Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Bindungswirkung. Bewilligung. wiederkehrende Behandlungsmaßnahme. Ausschluß. medizinische Fußpflege. Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewilligung wiederkehrender Behandlungsmaßnahmen bindet die Krankenkasse nur für den jeweils nachfolgenden Bewilligungsabschnitt.
2. Der Ausschluß der medizinischen Fußpflege aus der vertragsärztlichen Versorgung in den Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist durch die gesetzliche Ermächtigung nicht gedeckt.
3. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Krankenkasse verpflichtet ist, einem Diabetiker Fußpflege als Heilmittel zur Verhütung einer Verschlimmerung zu gewähren.
Normenkette
SGB V § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 1, § 34 Abs. 4-5, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, § 138; HeilMHilfsMRL; SGB X § 48 Abs. 1; SGB V § 34 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Krankenkasse weiterhin Leistungen der medizinischen Fußpflege zu gewähren hat.
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Sie leidet an Diabetes mellitus, der mit Insulin behandelt werden muß. Im Hinblick auf diese Erkrankung befürwortete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Gewährung von medizinischer Fußpflege zur Sanierung von Folgekrankheiten. Dementsprechend sagte die Beklagte (zuletzt) mit Bescheid vom 23. März 1994 zu, sich an den Kosten für zwei Behandlungen monatlich in Höhe von je 28 DM abzüglich eines Eigenanteils von 10 % zu beteiligen. Mit zwei Schreiben vom 20. und 24. Oktober 1994 (zuletzt mit Rechtsmittelbelehrung) wies die Beklagte darauf hin, daß die medizinische Fußpflege nach einem Beschluß des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom Mai 1994 nicht mehr im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung als Heilmittel verordnet werden dürfe. Dies bedeute, daß in Zukunft keine Kosten mehr für Fußpflege übernommen werden könnten. Diese Entscheidung wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 1995 und im Klageverfahren durch Urteil des Sozialgerichts vom 12. Juli 1996 bestätigt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auch die Berufung zurückgewiesen. Im Urteil vom 31. Juli 1997 ist ausgeführt, die Beklagte sei nach § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ermächtigt gewesen, den früheren Bewilligungsbescheid für die Zukunft aufzuheben. Die erforderliche Anhörung liege im Schreiben vom 20. Oktober 1994, auf das sich die Klägerin mit Schreiben vom 22. Oktober 1994 geäußert habe. Die Änderung der Verwaltungspraxis durch die Neufassung von Verwaltungsanweisungen ohne Rechtssatzcharakter (zB Richtlinien) sei wie eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse zu behandeln. Infolgedessen sei mit der Aufnahme der medizinischen Fußpflege in die Anlage 2 zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heil- und Hilfsmittel-RL) als eine Maßnahme, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht als Heilmittel verordnet werden kann, eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Dieser Leistungsausschluß stehe mit höherrangigem Recht in Einklang. Die medizinische Fußpflege sei bei der Klägerin keine Behandlung, sondern solle als Vorbeugemaßnahme Folgeerkrankungen des Diabetes verhindern. Die Voraussetzungen der hierfür einschlägigen Vorschriften der §§ 20 und 23 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt, denn weder liege bei der Klägerin eine Schwächung der Gesundheit noch die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit vor. Auch ein ärztlicher Behandlungsplan sei nicht aufgestellt worden. Die medizinische Fußpflege liege somit im Bereich der Gesundheitsförderung und Krankheitsverhütung. Dieses Ergebnis verstoße nicht gegen das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes, denn daraus ließen sich konkrete Pflichten des Gesetzgebers zur Schaffung eines Versicherungsschutzes für bestimmte Leistungen nicht ableiten.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzungen von § 48 SGB X, §§ 23 und 27 SGB V, § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie Art 2 Abs 2 Grundgesetz. Eine rechtliche Änderung sei durch Nr 13 der Anlage 2 zu den Heil- und Hilfsmittel-RL nicht eingetreten, denn diese verstießen gegen höherrangiges Recht. Bei ihr liege am Fuß eine behandlungsbedürftige Krankheit, zumindest aber eine zu bekämpfende Schwächung der Gesundheit vor; insoweit habe sich das LSG durch ihren Vortrag und die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes gedrängt fühlen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Der Anspruch sei unter dem Gesichtspunkt der Linderung von Beschwerden oder der Verhütung einer Verschlimmerung, jedenfalls aber zur Vermeidung einer in absehbarer Zeit zu befürchtenden Krankheit ("diabetischer Fuß" oder Gangrän) begründet.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin entsprechend dem Bescheid vom 23. März 1994 weiterhin Zuschüsse zu den Kosten für medizinische Fußpflege zu zahlen, kann aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhalts nicht abschließend entschieden werden.
Die Klage hat nicht schon aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Erwägungen Erfolg. Der Bescheid vom 23. März 1994 begründet keine Verpflichtung der Beklagten, sich über die bisherigen Zahlungen hinaus an den Kosten der Fußpflege für die Klägerin zu beteiligen. Die Bindungswirkung dieses Bescheids ist auf den Zeitabschnitt begrenzt, für den die Beklagte bisher Leistungen erbracht hat. Entgegen der Auffassung des LSG kommt es infolgedessen auf die verwaltungsverfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X nicht an. Die sich daraus ergebenden prozessualen Bedenken gegen die von der Klägerin erhobene reine Anfechtungsklage können vorerst schon deshalb nicht durchgreifen, weil die verwaltungsverfahrensrechtliche Bedeutung einer Kostenzusage, wie sie hier für zwei Behandlungen monatlich ausgesprochen wurde, bisher höchstrichterlich nicht geklärt war (vgl auch BSGE 83, 118, 123 = SozR 3-2500 § 145 Nr 1 S 7; BSGE 66, 176, 181 = SozR 3-4100 § 155 Nr 1 S 6 f; BSGE 58, 54, 55 = SozR 5420 § 87 Nr 1 S 2). Allerdings wird das LSG im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken haben, daß der Klageantrag in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt wird.
Die zeitlich und zahlenmäßig unbegrenzte Bewilligung von Zuschüssen zur medizinischen Fußpflege zweimal im Monat kann nicht so verstanden werden, daß dem Versicherten bei im wesentlich gleichbleibenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen ein entsprechender Anspruch gegebenenfalls lebenslang eingeräumt werden soll. Solche pauschalen Festlegungen sind mit der Natur von Maßnahmen der Heilbehandlung oder der gesundheitlichen Vorsorge wegen des überaus starken Bezugs zur persönlichen Situation des Behandelten und der besonderen Abhängigkeit vom aktuellen Gesundheitszustand unvereinbar. Der Vorbehalt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse reicht in diesen Fällen nicht aus, um die erforderliche Flexibilität zu gewährleisten, denn er würde zu Auseinandersetzungen über Ausmaß und Bewertung der früheren im Vergleich zu den aktuellen Gesundheitsstörungen zwingen, die in aller Regel neben der Sache lägen. Wegen der Schwierigkeiten eines solchen Vergleichs hat sich bei Rentenleistungen die Meinung durchgesetzt, eine Änderung des Gesundheitszustands sei nur dann wesentlich iS der jeweiligen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts, wenn eine Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit um insgesamt 5 vH verursacht werde (ständige Rechtsprechung im Unfallversicherungsrecht seit BSGE 32, 245 = SozR Nr 11 zu § 622 RVO: vgl BSG HVBG-INFO 1997, 2874; im Versorgungsrecht: BSG SozR 3100 § 62 Nr 14). Bei Behandlungsleistungen wäre ein derartiges Raster zur objektiven Erfassung gesundheitlicher Veränderungen unbrauchbar, so daß über die in Rede stehenden medizinischen Sachverhalte kaum sachgemäß entschieden werden könnte; auch wird es häufig an ausreichenden Anhaltspunkten mangeln, um den objektiven Gesundheitszustand zum Zeitpunkt einer Bewilligung (oder Ablehnung) beurteilen zu können. Da die im typischen Fall vom behandelnden Arzt und nicht von der Krankenkasse und daher ohne Verwaltungsakt veranlaßten Maßnahmen keine Entscheidungen mit Bindungswirkung für die Zukunft beinhalten können, wäre auch nur schwer einzusehen, warum dies bei von der Krankenkasse bewilligten Behandlungsleistungen grundsätzlich anders sein sollte. Daß im Krankenversicherungsrecht bei der Annahme zeitlich unbeschränkter Bewilligungen Zurückhaltung geboten ist, kann aus in anderem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen zur Krankenhausbehandlung abgelesen werden, in denen das Bundessozialgericht (BSG) verwaltungsverfahrensrechtlich verbindliche Festlegungen grundsätzlich abgelehnt hat (BSGE 78, 154, 156 = SozR 3-2500 § 39 Nr 3 S 9; BSGE 70, 20, 23 = SozR 3-2500 § 39 Nr 1 S 4; BSGE 63, 107, 108 = SozR 1300 § 47 Nr 2 S 3 mwN).
Die eingeschränkte Bindungswirkung von Bewilligungen im Krankenversicherungsrecht hat eine lange Tradition. Ursprünglich waren verbindliche Entscheidungen die Ausnahme, weil die Äußerungen der Krankenkasse nur dann als Verwaltungsakte verstanden wurden, wenn mit ihnen ein Streit entschieden werden sollte (vgl BSGE 25, 280, 282 = SozR Nr 55 zu § 77 SGG Bl Da34; zu Buchungen auf dem Beitragskonto des Arbeitgebers: BSGE 15, 118, 124 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO Bl Aa3 f; BSGE 17, 173, 175 = SozR Nr 33 zu § 77 SGG Bl Da18). Ausdrücklich aufgegeben wurde diese Konzeption nur für die Bewilligung von Krankengeld (seit BSGE 47, 288 = SozR 2200 § 183 Nr 19), aber auch hier ließ die Rechtsprechung keine zeitlich unbeschränkte, nur unter dem Vorbehalt der Änderung der Verhältnisse stehende Bindungswirkung zu (vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 103; BSG SozR 2200 § 183 Nr 51). Für Behandlungsmaßnahmen ist die ursprüngliche Konzeption bisher nicht in Frage gestellt worden.
Eine Änderung der Rechtslage ist insoweit auch nicht durch die Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts im SGB X eingetreten. Darin wird der Begriff des Verwaltungsverfahrens zwar auf den Erlaß von Verwaltungsakten bezogen (§ 8 SGB X); es wird aber nicht vorgeschrieben, daß Leistungen nur durch Verwaltungsakt gewährt werden könnten. Noch weniger ist darin festgelegt, in welchem Umfang eine Leistungsbewilligung Bindungswirkung entfaltet. Auch aus der Vorschrift über den Antragsgrundsatz (§ 19 SGB IV), wonach Leistungen in der Krankenversicherung grundsätzlich auf Antrag erbracht werden, ergeben sich keine Vorgaben für die zeitliche Wirkung der Entscheidung, mit der einem Antrag stattgegeben wird. Daß die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften einer Bestimmung der Bindungswirkung nach den Umständen des Einzelfalls und nach dem Charakter der Leistung nicht entgegenstehen, zeigt sich im Sozialhilferecht. Hier haben vergleichbare Gesichtspunkte, wie sie im Krankenversicherungsrecht gegen eine zeitlich unbegrenzte Gewährung von Behandlungsleistungen sprechen, dazu geführt, daß zeitabschnittsweise Bewilligungen eine rechtliche Bindung grundsätzlich nur für den nächsten Bewilligungsabschnitt entfalten; die Entscheidung über die nachfolgenden Bewilligungsabschnitte bleibt vorbehalten und wird - konkludent - erst mit der tatsächlichen Auszahlung getroffen (ständige Rechtsprechung seit BVerwGE 25, 307 = Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 2, vgl BVerwGE 89, 81, 85 = Buchholz 435.11 § 43 SGB I Nr 3 S 7).
Diese Konzeption ist wegen im wesentlichen gleicher Interessenlage auf die Zuschußbewilligung zu den Kosten sich wiederholender Behandlungsleistungen zu übertragen. Einerseits muß der Versicherte die Gewähr dafür haben, daß ihm bereits gewährte Zuschüsse nicht ohne besonderen Anlaß rückwirkend wieder streitig gemacht werden können; das spricht gegen die völlige Unverbindlichkeit der ausgesprochenen Bewilligung. Andererseits bedarf er keines besonderen Vertrauensschutzes in dem Sinne, daß ihm der Zuschuß lediglich beim Nachweis geänderter Verhältnisse entzogen werden darf. Eine solche Begünstigung wäre im Verhältnis zu anderen Behandlungsleistungen der Krankenversicherung nicht gerechtfertigt und würde die Krankenkasse wegen der schon erwähnten ungewissen Nachweismöglichkeiten bei Änderungen des Gesundheitszustands dazu zwingen, immer nur zeitlich genau fixierte Bewilligungen auszusprechen. Im Ergebnis enthält daher die Bewilligung einer Behandlungsleistung nur dann eine bindende Entscheidung für einen längeren Zeitraum, wenn dieser Zeitraum in der Bewilligungsentscheidung genannt oder sich aus ihr sinngemäß ergibt; eine Bewilligung, die sinngemäß oder ausdrücklich "bis auf weiteres" gelten soll, reicht - ähnlich wie im Sozialhilferecht - nicht über den nachfolgenden Bewilligungsabschnitt hinaus, läßt aber tatsächliche Zahlungen für nachfolgende Zeitabschnitte konkludent als Folgebewilligungen erscheinen, die rückwirkend nur unter Beachtung des Vertrauensschutzes des Empfängers zurückgenommen werden können.
Im Fall der Klägerin hat sich die Kostenzusage vom 23. März 1994 mit Ablauf des April 1994 in ihrer verwaltungsverfahrensrechtlichen Wirkung erschöpft, denn sie lautete auf zwei Behandlungen im Monat. Die Entscheidung der Beklagten vom Oktober 1994, keine weiteren Zuschüsse zu leisten, stellt sich unter diesen Umständen als Leistungsablehnung dar, deren Rechtmäßigkeit von der Aufhebung der Zusage vom 23. März 1994 nicht abhängt.
Ob die Beklagte ihre weitere Beteiligung an den Kosten für die medizinische Fußpflege zu Recht abgelehnt hat, kann der Senat auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Im Falle der Klägerin ist die Gewährung von medizinischer Fußpflege durch den in § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V vorausgesetzten Krankheitsbezug nicht von vornherein ausgeschlossen. Auf den Leistungsausschluß in der Anlage 2 zu den Heil- und Hilfsmittel-RL kann sich die Beklagte jedenfalls nicht berufen, denn für diesen gibt es keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.
Die Klägerin begehrt eine persönliche Dienstleistung, die den Heilmitteln iS des § 32 Abs 1 SGB V zuzuordnen ist. Da die Beklagte die Dienstleistung weder selbst noch durch zugelassene Therapeuten erbringen kann, ist die Klägerin gezwungen, sie sich selbst zu beschaffen, was im Falle der grundsätzlichen Leistungspflicht der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der tatsächlich entstehenden Kosten nach § 13 Abs 3 SGB V auslösen würde. Unter Berücksichtigung der Zuzahlung in Höhe von 10 %, die durch § 32 Abs 2 Satz 1 SGB V in der bis 30. Juni 1997 geltenden Fassung vorgeschrieben war (seitdem 15 %), stellt sich die Leistung im wirtschaftlichen Ergebnis als "Zuschuß" dar. Über dessen Höhe besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, so daß darauf nicht einzugehen ist.
Im Ergebnis zutreffend hat das LSG zunächst einen Anspruch nach § 23 Abs 1 Nr 1 SGB V als ausgeschlossen angesehen. Danach ist unter anderem die Versorgung mit Heilmitteln als Vorsorgeleistung geschuldet, wenn sie notwendig ist, um eine Schwächung der Gesundheit zu beseitigen, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde. Der vom LSG festgestellte insulinpflichtige Diabetes mellitus mit diabetischer Mikroangiopathie und diabetischer Polyneuropathie ist zwar als Schwächung der Gesundheit anzusehen, die - jedenfalls nach der Darstellung der Klägerin - auch zu Folgeerkrankungen führen kann. Die medizinische Fußpflege ist aber keinesfalls geeignet, die Schwächung der Gesundheit zu beseitigen, wie das Gesetz es verlangt. Das gilt auch, wenn das angeblich verstärkte Wachstum der Hornhaut als Gesundheitsschwäche aufgefaßt wird, denn es wird durch die Fußpflege nicht behoben. Insofern gehen die Angriffe der Revision fehl.
Ob sich der Anspruch auf die Gewährung von medizinischer Fußpflege aus § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V herleiten läßt, kann der Senat auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Diese Voraussetzungen sind zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Heilung gegeben; sie könnten aber unter dem Gesichtspunkt der Verhütung einer Verschlimmerung erfüllt sein.
Die Beseitigung (Heilung) konkreter Krankheitserscheinungen an den Füßen ist jedenfalls nach dem Gesamtinhalt des vorinstanzlichen Urteils nicht Streitgegenstand. Das LSG nimmt zwar Bezug auf die sozialmedizinische Stellungnahme vom 11. Februar 1994, wonach die Fußpflege "zur Sanierung von Folgekrankheiten notwendig" sei, was auf deren Vorhandensein schließen lassen könnte. Aber es verneint einen Anspruch aus § 27 SGB V, weil eine Erkrankung am Fuß nicht bestehe, so daß nur Vorsorgemaßnahmen in Betracht kämen. Um die Beseitigung einer aktuellen Erkrankung an ihren Füßen geht es der Klägerin auch gar nicht. Diesbezüglich ist die Einstandspflicht der Beklagten unstreitig, wie im Laufe des Verfahrens wiederholt betont wurde. Der Rechtsstreit betrifft vielmehr ausschließlich die von der Beklagten zugesagte regelmäßige medizinische Fußpflege höchstens zweimal im Monat zur Vermeidung von weiteren Krankheitserscheinungen. Das beanspruchte Heilmittel besteht nach der vom LSG gegebenen und von der Klägerin nicht angegriffenen Beschreibung darin, daß Nägel geschnitten sowie Hornhaut und Schwielen entfernt werden. Eine heilende oder mildernde Wirkung dieser Maßnahmen auf den Diabetes, die Polyneuropathie, die Mikroangiopathie oder die damit möglicherweise zusammenhängenden Hautveränderungen kommt nicht in Betracht und wird von der Klägerin nicht behauptet.
Die Angriffe der Revision gehen sinngemäß in eine andere Richtung. Sie beziehen sich darauf, daß die Klägerin bereits im Klageverfahren behauptet hat, ein verstärktes Hornhautwachstum führe zu Hautrissen und zwinge zu häufiger Fußpflege, bei der (weitere) Verletzungen denkbar seien, die wegen der Mikroangiopathie zu Komplikationen führen könnten; werde die Fußpflege vom Diabetiker selbst durchgeführt, sei das Risiko unbemerkter Verletzungen durch die infolge der Polyneuropathie herabgesetzte Empfindlichkeit besonders hoch. Wenn diese Darstellung zutrifft, was das LSG nicht geprüft hat, ist auch ohne aktuelle Krankheitserscheinungen an den Füßen ein Anspruch aus § 27 SGB V unter dem Gesichtspunkt der Verhütung einer Verschlimmerung nicht von vornherein ausgeschlossen. Ob die (angeblich) zu befürchtenden Komplikationen an den Füßen unmittelbar als Ausformung der diabetischen Grunderkrankung aufzufassen oder auf die ihrerseits als Krankheit anzusehende Mikroangiopathie und Polyneuropathie zu beziehen sind, spielt dabei keine entscheidende Rolle. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Hornhautwachstum und die Verschwielung mit der Entstehung von Hautrissen an den Füßen als solche so stark von der Norm abweichen, daß von einer eigenständigen Krankheit gesprochen werden kann. Entscheidend ist vielmehr allein, ob auf Grund des vorhandenen Diabetes und seiner Auswirkungen auf den Gesamtgesundheitszustand eine unmittelbare, konkrete Gefahr besteht, daß ohne regelmäßige medizinische Fußpflege besondere Folgeschäden auftreten, mit denen bei einem gesunden Versicherten nicht zu rechnen ist. Zieht eine Krankheit in unbehandeltem Zustand zwangsläufig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Erkrankungen nach sich, so sind medizinische Maßnahmen, die dem entgegenwirken und eine Verschlechterung des Gesamtgesundheitszustandes verhüten sollen, als Behandlung der Grundkrankheit und damit als Krankenbehandlung iS des § 27 Abs 1 SGB V aufzufassen.
Für eine unmittelbar drohende Gefahr von Fußerkrankungen sprechen im Falle der Klägerin die Empfehlung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und die im Revisionsverfahren vorgelegte Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) vom 29. März 1999, in der die notwendige Sorgfalt der Fußpflege bei Diabetikern betont wird. Vorbehaltlich der näheren medizinischen Überprüfung könnte der Sachverhalt anderen Fällen vergleichbar sein, in denen die Leistungspflicht der Krankenkasse zu bejahen ist. Beispielsweise beruht die Gabe von Insulin an Diabetiker zur Vermeidung von Entgleisungen des Stoffwechsels auf ähnlichen Erwägungen. Die frühere Rechtsprechung des BSG kam unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) ebenfalls zur Einstandspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für Maßnahmen zur Vermeidung von Folgeerkrankungen. In zwei Fällen hat das BSG eine Leistungspflicht für empfängnisverhütende Maßnahmen für möglich gehalten, weil bei einer Schwangerschaft mit der Geburt eines kranken Kindes zu rechnen war. Dabei wurde die im Falle einer Schwangerschaft drohende geistig-seelische Störung der Mutter bzw die dann wahrscheinliche embryonale Schädigung als ausreichender Grund für eine krankenversicherungsrechtlich geschuldete Behandlung angesehen (BSGE 39, 167 = SozR 2200 § 182 Nr 9; BSGE 66, 163 = SozR 3-2200 § 182 Nr 1). Im ersten dieser beiden Urteile wurde eine Parallele zur möglichst frühzeitigen Behandlung von Kiefer- oder Zahnstellungsanomalien gezogen (Hinweis auf BSG SozR Nr 56 zu § 182 RVO). In allen diesen Fällen ging es um Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistig-seelischen Gesundheitszustands, die neben der Grunderkrankung durch weitere Ursachen vermittelt wurden. Dabei wurde die Gefahr der embryonalen Schädigung trotz der dazwischen liegenden zusätzlichen Bedingung einer Schwangerschaft als zu erwartende Gesundheitsstörung bei der Mutter angesehen. Falls ohne Fußpflege Komplikationen an den Füßen der Klägerin zwangsläufig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit abzusehen sind, ist der Leistungsanspruch nicht von vornherein ausgeschlossen.
Damit ist allerdings noch nicht der Einwand entkräftet, bei der Fußpflege handle es sich auch im Fall der Klägerin nicht um eine medizinische Maßnahme, sondern um Körperpflege, deren Kosten die Versichertengemeinschaft nicht zu tragen hat, weil sie in erster Linie mit der Art der Lebensführung und nicht mit gezielter Krankheitsbekämpfung zusammenhängt (so auch die bereits zitierte Stellungnahme der KÄBV). Die damit angesprochene besondere Abgrenzungsschwierigkeit stellt sich bei allen rein prophylaktischen Maßnahmen, da diese nicht auf die Besserung oder Beseitigung der Grunderkrankung, sondern von vornherein lediglich auf die Verhütung einer Verschlimmerung gerichtet sind. Die in § 23 Abs 1 Nr 1 SGB V angeordnete Beschränkung von Vorsorgemaßnahmen auf solche, mit denen eine Schwächung der Gesundheit beseitigt werden kann, darf nicht durch eine Auslegung von § 27 SGB V unterlaufen werden, auf Grund derer die Krankenkasse unter dem Gesichtspunkt der Verhütung einer Verschlimmerung dennoch für jegliche Gesundheitsvorsorge aufzukommen hat. Bei Maßnahmen, deren medizinischer Charakter unzweifelhaft ist, so daß sich die Zuordnung zur allgemeinen Lebensführung nach ihrer Eigenart von selbst verbietet, mag § 27 SGB V ohne weiteres die reine Prophylaxe erfassen, wie an den weiter oben angeführten Beispielen gezeigt werden konnte.
Bei Maßnahmen, die ihrer Art nach keinen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen, reicht das Ziel, Folgeerkrankungen zu verhüten, jedoch nicht aus, um einen Anspruch gegen die Krankenkasse zu begründen. Eine gesundheitsbewußte Ernährung kann für den Schutz vor möglichen Erkrankungen von fundamentaler Bedeutung sein; trotzdem sind durch besondere Lebensmittel verursachte Kosten oder Mehrkosten von der Krankenkasse nicht zu tragen (vgl Senatsurteil vom 9. Dezember 1997, BSGE 81, 240 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9). Ähnlich wie Arzneimittel von Lebensmitteln bzw Pflegemitteln (Kosmetika) abzugrenzen sind, müssen Dienstleistungen am Körper des Menschen entweder als Körperpflege der Eigenverantwortung des Versicherten oder als Behandlungs- bzw Vorsorgemaßnahme der krankenversicherungsrechtlichen Sphäre zugeordnet werden. Maßstab hierfür ist einerseits der objektiv einer Maßnahme innewohnende Zweck (für Arzneimittel BSGE 72, 252, 255 = SozR 3-2200 § 182 Nr 17 S 82 mwN), also die Frage, ob gesundheitliche oder pflegerische (bei Lebensmitteln: ernährerische) Belange im Vordergrund stehen. Andererseits kann eine Maßnahme durch die Qualitätsanforderungen an die Durchführung einen besonderen gesundheitlichen Bezug erhalten, wobei es sowohl um die Erreichung des therapeutischen Zwecks als auch um die Vermeidung von unerwünschten Nebenwirkungen gehen kann. Bestimmten Bädern oder Massagen kann ein spezifischer Krankheitsbezug durchaus auch dann innewohnen, wenn sie unter Angehörigen oder Bekannten in Form eines "Hausmittels" zur Vermeidung von Folgewirkungen einer bestehenden Haltungsanomalie verabreicht werden, die sie selbst nicht beeinflussen können. Dennoch bleiben sie der Körperpflege zugeordnet. Nur wenn sie durch speziell hierfür geschultes Personal erbracht werden, kann es sich - bei entsprechender ärztlicher Anordnung - um von der Krankenkasse geschuldete Leistungen handeln, weil nur dann die therapeutische Wirkung und die Vermeidung von Schädigungen durch Behandlungsfehler als gewährleistet anzusehen sind.
Danach ist die Fußpflege unabhängig von der dadurch abgewendeten Gefahr von Gesundheitsstörungen grundsätzlich der Körperpflege zuzuordnen, weil sie nicht in erster Linie zum Zwecke der Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung durchgeführt wird und weil sie - etwa was Form und Häufigkeit betrifft - auf die Lebensart bezogen ist. Das gilt auch, wie der 9. Senat des BSG entschieden hat, wenn der Betroffene individuell (Verlust des linken Oberarms) an der Durchführung gehindert ist (BSG SozR 3-3100 § 89 Nr 5). Grundsätzlich beurteilt sich der Anspruch der Klägerin nach denselben Regeln. Das LSG hat zwar nicht geprüft, ob ihrer Darstellung zu folgen ist, daß es infolge des Diabetes in höherem Ausmaß als bei einem Gesunden zu Gesundheitsstörungen kommt, die durch Fußpflege vermieden werden können. Selbst wenn diese Darstellung zutrifft, wird dadurch aus der Fußpflege keine medizinische Maßnahme. Ist es bei bestimmten Krankheiten zur Vermeidung der Verschlimmerung erforderlich, bestimmte Nahrungsmittel zu meiden oder die Nahrungsaufnahme auf mehr als die üblichen drei Mahlzeiten am Tag zu verteilen, dann ändert das nicht die rechtliche Zuordnung der Ernährung zur allgemeinen Lebensführung. Für die besondere Häufigkeit oder die besondere Sorgfalt der Fußpflege, die bei Diabetikern wie der Klägerin zur Vermeidung von Fußerkrankungen notwendig sein soll, gilt nichts anderes.
Eine andere rechtliche Beurteilung wäre nur dann geboten, wenn es zur Erreichung des therapeutischen Zwecks einschließlich einer regelmäßigen sachkundigen Kontrolle auf beginnende schädliche Veränderungen oder im Hinblick auf die Gefahren einer Fehlbehandlung notwendig wäre, die Fußpflege im konkreten Fall qualifiziertem medizinischen Personal vorzubehalten. Mit Rücksicht auf den Vortrag der Klägerin erscheint es nicht ausgeschlossen, daß wegen der Art und Schwere ihrer Erkrankung einerseits eine regelmäßige Fußpflege unerläßlich, andererseits deren Durchführung wegen der Verletzungsgefahr mit erheblichen Risiken für die Gesundheit verbunden ist, die deshalb nur zu vermeiden sein könnten, wenn die Fußpflege einer besonders ausgebildeten, mit dem Krankheitsbild und den Risiken vertrauten Fachkraft übertragen wird. Sollte sich diese mögliche Gesundheitsgefährdung durch die nunmehr anzustellenden Ermittlungen bestätigen, könnte sie die Leistungspflicht der Krankenkasse begründen. Denn durch die medizinische Indikation und die Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer medizinischen Fachkraft würde der Gesichtspunkt der Krankenbehandlung gegenüber demjenigen der Körperpflege als Teil der allgemeinen Lebensführung so sehr in den Vordergrund treten, daß der Bezug zum Versicherungsrisiko der Krankenversicherung gegeben wäre.
Die Gewährung der Fußpflege als Leistung der Krankenversicherung wäre in diesem Fall auch nicht durch die Heil- und Hilfsmittel-RL ausgeschlossen. Zwar schreiben diese Richtlinien ausdrücklich vor, daß die medizinische Fußpflege im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden darf (Anlage 2 Nr 13 zu den Heil- und Hilfsmittel-RL idF vom 25. Mai 1994 - BAnz Nr 160). Zu einem dahingehenden Leistungsausschluß war der Bundesausschuß indessen nach geltendem Recht nicht befugt. Damit ist entgegen der Auffassung der Revision nicht gesagt, daß ihm der Gesetzgeber eine derartige Aufgabe nicht übertragen könnte. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Delegation von Normsetzungsbefugnissen an die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen zur Verwirklichung der in § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Ziele verfassungsrechtlich zulässig (BSGE 81, 73, 81 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 ff). Vom Bundesausschuß kann auf Grund seiner personellen Zusammensetzung auch eine sachgerechte Abwägung der relevanten medizinischen und finanziellen Gesichtspunkte erwartet werden, wenn darüber zu entscheiden ist, ob eine im Grenzbereich von Krankenbehandlung und Art der Lebensführung liegende Maßnahme noch dem Katalog der verordnungsfähigen Heilmittel zugeordnet werden soll oder nicht. Bedenken, die sich wegen der Unbestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage in § 92 Abs 1 SGB V ergeben könnten, braucht hier nicht nachgegangen zu werden, denn jedenfalls sind Verordnungsverbote bei Heilmitteln nach der derzeitigen Rechtslage von dieser Ermächtigung deshalb nicht gedeckt, weil das Gesetz hierzu in § 34 Abs 4 und 5 SGB V eine anderweitige, abschließende Regelung getroffen hat.
Die Einzelheiten der Heilmittelversorgung sind nur zu einem Teil im SGB V selbst normiert; lediglich für bestimmte Erkrankungen (Erkältungskrankheiten, grippale Infekte, Reisekrankheit) bzw Leistungszwecke (Mund- und Rachentherapeutika, Abführmittel) und beschränkt auf Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gilt nach § 34 Abs 5 iVm Abs 1 SGB V ein gesetzlicher Leistungsausschluß. Im übrigen finden sich Rechtsetzungsermächtigungen zugunsten der Exekutive in der Form eines abgestuften Systems von Regelungszuständigkeiten. Zum einen wird der Bundesminister für Gesundheit ermächtigt, zur Wahrung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Heilmitteln Leistungsausschlüsse durch Rechtsverordnung vorzunehmen: Er kann nach § 34 Abs 4 SGB V Heilmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Des weiteren kann er nach § 34 Abs 5 iVm Abs 3 SGB V unwirtschaftliche Heilmittel von der Anwendbarkeit ausschließen. Außerdem gilt nach § 34 Abs 5 SGB V auch Abs 2 derselben Vorschrift entsprechend für Heilmittel, wenn sie im Anwendungsgebiet der ausgeschlossenen Arzneimittel verwendet werden, so daß der Ausschluß von Arzneimitteln, die ihrer Zweckbestimmung nach üblicherweise bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet werden, auf Heilmittel mit derselben Indikation erstreckt werden darf. Neben diesen jeweils an spezielle Voraussetzungen geknüpften Ermächtigungen zum Leistungsausschluß durch Rechtsverordnung steht sodann die allgemeine Ermächtigung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zum Erlaß von Richtlinien über eine den Geboten der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit Rechnung tragende Verordnung von Heilmitteln (§ 92 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 6 SGB V). Schließlich gilt eine - hier nicht einschlägige - Sonderregelung für den Einsatz neuer Heilmittel: Diese dürfen gemäß § 138 SGB V von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten nur verordnet werden, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat.
Zum rechtlichen Verhältnis der Ermächtigungen untereinander ist dem Gesetzeswortlaut nichts zu entnehmen. Regelungen, welche die Versorgung mit Heilmitteln auf das Notwendige, Zweckmäßige und Wirtschaftliche begrenzen sollen, sind nach dem gesetzgeberischen Konzept sowohl dem Bundesminister für Gesundheit als Verordnungsgeber, als auch dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen als Richtliniengeber aufgetragen. Die Ausrichtung der Ermächtigungen auf das gleiche Ziel besagt aber noch nicht, daß sich die Zuständigkeiten in sachlicher Hinsicht überlappen und die Ermächtigungsadressaten befugt sind, in Konkurrenz zueinander denselben Sachverhalt zu regeln. Vom Grundsatz her mag der Gesetzgeber nicht gehindert sein, miteinander konkurrierende Rechtsetzungsbefugnisse von Verordnungs- und Richtliniengeber zu begründen und es der Verwaltung bzw den Gerichten zu überlassen, etwaige Normwidersprüche durch Auslegung zu ermitteln und nach dem Grundsatz des Vorrangs der höherrangigen Rechtsnorm zu lösen. Ob und in welcher Form ein solches Nebeneinander von Regelungszuständigkeiten bestehen soll, muß aber im Gesetz klar zum Ausdruck kommen. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen muß erkennbar sein, ob der Richtliniengeber für die betreffende Sachmaterie überhaupt zuständig sein soll und wenn ja, ob er neben dem Verordnungsgeber eigene, ergänzende Vorschriften erlassen oder seine Kompetenzen nur in Anspruch nehmen darf, solange der Verordnungsgeber selbst von seiner Regelungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht hat. Zu all dem äußern sich die einschlägigen Bestimmungen nicht, so daß schon aus diesem Grunde nicht von einer konkurrierenden Normsetzungszuständigkeit ausgegangen werden kann.
Auch der Umstand, daß sich die Verordnungsermächtigung auf präzise umschriebene Tatbestände bezieht, während der Auftrag zum Erlaß von Richtlinien ganz allgemein gefaßt ist, spricht gegen eine Auslegung, die dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen - ergänzend oder subsidiär - eine umfassende Normsetzungsbefugnis auch für diejenigen Gegenstände zubilligen will, die durch § 34 SGB V dem Verordnungsgeber zur Regelung zugewiesen sind. Aus § 34 Abs 2 bis 5 SGB V ergibt sich im Detail, wann Heilmittel im Interesse der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Wege der Rechtsverordnung von der Anwendung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen werden können. Es ist nicht ersichtlich, welchen Sinn eine solche ins einzelne gehende und auf bestimmte Sachverhalte beschränkte Ermächtigung haben sollte, wenn gleichzeitig unter Berufung auf denselben Regelungszweck in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V weitere Leistungsausschlüsse ohne entsprechende Begrenzung vorgesehen werden könnten. Der dadurch bedingte Wertungswiderspruch läßt sich gerade an Hand der hier umstrittenen Leistung darstellen. Wäre der Ausschluß der Fußpflege nicht in den Heil- und Hilfsmittel-RL des Bundesausschusses, sondern in einer - allerdings bisher nicht erlassenen - Rechtsverordnung des Bundesministers für Gesundheit enthalten, müßte sich die gerichtliche Überprüfung darauf beziehen, ob er durch einen geringen Abgabepreis (dazu vgl BSG SozR 3-2500 § 34 Nr 2), durch Zweifel am therapeutischen Nutzen oder durch den Anwendungsbereich gerechtfertigt ist, den die Fußpflege mit einem rechtmäßig ausgeschlossenen Arzneimittel gemeinsam haben müßte. Würde keiner dieser Gründe greifen, wäre das Leistungsverbot mangels Ermächtigungsgrundlage unwirksam. Mit diesem Ergebnis ist es unvereinbar, den Bundesausschuß durch § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V als ermächtigt anzusehen, dasselbe Heilmittel in den Heil- und Hilfsmittel-RL von der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen. Denn dessen Entscheidung darf das Gericht lediglich daraufhin überprüfen, ob er sich von den in § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten allgemeinen Kriterien ("ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung") hat leiten lassen; die engeren Voraussetzungen des § 34 Abs 4 und 5 SGB V für einen Ausschluß durch untergesetzliche Rechtsnorm würden praktisch leerlaufen.
Aus dem gesamten Regelungszusammenhang muß deshalb geschlossen werden, daß der Gesetzgeber, von dem Sonderfall des § 138 SGB V abgesehen, in § 34 Abs 4 und 5 SGB V die Voraussetzungen für einen Ausschluß von Heilmitteln durch untergesetzliche Rechtsvorschriften abschließend normiert und die Berechtigung dazu dem Bundesminister für Gesundheit als Verordnungsgeber vorbehalten hat. Im Gesetzeswortlaut kommt das dadurch zum Ausdruck, daß § 32 Abs 1 SGB V den grundsätzlichen Anspruch auf Heilmittel lediglich durch den Vorbehalt der in § 34 SGB V geregelten oder ermöglichten Leistungsausschlüsse begrenzt, wohingegen ein entsprechender Vorbehalt für Leistungsausschlüsse in den Heil- und Hilfsmittel-RL fehlt.
Die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Regelungen und die spätere Rechtsentwicklung bestätigen dieses Ergebnis. Nach der RVO oblag eine Konkretisierung der Heilmittelversorgung ursprünglich allein dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen. § 368p Abs 1 RVO enthielt bereits in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 (BGBl I 513) eine dem heutigen § 92 Abs 1 SGB V vergleichbare allgemein gefaßte Ermächtigung des Bundesausschusses zum Erlaß von Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Arznei- und Heilmitteln. Durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) wurde dem § 368p RVO ein Absatz 8 angefügt; darin wurde dem Bundesausschuß zusätzlich aufgetragen, "unter Berücksichtigung der Therapiefreiheit und der Zumutbarkeit für die Versicherten in Richtlinien zu beschließen, welche Arzneimittel, Arzneimittelgruppen, Verband- und Heilmittel, die ihrer allgemeinen Anwendung nach bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet werden, nicht oder nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden dürfen". Entsprechend sah § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO idF des KVKG für das Leistungsrecht der Krankenversicherung eine Versorgung mit Heilmitteln (nur) insoweit vor, als "sie nicht durch Satzung entsprechend den Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen nach § 368p eingeschränkt" war. Für den Fall, daß die Bundesausschüsse ihrem Auftrag nicht nachkamen, konnte der Bundesminister für Arbeit an ihrer Stelle die Richtlinien erlassen (§ 368p Abs 2 Satz 3 RVO; vgl heute: § 94 Abs 1 Satz 3 SGB V).
Im Zuge der weiteren Novellierung durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) vom 22. Dezember 1981 wurde § 368p Abs 8 RVO wieder gestrichen und in einem neu geschaffenen § 182f RVO anstelle des Bundesausschusses nunmehr der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Arznei-, Verband- und Heilmittel, die ihrer Zweckbestimmung nach üblicherweise bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet werden, aus dem Leistungskatalog der Krankenversicherung auszuschließen. Diese und die Folgeänderung in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO wurden damit begründet, daß der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen seinen gesetzlichen Auftrag nur unzureichend erfüllt habe und die Regelungszuständigkeit deshalb auf den Bundesminister als Verordnungsgeber übergehen solle (BT-Drucks 9/845, S 13 f). Dessen Befugnis, Richtlinien im Wege der Ersatzvornahme zu erlassen, wurde offenbar nicht als ausreichend angesehen, wobei auch die nach früherem Recht zweifelhafte Verbindlichkeit der Richtlinien eine Rolle gespielt und den Gesetzgeber bewogen haben mag, den als rechtssicher eingeschätzten Weg der Rechtsverordnung vorzuziehen. Dem Bundesausschuß wurde jedenfalls, wie die Streichung des § 368p Abs 8 RVO zeigt, hinsichtlich des Ausschlusses der angesprochenen Heilmittel keine, auch keine subsidiäre Zuständigkeit belassen. Die an den Verordnungsgeber gerichtete Ermächtigung in § 182f RVO wurde in der Folge um gesetzliche Leistungsausschlüsse ergänzt (§ 182f Abs 1 und 2 idF des Haushaltsbegleitgesetzes vom 20. Dezember 1982 - BGBl I 1857) und mit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 auf weitere Gegenstände ausgedehnt (§ 34 Abs 4 und 5 SGB V in der bis heute im wesentlichen unveränderten Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 - BGBl I 2477). Diese Entwicklung zeigt zum einen, daß der Gesetzgeber die allgemeine Ermächtigung zum Erlaß von Richtlinien in § 368p Abs 1 RVO (jetzt: § 92 Abs 1 SGB V) allein als Grundlage für den Ausschluß bestimmter Arten von Heilmitteln offenbar nicht für ausreichend hielt; zum anderen macht sie deutlich, daß hinsichtlich der Anordnung der in Rede stehenden Leistungsausschlüsse jedenfalls keine konkurrierenden Normsetzungsbefugnisse bestehen sollten.
Da § 34 SGB V nach alledem für die Anordnung von Leistungsverboten bei Heilmitteln eine abschließende Regelung trifft, verbleiben für die Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V nur Bestimmungen, welche die Art und Weise der Leistungserbringung betreffen. Dazu kann die konkret erforderliche Qualifikation des Therapeuten ebenso gehören wie die Vorgabe bestimmter zeitlicher Abstände oder die Obergrenze für die Zahl von Sitzungen einer Behandlungsserie (vgl Heil- und Hilfsmittel-RL Abschnitt B Nr 33.3, Abschnitt C Nr 45, Abschnitt D Nr 51.2). Soweit sich das Leistungsverbot nicht bereits aus dem Gesetz ergibt, so daß dem Ausschluß in den Richtlinien lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt, ist dagegen der generelle Ausschluß einer bestimmten Maßnahmeart wie hier der medizinischen Fußpflege durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen vom Gesetz nicht gedeckt (in der Tendenz ähnlich für den Arzneimittelbereich: Urteil des 8. Senats des BSG vom 30. September 1999 - BSG SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 46, auch für BSGE vorgesehen).
Im Ergebnis wird das LSG den Sachverhalt weiter aufzuklären haben, um insbesondere feststellen zu können, ob bei der Klägerin ein im Vergleich zum Nicht-Diabetiker wesentlich höheres Risiko besteht, bei nicht fachgerecht durchgeführter Fußpflege an den Füßen zu erkranken. Da dies nur anhand des konkreten Gesundheitszustandes der Klägerin beurteilt werden kann, wird die Untersuchung der Klägerin durch einen ärztlichen Sachverständigen unerläßlich sein. Auch die Frage, ob die Fußpflege wegen der besonderen gesundheitlichen Risiken einer ausgebildeten medizinischen Fachkraft vorbehalten bleiben muß, kann kaum ohne Sachverständigengutachten beantwortet werden; dabei sollten sich die Kenntnisse und Erfahrungen des Sachverständigen auch auf die Qualifikation beziehen, die eine Berufsausübung in der medizinischen Fußpflege voraussetzt. Da es nach den Erkenntnissen des Senats eine anerkannte eigenständige Berufsausbildung in der Fußpflege mit festgelegten Ausbildungsinhalten nur in zwei Bundesländern außerhalb des Gerichtsbezirks des LSG gibt, wird sich das LSG auch damit zu befassen haben, mit welcher Art von Ausbildungsinhalten in seinem Zuständigkeitsbereich gerechnet werden kann. Dabei kann es erforderlich sein, das Augenmerk auf die Ausbildungsvorschriften anderer Heilhilfsberufe zu richten, bei denen die Fußpflege eine Rolle spielen könnte. Ein völliges Fehlen von anerkannten Ausbildungsinhalten wäre möglicherweise als Indiz gegen die Notwendigkeit einer besonderen Qualifikation für diese Art von Dienstleistung - auch beim Diabetiker - zu werten. Aus der Sicht des Senats könnten Kenntnisse und Fähigkeiten in der Fußpflege unter zwei Aspekten eine Rolle spielen: eine besonders eingeübte Handfertigkeit, um Verletzungen leichter vermeiden zu können, und einen besonders geübten Blick für geringfügige Hautveränderungen, um schon in einem sehr frühen Stadium Maßnahmen gegen beginnende Erkrankungen veranlassen zu können. Da die Klägerin nach ihrer Mitteilung im Revisionsverfahren seit der Ablehnung durch die Beklagte keine professionelle Fußpflege mehr in Anspruch genommen hat, könnten ihre zwischenzeitlichen Erfahrungen und eventuelle Feststellungen ihrer Ärzte ebenfalls dazu beitragen, die prophylaktische Bedeutung der fachkundigen Fußpflege weiter aufzuklären.
Sollten die weiteren Ermittlungen des LSG ergeben, daß der Gesundheitszustand der Klägerin Fußpflege als Verhütungsmaßnahme rechtfertigt, weil bei Schwere und Art der Grunderkrankung eine deutlich höhere Gefahr von Gesundheitsstörungen an den Füßen als bei einem gesunden Versicherten besteht, wäre die Weigerung der Beklagten demnach vom Gesetz nicht gedeckt und somit rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
BSGE, 132 |
DStR 2001, 2037 |
NJW 2000, 2765 |
NWB 1999, 4665 |
NZS 2000, 551 |