Verfahrensgang
SG Hildesheim (Urteil vom 02.08.1977) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 2. August 1977 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Krankengeldes.
Der in einem Betrieb des Baugewerbes beschäftigte Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Er war vom 12. Januar bis zum 6. Februar 1976 arbeitsunfähig erkrankt. Im Monat Januar 1976, in dem die normale Arbeitszeit des Betriebes 174,5 Stunden betrug, zahlte der Arbeitgeber des Klägers diesem den Arbeitslohn bis zum 25. Januar fort. Da in dem Betrieb für die arbeitsfähigen Beschäftigten ein witterungsbedingter Arbeitsausfall vom 26. bis zum 30. Januar eintrat, wurde den Arbeitnehmern Schlechtwettergeld gezahlt. Die Beklagte gewährte dem Kläger für diese Zeit ein Krankengeld in Höhe des Schlechtwettergeldes, und zwar von 130,20 DM, das sie dem Kläger durch den Arbeitgeber auszahlen ließ und jenem danach erstattete. Bei der Berechnung ging sie von einer Normalarbeitszeit für Januar 1976 von 174,5 Stunden aus, rechnete davon die Stundenzahl ab, für die der Kläger Zahlungen durch den Betrieb erhielt – das waren 145,5 Stunden – und ermittelte so eine für das Schlechtwettergeld zu berücksichtigende ausfallende Zeit von 29 Stunden, die sie auch der Berechnung des Krankengeldes zugrunde legte. Der Kläger erklärte sich mit dieser Berechnung nicht einverstanden. Er war der Auffassung, daß der Krankengeldberechnung ein Zeitraum von 40 Stunden zugrunde zu legen sei, weil ihm vom 26. bis zum 30. Januar, also für 5 Kalendertage, mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von je 8 Stunden das Krankengeld zustehe. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten über die Festsetzung des Krankengeldes blieb erfolglos.
Vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim hat der Kläger seinen Anspruch weiter verfolgt. Das SG hat mit Urteil vom 2. August 1977 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Mit Beschluß vom 15. September 1977 hat es die Revision zugelassen. Das SG hat die Auffassung vertreten, daß der Anspruch des Klägers nach § 164 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu beurteilen sei. Danach sei das Krankengeld in Höhe des Schlechtwettergeldes zu gewähren, weil nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift für Zeiten des Arbeitsausfalles infolge schlechten Vetters der arbeitsunfähige Arbeiter ebenso zu stellen sei wie der gesunde Arbeiter.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er ist der Ansicht, daß § 164 Abs. 2 AFG auf ihn nicht anwendbar sei, weil ihm für die Zeit vom 26. bis zum 30. Januar 1976 keine Lohnfortzahlung zugestanden habe. Sein Krankengeld sei vielmehr nach der allgemeinen Regelung des § 182 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu berechnen und zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.5.1976 idF des Widerspruchsbescheides vom 15.11.1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum vom 26.1. bis 30.1.1976 Krankengeld für 40 Ausfallstunden zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie stimmt der Auffassung des SG zu, daß sich der Krankengeldanspruch des Klägers nach § 164 Abs. 2 AFG richte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) könne es zu einer Nebeneinanderzahlung von Schlechtwettergeld und Krankengeld in dem Zeitraum der Lohnfortzahlung nicht kommen. Dem Erkrankten sei vielmehr nur Krankengeld, und zwar in Höhe des Schlechtwettergeldes, zu zahlen. Damit erhalte er die gleiche finanzielle Entschädigung wie der nicht erkrankte Arbeiter des Betriebes.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Er hat nur Anspruch auf Krankengeld in Höhe des Schlechtwettergeldes.
Die Beklagte hat der Gewährung des Krankengeldes an den Kläger die Vorschrift des § 164 Abs. 2 AFG zugrunde gelegt. Das wird einmal durch die von ihr angewandte Berechnungsmethode deutlich, denn sie hat das Krankengeld in der Art. wie ein Schlechtwettergeld berechnet. Zum anderen hat die Beklagte das Krankengeld durch den Arbeitgeber des Klägers berechnen und auszahlen lassen und es jenem erstattet; sie hat sich damit der Regelung des § 72 Abs. 3 Satz 2 AFG bedient, die § 164 Abs. 2 Satz 2 AFG (nur) bei Krankengeldansprüchen nach § 164 Abs. 2 AFG als anwendbar erklärt.
Die Krankengeldansprüche für Bezieher von Schlechtwettergeld regelt § 164 AFG, und zwar in Absatz 1 für Versicherte, die während des Bezuges von Schlechtwettergeld arbeitsunfähig erkranken, wenn ihnen kein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle zusteht. Die Bestimmung des Absatz 2 hingegen gilt für die arbeitsunfähigen Bezieher von Schlechtwettergeld, solange sie Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts haben. Diese Vorschrift, die durch Art. 3 § 7 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung – LFZG – vom 27. Juli 1969 (BGBl I, 946) neu gefaßt und durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes vom 19. Mai 1972 (BGBl I, 791) geändert worden ist, läßt dem bloßen Wortlaut nach Fragen über den Umfang ihres Anwendungsbereiches zu. Der Wortlaut bezieht sich auf Fälle, in denen während des Anspruchs auf Fortzahlung von Arbeitsentgelt neben dem Arbeitsentgelt noch Krankengeld zu zahlen ist. Der Gesetzgeber hat dabei offenbar an den Sachverhalt gedacht, daß an einzelnen Tagen nicht während der vollen betriebsüblichen Arbeitszeit gearbeitet wird, sondern nur an einem Teil davon, und daß die anderen Stunden der betriebsüblichen Arbeitszeit wegen schlechten Wetters ausfallen. In derartigen Fällen hat der Arbeitgeber nur das Arbeitsentgelt für die tatsächlich abgeleisteten Arbeitsstunden zu zahlen, für die übrigen ausgefallenen Arbeitsstunden steht den – gesunden – Arbeitnehmern ein Anspruch auf Schlechtwettergeld „neben” dem Arbeitsentgelt zu. Bezieht sich diese Sachlage nicht auf einen gesunden, sondern einen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer, so hat dieser innerhalb der Lohnfortzahlungsfrist (vgl. § 1 Abs. 1 LFZG) lediglich einen beschränkten Anspruch auf Lohnfortzahlung, und zwar nur im Umfang der tatsächlich abgeleisteten (verkürzten) Arbeitszeit (vgl. § 2 Abs. 2 LFZG). Um einem solchen Arbeiter vollen Lohnersatz zu gewähren, bedarf es der Zahlung von Krankengeld in Höhe des Schlechtwettergeldes neben diesem Lohn. Erst durch die Nebeneinandergewährung beider Leistungen erhält er die gleiche wirtschaftliche Stellung eingeräumt wie der gesunde Arbeiter. Die Verpflichtung des § 164 Abs. 2 AFG auf Zahlung von Krankengeld in Höhe des Schlechtwettergeldes bewirkt mithin, daß der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes in vollem Umfang Genüge getan wird.
Diese Regelung muß sowohl dem Wortlaut wie auch dem Sinn der Vorschrift nach gelten, „solange” der Arbeiter Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle hat, also innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 LFZG. Es ist dabei unerheblich, ob zunächst der Wegfall der Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder zuerst der Arbeitsausfall durch schlechte Witterungsbedingungen eintritt. Wird der Versicherte zunächst, dh im voll arbeitenden Betrieb, arbeitsunfähig, so erhält er die volle Lohnfortzahlung und insoweit kein Krankengeld (§ 189 RVO); tritt danach im Betrieb ein Arbeitsausfall durch Schlechtwetter ein, so steht dem arbeitsunfähigen Versicherten nur die verkürzte Lohnfortzahlung zu (§ 2 Abs. 2 LFZG) und darüber hinaus als Ausgleich daneben (vgl. § 164 Abs. 2 AFG) das Krankengeld in Höhe des Schlechtwettergeldes. Wird andererseits zunächst im Betrieb verkürzt gearbeitet, so erhält der arbeitsfähige Versicherte das verkürzte Arbeitsentgelt und das Schlechtwettergeld; wird er sodann arbeitsunfähig, so ist ihm das verkürzte Arbeitsentgelt im Wege der Lohnfortzahlung weiter zu gewähren, und anstelle des Schlechtwettergeldes tritt daneben (vgl. § 164 Abs. 2 AFG) das Krankengeld in Höhe jener Leistungen. In allen Fällen erhält der Versicherte einen vollen Lohnausgleich und steht dem nicht erkrankten Arbeitnehmer gleich (vgl. dazu den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit, zu Drucksache V/4285, zu Art. 3 § 7 des Entwurfs eines Lohnfortzahlungsgesetzes).
Dieser Sachlage – daß in einem Betrieb an Arbeitstagen stundenweise gegen Entgelt gearbeitet wird und andere Arbeitsstunden witterungsbedingt ausfallen –, von der die Regelung des § 164 Abs. 2 AFG ausgeht, muß aber der Sachverhalt gleichgestellt werden, daß in dem Betrieb nicht nur einige, sondern alle Arbeitsstunden eines Tages durch Schlechtwetter ausfallen (so auch BAG, Urteil vom 27. August 1971 – 1 AZR 69/71 – in USK 71138). Zwar wird für solche Tage an arbeitsfähige Arbeiter „neben” dem Schlechtwettergeld kein Lohn gezahlt, demgemäß hat auch ein arbeitsunfähig Erkrankter keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung (BAG, Urteil vom 6. Oktober 1976 – 5 AZR 503/75 – in USK 76141), der Grundgedanke des Gesetzes – den erkrankten Arbeiter dem gesunden gleichzustellen – gebietet es aber, den ihm zustehenden Anspruch auf Krankengeld auf die Höhe festzulegen, die das Schlechtwettergeld hat (so auch Pelikan in Soziale Sicherheit 1971, 105, 107; Geschwinder in ZfS 1976, 243; Schmitz/Specke/Picard/Hungenberg, Arbeitsförderungsgesetz, 2. Auflage, Stand 1. Juli 1978, § 164 Anm. 2.2, S. 164–12). Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß die unterschiedliche Dauer des täglichen Arbeitsausfalles zu einer anderen Art. der Krankengeldbemessung führen sollte, aufgrund deren dem arbeitsunfähig erkrankten Versicherten im Widerspruch zur Lohnersatzfunktion der Leistung eine grundsätzlich andere wirtschaftliche Position eingeräumt werden sollte als dem arbeitsfähigen Versicherten.
Da die Beklagte dem Kläger für die Periode des Schlechtwettergeldbezuges vom 26. bis 30. Januar 1976 Krankengeld in Höhe des Schlechtwettergeldes gewährt hat und diese Periode in den Zeitraum fällt, für den dem Versicherten ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zusteht, ist der Anspruch des Klägers auf ein höheres Krankengeld unbegründet. Seine Revision gegen das klageabweisende Urteil des SG ist demgemäß zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 926271 |
BSGE, 214 |