Beteiligte
1. Hochschule für Bankwirtschaft |
2. Bayerische Vereinsbank AG |
3. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
4. Bundesanstalt für Arbeit |
Handelskrankenkasse Bremen |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 28. August 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat den Beigeladenen zu 1) und 2) die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin versicherungs- und beitragspflichtig war.
Die 1971 geborene Klägerin wurde bis zum 29. Juni 1993 bei einer Bank (Beigeladene zu 2) zur Bankkauffrau ausgebildet. Sie war krankenversicherungspflichtig und Mitglied der beklagten Krankenkasse. Laut Dienstvertrag vom 29. Juni 1993 ist die Klägerin seit dem 30. Juni 1993 bei der Bank als Bankkauffrau eingestellt, nahm aber bis 30. September 1993 unbezahlten Urlaub. Mit Schreiben vom 1. September 1993 teilte ihr die Bank mit, zum 1. Oktober 1993 werde ihre Arbeitszeit nach näherer Absprache mit ihren Vorgesetzten abgesenkt, ansonsten gelte weiterhin der Dienstvertrag vom 29. Juni 1993.
Seit dem 1. Oktober 1993 übt die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung in einer Filiale der Bank aus und betreibt daneben ein „berufsintegriertes Studium” der Betriebswirtschaft an der Hochschule für Bankwirtschaft (Beigeladene zu 1), einer privaten Fachhochschule, der im Dezember 1994 für den berufsintegrierten Studiengang „Betriebswirtschaftslehre” die staatliche Anerkennung erteilt wurde. An ihr dürfen nur Studenten aus der Bankwirtschaft mit abgeschlossener Ausbildung studieren. Wesentlicher Bestandteil des mit dem Grad eines Diplom-Betriebswirts abschließenden Studiums ist eine Beschäftigung als Bankkaufmann/Bankkauffrau, die abwechselnd an zwei oder drei Tagen der Woche ausgeübt wird. Je nach dem, wann sie ihre Teilzeitbeschäftigung ausüben, sind die Studenten in zwei Gruppen eingeteilt und besuchen die Vorlesungen an den beschäftigungsfreien Tagen Montag, Dienstag oder Donnerstag, Freitag, jeweils einschließlich des Samstagvormittags. Die Banken, deren Mitarbeiter an der Fachhochschule studieren, beteiligen sich über einen Förderverein an deren Kosten, wobei sich die Höhe des Beitrags nach der Anzahl der dort studierenden Mitarbeiter richtet. Im übrigen erhebt die Fachhochschule Semestergebühren.
Die Klägerin war während des Semesters 19,5 Stunden, während der Semesterferien 38 Stunden in der Woche beschäftigt. Ihr Bruttoarbeitsentgelt für die Teilzeitbeschäftigung betrug von Januar bis April 1993 monatlich zwischen 1.805 DM und 1.880 DM. Das Bruttoarbeitsentgelt im Jahr 1995 betrug 35.756 DM, im Jahr 1996 43.856 DM. Das Studium sollte Anfang 1998 beendet sein; anschließend wollte die Klägerin ihre Beschäftigung bei der Bank fortsetzen.
Im Oktober 1993 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung die Aufnahme in die Krankenversicherung der Studenten (KVdS) und gab dabei an, sie sei unter 20 Stunden pro Woche beschäftigt. Daraufhin wurde sie bei der Beklagten mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 als Mitglied in der KVdS geführt. Im Frühjahr 1994 meldete die beigeladene Bank die Klägerin rückwirkend zum 1. Januar 1994 als versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigte an und behielt dementsprechend vom Entgelt Arbeitnehmeranteile ein. Die Klägerin beantragte daraufhin die Feststellung, daß sie als Studentin aus ihrem Arbeitsentgelt keine Beiträge zu tragen habe. Mit Schreiben vom 28. April 1994 teilte ihr die Beklagte mit, sie sei in ihrer Beschäftigung versicherungsfrei, weil sie diese an nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich ausübe. Mit Bescheid vom 27. Mai 1994 entschied die Beklagte dann aber, daß aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses seit Januar 1994 Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestehe. Gemäß einem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände, das ihr erst nach Erlaß des Bescheides vom 28. April 1994 bekannt geworden sei, seien die Studenten der beigeladenen Fachhochschule nicht als versicherungsfreie Werkstudenten anzusehen, weil die Ausübung ihres bisherigen Berufs bestimmend bleibe. Die überzahlten Beiträge zur KVdS würden erstattet. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1994 mit Wirkung für die Zukunft zurück, dh soweit die Versicherungs- und Beitragspflicht seit dem 1. August 1994 betroffen war. Für die Zeit davor bleibe es in der Krankenversicherung bei ihrer Versicherung in der KVdS sowie bei Versicherungs- und Beitragsfreiheit in den anderen Versicherungszweigen.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage mit Urteil vom 27. August 1996 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Mai 1994 und des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1994 verurteilt, die Klägerin über den 1. August 1994 hinaus in der KVdS zu versichern. Die Beklagte habe den begünstigenden Verwaltungsakt über die Aufnahme in die KVdS und den sie ebenfalls begünstigenden Feststellungsbescheid vom 28. April 1994 nach § 45 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X) nicht zurücknehmen dürfen. Zwar seien diese Verwaltungsakte rechtswidrig. Das Vertrauen in die ursprüngliche Entscheidung schließe aber nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X die Rücknahme aus. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 28. August 1997 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die begünstigenden Verwaltungsakte nach § 45 SGB X für die Zukunft zurücknehmen dürfen. Sie seien rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Das Vertrauen auf den Bestand dieser Bescheide sei jedenfalls für die Zeit ab August 1994 nicht mehr geschützt.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 6 Abs 1 Nr 3 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sowie sinngemäß des § 5 Abs 3 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und des § 169b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Das LSG sei unzutreffend davon ausgegangen, daß die tarifliche Wochenarbeitszeit im Bankgewerbe 38 Stunden betrage; richtig seien 39 Stunden. Sie, die Klägerin, sei ihrem Erscheinungsbild nach Studentin, ihr Studium sei ein Vollzeitstudium, ihre Teilzeitbeschäftigung bei der Bank diesem Studium untergeordnet. Die Dauer dieser Beschäftigung liege unter der für die Versicherungsfreiheit maßgebenden Höchstgrenze von 20 Stunden in der Woche und diene einerseits – wie typisch für Werkstudenten – ihrem Lebensunterhalt, andererseits dem in der Prüfungsordnung geforderten Nachweis von Praxiszeiten. Die bisher von der Rechtsprechung angewandte 20-Stunden-Grenze dürfe nicht zugunsten einer nach den jeweiligen Tarifverträgen berechneten Grenze abgeschafft werden. Es sei nicht die Regel, daß Studierende an der beigeladenen Fachhochschule den für das Studium benötigten Teilzeitarbeitsvertrag mit der Bank abschlössen, bei der sie vor dem Studium beschäftigt gewesen seien. Die Beteiligung der Kreditwirtschaft an der Gründung und Finanzierung der Fachhochschule spreche nicht für Versicherungspflicht. Schließlich sei die Verbindung von Studium und Praxis ein Ziel des Fachhochschulgesetzes, das mit dem neuen Hochschulrahmengesetz auch den Universitäten aufgegeben werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 28. August 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 27. August 1996 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere könne die 20-Stunden-Grenze wegen der inzwischen erheblich gesunkenen tariflichen Wochenarbeitszeit nicht mehr das einzig handhabbare Kriterium für die Versicherungsfreiheit beschäftigter Studenten sein.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben sich in der Sache nicht geäußert. Der Senat hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 3) und die Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 4) gemäß § 168 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen. Die Beigeladene zu 3) hat sich in der Sache nicht geäußert.
Die Beigeladene zu 4) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend, ist aber der Auffassung, daß die 20-Stunden-Grenze unverändert bleiben müsse.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils entschieden, daß der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 1994 rechtmäßig ist.
Rechtsgrundlage für diesen Bescheid ist § 45 Abs 1 SGB X. Danach darf ein begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Begünstigender Verwaltungsakt war jedenfalls der Bescheid der Beklagten vom 28. April 1994, mit dem im Hinblick auf die Beschäftigung der Klägerin Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Rentenversicherung und Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung sowie ihre beitragsgünstige Mitgliedschaft in der KVdS festgestellt worden war. Ob daneben auch die im Oktober 1993 getroffene Entscheidung der Beklagten über die Aufnahme der Klägerin in die KVdS einen Verwaltungsakt iS des § 45 Abs 1 SGB X iVm § 31 SGB X darstellt, kann dahinstehen. Wird dies angenommen, hat die Entscheidung – abgesehen vom Zeitpunkt der darin getroffenen Feststellung – hinsichtlich der KVdS den gleichen Inhalt wie der Bescheid vom 28. April 1994 und teilt insoweit dessen Schicksal. Letzteren Bescheid aber durfte die Beklagte mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, weil er rechtswidrig war (§ 45 Abs 1 SGB X) und ein schutzwürdiges Vertrauen auf seinen Bestand nicht gegeben war (§ 45 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X).
Der Bescheid vom 28. April 1994 war rechtswidrig, weil die Klägerin seit dem 1. Oktober 1993 nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V in der Krankenversicherung und nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der Rentenversicherung versicherungspflichtig und nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG beitragspflichtig war und schon wegen § 5 Abs 7 SGB V (Vorrang der Beschäftigtenversicherung vor der KVdS) nicht Mitglied in der KVdS werden konnte. Versicherungs- und Beitragsfreiheit aufgrund eines Sondertatbestandes bestehen nicht.
Die Klägerin ist nicht als Studentin nach § 6 Abs 1 Nr 3 SGB V, nach § 5 Abs 3 und § 230 Abs 4 Satz 1 SGB VI oder nach § 169b AFG versicherungs- und beitragsfrei.
Versicherungs- und beitragsfrei als Studenten sind nach diesen im wesentlichen übereinstimmenden Vorschriften Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Der Versicherungs- und Beitragsfreiheit der Klägerin steht zwar nicht entgegen, daß die beigeladene Fachhochschule erst im Dezember 1994 staatlich anerkannt wurde; denn die genannten Vorschriften gelten auch für Studenten staatlich nicht anerkannter privater Fachhochschulen (vgl BSG SozR 2200 § 172 Nr 17). Versicherungs- und Beitragsfreiheit sind aber deshalb nicht eingetreten, weil die Klägerin ihrem Erscheinungsbild nach nicht Studentin, sondern Arbeitnehmerin ist.
Die Rechtsprechung hat Versicherungsfreiheit von Studenten nach den entsprechenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht bereits angenommen, wenn jemand als ordentlicher Studierender an einer Hochschule eingeschrieben war. Hinzukommen mußte vielmehr, daß das Studium Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nahm und der Betreffende damit auch seinem Erscheinungsbild nach Student und nicht Arbeitnehmer war (vgl ua BSGE 33, 230 = SozR Nr 14 zu § 172 RVO; BSG SozR 2200 § 172 Nrn 19 und 20). Die damaligen und mit ihnen im wesentlichen übereinstimmenden jetzigen Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit beziehen sich in erster Linie auf „Werkstudenten” (vgl zur Rechtsentwicklung BSGE 71, 144, 145 ff = SozR 3-2200 § 172 Nr 2 und die Anm von Trenk-Hinterberger in SGb 1993, 369). Dies sind Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen (BSGE 18, 254, 256 = SozR Nr 11 zu § 172 RVO; BSGE 33, 230 = SozR Nr 14 zu § 172 RVO; BSGE 44, 164, 165 = SozR 4100 § 134 Nr 3). Die Beschäftigung von Studenten ist somit versicherungs- und beitragsfrei, wenn und solange sie „neben” dem Studium ausgeübt wird und ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist (BSG SozR 2200 § 172 Nr 19 mwN). Versicherungsfreiheit als „Werkstudent” hat das Bundessozialgericht (BSG) deshalb verneint bei Arbeitnehmern, die ein Studium aufgenommen, ihren Beruf aber weiterhin in vollem Umfang ausgeübt haben (BSGE 18, 254 = SozR Nr 11 zu § 172 RVO), ferner beim Abendstudium an einer Bauschule, wenn daneben mehr als eine Halbtagsbeschäftigung ausgeübt wurde (BSGE 27, 192 = SozR Nr 3 zu § 1228 RVO), und schließlich bei einer Ganztagsbeschäftigung, wenn nur tageweise studiert wurde (BSGE 33, 229 = SozR Nr 14 zu § 172 RVO). Allen diesen Entscheidungen war gemeinsam, daß während des Studiums die früher verrichtete Beschäftigung weiter ausgeübt wurde oder jedenfalls das Beschäftigungsverhältnis fortdauerte und weiterhin das Erscheinungsbild eines Beschäftigten bestand.
Das BSG hat diese Rechtsprechung dahin fortgeführt, daß auch derjenige nicht als Werkstudent versicherungsfrei ist, der ein Studium aufnimmt, sein Arbeitsverhältnis jedoch nicht löst, sondern vom Arbeitgeber unter Zahlung einer Ausbildungsförderung für die Dauer des Studiums beurlaubt und von ihm während der Semesterferien in seinem Beruf gegen Entgelt beschäftigt wird (BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr 2). Später hat das BSG bei einer Beurlaubung für die Dauer des Studiums unter Fortzahlung des nur unwesentlich gekürzten Gehalts das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses und Versicherungspflicht während des gesamten Studiums angenommen (BSGE 41, 24 = SozR 2200 § 165 Nr 8). Schließlich hat es Versicherungsfreiheit eines Studenten verneint, der von seinem Arbeitgeber für ein Studium Sonderurlaub unter Zahlung einer Studienförderung erhalten hat, wenn er in den Semesterferien die frühere Beschäftigung wieder ausübt (BSGE 78, 229 = SozR 3-2500 § 6 Nr 11). Da in diesem Urteil wie in dem in BSGE 39, 223 (= SozR 2200 § 172 Nr 2) veröffentlichten Urteil die Versicherungspflicht allein für eine Beschäftigung in den Semesterferien festgestellt war, konnte damals offenbleiben, ob wegen der vom Arbeitgeber gezahlten Studienförderung ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch während des Semesters vorlag.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat das LSG im vorliegenden Verfahren festgestellt, daß die Klägerin ihrem Erscheinungsbild nach Beschäftigte und nicht Studierende ist. Es hat hierzu angeführt: Die Klägerin wurde bei der beigeladenen Bank zunächst als Auszubildende für den Beruf der Bankkauffrau beschäftigt. Unmittelbar nach dem erfolgreichen Abschluß ihrer Ausbildung wurde ein Beschäftigungsverhältnis begründet, die Beschäftigung nach einem unbezahlten Urlaub vom 30. Juni bis 30. September 1993 aufgenommen und sie während der Semesterferien in vollem Umfang, während des Semesters an drei Arbeitstagen in der Woche ausgeübt. Demgegenüber besuchte sie die Fachhochschule an zwei arbeitsfreien Werktagen und am Samstagvormittag.
Dieser Sachverhalt ist im wesentlichen den Sachverhalten vergleichbar, die den Urteilen in BSGE 39, 223 (= SozR 2200 § 172 Nr 2) und in BSGE 78, 229 (= SozR 3-2500 § 6 Nr 11) zugrunde lagen, allerdings mit der Besonderheit, daß hier auch für die während des Semesters geleistete Teilzeitbeschäftigung Versicherungs- und Beitragspflicht festgestellt worden ist. Auch hier stand die Klägerin bereits vor Studienbeginn in einem Beschäftigungsverhältnis, das sich unmittelbar an ein Ausbildungsverhältnis anschloß. Zwar hat sie vom ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses (30. Juni 1993) bis zum 30. September 1993 eine Beschäftigung nicht ausgeübt und war demgemäß zeitweise nicht versicherungs- und beitragspflichtig. Dennoch hat das Beschäftigungsverhältnis fortbestanden. Es wurde bei Beginn des Studiums fortgesetzt. Damit ist aber die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin nicht nur während der Semesterferien gerechtfertigt. Die Beschäftigung ist vielmehr entgegen der Ansicht der Revision auch während des Semesters „Hauptsache”, weil das vor dem Studium eingegangene Beschäftigungsverhältnis nicht verändert worden und die Klägerin Arbeitnehmerin geblieben ist.
Zu einer anderen Beurteilung besteht unter Berücksichtigung der sonstigen Rechtsprechung des BSG zur Versicherungs- und Beitragsfreiheit von Werkstudenten kein Anlaß. In den Entscheidungen BSG SozR 2200 § 172 Nr 12; BSGE 50, 25 = SozR 2200 § 172 Nr 14; BSG SozR 2200 § 172 Nrn 19 und 20 ist vornehmlich auf die zeitliche Dauer der Beschäftigung während des Studiums abgestellt worden; während der von den Anforderungen des Studiums freien Semesterferien ist auch bei ganztägiger Beschäftigung Versicherungs- und Beitragsfreiheit angenommen worden. Dabei stand allerdings – außer in der Entscheidung BSGE 50, 25 (= SozR 2200 § 172 Nr 14) – die während des Studiums ausgeübte Beschäftigung nicht in Verbindung mit einer vor dem Studium ausgeübten Beschäftigung.
In dem Verfahren, das zu dem Urteil in BSGE 50, 25 (= SozR 2200 § 172 Nr 14) geführt hat, war der Student schon vor seiner Immatrikulation bei demselben Arbeitgeber beschäftigt gewesen, bei dem er später während des Studiums arbeitete. Das BSG hat in diesem Verfahren nicht abschließend entschieden, sondern die Sache zu weiteren Feststellungen an das LSG zurückverwiesen. Dabei hat es ua ausgeführt, daß das Studium nicht nur bei der Verteilung der jeweiligen Arbeitszeiten der bestimmende Faktor sein müsse, um seine das Erscheinungsbild prägende Bedeutung zu behalten. Es müsse darüber hinaus auch seinem Umfang nach ein solches Gewicht haben, daß es im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur Nebensache, diese also zur Hauptsache wird. – Setze der Student im übrigen nach Aufnahme des Studiums nur eine schon früher ausgeübte Arbeitnehmertätigkeit fort, oder werde er zwar für die Dauer des Studiums beurlaubt, beziehe jedoch seine Beschäftigungsvergütung weiter, so werde er im allgemeinen als Arbeitnehmer und nicht als Student anzusehen sein, es sei denn, daß sich vom Beginn des Studiums an die Beschäftigung nach Umfang und möglicherweise auch nach ihrem Inhalt ändert und den Erfordernissen des Studiums angepaßt wird (vgl BSGE 50, 25, 28 = SozR 2200 § 172 Nr 14 S 27). Sollte, was heute nicht mehr zu klären ist, mit dieser Entscheidung gemeint gewesen sein, daß bei Fortführung eines Beschäftigungsverhältnisses nach der Einschreibung als Student Versicherungs- und Beitragspflicht wegen Beschäftigung nur eintrete, wenn auch die wöchentliche Beschäftigungszeit durchgehend über 20 Stunden liege, hält der Senat hieran nicht mehr fest. Entgegen der Auffassung der Revision ist im vorliegenden Fall ein Erreichen oder Überschreiten der 20-Stunden-Grenze nicht Voraussetzung für die Versicherungs- und Beitragspflicht. Ob an dieser Grenze auch in den Fällen festgehalten werden soll, in denen das Beschäftigungsverhältnis eines Studenten erst nach dessen Immatrikulation begonnen hat, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Das weitere Vorbringen der Revision begründet keine Versicherungs- und Beitragsfreiheit der Klägerin. Soweit sie vorträgt, das LSG sei von einer unrichtigen tariflichen Wochenarbeitszeit im Bankgewerbe ausgegangen, ist dies nicht entscheidungserheblich, weil auch eine Wochenarbeitszeit von 39 Stunden das hier gefundene Ergebnis nicht ändert. Gleiches gilt für das Vorbringen, die Dauer der Semesterferien sei kürzer als üblich. Das Vorbringen der Revision, andere Studenten an der beigeladenen Fachhochschule hätten den für das Studium erforderlichen Teilzeitarbeitsvertrag nicht mit der Bank abgeschlossen, an der sie vor dem Studium beschäftigt gewesen seien, kann nicht zur Versicherungs- und Beitragsfreiheit der Klägerin führen, weil dieser Sachverhalt bei ihr nicht vorliegt. Außerdem ist der Senat übereinstimmend mit dem LSG der Auffassung, daß Versicherungs- und Beitragspflicht eines Arbeitnehmers selbst dann bestehen bleibt, wenn er mit Beginn eines berufsintegrierten Studiums zu einer anderen Bank als Arbeitgeber wechselt. Das Erscheinungsbild der Klägerin als Arbeitnehmerin besteht auch unabhängig davon, ob ihr Studium von der beigeladenen Bank mitfinanziert wird. Daher kann offenbleiben, ob die von der Bank an einen Förderverein geleisteten Geldmittel der individuellen Förderung der Klägerin oder einer allgemeinen Wissenschaftsförderung dienen. Schließlich stellt der Hinweis darauf, daß die Verbindung von Studium und Praxis Ziel des Fachhochschulgesetzes sei und mit dem neuen Hochschulrahmengesetz auch den Universitäten aufgegeben werde, eher ein Argument gegen als für die Versicherungs- und Beitragsfreiheit von Studenten von berufsintegrierten Studiengängen dar. Die Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit beschäftigter Studenten sind in ihrem Inhalt in einer Zeit entstanden, in denen das Hochschulstudium wenig praxisbezogen und das Fachhochschulstudium wenig entwickelt war. Demgemäß stand das wissenschaftlich ausgerichtete Studium im Vordergrund, eine daneben ausgeübte Beschäftigung war dagegen in der Regel Nebensache. Wenn aber, wie die Revision zutreffend ausführt, die Bedeutung der Praxis in Form der Arbeitnehmerbeschäftigung innerhalb von zahlreichen Studiengängen im Laufe der Zeit erheblich zugenommen hat, kann dies nicht dazu führen, die Anwendung der jetzt geltenden Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit auszuweiten.
Die Beschäftigung der Klägerin ist auch nicht als geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) iVm § 7 SGB V, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI oder § 169a Abs 1 AFG (idF vom 1. Januar 1989) versicherungs- oder beitragsfrei. Ihr Entgelt lag – auch während der Teilzeitarbeit (Januar bis April 1994: monatlich zwischen 1.805 DM und 1.880 DM) – über der in § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV für geringfügige Beschäftigungen bestimmten Entgeltgrenzen. Die Beschäftigung ist auch nicht iS des § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV geringfügig, weil ihre Ausübung nicht auf jährlich bis zu zwei Monate oder 50 Arbeitstage beschränkt ist.
War somit der die Versicherungs- und Beitragsfreiheit der Klägerin sowie deren Mitgliedschaft in der KVdS feststellende Bescheid vom 28. April 1994 rechtswidrig, standen dessen Rücknahme keine sonstigen Gründe entgegen. Zum Vertrauensschutztatbestand des § 45 Abs 2 SGB X hat das LSG entschieden, daß für die Rücknahme überwiegende öffentliche Interessen sprechen. Seine Ausführungen hierzu lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
MDR 1999, 619 |
SGb 1999, 129 |
SozSi 1999, 341 |
SozSi 1999, 374 |