Welche Entschädigungsregelungen gelten noch für die Kinderbetreuung?
Kita -oder Schulschließungen soll es in diesem Winter nicht mehr geben. Doch die Pandemie wirkt fort: Häufige Corona-Erkrankungen und ein genereller Personalmangel führen auch jetzt oftmals zu verkürzten Betreuungszeiten. In vielen Fällen bleibt Beschäftigten keine andere Möglichkeit, als die Kinder selbst zu Hause zu betreuen. Wie lange dürfen sie der Arbeit fernbleiben? Was ist mit der Entgeltfortzahlung? Und was gilt, wenn das Kind selbst erkrankt? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.
Dürfen Beschäftigte bei einer Schul- oder Kitaschließung für die Kinderbetreuung zu Hause bleiben?
Wenn bei Schließung der Kita oder der Schule die Betreuung eines Kindes, das aufgrund seines Alters betreut werden muss, nicht anders sichergestellt werden kann, dann haben die Eltern als Arbeitnehmende in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht, weil ihnen die Erbringung ihrer Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB). Voraussetzung hierfür ist es, dass keine anderweitige Betreuung möglich ist, also etwa durch Nachbarn, den Ehepartner oder eine eingerichtete Notbetreuung.
Kinderbetreuung: Was ist mit dem Anspruch auf Lohnfortzahlung?
Ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht prinzipiell nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen. Die gesetzliche Regelung dazu findet sich in § 616 BGB: Dort steht, dass der Vergütungsanspruch bestehen bleibt, wenn die Verhinderung nur eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" andauert. Dies sind nach allgemeiner Auffassung höchstens zehn Tage. Der Anspruch aus § 616 BGB kann zudem von vornherein durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen sein.
Wer zahlt bei längerer Schul- und Kitaschließung?
Wenn Schulen und Kitas nicht nur kurzzeitig schließen, sondern einen Betreuungsbedarf über mehrere Wochen entstehen lassen, entfällt der Anspruch nach § 616 BGB auf Lohnfortzahlung komplett. Arbeitnehmende wären während der Corona-Lockdowns zunächst darauf angewiesen, Überstunden oder bezahlten oder unbezahlten Urlaub zu nehmen. Der Gesetzgeber hat das pandemiebedingte Problem gesehen und mit einem Entschädigungsanspruch für eine Lösung gesorgt: Seit März 2020 hatten Arbeitnehmende gemäß 56 Abs. 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie während einer Schul- oder Kitaschließung ihre Kinder selbst betreuen müssen.
Infektionsschutzgesetz: Wegfall der Entschädigung wegen Kinderbetreuung
Diesen Anspruch auf Entschädigung für erwerbstätige Eltern nach § 56 Absatz 1a Infektionsschutzgesetz gibt es seit dem 23. September 2022 nicht mehr. Für darauffolgende Zeiten kann Eltern demnach keine Entschädigung nach § 56 Absatz 1 a Infektionsschutzgesetz gewährt werden. In Betracht kommt nunmehr einzig ein Anspruch auf Kinderkrankengeld nach § 45 Absatz 2a Sozialgesetzbuch (SGB V). Dieser muss bei der Krankenkasse beantragt werden.
Pandemiebedingtes Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V
Die Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld setzt eigentlich voraus, dass Eltern ein krankes Kind betreuen müssen. Beschäftigte haben dann einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, zusätzlich besteht für gesetzlich Versicherte ein zeitlich befristeter Anspruch auf Kinderkrankengeld, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
Mittlerweile ist gesetzlich geregelt, dass der Anspruch auf Kinderkrankengeld auch ohne Erkrankung eines Kindes für die Fälle gilt, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird, weil die Schule oder der Kindergarten beziehungsweise die Klasse oder Gruppe pandemiebedingt behördlich geschlossen ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt beziehungsweise der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wurde. Das gilt auch, wenn einem Kind aufgrund eines Schnelltestergebnisses der Besuch einer Kinderbetreuungseinrichtung oder Schule untersagt ist. Kinderkrankengeld kann auch beantragt werden, wenn das Kind eine Einrichtung auf Empfehlung von behördlicher Seite nicht besucht. Es wird eine Bescheinigung der Schule oder Einrichtung der Kindertagesbetreuung benötigt. Der Anspruch auf ein pandemiebedingtes Kinderkrankengeld wurde zuletzt über den 23. September 2022 hinaus bis zum Ablauf des 7. April 2023 verlängert.
Voraussetzung ist, dass sowohl das Elternteil als auch das Kind gesetzlich krankenversichert sind, das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder aufgrund einer Behinderung auf Hilfe angewiesen ist und keine andere im Haushalt lebende Person das Kind beaufsichtigen kann. Die Höhe des Kinderkrankengeldes beträgt in der Regel 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts.
Weiterhin mehr Kinderkrankentage
Ebenfalls verlängert für das Jahr 2023 wurden die zusätzlichen Kinderkrankentage. Mit dem vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage vom 22. April 2021 wurde eine Ausweitung und Verlängerung der Kinderkrankentage beschlossen. Diese wurden bereits 2022 verlängert, sollten aber nun zum Ende des Jahres enden. Das Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerable Personengruppen vor Covid-19 vom 16. September 2022 regelt, dass die verlängerten Anspruchstage für das Kinderkrankengeld auch für das Jahr 2023 fortgeführt werden. Damit kann jedes gesetzlich versicherte Elternteil weiterhin pro Kind 30 Tage Kinderkrankengeld beantragen, bei mehreren Kindern insgesamt maximal 65 Tage. Für Alleinerziehende besteht ein Anspruch auf 60 Tage pro Kind, bei mehreren Kindern sind es maximal 130 Tage.
Hinweis: Am 19. Oktober 2023 hat der Bundestag das sogenannte Pflegestudiumstärkungsgesetz verabschiedet, das unter anderem eine Erhöhung der Anspruchstage auf Kinderkrankengeld für die Jahre 2024 und 2025 vorsieht. Details dazu lesen Sie hier.
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Ob der Fall, dass das Kind nicht zur Schule geht, weil es (bzw. die Eltern) einen für den Schulbesuch erforderlichen Coronatest verweigert und deswegen Homeschooling machen muss, sich einer dieser Fallgruppen zuordnen lässt, ist schwierig zu beurteilen.
Zu dieser Frage haben sich bisher weder die Gesundheitsministerien des Bundes und der Länder noch die für die Bewilligung des Kinderkrankengeldes zuständigen Krankenkassen geäußert. Es bleibt abzuwarten, wie diese Fälle behandelt werden.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe-Online-Redaktion
Konkret: Meine Kita öffnet nur noch 7 Stunden, normalerweise arbeite ich 8 pro Tag. Inklusive Fahrtzeit und Mittagspause fehlen mir 1,5-2 Stunden täglich. Gibt es hier die Möglichkeit, eine Art Teilentschädigung zu beantragen? Oder gilt das wirklich nur für volle Tage? Das geht an der Lebensrealität ziemlich stark vorbei.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe-Online-Redaktion
Eigentlich sollen aber nach der Gesetzesbegründung zu § 56 Abs. 1a IfSG andere gesetzliche, dem Entgelt vergleichbare Geldleistungen gegenüber dem Entschädigungsanspruch nach IfSG vorrangig sein. Deshalb ist derzeit noch unklar, ob die zuständigen Entschädigungsbehörden sich der Auffassung des GKV-Spitzenverbandes anschließen werden. Insgesamt ist der Anspruch auf Kinderkrankengeld der umfassendere (besteht z.B. anders als der Anspruch nach § 56 IfSG unabhängig davon, ob die geschuldete Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Home-Office erbracht werden kann) und der finanziell für Eltern bessere, so dass es sich - sollte sich die Nachrangigkeit des § 56 IfSG-Anspruches nicht erhärten - normalerweise empfiehlt, zunächst das Kinderkrankengeld in Anspruch zu nehmen.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe Online-Redaktion
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe Online-Redaktion
Bei § 56 IfSG gibt es eine Deckelung in Höhe von 2.016 EUR pro Monat als Höchstbetrag, bei § 45 SGB V gibt es eine Begrenzung auf maximal 112,88 EUR (Wert 2021) pro Tag.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe Online-Redaktion
In Fällen, in denen das Gesundheitsamt ein Kind - nicht aber die Eltern - unter Quarantäne stellt, könnte ein Anspruch für die Eltern nach § 56 Absatz 1a IfSG in Betracht kommen, wenn man davon ausgeht, dass insoweit das Betreten untersagt wird."
Bei diesem Sachverhalt sind mir Erstattungen nicht bekannt - ich habe lange Recherche betrieben und dann zu der Überzeugung gekommen, dass der Fall von
Kita-Schließung abzugrenzen ist.
In einem anderen Beitrag schreibt Lexware selbst übrigens hierzu:
"Nur im Falle einer behördlichen Quarantäne-Anordnung wird ein Verdienstausfall erstattet" Nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sei bei Kontaktpersonen zweiten Grades(in diesem Fall die Eltern) eine behördliche Quarantäne-Anordnung nicht angezeigt. (aus dem Haufe Letter: Lohnfortzahlung nicht in jedem Corona-Verdachtsfall). Auch die befragte Krankenkasse der Mitarbeiterin war dieser Auffassung.
Wir sind auf Leistungsverweigerungsrecht gegangen. Bei uns ist der § 616 BGB jedoch vertraglich ausgeschlossen und die Mitarbeiterin musste ihre Überstunden opfern. Sollte es hierzu eine klare Entscheidung geben, die besagt dass wir das Gehalt auszahlen dürfen und der Sachverhalt durch IfSG erstattet wird, wäre ich froh dies zu erfahren.
Letztlich eine Auslegungsfrage, ob die Quarantäneanordnung für das Kind ein Betretungsverbot der Kita/Schule darstellt.
Offizielle Stellen sind sich da keineswegs einig. Während beispielsweise der Landschaftsverband Rheinland keine Entschädigungspflicht sieht ("Nein. Es besteht wegen der notwendigen Betreuung des Kindes kein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG"), bejaht die Landesdirektion Sachsen für Inneres, Soziales und Gesundheit einen Entschädigungsanspruch ("Sobald ein Gesundheitsamt gegenüber einzelnen Klassenverbänden, Kita-Betreuungsgruppen oder einzelnen Kindern bzw. behinderten Kindern eine Quarantäne anordnet, unterliegen diese faktisch einem Betretungsverbot für die jeweilige Einrichtung. Die sorgeberechtigten Eltern können im Falle eines betreuungsbedingten Verdienstausfalles eine Entschädigung nach § 56 Abs.1a IfSG beantragen.").
Uns erscheint die sächsische Rechtsauslegung die einleuchtendere zu sein.
"Es kann sich um eine zumutbare Betreuungsmöglichkeit handeln, soweit die Möglichkeit des ortsflexiblen Arbeitens (zum Beispiel Homeoffice) besteht und die Nutzung zumutbar ist. Ob die Nutzung zumutbar ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Kriterien hierfür sind die sind Art und Dauer der Tätigkeit. Arbeitgebern wird empfohlen, mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu besprechen, in welchem Umfang die Arbeit im Homeoffice neben der Kinderbetreuung realisiert werden kann. Sofern dies aufgrund der Doppelbelastung unzumutbar ist, muss dies vom Arbeitgeber bei der Antragstellung bestätigt werden. Es besteht dann der Anspruch aus § 56 Absatz 1 a IfSG".
Das führt in der Praxis zu Diskussionen, wann eine Kinderbetreuung im Homeoffice noch zumutbar ist. Bei einem 1 Jahre oder 2,5 Jahre alten Kind fallen mir jedoch wenig Argumente ein, die ein Arbeitgeber ins Feld führen kann, um gleichzeitiges Arbeiten noch als zumutbar zu erklären. Diese Diskussion sollte man also durchaus führen und darauf hinweisen, dass es den Entschädigungsanspruch für genau diese Fälle gibt und dass Homeoffice eben nicht bedeutet, gleichzeitig sein Kind betreuen zu können.
MfG
Frank Bollinger
Haufe Online-Redaktion
Mein Partner ist selbstständig und ich arbeite 5 Tage in Vollzeit. Meine Tochter ist knapp 2 1/2 und braucht natürlich noch Betreuung. Keine Kurzarbeit. Großeltern weit weit weg.
Beide im Home Office in Vollzeit plus Kind bedeutet bei uns 5 Uhr Arbeitsbeginn, halb 2 abklatschen, Kind übernehmen, der andere arbeitet bis abends 22 Uhr. Zwischendurch mal fix was essen.
Ist auch schön, dass sowas als zumutbar angesehen wird ;-)
Und nirgends wird darauf eingegangen. Es heißt nur Lohnfortzahlung, Entschädigung blabla.... die kriegt man aber nur im absoluten Notfall, wenn Home Office als Option ebenfalls ausgenutzt wurde.
Dass 2 Leute in Vollzeit im Home Office mit kleinem Kind und ohne Betreuung aber keinen Spaß macht, dürfte jeder wissen.
Mich ärgert nur, dass diese "Möglichkeit" nie erwähnt wird und es immer nur heißt es gibt Möglichkeiten der Lohnfortzahlung.
Vielen Dank!