Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Weiterzahlung einer ungeteilten Witwenrente unter Aufhebung der Bewilligung der Geschiedenen-Witwenrente an die Beigeladene.
Der 1912 geborene Versicherte Dr. med. K hatte im Jahre 1941 die 1915 geborene Beigeladene geheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts (LG) H. vom 14. Juli 1966 rechtskräftig geschieden. Während des Scheidungsverfahrens hatten die Eheleute am 6. Juli 1966 einen notariell beurkundeten Vertrag (sog Scheidungsfolgenvertrag) geschlossen, in dem sich der Versicherte ua verpflichtete, an die Beigeladene ein Grundstück zu übertragen und ihr ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zu seinem Tode einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 850,00 DM zu zahlen.
1968 heiratete der Versicherte die 1935 geborene Klägerin. Ab 1. November 1979 bezog er von der Beklagten ein Altersruhegeld. Ferner erhielt er vom Versorgungswerk der Ärztekammer H. (nachfolgend Ärztekammer) ab 1. Oktober 1980 eine Altersrente.
Der Versicherte verstarb am 2. Juni 1984. Die Ärztekammer gewährte sowohl der Klägerin als auch der Beigeladenen eine Hinterbliebenenrente, die sie nach dem Verhältnis der jeweiligen Ehejahre aufteilte. Beide Renten wurden in der Folgezeit regelmäßig angepaßt. Mit ihrem im Juli 1994 gestellten Antrag, ihr eine ungeteilte Witwenrente nach dem Versorgungsstatut zu gewähren, hatte die Klägerin keinen Erfolg (Bescheid und Widerspruchsbescheid der Ärztekammer vom 24. Oktober 1994 und 12. Januar 1995, Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 6. Dezember 1995 und Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1997, Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 1998).
Die Beklagte hatte der Klägerin ab 1. Juli 1984 eine große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 41 Abs 1, 45 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz ≪AVG≫ aF) bewilligt (Bescheid vom 30. Oktober 1984). Nach Ablauf des sog Sterbevierteljahrs (§ 45 Abs 5 AVG aF) stellte die Beklagte den monatlichen Rentenwert ab 1. Oktober 1984 mit 1.149,40 DM fest. Hierbei handelte es sich um einen ungeteilten Rentenwert, da die Beigeladene – zunächst – keinen Rentenantrag gestellt hatte. Der Wert der Witwenrente erhöhte sich nachfolgend durch die entsprechenden gesetzlichen Anpassungen.
Am 17. Juni 1994 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Gewährung einer Geschiedenen-Witwenrente, weil der Versicherte ihr durchgehend bis zu seinem Tode den vertraglich geschuldeten Unterhalt geleistet habe, und zwar zuletzt in Höhe von monatlich 1.350,00 DM. Bei ihrer Anhörung machte die Klägerin geltend, der Beigeladenen stehe nicht eine Rente nach § 243 SGB VI zu; aus dem Scheidungsfolgenvertrag vom 6. Juli 1966 und der iVm diesem Vertrag geführten anwaltlichen Korrespondenz ergebe sich, daß die Beigeladene für die Zeit nach dem Tode des Versicherten sowohl auf Unterhaltsansprüche als auch auf anteilige Renten- und Versorgungsansprüche verzichtet und dafür zum Ausgleich das Grundstück erhalten habe. Damit sollten die Erben des Versicherten zugleich von Unterhaltsansprüchen freigehalten werden.
Die Beklagte entsprach dem Antrag der Beigeladenen und setzte den Wert der beiden Renten nach dem Verhältnis der jeweiligen Ehezeiten fest. Unter dem einleitenden Hinweis: „Ihre bisherige große Witwenrente wird neu berechnet” erkannte sie der Klägerin ab 1. Oktober 1994 eine laufende Rente mit einem monatlichen Wert von 620,38 DM zu (Bescheid vom 12. September 1994). Der Beigeladenen wurde ab 1. Juli 1994 eine Geschiedenen-Witwenrente mit einem monatlichen Wert von 900,21 DM bewilligt (Bescheid vom 13. September 1994).
Mit ihrem Widerspruch begehrte die Klägerin die Aufhebung der genannten Bescheide und Weitergewährung der ungeteilten Witwenrente auf der Grundlage der früheren Bewilligung; in ihrer Begründung nahm sie ergänzend auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. April 1986 (1 RA 21/85, SozR 2200 § 1268 Nr 29) Bezug. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 1995). Klage und Berufung der Klägerin, die sie ua auch auf das Urteil des BSG vom 18. Dezember 1973 (5 RKn 29/72, BSGE 37, 50) gestützt hatte, hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 4. August 1998, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 2. Juni 1999). Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Juni 1999 und des Sozialgerichts Hamburg vom 4. August 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 13. September 1994 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß die angefochtenen Entscheidungen nicht zu beanstanden seien.
Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und auch in der Sache nichts vorgetragen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ihr Begehren, ihr ab 1. Oktober 1994 auf der Grundlage der bisherigen bescheidmäßigen Bewilligung eine ungeteilte große Witwenrente zu zahlen und damit den Bescheid der Beklagten vom 12. September 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1995 sowie den Bescheid vom 13. September 1994 aufzuheben; mit diesen Bescheiden hatte die Beklagte der Beigeladenen die sog große Geschiedenen-Witwenrente zuerkannt, die bisherige zu Gunsten der Klägerin erfolgte Rentenbewilligung teilweise aufgehoben und den monatlichen Wert beider Renten im Verhältnis der jeweiligen Ehezeiten ermittelt.
Ihr Klageziel hat die Klägerin zulässigerweise mit der Anfechtungsklage verfolgt; denn werden die genannten Bescheide aufgehoben, ist die Beklagte verpflichtet, auf der Grundlage des früheren bindend gewordenen Bewilligungsbescheides vom 30. Oktober 1984 die Rente ungeteilt an die Klägerin weiterzuzahlen.
Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, den mit Bescheid vom 30. Oktober 1984 bindend festgesetzten Wert des subjektiven Rechts auf eine große Witwenrente mit Bescheid vom 12. September 1994 abzuändern bzw teilweise aufzuheben.
Der Eingriff in den Wert des zuerkannten Rechts stützt sich auf § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Seit dem 1. Januar 1992 läßt sich die Ermächtigung zur – völligen oder teilweisen – Aufhebung bindend gewordener Hinterbliebenenrentenbescheide nicht mehr unmittelbar dem Rentenrecht entnehmen; insoweit ist das bis zum 31. Dezember 1991 geltende Recht des AVG nicht fortgeschrieben worden. Das SGB VI hat in § 91 Satz 1 zwar die „Aufteilungsvorschrift” des § 45 Abs 4 Satz 1 AVG übernommen, nicht aber die Spezialermächtigung des Satzes 2 (aaO) zur Änderung bindend gewordener Hinterbliebenenrentenbescheide, wenn eine weitere Berechtigte/ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen ist. Dies beurteilt sich demzufolge ab 1. Januar 1992 allein nach den allgemeinen Regelungen der §§ 44 ff SGB X.
Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Auf diese Norm stützt sich der Eingriff der Beklagten in das der Klägerin zuerkannte subjektive Recht, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Bescheid zum Ausdruck gekommen ist. Der Bescheid vom 12. September 1994 läßt noch hinreichend deutlich erkennen, daß die Beklagte die – teilweise – Aufhebung der früheren Rentenbewilligung verfügt hat. Zwar hat sie sich nicht ausdrücklich auf § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X bezogen und nicht ausdrücklich den hier maßgeblichen früheren Bewilligungsbescheid mit seinem Datum benannt; der Hinweis im Bescheid vom 12. September 1994: „Ihre bisherige große Witwenrente wird neu berechnet” macht jedoch deutlich, daß die Beklagte die frühere Bewilligung abändern, dh teilweise aufheben wollte.
Rechtsgrundlage der Rentenzahlungen an die Klägerin bis Ende September 1994 war der Bescheid vom 30. Oktober 1984. Darin hatte die Beklagte der Klägerin ab 1. Juli 1984 bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und auf Dauer ein (dynamisierbares) subjektives Recht auf eine sog große Witwenrente zuerkannt, sowie ab 1. Oktober 1984 dessen ursprünglichen Wert bestimmt. Dieses durch Verwaltungsakt zuerkannte Recht (sog Stammrecht) war Grundlage der hieraus monatlich entstehenden Zahlungsansprüche (Rechtsfrüchte iS des § 99 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Der Wert dieses subjektiv-öffentlichen Rechts von damals 1.149,40 DM war Ausgangspunkt der gesetzmäßigen Rentenanpassungen (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1260c Nr 6).
Mit der durch Bescheid vom 12. September 1994 vorgenommenen „Neuberechnung”, also Neubewertung des Rentenwerts, hat die Beklagte dem mit Bescheid vom 30. Oktober 1984 bindend zuerkannten Wert des subjektiven Rechts auf die Witwenrente verändert, indem sie durch Aufteilung dessen Wert herabsetzte. Insoweit ist in das Stammrecht, aus dem die monatlichen Zahlungsansprüche fließen, mit Wirkung ab 1. Oktober 1994 eingegriffen worden.
Diesen Eingriff rechtfertigt § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X; im Vergleich zur Rentenbewilligung im Jahre 1984 ist eine Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Jahre 1994 dadurch eingetreten, daß die Beigeladene im Juni 1994 den Antrag auf Geschiedenen-Witwenrente gestellt und die Beklagte ihr die beantragte Rente zu gewähren hatte und auch gewährt hat. Da insgesamt wertmäßig nur „eine” Witwenrente gewährt werden kann, war die Beklagte gemäß § 91 Satz 1 SGB VI verpflichtet, den Gesamtwert aufzuteilen. Besteht nämlich für denselben Zeitraum ua Anspruch auf Witwenrente für mehrere Berechtigte, so erhält jede den Teil der Witwenrente, der dem Verhältnis der Dauer ihrer Ehe mit dem Versicherten zu der Dauer der Ehe der anderen Berechtigten mit dem Versicherten entspricht. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, daß die Beklagte entsprechend dieser Norm die Aufteilung des Werts der Witwenrente und der Geschiedenen-Witwenrente rechnerisch zutreffend vorgenommen hat. Die Klägerin bestreitet allein die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 91 SGB VI. Insoweit macht sie jedoch zu Unrecht geltend, daß die Beigeladene keinen Rentenanspruch habe und damit schon deshalb die Aufteilungsvoraussetzung entfallen sei.
Ob sich das Recht der Beigeladenen auf Geschiedenen-Witwenrente nach § 42 Abs 1 AVG oder nach § 243 SGB VI beurteilt, kann dahinstehen; insoweit ist auch nicht näher auf die Übergangsregelungen der §§ 300 SGB VI ff einzugehen. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Normen ist von vornherein nicht eröffnet, wenn mit dem Inkrafttreten des SGB VI keine Rechtsänderung stattgefunden hat (Urteil des Senats vom 29. August 1996, SozR 3-2600 § 63 Nr 1 ≪S 8≫). Inhaltlich hat das SGB VI das bisherige Recht fortgeschrieben, indem § 243 SGB VI die hier relevanten Regelungen der §§ 42 Abs 1 Satz 1 und 45 Abs 2 AVG aF übernommen hat. Unter diesen Umständen genügt es, zur sprachlichen Vereinfachung jeweils nur § 243 SGB VI als gegenwärtig zugrunde zu legenden Gesetzestext zu zitieren.
Nach § 243 Abs 2 SGB VI hat die geschiedene Ehefrau Anspruch auf die sog große Geschiedenen-Witwenrente, wenn ihre Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist (Nr 1), sie nicht wieder geheiratet (Nr 2) und im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode ein Anspruch hierauf gehabt hat (Nr 3 Regelungen 1 und 2) sowie ua das 45. Lebensjahr vollendet hat (Nr 4 Buchst b), sofern der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist. Diese Voraussetzungen sind von der Beigeladenen erfüllt worden.
Der Versicherte hatte unstreitig die allgemeine Wartezeit erfüllt (dies ergibt sich bereits aus den Versicherungsverläufen in den Rentenbescheiden) und war nach dem 30. April 1942 gestorben. Die Ehe ist vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden und die Beigeladene hat nicht wieder geheiratet; bei Rentenbeginn hatte sie das 45. Lebensjahr vollendet. Schließlich hatte sie im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten von diesem Unterhalt iS von § 243 Abs 2 Nr 3 Regelung 1 SGB VI erhalten.
Nach den Feststellungen des LSG hat der Versicherte durchgehend Unterhalt in Höhe von zuletzt 1.350,00 DM im Monat gezahlt; damit hat er in jedem Fall seine Unterhaltspflicht, wie sie im Scheidungsfolgenvertrag vom 6. Juli 1966 festgelegt worden war, erfüllt. Der gezahlte Unterhaltsbetrag übersteigt ersichtlich – wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – 25 vH des örtlich aktuellen Sozialhilfesatzes, den die Rechtsprechung als (Mindest-)Unterhalt iS von § 243 Abs 2 Nr 3 Regelung 1 SGB VI fordert (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 5, 65, 66). Dies wäre im übrigen auch dann der Fall gewesen, wenn der Versicherte bis zu seinem Tode lediglich den in der Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag von 850,00 DM monatlich gezahlt hätte.
Auch die Klägerin bestreitet nicht, daß die Beigeladene die Anspruchsvoraussetzungen des § 243 Abs 2 SGB VI nach dessen Gesetzestext erfüllt hat. Ihr Einwand, der Anspruch sei deshalb entfallen, weil die Beigeladene auf Unterhaltsansprüche und anteilige Rentenansprüche für die Zeit nach dem Tode des Versicherten verzichtet habe, dringt nicht durch.
Ein „Verzicht” der Beigeladenen auf Unterhalt, der immer nur Bedeutung für die Rechtsbeziehung zwischen der geschiedenen Ehefrau und den Erben des Versicherten gehabt hätte, wäre mit Blick auf die Ausgestaltung des § 243 SGB VI bereits nicht rechtserheblich. Weder § 243 Abs 2 SGB VI noch die Vorgängervorschrift des § 42 Abs 1 Satz 1 AVG haben den Rentenanspruch davon abhängig gemacht, daß die geschiedene Ehefrau nach dem Tode des Versicherten einen fortbestehenden Unterhaltsanspruch gegen dessen Erben geltend machen kann. Dabei konnte dem Gesetzgeber nicht unbekannt sein, daß sowohl nach dem bis zum 30. Juni 1977 geltenden Recht (§ 70 Ehegesetz ≪EheG≫ aF) als auch nach dem mit Inkrafttreten des Ersten Ehereformgesetzes ab 1. Juli 1977 geltenden Recht (§ 1586b BGB) ein Anspruch gegen den Erben grundsätzlich bestehen konnte, wobei hier nicht zu erörtern ist, ob im konkreten Fall der Beigeladenen die Voraussetzungen vorlagen. Nach diesen Vorschriften konnte bzw kann mit dem Tod des Unterhaltsverpflichteten dessen Unterhaltspflicht gegenüber den geschiedenen Ehegatten auf den Erben als Nachlaßverbindlichkeit übergehen (passive Vererblichkeit des Unterhaltsanspruchs; Ersatz der durch Scheidung verloren gegangenen erbrechtlichen Ansprüche). Die Haftung des Erben bestand bzw besteht nur beschränkt. Der Berechtigte mußte sich nach § 70 Abs 2 Satz 2 EheG aF die Herabsetzung der Unterhaltsrente auf einen Betrag gefallen lassen, der bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Erben und der Ertragsfähigkeit des Nachlasses der Billigkeit entsprach. Die Änderung in § 1586b Abs 1 Satz 2 BGB dient der vereinfachten Handhabung, wenn nunmehr die Haftung des Erben auf den fiktiven Pflichtteil des geschiedenen Ehegatten beschränkt wird.
Bei der Ausgestaltung des Rechts auf die sog Geschiedenen-Witwenrente war der Gesetzgeber nicht unter dem Aspekt der Sachgesetzlichkeit gehalten, rechtliche und wirtschaftliche Situationen nach dem Tode des Versicherten zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Unterhaltsersatzfunktion ist es durchaus sachgerecht, auf die Zeit bis zu dessen Tode und damit auf die wirtschaftliche Situation abzustellen, die erfahrungsgemäß fortbestanden hätte, wenn der Versicherte nicht gestorben wäre. Insoweit wäre es allerdings möglicherweise auch sachgerecht gewesen, wenn der Gesetzgeber zwar nicht für den Fall, daß kein, sondern gerade ein als Nachlaßverbindlichkeit „fortgeschriebener” Unterhaltsanspruch gegen Erben besteht, das Recht auf die Geschiedenen-Witwenrente eingeschränkt hätte. Denn wenn im Ergebnis Hinterbliebenenrenten und Unterhaltszahlungen durch Erben nebeneinander gewährt werden, könnte dies mit Sinn und Zweck des Gesetzes (Ersatz des weggefallenen Unterhaltsanspruches) jedenfalls auf den ersten Blick nicht vereinbar sein. Hierbei ist jedoch zu bedenken, daß die Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen meist nur typischerweise gegebene Einbußen ausgleichen sollen. Da zudem die Realisierung eines Anspruchs gegen den Erben häufig ungewiß sein kann, handelt der Gesetzgeber sachgerecht, wenn er insoweit bei der Zuerkennung eines Rechts auf Geschiedenen-Witwenrente allein auf den Zeitpunkt bis zum Tode des Versicherten abstellt (vgl hierzu auch BSG, Urteil vom 9. Februar 1978, BSGE 46, 16, 19 = SozR 2200 § 1265 Nr 31).
Das Gesetz läßt sich somit nur in dem Sinne auslegen, daß es für das Recht auf Geschiedenen-Witwenrente unerheblich ist, ob eine Unterhaltspflicht des Versicherten auf dessen Erben übergegangen und ggf eine Herabsetzung der Verbindlichkeit bzw Haftungsbeschränkung des Erben zum Tragen kommt (so auch BSG, Urteil vom 9. Februar 1978, aaO). Demzufolge ist es im vorliegenden Fall auch rechtlich ohne Bedeutung, ob die Beigeladene – wie die Klägerin behauptet – für die Zeit nach dem Tode des Versicherten auf „Unterhaltsansprüche” und damit im Ergebnis auf Ansprüche gegen die Erben des Versicherten verzichtet hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin zitierten Urteilen des BSG vom 18. Dezember 1973 (BSGE 37, 50 = SozR Nr 70 zu § 1265 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) und 22. April 1986 (SozR 2200 § 1268 Nr 29). Hierbei ist die letztgenannte Entscheidung von vornherein nicht einschlägig, weil das BSG unter Berücksichtigung der Feststellungen des LSG gerade zu dem Ergebnis gelangt ist, daß in dem dortigen Verfahren kein Unterhaltsverzicht erklärt worden ist. Dem Urteil vom 18. Dezember 1973 lag demgegenüber ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegenden in keiner Weise vergleichbar ist. In dem dortigen Verfahren hatte sich der Ehemann verpflichtet, für den Fall der rechtskräftigen Scheidung für drei Jahre einen bestimmten Unterhalt zu zahlen; für die Zeit nach Ablauf der drei Jahre hatte die Ehefrau auf jeglichen Unterhalt auch für den Fall des Notbedarfs verzichtet. Der dortige Versicherte hatte bis zu seinem Tode ca zwei und 1/4 Jahr den versprochenen Unterhalt gezahlt. Im Hinblick auf den ohnehin bald eingetretenen Wegfall des Unterhaltsanspruchs hat das BSG in jener Entscheidung einen den Rentenanspruch begründenden Unterhaltsanspruch verneint. Demgegenüber sollte im vorliegenden Fall der Versicherte gerade bis zu seinem Tode verpflichtet bleiben. Damit ist genau die Konstellation gegeben, von der § 243 Abs 2 SGB VI die Gewährung der Geschiedenen-Witwenrente abhängig macht.
Schließlich hat die Klägerin sich zu Unrecht darauf berufen, die Beigeladene habe auch auf anteilige Rentenansprüche für die Zeit nach dem Tode verzichtet. Gemäß § 46 Abs 1 SGB I kann auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden (Halbsatz 1); der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden (Halbsatz 2). Schon nach dem Vorbringen der Klägerin läßt sich ein Verzicht der Beigeladenen auf – anteilige – Rentenleistungen nach dem Tod des Versicherten nicht feststellen; Erklärungen, die den Tatbestand des § 46 Abs 1 Halbsatz 1 SGB I erfüllen könnten, sind nicht einmal behauptet worden, geschweige denn nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG erkennbar.
Die Verzichtserklärung iS des § 46 Abs 1 Halbsatz 1 SGB I ist eine einseitige, gestaltende und empfangsbedürftige Willenserklärung, die – falls wirksam – den „Anspruch” auf die Sozialleistung, nicht aber das ihm zugrundeliegende subjektive Recht (Stammrecht) erlöschen läßt (Urteil des Senats vom 27. November 1991, SozR 3-1200 § 46 Nr 3 ≪S 5≫). Gegenstand des Verzichts der Beigeladenen – wenn er denn erklärt worden wäre – hätte daher von vornherein nicht ihr subjektives Recht auf die große Geschiedenen-Witwenrente, sondern immer nur der aus dem „Stammrecht” monatlich fließende Zahlungsanspruch sein können; Vereinbarungen Privater über öffentlich-rechtliche subjektive Rechte sind unzulässig. Einen eventuellen Verzicht auf monatliche Zahlungsansprüche hätte die Beigeladene aber gemäß § 46 Abs 1 Halbsatz 2 SGB I jederzeit widerrufen können; selbst wenn man mit der Klägerin von einem „Verzicht” der Beigeladenen ausgehen würde, wäre in jedem Fall ihr im Juni 1994 gestellter Antrag auf Gewährung der Geschiedenen-Witwenrente als ein solcher Widerruf zu werten.
Im übrigen läßt sich ohnehin nicht die von der Klägerin behauptete Verzichtserklärung feststellen. Eine solche Erklärung ist gegenüber dem Leistungsträger schriftlich abzugeben. Es handelt sich – wie dargelegt – um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine solche ausdrückliche schriftliche Erklärung hat die Beigeladene gegenüber der Beklagten nicht abgegeben. Auch der Scheidungsfolgenvertrag vom 6. Juli 1966 kann nicht als Verzicht iS des § 46 SGB I gewertet werden. Zum einen enthält er weder ausdrücklich noch sinngemäß eine solche Erklärung. Zum anderen läßt der Vertrag nicht erkennen, daß die Beklagte als Rentenversicherungsträger in irgendeiner Weise Adressat einer vertraglichen Erklärung hätte sein können. Hieraus ergibt sich zugleich, daß auch eine weitere Voraussetzung nicht erfüllt ist; es muß sich aus dem Wortlaut der Verzichtserklärung und den Begleitumständen klar ergeben, ob und in welchem Umfang der Berechtigte (hier die Beigeladene) ihm bekannte oder mögliche Ansprüche aufgibt (BSG, Urteil vom 25. Juli 1995, SozR 3-5870 § 10 Nr 7). Auch hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Beklagte der Beigeladenen zu Recht mit Bescheid vom 13. September 1994 die große Geschiedenen-Witwenrente bewilligt hat. Demzufolge war sie verpflichtet, gemäß § 91 SGB VI die beiden Renten wertmäßig aufzuteilen. Die mit Bescheid vom 12. September 1994 mit Wirkung für die Zukunft, nämlich ab 1. Oktober 1994, vorgenommene Neubewertung der Rente der Klägerin ist damit nicht zu beanstanden.
Ihre Revision war gemäß § 170 Abs 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen