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung abschließend aufgeführten "berechtigten Gründe" zur Arbeitsablehnung (§ 78 Abs 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -AVAVG- bzw § 90 Abs 2 AVAVG aF) sind in § 119 Abs 1 Satz 1 AFG bewußt durch den unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes ersetzt worden, um den der Sperrzeit zugrundeliegenden Rechtsgedanken zu verallgemeinern (vgl Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit aaO). Gewisse Maßstäbe für die Auslegung des § 119 Abs 1 AFG ergeben sich aus der Regelung des § 103 AFG hinsichtlich der allgemeinen Verfügbarkeit; denn die Anforderungen an die Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers in bezug auf ein bestimmtes konkretes Arbeitsangebot können nicht höher sein, als es zum Nachweis der allgemeinen Verfügbarkeit verlangt wird (BSG SozR 4100 § 119 AFG Nrn 3 und 4; vgl auch Hennig/Kühl/Heuer, Komm z AFG, Anm 1 und 13 zu § 119). Ferner hat das Arbeitsamt bei Arbeitsangeboten die Grundsätze der Arbeitsvermittlung nach §§ 14 ff AFG zu berücksichtigen. Ein Angebot, das die Beklagte unter Verletzung dieser Grundsätze unterbreitet, ist rechtswidrig und unbeachtlich (BSG SozR 4100 § 119 Nrn 3, 4 und 9).
Aus § 14 iVm § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG folgt, daß die angebotene Arbeit unter Berücksichtigung der "persönlichen Verhältnisse" zumutbar sein muß. In § 103 Abs 1a AFG sind gesetzlich einige Kriterien für die Zumutbarkeit festgelegt. Diese durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) mit Wirkung ab 1. Januar 1976 eingefügte Bestimmung ist durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) lediglich klarstellend neu gefaßt bzw ergänzt worden, ohne daß sich an der Grundkonzeption dieser Vorschrift etwas geändert hätte (vgl Hennig/Kühl/Heuer, aaO, Anm 6 zu § 103). Die derzeitige Fassung hat daher auch Bedeutung für den vorliegenden Fall. Danach sind bei der Beurteilung der Zumutbarkeit alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die bisherige berufliche Tätigkeit und die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen, seine familiären und "sonstigen persönlichen Verhältnisse", die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie die Dauer der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen (§ 103 Abs 1a Satz 2 AFG nF). Daß auch die persönlichen Verhältnisse umfassend berücksichtigt werden sollten, ergibt sich im übrigen bereits aus der Begründung zum Regierungsentwurf des HStruktG (BR-Drucks 575/75, S 52) und aus dem Bericht des Haushaltsausschusses zu diesem Entwurf (BT-Drucks 7/4243, S 9/10 zu § 1 Nr 22b). In § 14 Abs 1 AFG ist für die Beklagte neben die öffentliche Funktion des Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt (Abs 1 Satz 1) die Pflicht zur individuellen Arbeitsvermittlung gestellt, bei der die persönlichen Verhältnisse des Arbeitsuchenden zu berücksichtigen sind (Abs 1 Satz 2). Bei der ursprünglichen Fassung dieser Bestimmung wurde der Formulierung "persönliche Verhältnisse" durch den Ausschuß für Arbeit des Bundestags der Vorzug vor derjenigen des Regierungsentwurfs gegeben, in dem nur von der Berücksichtigung der "sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse" die Rede war. Dadurch sollte gewährleistet sein, daß wirklich die gesamten Verhältnisse des Arbeitsuchenden die individuelle Arbeitsvermittlung bestimmen; diese Änderung erschien insbesondere im Hinblick auf die Neufassung der Sperrzeitbestimmungen erforderlich (vgl Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zu BT-Drucks V/4110, S 7 zu § 12).
Zu den im Rahmen der Sperrzeitregelung zu beachtenden persönlichen Verhältnissen gehören damit zweifelsfrei auch religiös-weltanschauliche Bindungen des Arbeitslosen, deren Absicherung gegen staatliche Eingriffe durch das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art 4 Abs 1 GG) und das in ihm an sich enthaltene Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung (Art 4 Abs 2 GG; vgl hierzu BVerfGE 24, 236, 245) gewährleistet ist. Die Freiheit der Religionsausübung nach Art 4 Abs 2 GG, die sich nicht nur auf die christlichen Kirchen, sondern auch auf andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erstreckt (BVerfGE 24, 236, 246), gewährleistet nicht nur die Vornahme kultischer Handlungen (Gottesdienste) und die Beachtung und Ausübung religiöser Gebräuche, sondern sichert auch - wenn auch in begrenzterem Umfange - jedes andere religiöse motivierte Verhalten (Herzog in Maunz/Dürig/Herzog, Komm z GG, RdNr 111 zu Art 4; BVerfGE 24, 236, 246). Die Einhaltung des Gebots der Arbeitsruhe an einem der sieben Wochentage, dem "Tag des Herrn", entspricht traditionellen religiösen Verhaltensweisen und hält sich im Rahmen übereinstimmender Grundanschauungen der heutigen Kulturvölker (zu dieser immanenten Grundrechtsschranke BVerfGE 12, 1, 4; 24, 236, 246; vgl auch Herzog in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, RdNr 111 zu Art 4). Die Respektierung der von der Klägerin nach den Geboten ihrer Glaubensgemeinschaft einzuhaltenden Arbeitsruhe am Samstag ist daher grundsätzlich verfassungsrechtlich geboten. Die Beklagte hat dies - unter Beachtung noch darzulegender Einschränkungen - auch im Rahmen der Arbeitsvermittlung zu beachten. Bei jeder Gesetzesanwendung und -interpretation sind verfassungsrechtliche Wertentscheidungen, wie sie Art 4 GG enthält, zu berücksichtigen, wobei der Wortlaut des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG iVm §§ 103 Abs 1a, 14 Abs 1 AFG einer entsprechenden verfassungskonformen Auslegung nicht entgegensteht.
Bei der Auslegung des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG hat das LSG zu Recht dem grundrechtlich gewährleisteten Recht der Klägerin auf Einhaltung der Arbeitsruhe am Samstag bzw Sabbat (zur Bedeutung des Sabbat vgl Gmehling, Christus der Herr im Glauben und Leben der Siebenten-Tags-Adventisten, S 20 f) den Vorrang vor den Interessen der Versichertengemeinschaft eingeräumt und demgemäß einen wichtigen Grund zur Ablehnung der angebotenen Arbeit bejaht.
Die Klägerin ist nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG Angehörige der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, deren Glaubensregeln eine Arbeit am Samstag verbieten. Die angebotene Schichtarbeit hat die Klägerin nach den ebenfalls unangegriffenen Feststellungen des LSG aus ernsthaften religiösen Motiven abgelehnt, da diese in der Spätschicht an Freitagen nach Sonnenuntergang (18.00 Uhr) mit der Zeit der gebotenen Arbeitsruhe kollidiert hätte. Hieran ist der Senat gebunden. Die Weigerung der Klägerin, die angebotene Arbeit anzunehmen, unterliegt als religiös motiviertes Verhalten dem Schutzbereich des Art 4 Abs 1 und 2 GG, denn ohne die Weigerung wäre die Klägerin, um einer Sperrzeit zu entgehen, gezwungen, eine mit ihrer Glaubensüberzeugung kollidierende Arbeit anzunehmen.
Eine Begrenzung des Grundrechts aus Art 4 Abs 1 und 2 GG folgt weder aus Art 136 Abs 1 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 (WRV) noch aus Art 139 WRV iVm Art 140 GG. Insbesondere ist Art 4 Abs 1 und 2 GG nicht durch Art 139 WRV in der Weise eingeschränkt, daß lediglich die Sonntage und sonstige staatlich anerkannte Feiertage den Schutz dieses Grundrechts genießen und deshalb andere religiöse Feiertage aus dem Schutzbereich des Art 4 Abs 1 und 2 GG ausgeschlossen sind. Soweit Art 139 WRV die Gewährleistung eines gesetzlichen Schutzes der Arbeitsruhe auf Sonntage und die staatlich anerkannten Feiertage beschränkt, handelt es sich lediglich um eine nähere Ausgestaltung der Religionsfreiheit hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen (= staatlichen) Feiertagsschutzes, ohne daß dadurch der Vorrang des Art 4 GG angetastet wird (so Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, GG, RdNr 2 zu Art 140 GG/139 WRV). Die erheblich verstärkte Tragweite des Grundrechts der Religionsfreiheit gegenüber den durch Art 140 GG inkorporierten Artikeln der WRV und deren Überlagerung durch Art 4 Abs 1 und 2 GG ergibt sich aus der zentralen Bedeutung, die die Religionsfreiheit für jeden Glauben und jedes Bekenntnis hat und die eine extensive Auslegung dieses Begriffs gegenüber seinem historischen Inhalt verlangt (vgl BVerfGE 24, 236, 246). Für diesen Vorrang von Art 4 Abs 1 und 2 GG spricht insbesondere, daß die Religionsfreiheit nicht mehr wie in Art 135 WRV durch einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt eingeschränkt ist, nicht mehr im Zusammenhang mit den anderen Bestimmungen über das Verhältnis von Staat und Kirche steht (BVerfGE 19, 206, 219 f) und nicht mehr auf die christlichen Kirchen, sondern auch auf andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erstreckt ist. Letzteres folgt aus dem für den Staat verbindlichen Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität (BVerfGE 18, 385, 386; 19, 206, 216) und dem Grundsatz der Parität der Kirchen und Bekenntnisse (BVerfGE 19, 1, 8). Danach stellt weder Art 139 WRV hinsichtlich der Gewährleistung des staatlichen Feiertagsschutzes noch Art 136 WRV hinsichtlich des Verhältnisses zwischen staatsbürgerlichen Pflichten und Glaubensgeboten eine "lex specialis" gegenüber Art 4 Abs 1 und 2 GG dar, die dessen Anwendungsbereich einschränkt; vielmehr handelt es sich bei der Religionsfreiheit des Art 4 GG um das alle Regelungen der Art 140 GG iVm Art 136 ff WRV durchziehende übergreifende Element (BVerfGE 33, 23, 30 f; Hemmrich in v Münch, GG-Komm, 1978, Bd 3, RdNr 7, 41 zu Art 140; vgl auch Herzog in Maunz/Dürig/Herzog, GG, RdNr 24 ff und 117 zu Art 4; Maunz, daselbst, RdNr 9 zu Art 140, 6 und 7 zu Art 140 GG/136 WRV).
Unter dem Aspekt des Vorrangs der Religionsfreiheit des Art 4 GG läßt sich die Beschränkung der Gewährleistung der Arbeitsruhe auf Sonntage nach Art 139 WRV iVm Art 140 GG sogar als Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit Andersgläubiger verstehen (so Hamel in Bettermann/Nipperday/Scheuner, Die Grundrechte, Bd IV/1, S 37 ff, S 90/91). Dieser "Eingriff" ist allerdings gerechtfertigt, weil die unvermeidliche Festlegung und Regelung allgemeiner Feiertage nicht dem Ermessen des Einzelnen überlassen bleiben konnte, sondern von der staatlichen Gemeinschaft auf der Grundlage christlicher Traditionen und Überlieferungen - hier nach den Anschauungen der großen christlichen Kirchen - getroffen werden durfte (vgl Hamel, aaO).
Soweit die - danach zulässige - Begrenzung des staatlichen Feiertagsschutzes auf Sonntage und andere staatlich anerkannte Feiertage anderen Bekenntnissen widerspricht, ist der Staat jedoch - im Hinblick auf den Vorrang des Art 4 Abs 1 und 2 GG - gehalten, deren Anhängern die Ruhe ihrer Feiertage zu gestatten und zu erleichtern; insbesondere darf er ihnen keine Nachteile zufügen oder androhen, wenn sie sich allein um ihres Bekenntnisses willen weigern, Handlungen an ihren Feiertagen vorzunehmen, die ihnen kraft ihrer Glaubensregeln verboten sind (so Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, GG, RdNr 7 zu Art 140 GG / 136 WRV; ebenso Hamel, aaO S 91, zu dem speziellen Fall des Entzugs von Arbeitslosenunterstützung bei Weigerung der Arbeitsannahme aus religiösen Gründen - Arbeitsverbot am Sabbat -; a A RVA AN 1930, IV 98/99 Nr 3675; im Falle der gegen einen gläubigen Juden auf den Sabbat festgesetzten Hauptverhandlung wird bereits in der Terminsanberaumung eine Verletzung des Grundrechts aus Art 4 GG gesehen; so Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art 103, RdNr 48, Fußnote 2; Strätz in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Bd, § 42 S 801 ff, 818, Fußnote 92; BGH St NJW 1959, S 1330).
Die Klägerin ist mithin nicht gehindert, sich im Rahmen von § 119 Abs 1 AFG bei der Kollision ihrer religiösen Pflichten hinsichtlich der Feiertagsgestaltung mit den Arbeitsbedingungen der angebotenen Arbeit auf das Grundrecht der Religionsfreiheit bzw Religionsausübungsfreiheit (Art 4 Abs 1 und 2 GG) zu berufen.
Soweit die Beklagte darin eine unzulässige Bevorzugung der Klägerin gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung sieht, weil sie nicht nur Rücksicht auf die Feiertage ihrer Religion, sondern darüber hinaus auch die gesetzlich geschützten Sonn- und Feiertage des Art 139 WRV beanspruchen könne, verkennt die Beklagte die Funktion der Grundrechte, die gerade auch den Schutz von Minderheiten bezwecken. Abgesehen davon, daß religiöse Minderheiten und Sekten schon zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen (vgl BVerfGE 33, 23, 32), läßt die Beachtung der Wertentscheidung des Art 4 Abs 1 und 2 GG naturgemäß Minderheiten Vorteile zukommen, die vom Verfassungsgeber gerade in diesem Bereich aufgrund der historischen Erfahrungen gewollt sind (vgl BVerfGE 24, 236, 245). Davon abgesehen beansprucht die Klägerin keinen "doppelten" Feiertagsschutz, denn sie hat ihre Bereitschaft erklärt, auch sonntags zu arbeiten.
Ebensowenig kann die Beklagte mit ihrem Einwand durchdringen, die Klägerin werde gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung auch insoweit bevorzugt, als diese bei einer Arbeitsverweigerung an den gesetzlich geschützten Sonn- und Feiertagen jedenfalls arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Nachteile zu tragen habe. Eine solche dem Artikel 3 Abs 3 GG zuwiderlaufende Ungleichbehandlung liegt schon deshalb nicht vor, weil im Rahmen von § 119 Abs 1 AFG die Frage der Arbeitsverweigerung bei einem - katholischen oder evangelischen - Christen, der sich auf das religiöse Verbot der Sonntagsarbeit beruft, nicht anders beurteilt werden kann, als bei einem Andersgläubigen, dessen religiöses Verbot der Feiertagsarbeit sich auf einen anderen Wochentag bezieht. Zwar ist für Christen, deren religiöser Feiertag der Sonntag ist, wie die Beklagte zutreffend ausführt, eine Beschäftigung an Sonntagen nicht schlechthin unzumutbar; sie ist es aber uU dann, wenn die geforderte Sonntagsarbeit mit religiösen Bindungen kollidiert. Auch sie können sich - jedenfalls bei Vorliegen ernsthafter religiöser Beweggründe - gegenüber der Arbeitsverwaltung auf das Grundrecht aus Art 4 Abs 1 und 2 GG berufen, abgesehen davon, daß hier die Arbeitsverwaltung bei der Prüfung der Zumutbarkeit der angebotenen Arbeit auch die landes- und bundesrechtliche Ausgestaltung der Sonntagsruhe zu beachten hat, deren Gewährleistung durch ein allgemeines Verbot jeder Art nicht ausdrücklich zugelassener Arbeit erfolgt (zur zivil- und öffentlich-rechtlichen Sicherung der Sonn- und Feiertagsruhe vgl Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 4. Aufl 1980, § 106, S 569 ff, § 159, S 810 ff mwN). Ob und wieweit bei einer Arbeitsverweigerung an Sonntagen bzw religiösen Feiertagen aus Glaubens- bzw Gewissensgründen privatrechtliche Nachteile in Kauf zu nehmen sind (vgl hierzu LAG Düsseldorf, BB 1964 S 597 mit kritischer Anmerkung von Echterhölter, Habscheid, JZ 1964, 246 ff; Strätz, aaO, S 818, Schaub, aaO S 569), bedarf im vorliegenden Falle keiner Erörterung, da es sich insoweit um Rechtsbeziehungen unter Privaten handelt, die mit den hier zu beurteilenden Beziehungen zu einem Träger öffentlicher Gewalt keinen Vergleich zulassen. Während hier die Grundrechte unmittelbare Rechtswirkungen entfalten, haben sie im Verhältnis zwischen Privaten, dh im Bereich der Privatautonomie, andersgeartete, jedenfalls nur mittelbare Ausstrahlungswirkungen (zur sog mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte vgl Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, GG, RdNr 127 f zu Art 1; Herzog daselbst, RdNr 51 f zu Art 4).
Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, daß das im Rahmen von § 119 Abs 1 AFG zu beachtende Grundrecht der Religionsfreiheit nicht ohne weiteres jede zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft rechtfertigen kann. Wie das LSG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zutreffend ausgeführt hat, gilt Art 4 Abs 1 und 2 GG nicht uneingeschränkt, obwohl im Wortlaut dieser Bestimmungen ausdrückliche Gesetzesvorbehalte und Schranken fehlen. Mit Rücksicht auf die von der Verfassung zu schützende gesamte Wertordnung findet auch Art 4 Abs 1 und 2 GG in einzelnen Beziehungen eine Begrenzung durch andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte bzw Gemeinschaftsinteressen oder durch kollidierende Grundrechte Dritter (vgl BVerfGE 28, 243, 261; 33, 23, 32). Dem grundrechtlich geschützten Interesse der Klägerin auf ungestörte Einhaltung der Sabbatruhe (von Sonnenuntergang am Freitag bis Sonnenuntergang am Samstag) steht als Gemeinschaftsinteresse von Verfassungsrang die Notwendigkeit einer funktionsfähigen und finanzierbaren Sozialversicherung - hier Arbeitslosenversicherung - gegenüber, deren Belange ihren verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt im Sozialstaatsprinzip finden (Art 20 Abs 1, 28 Abs 1 Satz 1 GG).
Bei dieser Abwägung auf Verfassungsebene, die zwischen der Religionsfreiheit des Einzelnen und der Funktionsfähigkeit des betroffenen Versicherungssystems zu erfolgen hat, ist das LSG zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die religiösen Motive der Klägerin bei der Ablehnung der angebotenen Arbeit als wichtiger Grund iS des § 119 Abs 1 AFG zu werten sind. Hierbei war zunächst die Bedeutung der Sperrzeit für die Ordnung des Versicherungssystems auf der einen und die Stärke des Grundrechts sowie die durch die Sperrzeit auf der anderen Seite bewirkte Zwangslage zu berücksichtigen. Um den finanziellen Nachteilen zu entgehen, die bei Eintritt einer Sperrzeit - Leistungsentzug für vier Wochen - hinzunehmen sind, wäre der Arbeitslose jedenfalls gezwungen, eine Arbeit anzunehmen, die bei einer Kollision mit seinen Glaubensregeln hinsichtlich der Feiertagsgestaltung zu einer Gewissens- bzw Glaubensnot für die Dauer des eingegangenen Arbeitsverhältnisses führen würde. Aus diesen Erwägungen ergibt sich bereits, daß die Interessen der Klägerin stärkere Beachtung verlangen als diejenigen der Versichertengemeinschaft an einem möglichst weitgehenden Ausschluß ungerechtfertigter Risiken, weil die Einsparung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung angesichts der Dauer der Sperrzeit nur relativ gering ins Gewicht fällt, während andererseits die Klägerin für die Dauer des Arbeitsverhältnisses einer fortgesetzten inneren Belastung ausgesetzt wäre. Die Interessen der Versichertengemeinschaft an einer möglichst schnellen Eingliederung des Arbeitslosen sind im konkreten Falle auch insofern nicht wesentlich beeinträchtigt, als die von der Klägerin erklärte Arbeitsbereitschaft von sonntags bis 18.00 Uhr noch ausreichenden Spielraum für eine Arbeitsvermittlung im Rahmen der "üblichen" Arbeitszeit geboten hat. Jedenfalls hat die Klägerin ihre Arbeitsbereitschaft nicht in einer Weise eingeschränkt, die bei einer Beurteilung im Rahmen des § 103 AFG ihrer allgemeinen (subjektiven) Verfügbarkeit grundsätzlich entgegenstünde (vgl LSG Celle, Urteil vom 9. Januar 1979 - L 7 Ar 118/77 - zu § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG).
Daß im konkreten Falle wegen der besonderen Lage des Arbeitsmarktes bzw wegen der aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkten Verfügbarkeit der Klägerin eine andere geeignete Arbeit nicht zu Verfügung stand, kann eine Zurückdrängung des Grundrechts aus Art 4 Abs 1 und 2 GG wegen seines hohen verfassungsrechtlichen Ranges nicht rechtfertigen. Das Gebot staatlicher Toleranz in Glaubensfragen, das einem in Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 3 und Art 4 Abs 1 und 2 GG zum Ausdruck kommenden tragenden Prinzip der freiheitlichen Demokratie entspricht, verlangt insbesondere gegenüber religiösen Minderheiten und Sekten Geltung, zumal sie schon rein zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen (vgl BVerfGE 33, 23, 32). Auch eine Gewichtung der beiderseitigen Belange anhand des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit läßt die Interessen der Klägerin als höherrangig erscheinen. Würde ernsthaften religiösen Motiven, wie sie im vorliegenden Falle festgestellt sind, die Anerkennung als wichtiger Grund verweigert, so wäre der zu befürchtende Schaden der Entfremdung religiöser Minderheiten vom Staat höher als der Nutzen gesparter Arbeitslosengeldzahlungen.
Unter den gegebenen Umständen kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg geltend machen, an einem wichtigen Grund fehle es schon deshalb, weil die Klägerin nicht versucht habe, mit dem Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitszeit zu vereinbaren und damit nicht feststehe, ob ein wichtiger Grund "objektiv" letztlich vorliege (vgl dazu BSG SozR AVAVG § 80 Bl Ba 1 Nr 1; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, Anm 13 zu § 119). Die Annahme der Beklagten, der Arbeitslose müsse sich zunächst selbst um eine Änderung der ihm ungünstigen Arbeitsbedingungen beim Arbeitgeber bemühen, wirft die Frage auf, ob es sich dann noch um ein wirksames, dh ausreichend bestimmtes Arbeitsangebot des Arbeitsamtes handelt, das die Rechtswirkungen des § 119 Abs 1 AFG auszulösen vermag. Zu den Aufgaben einer sinnvollen Arbeitsvermittlung gehört es im allgemeinen, das Arbeitsangebot so zu konkretisieren, daß dem Arbeitslosen eine sachgerechte Entscheidung über Annahme oder Ablehnung der Arbeit ermöglicht wird; das muß insbesondere für eine so wesentliche Bedingung der Arbeit wie die der Gestaltung der Arbeitszeit gelten (s auch BSGE 4, 1, 3 f; 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr 5). Macht der Arbeitslose insoweit begründete Einwendungen gegen die angebotene Arbeit geltend, so muß der Arbeitsvermittler selbst, jedenfalls wenn er hierzu nach den Umständen des Falles eine Möglichkeit sieht, mit dem Arbeitgeber Kontakt aufnehmen, um eine für den Arbeitslosen günstigere Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu erwirken. Diese Frage braucht hier jedoch nicht abschließend entschieden zu werden. Die Beklagte kann sich auf eine Unterlassung seitens der Klägerin jedenfalls schon deshalb nicht berufen, weil sie selbst, wie unangegriffen festgestellt ist, der Klägerin weder einen entsprechenden Hinweis erteilt noch im Arbeitsangebot selbst Abänderungsmöglichkeiten hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit aufgezeigt hat. Nach den Grundsätzen individueller Arbeitsvermittlung (§ 14 Abs 1 Satz 2 AFG) iVm der Beratungspflicht (§ 14 Satz 1 SGB 1) wäre die Beklagte, falls sich überhaupt eine vernünftige "Chance" zu einer Beseitigung der Hindernisse geboten hat, mindestens zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet gewesen, zumal da gerade im Schutzbereich von Grundrechten ein stärkeres Eingehen auf die individuellen Vermittlungswünsche erforderlich ist. Hierzu hätte umsomehr Veranlassung bestanden, als sich die Klägerin bereiterklärt hatte, Schichtarbeit an jedem Tag - außer an Freitagen ab 18.00 Uhr und an Samstagen - zu verrichten. Zwar ist es letztlich Sache der Beklagten, ob sie ihre Aufgabe in diesem Sinne sachgerecht wahrnimmt oder sich auch angesichts der gegebenen Umstände mit einer im wesentlichen schematischen Vermittlungstätigkeit begnügt. Rechtsnachteile aus ihrer Untätigkeit können dem Arbeitslosen jedoch nicht erwachsen.
War die Klägerin mithin berechtigt, das Arbeitsangebot für die Beschäftigung bei der Firma B-Werke abzulehnen, so ist eine Sperrzeit nicht eingetreten.
Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen