Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. April 1989 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Wintergeld (WG) für den Monat März 1984.
Sie betreibt ein Bauunternehmen; ein Betriebsrat existiert nicht. Am 20. Februar 1984 hatte sie WG für Dezember 1983, am 27. März 1984 für Januar 1984 und am 28. März 1984 für Februar 1984 beantragt. Diese Anträge wurden durch Bescheide vom 28. März und 17. Mai 1984 positiv beschieden. Im Rahmen einer Betriebsprüfung vom 7. November 1984 wurde die Klägerin von der Beklagten darüber unterrichtet, daß ein Antrag auf WG für März 1984 nicht vorliege. Gemäß einem Aktenvermerk der Beklagten konnte Frau K., die zuständige Sachbearbeiterin der Klägerin, an diesem Tag die Durchschrift eines entsprechenden Antrags nicht finden. Am 15. November 1984 teilte Frau K. dem Arbeitsamt (ArbA) mit, sie habe die Abrechnungslisten für März 1984 im April 1984 übersandt und die Durchschriften bei der Betriebsprüfung deswegen nicht finden können, weil sie im Ordner für 1983 abgeheftet gewesen seien. Mit Schreiben vom 19. November 1984, eingegangen am 22. November 1984 (der 21. November 1984 war ein gesetzlicher Feiertag), übersandte die Klägerin die Kopie eines Schreibens vom 13. April 1984 an das ArbA betreffend die Übersendung eines Antrags auf WG für März 1984 (Höhe 11.908,– DM). Mit Schreiben vom 6. Februar 1985 beantragte sie vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; beigefügt waren (neben einer weiteren Kopie des Schreibens vom 13. April 1984) Ersatzabrechnungslisten für März 1984 (Höhe 15.403,– DM) und eine eidesstattliche Versicherung der Frau K. darüber, daß sie im April 1984 die Unterlagen für das WG März 1984 zusammengestellt, am 12. April 1984 das Anschreiben (vom 13. April 1984) gefertigt und die Unterlagen zusammen mit dem Schreiben zur Post gegeben habe.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf WG für März 1984 mit dem Hinweis ab, der Antrag sei erst nach Ablauf der Ausschlußfrist von drei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit (30. Juni 1984) gestellt worden, nämlich am 7. Februar 1985; die Klägerin sei für die tatsächliche Absendung der Unterlagen im April 1984 beweispflichtig; dieser Beweis sei nicht erbracht; insbesondere sei nicht erklärlich, weshalb die Klägerin die Zahlung des WG bis zur Betriebsprüfung im November 1984 nicht reklamiert habe; auch sei nicht ersichtlich, weshalb Frau K. sich nicht bereits im November 1984 an die Angaben habe entsinnen können, die sie in der eidesstattlichen Versicherung von Februar 1985 gemacht habe; unter diesen Umständen widerspreche die Berufung auf die Ausschlußfrist nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben, zumal die Klägerin ein Merkblatt und eine Anleitung zur Verfügung gehabt habe, denen sie den Lauf der Frist habe entnehmen können, und darüber hinaus im Mai 1984 ein Schreiben erhalten habe, durch das auf den Fristablauf hingewiesen worden sei (Bescheid vom 26. Februar 1985; Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1985). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der genannten Bescheide und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 15.403,– DM WG für März 1984 erstrebte, unter Zulassung der Berufung abgewiesen (Urteil vom 13. November 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 11. April 1989).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von WG für März 1984, da der erforderliche Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden sei, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheide, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht Platz greife und die Berufung auf die Ausschlußfrist nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen von Treu und Glauben stehe.
Der Antrag auf WG sei nicht rechtzeitig erfolgt, weil er nicht bis zum 30. Juni 1984, dem Ablauf einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit (§ 75 Abs 2 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-), gestellt worden sei (§ 81 Abs 3 Satz 2 AFG). Er sei von der Klägerin zwar fristgerecht, nämlich im April 1984, zur Post gegeben worden. Doch sei er der Beklagten nicht, wie für eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung erforderlich (§ 130 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), zugegangen. Das Übermittlungsrisiko liege beim Absender (BSG SozR 5486 Art 4 § 2 Nr 2). Die bloße Möglichkeit, daß der Antrag bei der Beklagten angekommen, dort aber fehlgeleitet oder verlorengegangen sein könne, genüge für die Feststellung des Zugangs nicht.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erfüllt. Die Bestimmung des § 27 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) greife zwar nicht nur bei Versäumung von Verfahrensfristen, sondern auch bei Ausschlußfristen, die sich auf Verfahrenshandlungen bezögen, ein (BSG vom 16. Oktober 1986 – 12 RK 32/85 –). Doch handele es sich bei § 81 Abs 3 AFG um eine Vorschrift, aus der sich der Ausschluß der Zulässigkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergebe (§ 27 Abs 5 SGB X). Dafür spreche die Entstehungsgeschichte des § 81 Abs 3 AFG. Der Gesetzgeber habe durch die Verwendung des Ausdrucks „Ausschlußfrist” klarstellen wollen, daß die Versäumung der Frist ohne Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Anspruchsausschluß zur Folge haben solle (BSG vom 10. Dezember 1980 – 7 RAr 76/79 –).
Auch ein sog sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme nicht zum Tragen. Die Beklagte verstoße nicht gegen Beratungs- oder Betreuungspflichten, wenn sie über eingegangene Anträge nach Ablauf der Ausschlußfrist entscheide, ohne zuvor Eingangsbestätigungen versandt zu haben. Ohne Rückfrage des Antragstellers bestehe kein Anlaß für eine Auskunft. Allenfalls sei an eine Pflicht der Beklagten zu denken, die Klägerin vor Ablauf der Ausschlußfrist auf die Monate aufmerksam zu machen, für die kein Antrag eingegangen sei. Dies laufe indes auf eine Überspannung der Betreuungspflicht der Beklagten hinaus. Zum einen bestehe beim WG kein Anlaß zu einem konkreten Hinweis von Amts wegen, weil einem solchen Antrag im Unterschied etwa zum Antrag auf Schlechtwettergeld (SWG) keine Anzeige vorausgehe und die Beklagte somit nicht erkennen müsse, daß die Antragstellung versehentlich unterlassen worden sei. Zum anderen obliege es der Klägerin sowohl im eigenen wie im Interesse ihrer Arbeitnehmer, sich auf andere Weise über den Eingang ihrer Anträge Gewißheit zu verschaffen, etwa mittels Postzustellungsurkunde, Einschreibens mit Rückschein oder Rückfrage. Eine Übung der Beklagten, auf fehlende Anträge hinzuweisen, habe im Hinblick auf WG nicht mehr bestanden. Die Klägerin könne sich mithin auch nicht auf deren unvermuteten Wegfall berufen (BSG SozR 4100 § 72 Nr 2).
Schließlich laufe die Berufung auf den Ablauf der Ausschlußfrist nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben zuwider. Das könne allenfalls dann angenommen werden, wenn bei der Klägerin ganz erhebliche, langfristig wirksame Interessen auf dem Spiel stünden und die Versäumung der Frist nicht nur ohne Verschulden, sondern regelmäßig auch infolge höherer Gewalt erfolge oder die Ursache der Fristversäumung der Behörde zuzurechnen sei. Solche Umstände lägen hier nicht vor. Daß die Voraussetzungen des verspätet angemeldeten Anspruchs gegeben seien, reiche für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht aus; ein solcher Grundsatz sei vom BSG nicht, auch nicht in BSGE 14, 246, 250 = SozR Nr 2 zu § 58 BVG, aufgestellt worden. Das gelte jedenfalls solange, als der vom Gesetzgeber angeordnete Anspruchsausschluß im Einzelfall nicht völlig andere Dimensionen als im Normalfall annehme. Ein solches Mißverhältnis sei hier nicht festzustellen. Der Verlust des WG für einen Monat auf seiten der Klägerin wiege nicht schwerer als das Interesse der Beklagten an Klarheit darüber, mit welchen Leistungsverpflichtungen sie für eine Saison zu rechnen habe. Das werde vorliegend noch dadurch verdeutlicht, daß die Klägerin den Ausfall des WG selbst in dem Zeitpunkt noch nicht bemerkt habe, als es längst hätte bewilligt sein müssen.
Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung von § 130 BGB, § 27 SGB X, § 81 Abs 3 AFG sowie der Rechtsfigur des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Zur Begründung macht sie geltend:
Das LSG habe ihr zu Unrecht das Übermittlungsrisiko aufgebürdet. Die zivilrechtlichen Grundsätze zu § 130 BGB dürften nicht uneingeschränkt auf das öffentliche Recht übertragen werden. Wenn ein Antrag auf WG wie hier rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben worden sei, spreche eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß er im normalen Postlauf bei der Beklagten angekommen und dort fehlgeleitet oder verlorengegangen sei. Nach gefestigter zivilgerichtlicher Rechtsprechung habe ein Abmahnender lediglich zu beweisen, daß er ein richtig adressiertes und frankiertes Abmahneschreiben zur Post gegeben habe; es sei dann Sache des Verletzers, zu beweisen, diese Erklärung nicht erhalten zu haben. Wenn schon im Zivilrecht eine vom Grundgedanken des § 130 BGB abweichende Interessenlage ausreiche, um dem Erklärungsempfänger den Beweis dafür aufzuerlegen, daß er einen ordnungsgemäß adressierten und zur Post gegebenen Brief nicht erhalten habe, müsse diese Beweislastverteilung erst recht in dem durch das Sozialstaatsprinzip ausgestalteten Sozialrechtsverhältnis gelten.
Auch die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) seien verwirklicht. Der Ausschluß dieses Rechtsinstituts sei entgegen der Auffassung der LSG nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 81 Abs 3 AFG abzuleiten. Offen bleiben könne, ob mit dem Ausdruck „Ausschlußfrist” in dieser Vorschrift habe klargestellt werden sollen, daß die Fristversäumung regelmäßig und ohne Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Anspruchsausschluß mit sich bringen solle. Diese gesetzgeberische Wertung könne nach Einführung des § 27 SGB X keine Geltung mehr beanspruchen. Mit Schaffung dieser Norm habe der Gesetzgeber sich in dem Sinne revidiert, daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich möglich sein und eine evtl notwendige Korrektur über das Merkmal „ohne Verschulden” vorgenommen werden solle.
Die Auffassung der LSG zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sei rechtsfehlerhaft. Die Beklagte habe in einer Vielzahl von Fällen erst nach Ablauf der Frist des § 81 Abs 3 AFG entschieden. Der Kläger habe demgemäß nicht von einer Antragsbearbeitung vor Ende Juni 1984 auszugehen brauchen. Bei dieser Sachlage hätte die Beklagte der Klägerin den Eingang des Antrags bestätigen müssen. In der Justiz teilten Gerichte und Staatsanwaltschaft den Eingang verfahrenseinleitender Anträge regelmäßig mit. Im Verwaltungsverfahren könne, wenn Ausschlußfristen bestünden und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Frage komme, nichts anderes gelten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1985 zu verurteilen, der Klägerin für den Monat März 1984 Wintergeld in Höhe von 15.403,– DM nebst Prozeßzinsen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert: Es komme für die Einhaltung der Ausschlußfrist des § 81 Abs 3 AFG nach ständiger Rechtsprechung des BSG darauf an, wann der Antrag beim ArbA eingegangen sei. Bei einer innerhalb der Ausschlußfrist abgegebenen Willenserklärung trage der Erklärende das Übermittlungsrisiko. Ein Antrag auf Gewährung von SWG sei, wie das BSG entschieden habe, eine rechtsgestaltende Willenserklärung, die innerhalb der vorgesehenen Fristen beim zuständigen ArbA eingehen müsse, um den Bestand des Anspruchs zu gewährleisten. Für die hier in Rede stehende Regelung des § 81 Abs 3 AFG treffe das gleiche zu.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei gemäß § 27 Abs 5 SGB X iVm § 81 Abs 3 AFG ausgeschlossen. Selbst wenn sie zulässig sei, fehle es an den gesetzlichen Voraussetzungen. Die Klägerin sei nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist der §§ 81 Abs 3, 75 Abs 2 Nr 2 AFG einzuhalten. Wenn die Klägerin den Antrag auf WG für März 1984 tatsächlich im April 1984 zur Post gegeben habe, hätte sie sich, nachdem er bis Ende Mai/Mitte Juni 1984 nicht beschieden worden sei, veranlaßt sehen müssen, vor Ablauf der Ausschlußfrist beim ArbA rückzufragen. Unabhängig davon habe sie nicht fristgemäß iS von § 27 Abs 2 SGB X gehandelt. Das gelte auch, wenn man unterstelle, das Hindernis für die Wahrung der Ausschlußfrist sei erst am 7. November 1984 weggefallen. Die Klägerin habe ihren Wiedereinsetzungsantrag nicht vor dem 7. Februar 1985 gestellt. Der Antrag vom 19. November 1984 sei ebenfalls verspätet; er sei nicht innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt worden.
Schließlich könne der Klägerin das begehrte WG nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zugebilligt werden. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin keine Pflichtverletzung begangen. Sie habe die Klägerin im Gegenteil rechtzeitig und umfassend über den Ablauf der Ausschlußfrist informiert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die von ihr für den Monat März 1984 geltend gemachten Ansprüche auf WG sind nicht gegeben. Es fehlt an einem rechtzeitig gestellten Antrag.
Gemäß § 81 Abs 3 AFG in der hier maßgebenden Fassung des SGB X vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) wird WG auf Antrag gewährt (Satz 1). Der Antrag ist vom Arbeitgeber unter Beifügung der Stellungnahme der Betriebsvertretung bis zum Ablauf einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit zu stellen (Satz 2). Den Antrag kann auch die Betriebsvertretung stellen (Satz 3). Schlechtwetterzeit ist nach § 75 Abs 2 Nr 2 AFG die Zeit vom 1. November bis 31. März. Der Antrag auf WG für den Monat März 1984 hätte danach bis zum 30. Juni 1984 gestellt werden müssen. Da dieser Tag jedoch auf einen Samstag fiel, verlängerte sich die Frist bis zum Ablauf des nächsten Werktags (§ 193 BGB), dh bis zum Ablauf des 2. Juli 1984 (vgl hierzu etwa Kühl in Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand November 1990, § 81 Anm 10). Ein Eingang des WG-Antrags bei der Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt hat sich nicht feststellen lassen.
Allerdings hat die Klägerin den WG-Antrag nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht worden und die daher für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), vor dem 2. Juli 1984, nämlich im April 1984, zur Post gegeben. Indessen ist der Antrag, der beim zuständigen ArbA schriftlich zu stellen war (§ 81 Abs 1 Satz 1 AFG), damit noch nicht wirksam geworden. Es handelt sich beim Antrag auf WG um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die die Grundsätze des bürgerlichen Rechts über Willenserklärungen entsprechend anzuwenden sind (BSG SozR 4100 § 72 Nr 2; SozR 5486 Art 4 § 2 Nr 2). Nach § 130 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen – auch einer Behörde – gegenüber in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Der Zugang des Schreibens vom 13. April 1984, dem nach seinem Wortlaut die Abrechnungslisten für den Monat März 1984 in doppelter Ausfertigung beigefügt waren, hat sich nicht feststellen lassen. Ohne den fristgerechten Antrag war die Beklagte nicht befugt, den Anspruch auf WG für März 1984 zuzusprechen. Denn die rechtzeitige Stellung des Antrags ist materiell-rechtliche Voraussetzung des Leistungsanspruchs (BSG vom 21. Juni 1977 – 7 RAr 129/75 – Dienstbl der Bundesanstalt für Arbeit, Rechtsprechung -DBlR- Nr 2192a zu § 81 AFG).
Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht trägt die Klägerin das Übermittlungsrisiko der Postbeförderung. Die Vorschrift des § 130 BGB, die das Übermittlungsrisiko dem Absender einer Willenserklärung auferlegt, verkörpert einen allgemeinen Grundsatz, der auch für empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärungen gilt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4100 § 72 Nr 2; SozR 5486 Art 4 § 2 Nr 2; SozR 4100 § 81 Nr 3; BSGE 48, 12, 15 = SozR 2200 § 1227 Nr 23). Die Darlegungen der Revision geben keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Die bloße Möglichkeit, daß der WG-Antrag bei der Beklagten angekommen, dort aber fehlgeleitet oder verlorengegangen sein könnte, reicht, wie das LSG zu Recht ausführt, für die Feststellung des Zugangs nicht aus. Damit mangelt es am rechtzeitig gestellten Antrag auf WG.
Ein der Klägerin günstigeres Ergebnis läßt sich nicht aus der am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen Bestimmung des § 27 SGB X herleiten. Danach ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (Abs 1 Satz 1). Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (Abs 2 Satz 1). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (Abs 2 Satz 3). Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs 2 Satz 4). Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Behörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat (Abs 4). Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, daß sie ausgeschlossen ist (Abs 5).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X ist, wie inzwischen weitgehend anerkannt, nicht nur bei Verfahrensfristen, sondern auch bei materiellen Fristen zulässig. Dafür läßt sich der Wortlaut der Bestimmung anführen, der in auffälligem Gegensatz zur prozessualen Wiedereinsetzungsvorschrift des § 67 Abs 1 SGG nicht die Versäumung einer Verfahrensfrist verlangt, sondern die Nichteinhaltung jeder gesetzlichen Frist genügen läßt. Dafür spricht ferner, daß es nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben kann, mit § 27 SGB X nur Verfahrensfristen zu regeln, den sehr viel größeren und wichtigeren Bereich der materiellen Fristen hingegen ungeregelt zu lassen (BSGE 64, 153, 156 = SozR 1300 § 27 Nr 4; vgl auch BSG vom 16. Oktober 1986 – 12 RK 32/85 –). Doch findet § 27 SGB X nicht auf die Versäumung jeder materiellen Frist Anwendung. Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist oder sich durch Auslegung nach dem Zweck der jeweiligen Fristbestimmung und der ihr zugrundeliegenden Interessenabwägung ergibt (BSGE 64, 153, 156 f = SozR 1300 § 27 Nr 4 mwN).
Die Ausschlußfrist des § 81 Abs 3 Satz 2 AFG unterfällt dem Vorbehalt des § 27 Abs 5 SGB X. Zwar läßt sich aus dem Wort „Ausschlußfrist” allein nicht ohne weiteres ein Rückschluß auf den rechtlichen Wert einer Frist ziehen (BSGE 43, 19, 23 = SozR 4495 § 11 Nr 1). Jedoch hat der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs „Ausschlußfrist” in § 81 Abs 3 Satz 2 AFG klarstellen wollen, daß die Versäumung dieser Frist regelmäßig und ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung den Anspruchsausschluß zur Folge haben soll. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 81 Abs 3 AFG.
Diese Vorschrift geht auf § 143 l Abs 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) idF des 3. ÄndG zum AVAVG vom 28. Oktober 1960 (BGBl I 833) zurück. Danach war der SWG-Antrag spätestens innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit beim zuständigen ArbA einzureichen. Zu dieser Vorschrift hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Zweimonatsfrist eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist sei, gegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne (BSGE 22, 257, 258 f = SozR 143 l AVAVG Nr 2; vgl auch Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, 1961, § 143 l Rz 17; Krebs, AVAVG, Stand 30. September 1966, § 143 l Rz 14). Das AFG übernahm diese Regelung im wesentlichen unverändert in § 79 Abs 2. Die Bundesregierung führte zur Begründung des § 79 Abs 2 AFG aus, diese Vorschrift entspreche § 143 l Abs 2 AVAVG (BT-Drucks V/2291 S 75 zu § 73). Die Rechtsprechung ist dem gefolgt (BSG SozR 4100 § 72 Nr 2). Die sog Winterbaunovelle (Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des AFG vom 19. Mai 1972 – BGBl I 791 –) verlängerte die Ausschlußfrist auf drei Monate nach dem Ende der Schlechtwetterzeit und strich das Wort „spätestens”, bei dem es sich um eine ohnehin überflüssige Erläuterung zum Begriff der Ausschlußfrist gehandelt hatte (BSG SozR 4100 § 72 Nr 2). Somit war auch mit § 88 Abs 2 AFG idF der Winterbaunovelle eine Änderung der Rechtsfolgen der Fristversäumnis nicht eingetreten. Dementsprechend wird § 88 Abs 2 AFG wie § 143 l Abs 2 AVAVG als materiell-rechtliche Ausschlußfrist verstanden, nach deren Ablauf der Berechtigte von der Geltendmachung des Anspruchs grundsätzlich ausgeschlossen ist (BSGE SozR 4100 § 72 Nr 2; Kühl in Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 88 Rz 12; Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, 1988, § 88 Rz 13; Krebs/Schelter, Komm zum AFG, Stand März 1989, § 88 Rz 11; Schmidt in Gemeinschaftskomm zum AFG (GK-AFG), § 88 Rz 47; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 88 Rz 14). Dieser Regelung für das SWG ist § 81 Abs 3 AFG nachgebildet. Der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung, auf dessen Empfehlung das WG mit der Winterbaunovelle eingeführt wurde, hat zur Begründung des § 81 Abs 2a seines Gesetzentwurfs (= § 81 Abs 3 AFG) ausdrücklich betont, das Antragsverfahren sei beim WG genauso geregelt worden wie beim SWG (BT-Drucks VI/3261 S 5). Hieraus ergibt sich, daß bei Versäumung der Ausschlußfrist des § 81 Abs 3 AFG die gleichen Folgen wie bei Versäumung der Ausschlußfrist beim SWG eintreten sollten,
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mithin ausgeschlossen sein sollte. Darauf hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Dezember 1980 – 7 RAr 76/79 -(DBlR Nr 2471a zu § 81 AFG) unter Berücksichtigung der zum 1. Januar 1981 in Kraft getretenen Vorschrift des § 27 SGB X hingewiesen. Gleichzeitig hat er herausgestellt, der Umstand, daß die Voraussetzungen des WG gegeben seien, stehe dem Anspruchsausschluß nicht entgegen. Der Sinn der Ausschlußfrist des § 81 Abs 3 AFG liege nicht allein darin, die Beklagte davor zu schützen, daß gegen sie Ansprüche erhoben würden, deren Berechtigung sie (nach Ablauf der Frist) nur noch schwer nachprüfen könne. Die Frist solle vielmehr auch sicherstellen, daß die Beklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Überblick über den Umfang der zu gewährenden Leistungen erhalte, was die Einhaltung der Frist erfordere. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie hat auch im Schrifttum allgemeine Zustimmung gefunden (Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, § 81 Rz 21, 25; Krebs/Schelter, aaO, § 81 Rz 11, 16; Schmidt in GK-AFG, aaO, § 81 Rz 19; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 81 Rz 11). Damit scheidet hier die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Über die Rechtsfigur des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Klägerin nicht zu einem günstigeren Ergebnis verholfen werden. Dieser Anspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aus einem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl hierzu etwa BSG SozR 4100 § 56 Nr 18; BSG vom 11. Januar 1989 – 7/11b RAr 16/87 – jeweils mwN). Voraussetzung ist folglich ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten, an dem es aber fehlt. Hier kann der Beklagten nicht angelastet werden, die Klägerin bis Ende Juni 1984 nicht auf den fehlenden WG-Antrag für März 1984 aufmerksam gemacht zu haben. Die Beklagte hat die Klägerin vielmehr rechtzeitig und umfassend über den Ablauf der Ausschlußfrist informiert. Zum einen hatte die Klägerin sowohl ein Merkblatt als auch eine Anleitung zur Verfügung, denen der Lauf der Frist entnommen werden konnte. Zum anderen hatte ihr die Beklagte im Mai 1984 ein Schreiben zukommen lassen, durch das auf den Fristablauf eigens hingewiesen wurde. Bei dieser aus den Feststellungen des LSG ersichtlichen Sachlage wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, sich über den Eingang ihres WG-Antrags bei der Beklagten Gewißheit zu verschaffen. Eine Übung der Beklagten, auf fehlende Anträge hinzuweisen, bestand nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht. Eine Reaktion auf einen nicht gestellten Antrag kann von der Beklagten nicht verlangt werden; ein Anerkennungsverfahren, aus dessen Einleitung Rückschlüsse auf die Absicht der Stellung eines Leistungsantrags gezogen werden könnten, ist der Gewährung von WG, anders als etwa bei der Bewilligung von Kurzarbeitergeld (§ 72 Abs 1 Satz 4 AFG), nicht vorgeschaltet.
Darin, daß die Beklagte sich auf die Ausschlußfrist des § 81 Abs 3 AFG beruft, kann kein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) erblickt werden. Selbst wenn man mit der Rechtsprechung des BSG zur sog Nachsichtgewährung davon ausgeht, daß ein Rechtsmißbrauch uU dann vorliegen kann, wenn die Einhaltung der Ausschlußfrist für die Verwaltung von geringer Bedeutung ist und ganz erhebliche, langfristig wirksame Interessen des Bürgers auf dem Spiel stehen (BSG vom 14. November 1978 – 7 RAr 5/78 – DBlR Nr 2346a zu § 81 AFG; BSGE 48, 12 = SozR 2200 § 1227 Nr 23; BSG vom 10. Dezember 1980 – 7 RAr 76/79 – DBlR Nr 2471a zu § 81 AFG), läßt sich, wie das LSG zu Recht betont, ein solcher Verstoß hier nicht bejahen; denn es geht vorliegend um Zahlung von WG für einen relativ kurzen Zeitraum, nämlich einen Monat. Das schließt eine Berufung auf rechtsmißbräuchliches Verhalten nach der Rechtsprechung des BSG zur Nachsichtgewährung aus.
Die Revision der Klägerin konnte somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen