Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. November 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von für die Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1986 gezahltem Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 2.385,00 DM.
Er war seit 1976 bei der Möbelfabriken H. B. GmbH (GmbH I) beschäftigt, die am 27. März 1986 ihre Tätigkeit einstellte; der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wurde am 1. April 1986 mangels Masse abgelehnt. Am 16. April 1986 vereinbarte die B. K. GmbH (GmbH II) mit der GmbH I ua die Nutzung von deren betrieblichen Anlagen.
Zuvor hatte die GmbH I das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 27. März 1986 zum 19. April 1986 gekündigt und den Kläger ab 1. April 1986 ohne Zahlung von Arbeitsentgelt von der Arbeit freigestellt. Auf eine Kündigungsschutzklage gegen die GmbH I stellte das Arbeitsgericht (ArbG) fest, daß das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH I durch die Kündigung vom 27. März 1986 nicht aufgelöst worden sei, sondern unbefristet fortbestehe (rechtskräftiges Urteil vom 23. Juli 1986). Nachdem der Kläger daraufhin gegen die GmbH II als „Rechtsnachfolgerin” der GmbH I im Januar 1987 Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1986 (insgesamt 29.683,30 DM) und auf Feststellung erhoben hatte, daß das Arbeitsverhältnis nunmehr mit der GmbH II fortbestehe, schlossen er und die GmbH II am 10. Juli 1987 nachstehenden Vergleich:
- „Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis durch die betriebsbedingte arbeitgeberseitige Kündigung vom 27. März 1986 zum 31. Mai 1986 seine Beendigung gefunden hat.
- Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz, § 3 Ziff 9 Einkommensteuergesetz eine Abfindung in Höhe von 8.900,00 DM brutto = netto zu zahlen.
- …
- …”
Schon im April 1986 hatte die Beklagte dem Kläger ab 1. April 1986 Alg (nach einem Bemessungsentgelt von 685,00 DM) in Höhe von 270,00 DM wöchentlich bewilligt; der GmbH II hatte sie mit Schreiben vom 5. Februar 1987 angezeigt, daß der Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt wegen der Zahlung von Alg gemäß § 117 Abs. 1 und 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 115 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) auf sie übergegangen sei. Die Durchsetzung einer Arbeitsentgeltforderung gegen die GmbH II, die dem Kläger den Betrag von 8.900,00 DM gezahlt hatte, bevor die Beklagte den Anspruch auf Arbeitsentgelt im Dezember 1988 geltend machte, blieb indes erfolglos, weil Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Ansicht des ArbG aufgrund tarifvertraglicher Fristenregelung verfallen seien (Urteil vom 5. April 1989). Daraufhin erklärte die Beklagte – nach den Feststellungen des LSG – im September 1989 (richtig wohl: Juli 1989) gegenüber der GmbH II, daß sie der an den Kläger erfolgten Zahlung „der auf sie übergegangenen Arbeitsentgelte” zustimme und forderte vom Kläger das an diesen für die Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1986 geleistete Alg in Höhe von 2.385,00 DM wegen der an ihn erfolgten Abfindungszahlung zurück (Bescheid vom 24. November 1989; Widerspruchsbescheid vom 9. April 1990).
Während das Sozialgericht (SG) den angefochtenen Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben hat (Gerichtsbescheid vom 6. September 1994), hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage unter Aufhebung des Gerichtsbescheids abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs sei § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG. Die Zahlung der „Abfindung” an den Kläger sei als Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate April/Mai 1986 der Beklagten gegenüber durch deren Genehmigung wirksam geworden. In dem Betrag von 8.900,00 DM sei auch Arbeitsentgelt für die Monate April/Mai 1986 (in Höhe von jeweils etwa 3.000,00 DM brutto) enthalten gewesen. Nach den Umständen des Falles müsse nämlich angenommen werden, daß sich die GmbH II und der Kläger im Vergleich vom 10. Juli 1987 auch über das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Mai 1986 hätten einigen wollen und geeinigt hätten.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG iVm § 115 SGB X. Er ist der Ansicht, daß die Beklagte nicht mehr die Möglichkeit gehabt habe, sich durch Genehmigung der Zahlung einen anderen Schuldner als die GmbH II zu wählen. Sie hätte sich zuvor in angemessener Weise um die Durchsetzung des Anspruchs gegen den Arbeitgeber bemühen müssen. Da dies vorliegend nicht geschehen sei, sei es nunmehr unzulässig, auf ihn (den Kläger) zurückzugreifen. Zu Unrecht habe das LSG außerdem angenommen, daß die Abfindung das Arbeitsentgelt für April/Mai 1986 enthalten habe. Die dafür angeführten Argumente seien nicht überzeugend und sachfremd. Zudem sei mangels Anhörung § 24 Abs. 1 SGB X verletzt. Die Anhörung sei nicht bis zum Abschluß des Vorverfahrens wirksam nachgeholt worden; denn ihm (dem Kläger) seien in dem angefochtenen Bescheid nicht die entscheidungserheblichen Tatsachen in einer Weise unterbreitet worden, die ihn in die Lage hätten versetzen können, diese als entscheidungserheblich zu erkennen und sich hierzu zu äußern. Die Beklagte habe im Verwaltungsverfahren darauf abgestellt, daß es sich bei der Zahlung von 8.900,00 DM um die Zahlung einer Abfindung gehandelt habe. Diese Tatsache sei jedoch nach den Ausführungen des LSG gerade nicht entscheidungserheblich, sondern vielmehr, ob die GmbH II Arbeitsentgelt gezahlt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne die vom Kläger geforderte Nachrangigkeit der Genehmigung nicht entnommen werden. Im übrigen sei dem LSG darin zuzustimmen, daß im Vergleich auch eine Vereinbarung über das Arbeitsentgelt für die Monate April/Mai 1986 enthalten gewesen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG); die Entscheidung des LSG, die auf die statthafte Berufung der Beklagten (§§ 105 Abs. 2, 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) deren Bescheid vom 24. November 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 1990 bestätigt hat, verletzt nicht das Gesetz.
Die Verfügung der Beklagten, daß der Kläger das für die Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1986 gezahlte Alg (53 Tage à 45,00 DM = 2.385,00 DM) zu erstatten hat, ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten beruht auf § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG (hier idF, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 30. Juni 1989 – BGBl I 1297 – erhalten hat). Danach hat der Empfänger von Alg dieses Alg zu erstatten, soweit der Arbeitgeber Arbeitsentgelt für die Zeit des Alg-Bezugs trotz des in § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG iVm § 115 Abs. 1 SGB X – wegen unterbliebener Arbeitsentgeltzahlung – angeordneten Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen (nachträglich) gezahlt hat. Diesen eigenständigen Erstattungsanspruch konnte die Beklagte ohne Aufhebung des Bewilligungsbescheids durch Verwaltungsakt geltend machen (vgl. hierzu nur BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11, S 72 mwN).
In dem dem Kläger von der GmbH II nach der Alg-Bewilligung (vgl. zu dieser Voraussetzung: BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 10 und 11), aber vor der Genehmigung durch die Beklagte gezahlten Betrag von 8.900,00 DM war das Arbeitsentgelt für die Monate April/Mai 1986 enthalten. Ungeachtet der Bezeichnung im Vergleich als „Abfindung gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz” wollten die Vertragsparteien eine Regelung auch über das dem Kläger für April/Mai 1986 zustehende Arbeitsentgelt (in Höhe von monatlich jeweils etwa 3.000,00 DM brutto) treffen. Dies hat das LSG in tatsächlicher Hinsicht für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt. Rechtlich stellt sich damit die Vereinbarung über die Abfindung auch als solche über Arbeitsentgelt für April/Mai 1986 (§§ 779, 117, 133 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) und die Zahlung der 8.900,00 DM als entsprechende Erfüllungshandlung (§ 362 BGB) dar.
Der vom Kläger erhobene Vorwurf, daß das LSG zu Unrecht angenommen habe, in der Abfindung sei das Arbeitsentgelt für diese beiden Monate enthalten, enthält lediglich eine auf anderer tatsächlicher Wertung beruhende Rechtsansicht, ohne daß dargelegt wird, gegen welche das sozialgerichtliche Verfahren regelnde Vorschrift das LSG bei der Ermittlung des Sachverhalts verstoßen haben soll. Die Ausführungen des Klägers genügen damit nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG an die Darlegung eines Verfahrensmangels. Selbst wenn man darin den Vorwurf sähe, das LSG habe bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen (§ 128 SGG), reicht es gleichwohl nicht aus, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG zu setzen (BSG SozR 1500 § 164 Nr. 31 mwN). Denn von einem Verstoß gegen die Denkgesetze kann nur gesprochen werden, wenn aus den Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, jede andere nicht denkbar ist und das Gericht die allein denkbare nicht gezogen hat (BSG aaO mwN; BSG, Urteil vom 5. Februar 1998 – B 11 AL 55/97 R –, AuB 1998, 186, 187 mwN). Entsprechender Vortrag ist der Revisionsbegründung des Klägers nicht zu entnehmen.
Der Anspruch auf das in dem „Abfindungsbetrag” enthaltene Arbeitsentgelt für April/Mai 1986 war auch gemäß § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG iVm § 115 Abs. 1 SGB X in Höhe des gezahlten Alg (insgesamt 2.385,00 DM) auf die Beklagte übergegangen. Insoweit überstieg das aus einem monatlichen Bruttoverdienst von etwa 3.000,00 DM resultierende Nettoarbeitsentgelt die Höhe des gezahlten Alg, so daß eine Minderung der Erstattungsforderung nicht in Betracht kommt (vgl. zu diesem Problem Kater in Kasseler Komm, Stand Januar 1998, RdNrn 18 f zu § 115 SGB X). Ob der Anspruch schon zum Zeitpunkt der Alg-Zahlung bzw vor Abschluß des Vergleichs bestand, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des § 613a BGB, bedarf keiner Prüfung. Zweifel darüber sollten gerade durch den Vergleich beseitigt werden (§ 779 BGB), der sich insoweit auch zugunsten der Beklagten auswirkt.
Bestand ein Arbeitsentgeltanspruch vor Vergleichsabschluß noch nicht, wurde er also erst konstitutiv mit dem Vergleich begründet, entspricht die Anwendung des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG gleichwohl dem Sinn und Zweck der Norm. Da Doppelleistungen vermieden werden sollen (vgl. nur BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11, S 71 mwN), werden auch nachträglich geschaffene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für zurückliegende Zeiten des Alg-Bezugs von § 117 Abs. 1 und 4 AFG erfaßt (Denck, SGb 1986, 489, 491; Hanau, AuR 1984, 335, 336; zu § 117 Abs. 2 AFG vgl. auch BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11, S 77 f). Wurde andererseits ein bereits bestehender Arbeitsentgeltanspruch durch den Vergleich nur bestätigt (gleichgültig, ob durch Schaffung eines neuen Anspruchsgrunds iS einer Novation oder nur in Ergänzung des bestehenden Rechtsverhältnisses), gilt dies ohnehin. Zwar hätte der Kläger dann wohl die Dispositionsbefugnis über den schon bestehenden Arbeitsentgeltanspruch wegen des gesetzlichen Anspruchsübergangs auf die Beklagte verloren gehabt (vgl. zu dem Problem nur BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11, S 74 f mwN); das bedeutet aber nicht, daß der Beklagten (als neuer Gläubigerin) gegenüber günstige Vereinbarungen nicht mehr hätten getroffen werden dürfen (Denck, aaO; wohl auch Hanau, aaO). Spätestens mit Abschluß des Vergleichs ist mithin der Anspruch auf das darin enthaltene Arbeitsentgelt für die Monate April/Mai 1986 in Höhe von 2.385,00 DM auf die Beklagte übergegangen (§ 115 Abs. 1 SGB X). Hieran müßte sich der Kläger unter dem Gesichtspunkt des „venire contra factum proprium” (§ 242 BGB) selbst dann festhalten lassen, wenn der Vergleich für die Zeit nach Mai 1986 unzulässigerweise in die Rechte der Beklagten eingreifen würde und deshalb nicht nur teilunwirksam, sondern in vollem Umfang unwirksam wäre.
Die GmbH II hat schließlich das Arbeitsentgelt an den Kläger mit befreiender Wirkung iS des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG gezahlt. Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen der §§ 412, 407 BGB vorlagen, wofür – trotz fehlender Feststellungen des LSG zur Kenntnis iS des § 407 BGB – der Umstand sprechen könnte, daß die Beklagte der GmbH II bereits im Februar 1987 den Übergang des Arbeitsentgeltanspruchs angezeigt hatte. Jedenfalls ist mit der Genehmigung der Beklagten der im Vergleich vereinbarte Arbeitsentgeltanspruch durch Erfüllung (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB) untergegangen, und zwar mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Zahlung des Arbeitsentgelts (entsprechend § 184 BGB). Nach der Rechtsprechung des erkennenden und des 11. Senats sind damit die Voraussetzungen des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG erfüllt (vgl.: BSGE 67, 221, 226 ff = SozR 3-4100 § 117 Nr. 3; BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 7 und 11).
Dem kann vorliegend nicht entgegengehalten werden, daß der Arbeitsentgeltanspruch zum Zeitpunkt der Zahlung an den Kläger wegen Überschreitung einer tariflichen Ausschlußfrist bereits „verfallen” gewesen sei. Nach Treu und Glauben kann nämlich eine solche Ausschlußklausel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerade dann nicht greifen, wenn die Forderung vergleichsweise anerkannt wurde (vgl.: BAG, Urteil vom 22. Januar 1987 – 2 AZR 98/86 – mwN, unveröffentlicht; Urteil vom 11. Juli 1985 – 2 AZR 108/84 –, unveröffentlicht). Dies gilt damit in gleicher Weise für das Verhältnis der Beklagten zum Arbeitgeber; die Erfüllungswirkung konnte somit noch eintreten. Im übrigen stellt § 117 Abs. 1 AFG hinsichtlich des Ruhens des Alg grundsätzlich nur darauf ab, ob der Arbeitslose Arbeitsentgelt tatsächlich erhält (vgl. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 14; BSG, Urteil vom 29. Juli 1993 – 11 RAr 17/92 –, DBIR Nr. 4054 zu § 117 AFG); es liegt deshalb nahe, auch die Rechtsfolge des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG zu bejahen, wenn der Anspruch bereits „verfallen” war, gleichwohl aber eine Zahlung erfolgt ist. Einer Ermittlung des genauen Zahlungszeitpunkts bedarf es deshalb nicht.
An der Rechtsprechung zur Anwendung des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG in Fällen der Genehmigung einer Zahlung hält der Senat fest. Bereits in der Entscheidung vom 14. September 1990 ist ausführlich dargelegt, daß weder der Wortlaut des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG noch die Rechtsentwicklung entgegenstehen (BSGE 67, 221, 227 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 3) und widersprechender Literaturmeinung nicht gefolgt werden kann (vgl. nunmehr: Gagel, AFG, Stand Januar 1998, RdNrn 213 ff zu § 117; Düe in Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, RdNr. 70 zu § 117; derselbe in Niesel, SGB III, 1998, RdNr. 38 zu § 143). Aus der Entscheidung des 11. Senats vom 14. März 1990 (SozR 3-4100 § 117 Nr. 1) ergibt sich nichts anderes. Sie befaßt sich nicht mit dem Problem der Genehmigungsmöglichkeit nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB. Demgemäß hat sich der 11. Senat in einer späteren Entscheidung der Rechtsprechung des 7. Senats angeschlossen und ausdrücklich darauf hingewiesen, aus seiner früheren Entscheidung (SozR 3-4100 § 117 Nr. 1) könne „nichts Gegenteiliges geschlossen werden” (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 7, S 47).
Da § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG iVm § 115 SGB X einen Übergang des Arbeitsentgeltanspruchs auf die Beklagte anordnet, sind die zivilrechtlichen Institute, damit auch §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB, auf den der Beklagten zustehenden Arbeitsentgeltanspruch anzuwenden. Bietet aber das Zivilrecht keine Handhabe gegen eine nachträgliche Genehmigung der Zahlung, könnte sich eine Einschränkung dieser Genehmigungsmöglichkeit aus dem öffentlichen Recht nur ergeben, wenn entsprechende Vorschriften dies ausdrücklich oder nach Sinn und Zweck der Regelung zuließen. § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG enthält dafür keine Anhaltspunkte. Dort ist vielmehr die die Konstellation der §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB miterfassende Formulierung der Zahlung „mit befreiender Wirkung” gewählt. Wenn der Gesetzgeber die Inanspruchnahme des Arbeitslosen nach dieser Bestimmung auf die Fälle hätte beschränken wollen, in denen der Arbeitgeber in Unkenntnis des Rechtsübergangs an den Arbeitslosen gezahlt hat, hätte er dies ohne weiteres durch eine dem Wortlaut des § 407 Abs. 1 BGB entsprechende Fassung des Gesetzes zum Ausdruck bringen können (BSGE 67, 221, 227 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 3). Der Gesetzgeber hat jedoch im Gegenteil die Regelung des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG ohne Änderung in § 143 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) unter Hinweis darauf übernommen, daß diese Vorschrift dem geltenden Recht entspreche (BT-Drucks 13/4941, S 180 zu § 143).
Eine besondere Schutzwürdigkeit des Arbeitslosen für den Fall der Zahlung von Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber an ihn trotz erfolgter Alg-Zahlung ist ohnehin nicht erkennbar; denn der Arbeitslose hat eine doppelte Leistung erhalten. Ihm dürfte im allgemeinen auch vorzuhalten sein, wissen zu müssen, daß ihm nicht gleichzeitig ungeschmälert Alg und Arbeitsentgelt zusteht (vgl. BSGE 67, 221, 228 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 3). Zudem erleidet der Arbeitslose im Falle der Erstattung des Alg keine weiteren Nachteile; sein Anspruch auf Alg verlängert sich um die Tage, für die der Arbeitslose der Beklagten Alg erstattet hat (siehe hierzu nur BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 mwN – B 11 AL 97/97 R, zur Veröffentlichung vorgesehen), und die Zeit des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit Anspruch auf Arbeitsentgelt dient der Begründung einer neuen Anwartschaft (BSGE 59, 183, 186 f = SozR 4100 § 168 Nr. 19; BSG SozR 4100 § 117 Nr. 18). Nicht zuletzt entspricht die Regelung des § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG dem Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 Nr. 3 SGB X, an dessen Anwendung, gäbe es § 117 Abs. 4 Satz 2 AFG nicht, gedacht werden müßte, wenn trotz des in § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG iVm § 115 Abs. 1 SGB X angeordneten Anspruchsübergangs das Arbeitsentgelt mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen gezahlt worden ist, also mit anderen Worten nachträglich doch die Umstände eingetreten sind, die den Alg-Anspruch gemäß § 117 Abs. 1 AFG zum Ruhen bringen.
Finden §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB im Rahmen des § 117 Abs. 4 AFG uneingeschränkt Anwendung, besteht kein Grund für die Annahme, die Beklagte müsse, bevor sie die Zahlung genehmigt, zunächst in angemessener Weise ihren Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen versucht haben (noch offengelassen: BSGE 67, 221, 228 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 3; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 7). Eine Einschränkung der Genehmigungsmöglichkeit ist allenfalls in Ausnahmefallen denkbar, etwa wenn die Genehmigung gegen § 242 BGB verstößt oder die Erfüllungswirkung schon auf andere Weise eingetreten bzw die Arbeitsentgeltzahlung zwischen Arbeitgeber und Arbeitslosem rückgängig gemacht worden ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt indessen unter Berücksichtigung der vom LSG festgestellten und den Senat bindenden Tatsachen (§ 163 SGG) nicht vor. Danach haben der Kläger und die GmbH II im Vergleich bewußt die Formulierung „Abfindung” gewählt, obwohl damit auch Arbeitsentgelt für die Monate April und Mai gewollt und gemeint war. Wenn die Beklagte unter diesen Voraussetzungen erst etwa eineinhalb Jahre nach Abschluß des Vergleichs gegen die GmbH II Klage erhoben hat, so kann dies dem Kläger nicht zum Vorteil gereichen, dem zwischenzeitlich die „Abfindung” als Arbeitsentgelt gezahlt worden ist.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. November 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 1990 ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß angehört worden wäre (§ 24 SGB X). Ein derartiger Verfahrensfehler wäre jedenfalls während des Widerspruchsverfahrens durch Nachholung geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Der angefochtene Bescheid vom 24. November 1989 enthält diejenigen Tatsachen, die nach § 24 Abs. 1 SGB X Gegenstand der Anhörung sind (vgl. zu dieser Voraussetzung: BSG SozR 1300 § 24 Nr. 7; SozR 3-4100 § 117 Nr. 11; BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 – 11 RAr 61/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Inhalt des Bescheids vermittelte dem Kläger hinreichende Kenntnis, um sich zur Ausschöpfung seines Rechts auf rechtliches Gehör weitere Tatsachenkenntnis zu verschaffen (BSG SozR 1300 § 24 Nrn 4 und 6 mwN). Daß der Erstattungsanspruch nicht damit begründet worden ist, in der gezahlten Abfindung sei Arbeitsentgelt enthalten, sondern damit, der Alg-Anspruch hätte, wenn kein Fall der Gleichwohlgewährung vorgelegen hätte, wegen der gezahlten Abfindung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (am 31. Mai 1986) geruht, ist demgegenüber unerheblich. Beurteilungsmaßstab für die Entscheidungserheblichkeit iS des § 24 SGB X ist nämlich die Rechtsauffassung der Behörde (vgl.: BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr. 4; BSG SozR 1300 § 24 Nr. 9). Die Verwaltung kann den Bürger nur zu solchen Umständen hören, die sie selbst als entscheidungserheblich betrachtet und auf die sie ihre Entscheidung zu stützen gedenkt; ob die Rechtsauffassung der Behörde richtig ist, ist hierbei ohne Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 82 |
FA 1999, 135 |
NZA 1999, 304 |
AuA 2000, 44 |
NZS 1999, 354 |
SozSi 1999, 373 |