Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundlohn bei Zusammentreffen fiktiver und realer Bezüge. verdeckte Lücke im Gesetz

 

Leitsatz (amtlich)

In der Zeit vom 1.1.1983 bis zum 31.12.1986 unterlagen Versorgungsbezüge versicherungspflichtiger Studenten der Beitragspflicht in der Krankenversicherung nur, soweit sie den Bedarf überstiegen, der nach § 180 Abs 3b RVO als Grundlohn galt, und soweit § 381 Abs 2 S 3 RVO nicht entgegenstand.

 

Orientierungssatz

Werden Beiträge nebeneinander sowohl nach dem Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO als auch nach dem des § 180 Abs 6 RVO erhoben, so wird nicht nur der fiktive Bedarfssatz des § 180 Abs 3b RVO, sondern zugleich eine zur Deckung des Bedarfs bestimmte Leistung mit Beiträgen belegt, was im Ergebnis eine doppelte Belastung der tatsächlichen Einkünfte mit Beiträgen zur Folge hätte. Dies und das Verhältnis zwischen Ausbildungsförderung und Versorgungsbezügen ist vom Gesetzgeber zunächst offenbar nicht hinreichend bedacht und geregelt worden. Insofern enthielt daher das Gesetz in seiner hier noch anzuwendenden alten Fassung eine "verdeckt Lücke", die nach seinem Sinn und Zweck zu schließen ist, und zwar dahin, daß der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge nur insoweit als beitragspflichtiger Grundlohn galt, als er den fiktiven Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO überstieg.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs 1 Nr 5 Fassung: 1975-06-24, § 180 Abs 3b Fassung: 1975-06-24, § 180 Abs 6 Nr 2 Fassung: 1981-12-01, § 180 Abs 8 Fassung: 1981-12-01, § 381 Abs 2 S 3, § 381a Fassung: 1981-12-22

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 05.02.1986; Aktenzeichen L 8 Kr 265/85)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.01.1985; Aktenzeichen S 9 Kr 131/84)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Kläger von Versorgungsbezügen Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten hat.

Der 1957 geborene Kläger war als Student nach § 165 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bei der Beklagten krankenversichert. Für das Wintersemester 1983/84 zahlte er einen nach dem Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO und dem Beitragssatz des § 381a RVO bemessenen Beitrag von monatlich 54,78 DM.

Der Kläger bezog keine Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Er erhielt aber, nachdem sein Vater im September 1983 gestorben war, Waisengeld nach § 23 Abs 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Es betrug vom 1. Oktober 1983 an monatlich 398,86 DM und vom 1. Januar 1984 an monatlich 397,03 DM. Daneben bezog er für Dezember 1983 eine Sonderzuwendung von 398,86 DM (§ 2 Abs 2 BeamtVG, § 1 Abs 1 Nr 4, § 4 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 1, § 7 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung -SZG-). Mit Bescheid vom 19. Januar 1984 erhob die Beklagte - zusätzlich zu dem genannten "Studentenbeitrag" von monatlich 54,78 DM - auf die Versorgungsbezüge für Oktober und November 1983 einen monatlichen Beitrag von 21,94 DM, für Dezember 1983 von 43,87 DM und von Januar 1984 an von monatlich 21,84 DM. Zu diesen Beiträgen gelangte sie, indem sie das laufende monatliche Waisengeld und für Dezember 1983 zusätzlich die Sonderzuwendung mit der Hälfte ihres damaligen allgemeinen Beitragssatzes (5,5 vH) multiplizierte (§ 385 Abs 2a Satz 1 Halbs 1, § 180 Abs 6 Nr 2 RVO). Gleichzeitig forderte sie den Kläger auf, die Beiträge für die Zeit von Oktober 1983 bis März 1984 in Höhe von insgesamt 153,27 DM einzuzahlen; von April 1984 an würden die Beiträge von den Versorgungsbezügen einbehalten. Der Kläger wandte sich gegen die "doppelte Beitragspflicht". Die Beklagte hielt im Bescheid vom 15. März 1984 jedoch an ihrer Beitragsforderung von 153,27 DM fest. Ihre Widerspruchsstelle half dem Widerspruch in einer Sitzung vom 6. Juni 1984 nicht ab und leitete ihn im Einverständnis des Klägers als Klage an das Sozialgericht (SG) Frankfurt weiter.

Vor dem SG hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 15. März 1984 "in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1984" aufzuheben und die Beiträge zu erstatten. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 25. Januar 1985 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 5. Februar 1986 das erstinstanzliche Urteil geändert. Es hat die Bescheide der Beklagten vom 19. Januar 1984 und vom 15. März 1984 "in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1984" insoweit aufgehoben, als die für Dezember 1983 gezahlte Sonderzuwendung von 398,86 DM der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist. Im übrigen hat es "die Klage abgewiesen". Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Soweit die Beklagte von dem laufend gezahlten Waisengeld nach § 385 Abs 2a Satz 1 Halbsatz 1 iVm § 180 Abs 6 Nr 2 RVO Beiträge erhoben habe, bestehe die Beitragsforderung zu Recht. Dieser Beitrag sei neben dem nach einem fiktiven Grundlohn (§ 180 Abs 3b RVO) erhobenen Studentenbeitrag zu zahlen, und zwar auch dann, wenn Ausbildungsförderung nicht bezogen werde. Nur die für Dezember 1983 gezahlte Sonderzuwendung sei beitragsfrei, weil sie möglicherweise schon zu den - beitragsfreien - lediglich übergangsweise gewährten Bezügen iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a RVO gehöre, jedenfalls aber nicht zu den - allein beitragspflichtigen - regelmäßig wiederkehrenden laufenden Geldleistungen.

Die Beklagte hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von § 385 Abs 1 iVm § 180 Abs 6, Abs 8 Satz 2 Nr 1 RVO, weil das LSG die Sonderzuwendung für beitragsfrei gehalten habe. Die Sonderzuwendung werde nicht lediglich übergangsweise iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 Buchst a RVO gewährt, sondern jährlich für die Bezugsdauer des Waisengeldes und könne deshalb sogar, auch wenn das entgegen der Auffassung des LSG vom Gesetz nicht gefordert werde, als regelmäßig wiederkehrende laufende Geldleistung angesehen werden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG vom 5. Februar 1986 aufzuheben, soweit es das Urteil des SG vom 25. Januar 1985 abgeändert und Bescheide aufgehoben hat, sowie die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger hat Anschlußrevision eingelegt und beantragt sinngemäß neben der Zurückweisung der Revision der Beklagten, das Urteil des LSG aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist, das Urteil des SG und die Bescheide in vollem Umfang aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, die aufgrund der Bescheide von den Versorgungsbezügen und der Sonderzuwendung erhobenen Beiträge zu erstatten.

Er hält die Sonderzuwendung in Übereinstimmung mit dem LSG für beitragsfrei. Aber auch das laufend gezahlte Waisengeld sei es. Versorgungsbezüge könnten nur dann beitragspflichtig sein, wenn sie zu anderen tatsächlich erzielten und ebenfalls beitragspflichtigen Einkünften hinzuträten. Würden diese anderen Einkünfte aber nicht erzielt, sondern nur - wie bei ihm (dem Kläger) zur Bemessung des Grundlohns nach § 180 Abs 3b RVO - fingiert und davon Beiträge erhoben, daneben aber auch noch von den Versorgungsbezügen als den einzig realen Einkünften, so gelange man zu verfassungswidrigen Ergebnissen.

Die Beklagte beantragt, die Anschlußrevision zurückzuweisen.

Sie hat auf einen Gesetzentwurf zur Ergänzung des § 381 RVO hingewiesen (BT-Drucks 10/5532). Danach sollten die in § 165 Abs 1 Nrn 5 und 6 RVO bezeichneten Versicherten die nach § 180 Abs 6 Nrn 2 und 3 RVO zu bemessenden Beiträge nur insoweit zu entrichten haben, als diese die Beiträge nach § 381a RVO überstiegen. Das entsprechende Gesetz solle nach seiner Verkündung in Kraft treten. Daraus ergebe sich, daß die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge auch in Fällen der vorliegenden Art gegenwärtig dem Willen des Gesetzgebers entspreche.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten, die sich gegen das Urteil des LSG richtet, soweit es die dem Kläger für Dezember 1983 gezahlte Sonderzuwendung als beitragsfrei angesehen hat, ist jedenfalls im Ergebnis unbegründet. Begründet ist dagegen die Anschlußrevision des Klägers; denn seine Versorgungsbezüge waren während der fraglichen Zeit (Oktober 1983 bis März 1984) in vollem Umfang beitragsfrei. Bis zum Monatsbetrag von 660 DM waren sie beitragsfrei, weil der Kläger schon als krankenversicherter Student von einem Grundlohn in dieser Höhe Beiträge zu entrichten hatte. Soweit sie 660 DM überstiegen, was im Dezember 1983 wegen der Sonderzuwendung der Fall war, blieben sie jedenfalls deswegen beitragsfrei, weil der Beitrag von dem übersteigenden Teil 10 DM nicht erreichte.

Der Kläger war im Wintersemester 1983/84, auf das sich die streitigen Beiträge beziehen, als Student nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO pflichtversichert und Mitglied der Beklagten; ein Tatbestand der Versicherungsfreiheit lag nicht vor, er war auch nicht von der Versicherungspflicht befreit. Dieses hat das LSG zutreffend ausgeführt. Die für die studentische Krankenversicherung zu entrichtenden Beiträge, die die Studenten allein zu tragen und einzuzahlen haben (§ 381a Satz 4, § 393d Abs 1 Satz 1 RVO), sind nach § 385 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 RVO in Hundertsteln des Grundlohns zu erheben. Als Grundlohn gilt für die in § 165 Abs 1 Nr 5 RVO bezeichneten Versicherten nach § 180 Abs 3b RVO ein Dreißigstel des Betrages, der als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs 1 und 2 BAföG für Studenten an Hochschulen festgesetzt ist, die nicht bei ihren Eltern wohnen. Das waren während des Wintersemesters 1983/84 monatlich 660 DM (§ 13 Abs 1 Nr 2, Abs 2 Nr 2 BAföG in der Neufassung vom 6. Juni 1983 - BGBl I 646 -). Dieser Betrag wurde damit für alle versicherungspflichtigen Studenten in derselben Höhe und ohne Rücksicht auf Art und Höhe ihrer tatsächlichen Einkünfte als (monatlicher) Grundlohn fingiert. Auf ihn war ein (ermäßigter) Beitragssatz iS des § 381a Sätze 1 bis 3 RVO in Höhe von - im Wintersemester 1983/84 - 8,3 vH anzuwenden (Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 30. Mai 1983, BKK 1983, S 253). Damit hatte der Kläger als versicherungspflichtiger Student für das Semester im voraus (§ 393d Abs 1 Satz 1 RVO) einen monatlichen Beitrag von 54,78 DM zu entrichten, was auch geschehen ist. Dieses ist unter den Beteiligten nicht umstritten und auch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Zu entscheiden ist nur darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe daneben Versorgungsbezüge des Klägers nach § 180 Abs 6 Nr 2 RVO beitragspflichtig waren. Nach dieser Vorschrift gilt für Versicherungspflichtige, die - wie der Kläger - nicht als Rentner gemäß § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versichert sind, als (beitragspflichtiger) Grundlohn "auch" (dh hier: zusätzlich zu dem Betrag des § 180 Abs 3b RVO) der auf den Kalendertag entfallende Teil des Zahlbetrages der Versorgungsbezüge. Dem Gesetzeswortlaut nach hatten daher versicherungspflichtige Studenten wie der Kläger in der fraglichen Zeit Beiträge sowohl von dem fiktiven Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO als auch von dem Zahlbetrag der Versorgungsbezüge zu entrichten, und zwar nebeneinander. Dieses lief jedoch dem Sinn der gesetzlichen Regelung zuwider und war auch mit allgemeinen Grundsätzen des Beitragsrechts nicht vereinbar.

Die Regelungen des § 180 Abs 6 RVO sind im Zusammenhang damit zu sehen, daß nach § 180 Abs 5 RVO bei versicherungspflichtigen Rentnern (§ 165 Abs 1 Nr 3 RVO) seit dem 1. Januar 1983 neben dem Zahlbetrag der Rente auch der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge (und das Arbeitseinkommen) beitragspflichtig geworden sind. Damit sollten alle Rentner zur solidarischen Finanzierung der Krankenversicherung entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen werden (BSGE 58, 1, 7 = SozR 2200 § 180 Nr 23; BSGE 58, 10, 16 = SozR 2200 § 180 Nr 25). Von den Versorgungsbezügen sollten Beiträge aber auch dann entrichtet werden, "wenn der Versorgungsempfänger nicht wegen des Bezuges einer Rente, sondern aufgrund einer Beschäftigung in der Krankenversicherung pflichtversichert ist" (so der Regierungsentwurf BT-Drucks 9/458, S 30 links oben). Deshalb wurde die Regelung des § 180 Abs 5 RVO in Abs 6 im Grundsatz auf solche Versicherte übertragen, "die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses pflichtversichert sind und entweder Rente oder Versorgungsbezüge erhalten" (aaO S 34 links Mitte). Nach dieser Begründung scheint der Gesetzgeber die Regelung des § 180 Abs 6 RVO auf Personen zugeschnitten zu haben, die als (noch) Beschäftigte nach § 165 Abs 1 Nr 1 oder Nr 2 RVO versicherungspflichtig sind und neben dem Arbeitsentgelt Rente oder (und) Versorgungsbezüge erhalten, deren Leistungsfähigkeit mithin durch alle Einnahmen dieser Art bestimmt und entsprechend erhöht wird.

Hiernach könnte bezweifelt werden, ob § 180 Abs 6 Nr 2 RVO überhaupt neben § 180 Abs 3b RVO auf versicherungspflichtige Studenten mit Versorgungsbezügen anzuwenden ist, da ihnen neben diesen Bezügen Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zufließt. Gleichwohl hält sich der Senat - bei voller Würdigung der Gründe, die hier für eine Bemessung der Beiträge allein nach § 180 Abs 3b RVO sprechen (sie würde vor allem eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung bedeuten) - zu einer solchen Auslegung des Gesetzes nicht für befugt. Dagegen spricht zunächst, daß § 180 Abs 6 Nr 2 RVO den Zahlbetrag der Versorgungsbezüge "zusammen mit den Beträgen nach Abs 1 bis 3b" nennt und damit nicht nur auf die Grundlohnregelung für versicherungspflichtig Beschäftigte (§ 180 Abs 1 RVO), sondern auch auf die für versicherungspflichtige Studenten (§ 180 Abs 3b RVO) verweist. Außerdem hat der Gesetzgeber, mag er auch in der Begründung zu § 180 Abs 6 RVO in erster Linie an versicherungspflichtig Beschäftigte mit Arbeitsentgelt und Rente oder Versorgungsbezügen gedacht haben (BT-Drucks 9/458, S 34 links), in diesem Zusammenhang doch auch die an die Stelle des Arbeitsentgelts tretenden Grundlohnbeträge (ua für Studenten) erwähnt (aaO). Weiterhin ist zu beachten, daß grundsätzlich bei allen Versicherungspflichtigen "unabhängig vom Grund der Versicherungspflicht" (BT-Drucks 9/458, S 30 links oben) die Versorgungsbezüge zu Beitragsleistungen herangezogen werden sollten. Schließlich ist der Gesetzgeber in einer noch zu behandelnden Gesetzesergänzung offenbar davon ausgegangen, daß § 180 Abs 6 RVO auch für versicherungspflichtige Studenten mit Versorgungsbezügen gegolten hat und weiterhin gilt.

§ 180 Abs 6 RVO war andererseits während der hier maßgebenden Zeit (Wintersemester 1983/84) bei versicherungspflichtigen Studenten mit Versorgungsbezügen nicht uneingeschränkt neben § 180 Abs 3b RVO anzuwenden. Denn dabei bliebe unberücksichtigt, daß § 180 Abs 3b RVO den Grundlohn und damit die Beitragspflicht nach einem "Bedarf" bemißt, der nicht nur durch die im BAföG vorgesehenen Leistungen, sondern auch durch die genannten Versorgungsbezüge gedeckt werden kann. Demgemäß werden diese Versorgungsbezüge auf die nach dem BAföG geleistete Ausbildungsförderung - von bestimmten Freibeträgen abgesehen - angerechnet, schließen insoweit also eine Ausbildungsförderung aus (§ 11 Abs 2, § 21 Abs 3 Satz 1 Nr 1, § 23 Abs 4 Nr 1 BAföG). Auch bei Studenten, die keine Ausbildungsförderung erhalten, mindern Versorgungsbezüge etwaige Unterhaltsansprüche, verweisen mithin diese Studenten insoweit zur Deckung ihres Lebensbedarfs auf ihre Versorgungsbezüge. Würden nun Beiträge nebeneinander sowohl nach dem Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO als auch nach dem des § 180 Abs 6 RVO erhoben, so würde nicht nur der fiktive Bedarfssatz des § 180 Abs 3b RVO, sondern zugleich eine zur Deckung des Bedarfs bestimmte Leistung mit Beiträgen belegt, was im Ergebnis eine doppelte Belastung der tatsächlichen Einkünfte mit Beiträgen zur Folge hätte. Dies und das dargelegte Verhältnis zwischen Ausbildungsförderung und Versorgungsbezügen ist vom Gesetzgeber zunächst offenbar nicht hinreichend bedacht und geregelt worden. Insofern enthielt daher das Gesetz in seiner hier noch anzuwendenden alten Fassung eine "verdeckte Lücke", die nach seinem Sinn und Zweck zu schließen ist, und zwar dahin, daß der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge nur insoweit als beitragspflichtiger Grundlohn galt, als er den fiktiven Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO überstieg (vgl zur "verdeckten Lücke" und deren Ausfüllung allgemein: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 375 ff; speziell im Hinblick auf die hier vorliegende Frage: Labuhn WzS 1985, S 78 ff).

Daß eine wortgetreue Anwendung des § 180 Abs 6 RVO dem Zweck der Regelung zuwider zu einer erheblichen Beitragsungerechtigkeit geführt hätte, die auch verfassungsrechtlich bedenklich gewesen wäre (Art 3 Abs 1 Grundgesetz), zeigt ein Vergleich: Ein bei der Beklagten pflichtversicherter Student, der im Wintersemester 1983/84 die volle Ausbildungsförderung von monatlich 660 DM bezog, hatte lediglich den Beitrag von 54,78 DM zu zahlen. Dagegen hätte ein anderer Student, der von - auf die Ausbildungsförderung anrechenbaren - Versorgungsbezügen in Höhe von 660 DM lebte, unter sonst gleichen Voraussetzungen zusätzlich monatlich zu den 54,78 DM noch 36,30 DM (660 DM x 5,5 vH) als Beitrag auf die Versorgungsbezüge zahlen müssen. Damit wäre er mit einer Beitragsforderung von insgesamt 91,08 DM belastet worden, was einem Beitragssatz von 13,8 vH entspräche. Zur gleichen Zeit wären für einen bei der Beklagten versicherungspflichtig Beschäftigten mit einem Monatsverdienst von 660 DM bei einem allgemeinen Beitragssatz von 11 vH nur 72,60 DM an Beiträgen angefallen, von denen noch die Hälfte der Arbeitgeber getragen hätte. Derartige Ungleichheiten und Ungereimtheiten traten, wenn auch vielleicht nicht in dieser extremen Form, bei vielen Studenten mit Versorgungsbezügen auf.

Daß eine wortgetreue Anwendung des § 180 Abs 6 RVO "in Einzelfällen" zu einer Beitragsbelastung des Studenten führte, die dem das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung prägenden Grundsatz der Beitragsbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht entsprach, hat auch der Gesetzgeber inzwischen erkannt; durch Art 32 Nr 2 des Zweiten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 16. Dezember 1986 (BGBl I 2441) hat er in den § 381 RVO einen Abs 2a eingefügt, wonach die in § 165 Abs 1 Nr 5 und 6 RVO bezeichneten Versicherten die nach § 180 Abs 6 Nr 2 und 3 RVO zu bemessenden Beiträge nur insoweit zu entrichten haben, als diese die Beiträge nach § 381a RVO übersteigen. Damit ist sichergestellt, daß künftig eine Anrechnung des Beitrags der studentischen Krankenversicherung auf den Beitrag aus Versorgungsbezügen erfolgt (so Regierungsentwurf BT-Drucks 10/5532, S 29 zu Art 27 Nr 2 - § 381). Diese Gesetzesänderung ist am 1. Januar 1987 in Kraft getreten (Art 42 Abs 2 des Gesetzes) und daher erst von diesem Zeitpunkt an anzuwenden. Das hindert den Senat jedoch nicht, den § 180 Abs 6 RVO für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 31. Dezember 1986, wie dargelegt, einschränkend auszulegen.

Beim Kläger blieben hiernach Versorgungsbezüge für die Zeit von Oktober 1983 bis März 1984 beitragsfrei, soweit sie monatlich 660 DM nicht überstiegen. Diese Grenze überschritten lediglich die für Dezember 1983 gezahlten Bezüge (2 x 398,86 DM) mit 137,72 DM, die damit - anders als nach der gesetzlichen Neuregelung, nach der sie schon wegen Anrechnung des "Studentenbeitrags" ebenfalls beitragsfrei wären - an sich zu einer Beitragsforderung von 7,57 DM führen würden. Gemäß § 381 Abs 2 Satz 3 RVO sind jedoch ua die nach § 180 Abs 6 Nr 2 RVO zu bemessenden Beiträge, um die es hier allein geht, nur zu entrichten, wenn sie monatlich mindestens 10 DM betragen. Dieser Betrag wurde beim Kläger weder laufend monatlich noch auch nur für den Monat Dezember 1983 erreicht. Eine Beitragsforderung der Beklagten besteht daher auch in Höhe der 7,57 DM nicht.

Bei diesem Ergebnis kommt es nicht mehr darauf an, ob der genannte Spitzenbetrag von 137,72 DM auch aus anderen Gründen beitragsfrei gewesen wäre, ob insbesondere die - unter den Beteiligten besonders umstrittene - Sonderzuwendung (§ 2 Abs 2 BeamtVG, § 1 Abs 1 Nr 4, § 4 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 1, § 7 SZG) zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen gehört. Diese Frage hatte der Senat nicht zu entscheiden, weil die Revision der Beklagten schon aus den anderen dargelegten Gründen im Ergebnis keinen Erfolg hat.

Entsprechend den vorstehenden Ausführungen hat der Senat die Revision der Beklagten zurückgewiesen, auf die Anschlußrevision des Klägers die Entscheidungen der Vorinstanzen geändert, die Bescheide der Beklagten vom 19. Januar und 15. März 1984 in vollem Umfang aufgehoben und die Beklagte zur Rückzahlung der Beiträge verurteilt. Der Aufhebung eines Widerspruchsbescheides bedurfte es entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht, weil ein solcher nicht ergangen ist, die Widerspruchsstelle den Widerspruch des Klägers vielmehr als Klage dem SG zugeleitet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662700

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