Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.06.1988) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Juni 1988 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist ein Erstattungsanspruch des klagenden Arbeitgebers aus § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) im Lohnausgleichsverfahren.
Die Angestellte Ingrid H., die seinerzeit beim Kläger beschäftigt war, befand sich in der Zeit vom 25. April bis 16. Mai 1986 wegen einer drohenden und dann am 2. Mai 1986 eingetretenen Fehlgeburt in stationärer Behandlung, nachdem sie am 25. April 1986 von dem behandelnden Gynäkologen arbeitsunfähig krank geschrieben und in das Krankenhaus eingewiesen worden war. Der Kläger zahlte während dieser Zeit das Gehalt fort und entrichtete die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1987 lehnte die Beklagte die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen mit der Begründung ab, H. habe ihrer Berufstätigkeit nicht wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), sondern wegen einer krankheitsbedingten Arbeitunfähigkeit nicht nachgehen können.
Klage und – zugelassene – Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- Reutlingen vom 30. September 1987; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Baden-Württemberg vom 10. Juni 1988). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger gehöre zwar zu dem für 1986 erstattungsberechtigten Kreis von Arbeitgebern. Jedoch stehe ihm kein Erstattungsanspruch nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 LFZG zu, weil das der H. gezahlte Gehalt nicht nach § 11 Abs 1 MuSchG wegen eines individuellen Beschäftigungsverbots, sondern nach § 616 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wegen Krankheit fortgezahlt worden sei. Auch wenn die Arbeitsunfähigkeit auf der Schwangerschaft beruhe, seien nur die für den Fall der Krankheit vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Das ergebe sich aus Funktion und Zweck des § 11 MuSchG, wonach die dort vorgesehene Lohnfortzahlung von der Intention her andere Regelungen oder Leistungen der sozialen Sicherheit nicht verdränge, sondern lediglich das durch das MuSchG zusätzlich geschaffene Risiko der Beschäftigungsverbote abdecken wolle. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, daß H. am 25. April 1986 arbeitsunfähig krank gewesen sei, wobei es sich nicht um eine drohende, sondern um eine bereits beginnende Fehlgeburt mit Blutungen gehandelt habe, die nach ärztlicher Beurteilung eine stationäre Krankenhausbehandlung erfordert habe. Damit sei zweifelsfrei Arbeitsunfähigkeit gegeben gewesen. Für die vom Kläger vertretene Auffassung, es habe eigentlich ein Beschäftigungsverbot iS von § 3 Abs 1 MuSchG bestanden, gebe es in den tatsächlichen Verhältnissen keine hinreichende Stütze, wobei offenbleiben könne, ob überhaupt dem möglicherweise gleichzeitig gegebenen Tatbestand eines individuellen Beschäftigungsverbots bei bestehender Arbeitsunfähigkeit eine rechtliche Bedeutung zukomme.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 LFZG, § 3 Abs 1 und § 11 MuSchG. Das LSG gehe zu Unrecht davon aus, daß ein mögliches Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und individuellem Beschäftigungsverbot zu Lasten der Mutterschutzregelung gehe. Dieses Ergebnis könne nicht darauf gestützt werden, daß eine den §§ 200, 200c der Reichsversicherungsordnung (RVO) vergleichbare Regelung fehle, wonach neben Mutterschaftsgeld Krankengeld nicht gezahlt werde. Daraus folge keine Nachrangigkeit der Mutterschutzregelung, sondern eine Nachrangigkeit der Lohnfortzahlung nach § 616 Abs 2 BGB, weil diese wie das Krankengeld Lohnersatzfunktion habe. Wenn der Anspruch auf Mutterschaftsgeld den Anspruch auf Krankengeld verdränge, so müsse das auch gelten, wenn der Mutter ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 Abs 2 BGB in Konkurrenz mit einem Anspruch aus §§ 3 Abs 1, 11 MuSchG zustehe. Anderenfalls würde die vom Gesetz bezweckte Erweiterung des Mutterschutzes weitgehend illusorisch. Nach Sinn und Zweck des § 11 MuSchG und auch aus Gründen der Praktikabilität sowie zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten sei ein Anspruch auf Mutterschutz immer dann gegeben, wenn die Beschäftigte infolge von Schwangerschaft vom Arzt aus dem Arbeitsleben herausgenommen werde.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Juni 1988 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. September 1987 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1987 zu verurteilen, dem Kläger die Aufwendungen für die Gehaltsfortzahlung und die Beiträge zur gesetzlichen Sozial- und Arbeitslosenversicherung für seine frühere Angestellte H. für den Zeitraum vom 25. April bis 16. Mai 1986 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger ein Erstattungsanspruch aus § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 LFZG nicht zusteht.
Nach dieser mit Wirkung vom 1. Januar 1986 durch Art 6 Nr 2 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 (BeschäftFG) vom 26. April 1985 (BGBl I S 710) in das Gesetz eingefügten Bestimmung erstatten ua die Ortskrankenkassen Arbeitgebern mit Kleinbetrieben, die – wie der Kläger – für das betreffende Kalenderjahr an dem Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen teilnehmen (§ 10 Abs 2 Satz 1 LFZG), 80 vH des vom Arbeitgeber nach § 11 MuSchG bei Beschäftigungsverboten gezahlten Arbeitsentgelts (Abs 1 Nr 3) sowie der darauf entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (Abs 1 Nr 4). Nach § 11 Abs 1 MuSchG ist den unter den Geltungsbereich des § 1 MuSchG fallenden Frauen, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach den Vorschriften der RVO beziehen können, vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten 3 Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiterzugewähren, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots ua nach § 3 Abs 1 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. Nach § 3 Abs 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
Danach können die für H. in der streitigen Zeit erbrachten Aufwendungen nicht im Wege des sog Lohnausgleichsverfahrens erstattet werden. Denn Rechtsgrundlage für das vom Kläger in der streitigen Zeit fortgezahlte Arbeitsentgelt war nicht § 11 MuSchG, auf den allein ein Erstattungsanspruch des Klägers nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 LFZG gestützt werden könnte, sondern die allgemeine Regelung über Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle.
Das ergibt sich für den Zeitraum vom 3. bis 16. Mai 1986 bereits daraus, daß mit der am 2. Mai 1986 eingetretenen Fehlgeburt die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes auf H. nicht mehr anzuwenden waren, weil mit der Fehlgeburt die Schwangerschaft beendet und H. nicht mehr werdende Mutter im Sinne dieses Gesetzes war (BAG, Urteil vom 16. Februar 1973, DB 1973, 879). Für die im Anschluß an die Fehlgeburt und wegen deren Folgen bestehende Arbeitsunfähigkeit hatte H. deshalb Anspruch auf Gehaltsfortzahlung infolge Krankheit nach § 616 Abs 2 BGB.
Aber auch für die vorhergehende Zeit vom 25. April bis 2. Mai 1986 hat der Kläger seiner Angestellten das Gehalt nicht nach § 11 MuSchG, sondern nach § 616 Abs 2 BGB weitergezahlt, weil H. auch in dieser Zeit infolge Krankheit arbeitsunfähig war. Nach den Feststellungen des LSG, die nicht angegriffen worden und daher für den erkennenden Senat bindend sind (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), hat es sich bei H. schon am 25. April 1986 nicht lediglich um eine „drohende”, sondern eine bereits beginnende Fehlgeburt mit Blutungen gehandelt, die eine sofortige Krankenhausbehandlung erforderlich machte. Diesen vom normalen Verlauf der Schwangerschaft abweichenden Zustand hat das LSG ohne Rechtsirrtum als akute, behandlungsbedürftige Krankheit ansehen dürfen (zur Abgrenzung von normalem und anormalem Schwangerschaftsverlauf im Sinne der Krankheit vgl ua BAGE 1, 140, 142 = AP Nr 1 zu § 13 MuSchG; BAGE 10, 7, 9 = AP Nr 20 zu § 63 HGB; AP Nr 61 zu § 1 LFZG), wobei es davon ausgegangen ist, daß die am 2. Mai 1986 erfolgte Fehlgeburt die Richtigkeit der von dem behandelnden Gynäkologen vorgenommenen Einschätzung im nachhinein bestätigt hat. Daß H. wegen dieses eine stationäre Behandlung erfordernden regelwidrigen Körperzustandes nicht in der Lage war, ihre bisherige oder eine ähnliche Arbeit weiter zu verrichten und deshalb auch arbeitsunfähig war, bedarf unter diesen Umständen keiner näheren Darlegung.
Dies bezweifelt der Kläger nicht, meint aber, daß die auf die Schwangerschaft zurückzuführende Arbeitsunfähigkeit gleichzeitig ein Beschäftigungsverbot iS des § 3 Abs 1 MuSchG begründet habe und demzufolge Gehaltsfortzahlung nach § 11 MuSchG und nicht nach § 616 Abs 2 BGB gewährt worden sei. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Ansprüchen sei entgegen der Ansicht des LSG nicht zu Lasten der mutterschutzrechtlichen Regelung gelöst. Vielmehr greife § 11 MuSchG immer dann ein, wenn die Beschäftigte ausschließlich wegen der Schwangerschaft mit der Arbeit aussetze.
Dem kann der Senat nicht folgen. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 11 MuSchG (im folgenden: Mutterschutzlohn) ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die werdende Mutter Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge Krankheit nach den allgemeinen Bestimmungen (§ 616 Abs 2 BGB, § 63 Handelsgesetzbuch, § 133c Gewerbeordnung, § 1 LFZG; im folgenden: Krankenlohn) hat. Dabei läßt der Senat die einem solchen Konkurrenzverhältnis logisch vorgeordnete Frage, ob bereits auf der Tatbestandsseite eine Kumulation von schwangerschaftsbedingter Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit einerseits und schwangerschaftsbedingter Gefährdung der Gesundheit mit Beschäftigungsverbot andererseits möglich ist oder ob sich beide Tatbestände grundsätzlich ausschließen (so insbesondere Töns, Mutterschaftshilfe und Mutterschutz, Stand: August 1984, § 3 MuSchG Anm I 4a) und b)), ausdrücklich offen. Auch wenn der Meinung gefolgt wird, daß ein Beschäftigungsverbot iS des § 3 Abs 1 MuschG mit einer Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung infolge Schwangerschaft zusammentreffen kann oder – weitergehend – krankheitsbedingte Erscheinungen der Schwangerschaft, die zu Arbeitsunfähigkeit führen, grundsätzlich in den Bereich des § 3 Abs 1 MuSchG fallen (so Gröninger/Thomas, MuSchG 1985, § 3 Anm 8 f; Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl, Rz 8, 9 vor § 3; § 3 Rz 11; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 5. Aufl, § 3 Rz 3), ergibt sich für den Kläger kein günstigeres Ergebnis. Denn die sich dann stellende Frage des Konkurrenzverhältnisses zwischen beiden Ansprüchen ist dahin zu beantworten, daß der Krankenlohn den Mutterschutzlohn ausschließt. Dafür sprechen nicht nur der Wortlaut des § 11 MuSchG, sondern auch Sinn und Zweck dieser Regelung, ihre Entstehungsgeschichte sowie ihre systematische Stellung im Gesetz.
Der Anspruch auf Mutterschutzlohn hängt nach § 11 MuSchG davon ab, daß die Schwangere „wegen eines Beschäftigungsverbots” mit der Arbeit aussetzt. Dieser Wortwahl liegt, wovon die herrschende Meinung in der Literatur ausgeht, eine monokausale Betrachtungsweise zugrunde, wonach das Beschäftigungsverbot die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall und damit für den Entgeltausfall sein muß. Die werdende Mutter muß „wegen”, dh in Befolgung eines Beschäftigungsverbots, mit der Arbeit ausgesetzt und dadurch eine Verdiensteinbuße erlitten haben. Sind andere Gründe – für sich allein oder neben dem Beschäftigungsverbot – für das Aussetzen mit der Arbeit maßgeblich, etwa eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Krankheit, mag sie auch mit der Schwangerschaft zusammenhängen, fehlt es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang mit der Folge, daß ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nicht besteht. Dann ist die Krankheit und nicht – jedenfalls nicht ausschließlich – das Beschäftigungsverbot für den Verdienstausfall ursächlich (Töns, aaO, § 11 Anm III 4 c; Gröninger/Thomas, MuSchG 1985, § 11 Anm 11 c; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 Anm 7, 9 c, 43; Bulla/Buchner, MuSchG, § 11 Rz 23 bis 25, 36 bis 37; Meisel/Sowka, Mutterschutz, Mutterschaftshilfe und Erziehungsgeld, 3. Aufl 1988, Rz 36 vor § 3 MuSchG; § 11 Rz 11, 83 bis 87; Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl, § 11 MuSchG Rz 51, 58, Stand: April 1987; aA Waldeyer, ArbuR 1971, S 183 ff; Gamillscheg, RdA 1968, 118). Diese Auslegung wird vor allem durch die Entstehungsgeschichte des § 11 MuSchG bestätigt, dessen seit 1. Januar 1966 geltende Fassung (damals § 10 idF des Gesetzes zur Änderung des MuSchG und der RVO vom 24. August 1965, BGBl I S 912, seit 1. Januar 1968 § 11 in der heute noch geltenden Fassung des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter vom 18. April 1968, BGBl I 315) erstmals einen Anspruch auf Mutterschutzlohn auch bei völligem Aussetzen mit der Arbeit vorsah. Dazu heißt es im schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit: „Voraussetzung für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung des bisherigen Durchschnittsverdienstes ist, daß die Frau nicht krank im Sinne der RVO ist. In diesem Falle steht ihr nur der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach den Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zu” (zu BT-Drucks IV/3652, S 6 zu Nr 12). Daraus wird deutlich, daß der Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG von der Intention her andere Leistungen wegen Krankheit nicht verdrängt, sondern lediglich das durch das MuSchG zusätzlich geschaffene Risiko des Aussetzens mit der Arbeit „wegen eines Beschäftigungsverbots” abdecken will. Ziel der gesetzlichen Regelung ist es, der Arbeitnehmerin den bisherigen Lebensstandard zu erhalten; insbesondere soll durch die Weiterzahlung des bisherigen Durchschnittsverdienstes jeder Anreiz für sie entfallen, entgegen den Beschäftigungsverboten die Arbeiten zu ihrem und des Kindes Schaden aus wirtschaftlichen Gründen fortzusetzen (st Rechtspr. des BAG, zuletzt BAG AP Nr 11 zu § 11 MuSchG 1968 mwN). Ist die Schwangere auch ohne das Beschäftigungsverbot wegen Krankheit zur Arbeitsleistung nicht fähig, kann der Mutterschutzlohn seinen Zweck nicht erfüllen. Einer Abdeckung des auf Schwangerschaft beruhenden Krankheitsrisikos durch das MuSchG hat es nicht bedurft, weil dieses Risiko im wesentlichen durch die Krankenversicherung und zu einem Teil durch die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle (bei Arbeitern bis zur Einführung der Lohnfortzahlung im Jahre 1969 allerdings nur zu einem geringen Teil) bereits gedeckt war.
Würde – wie der Kläger meint – im Falle schwangerschaftsbedingter Krankheit der Krankenlohn bzw das anschließende Krankengeld durch den Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG verdrängt, führte dies zu einer erheblichen Mehrbelastung der Arbeitgeber, die nur im Bereich der Lohnfortzahlungsversicherung nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 LFZG für Arbeitgeber mit Kleinbetrieben gemildert würde. Denn dann müßten die Arbeitgeber bzw für die Arbeitgeber von Kleinbetrieben die Lohnfortzahlungsversicherung zeitlich unbegrenzt, also häufig weit über die (gesetzlichen, vertraglichen bzw tariflichen) Fristen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle hinaus, Mutterschutzlohn zahlen und würden damit die Krankenversicherung entlasten, die nach dem Auslaufen des Krankenlohns Krankengeld zu zahlen hätte. Dafür, daß der Gesetzgeber mit § 11 MuSchG auch das Risiko schwangerschaftsbedingter Krankheit in vollem Umfang auf die Arbeitgeberseite hätte verlagern wollen, bietet das Gesetz keinen ausreichenden Anhaltspunkt. Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art 6 Abs 4 des Grundgesetzes -GG- (vgl ua BAG, AP Nrn 5 und 6 zu § 11 MuSchG 1968) widerspräche eine solche weitergehende Risikoverlagerung auf die Arbeitgeberseite auch einem allgemeinem Grundzug der gesetzlichen Regelungen über die Sicherstellung der Arbeitnehmer im Krankheitsfalle. Danach sollen die Arbeitgeber nur für eine beschränkte Zeit die krankheitsbedingte Versorgungslast tragen und damit die Krankenversicherung entlasten, die ihrerseits nach den sie tragenden Grundgedanken eine möglichst vollständige Sicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfalle gewährleisten will. Wenn § 11 MuSchG für die dort geregelten Fälle in Anbetracht dieser Grundsätze die Leistungspflicht des Arbeitgebers auf Arbeitsausfälle „wegen Beschäftigungsverboten” beschränkt, so ist daraus zu schließen, daß der Mutterschutzlohn gegenüber den Leistungen bei Krankheit zurücktreten soll.
Daß die vorgenannte Risikoverlagerung nicht der Absicht des Gesetzgebers entspricht, wird auch durch die Regelungen der Lohnfortzahlungsversicherung deutlich. Danach besteht bei Angestellten – anders als bei Arbeitern, für die auch der infolge Krankheit fortgezahlte Lohn nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 LFZG erstattungsfähig ist – kein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers, wenn er im Krankheitsfalle Gehaltsfortzahlung gewährt. Insoweit hat der Gesetzgeber bisher keinen Anlaß zu einer Minderung dieses Arbeitgeberrisikos gesehen, das bei Angestellten schon lange vor Inkrafttreten des LFZG bestanden hat. Ist nunmehr den Arbeitgebern aufgrund der Neuregelung des § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 LFZG durch das BeschäftFG 1985 (aaO) bei Angestellten und Arbeiterinnen ein Erstattungsanspruch für den Fall eingeräumt, daß das Arbeitsentgelt wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 11 MuSchG fortgezahlt worden ist, nicht aber bei einer Gehaltsfortzahlung infolge Krankheit an eine angestellte Frau, würde es zu einer systemwidrigen Verschiebung dieser Risikoverteilung führen, wenn nunmehr auch jede schwangerschaftsbedingte Arbeitsunfähigkeit einer angestellten Frau einen Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nrn 3 und 4 LFZG begründen würde. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es jedenfalls in diesem Zusammenhang einer ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung bedurft.
Einen Vorrang des Mutterschutzlohns gegenüber Krankenlohn bzw Krankengeld kann der Kläger schließlich auch nicht daraus herleiten, daß der Anspruch auf Mutterschaftsgeld Vorrang vor Krankenlohn und Krankengeld hat bzw diese Ansprüche ausschließt (§ 1 Abs 3 Nr 3 LFZG, § 200c Abs 1 RVO in der bis 31. Dezember 1989 geltenden Fassung). Mutterschaftsgeld und Mutterschutzlohn mögen im weiteren Sinne zweckähnliche Leistungen sein, lassen aber einen Vergleich hinsichtlich ihrer Konkurrenz zu Krankenlohn bzw Krankengeld schon wegen ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur nicht zu. Mutterschaftsgeld ist eine öffentlich-rechtliche Sozialleistung, die wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Mutter während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung aus Mitteln der Versicherung bzw des Bundes gewährt wird, weil die Mutter aus allgemeinen gesundheitspolitischen Gründen überhaupt nicht arbeiten soll. Demgegenüber handelt es sich bei dem Mutterschutzlohn um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, der zwar vom üblichen Arbeitsentgelt dadurch abweicht, daß ein nach dem Durchschnittsverdienst errechneter Lohnausfall ausgeglichen wird, der aber gleichwohl ein arbeitsvertragsrechtlicher Individualanspruch bleibt. Angesichts dieser Unterschiede läßt sich auf eine Gleichbehandlung hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses dieser beiden Leistungsarten gegenüber Krankenlohn und Krankengeld nicht schließen, zumal der Anspruch auf Mutterschaftsgeld den Anspruch auf Mutterschutzlohn selbst ausschließt, wie sich aus § 11 Abs 1 Satz 1 MuSchG ergibt.
Nach allem konnte der Kläger von der beklagten Krankenkasse eine Erstattung seiner Aufwendungen nicht verlangen, weil er seiner Angestellten H. nicht Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG, sondern Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu leisten hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen