Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitsentgelt in Höhe von 1.051,20 DM, nachdem die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) im Wege der Gleichwohlgewährung für den Kläger in der Zeit vom 6. bis 23. November 1991 Arbeitslosengeld (Alg) gezahlt hat.
Der Kläger war seit dem 5. Dezember 1990 als Vorarbeiter bei der D. I. GmbH und Co KG (Arbeitgeberin) beschäftigt. Die ordentliche Kündigungsfrist der Arbeitgeberin betrug 2 Wochen zum Wochenschluß. Am 5. November 1991 kündigte die Arbeitgeberin dem Kläger fristlos. Dieser meldete sich am 6. November 1991 arbeitslos und beantragte Alg.
Die BA ging zunächst vom Eintritt einer Sperrzeit bis zum 28. Januar 1992 aus. Mit Bescheid vom 5. März 1992 bewilligte sie Alg rückwirkend ab 6. November 1991 in Höhe von 394,20 DM wöchentlich, so daß sich für die Zeit vom 6. November 1991 bis 28. Januar 1992 ein Zahlbetrag von 4.730,40 DM ergab. Von diesem Betrag erfüllte die BA einen Erstattungsanspruch des Sozialamtes der Stadt Oldenburg in Höhe von 4.040,00 DM, denn der Kläger hatte seit dem 19. November 1991 Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen und das Sozialamt hatte am 12. Dezember 1991 einen Erstattungsanspruch geltend gemacht.
Gegen die fristlose Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die am 29. Oktober 1992 zu einem arbeitsgerichtlichen Vergleich führte, in dem es ua heißt:
- Es besteht Einigkeit darüber, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf Veranlassung des Arbeitgebers am 5. November 1991 aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte zahlt dem Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9, 10 KSchG iVm § 3 Ziff 9 EStG in Höhe von 10.000,00.
Aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Oldenburg vom 4. Mai 1992 über 15.467,58 DM zahlte die Arbeitgeberin die Abfindungssumme im Januar 1993 an einen Gläubiger des Klägers und unterrichtete hierüber die BA auf deren Anfrage. Diese hatte dem Kläger und der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 3. Dezember 1991 mitgeteilt, noch bestehende Ansprüche des Klägers gegen die Arbeitgeberin gingen in Höhe erbrachter Vorleistungen auf die BA über. Zahlungen der Arbeitgeberin an den Kläger führten nicht zu einer Befreiung von der Zahlungspflicht gegenüber der BA.
Mit Schreiben vom 21. September 1993 forderte die BA von der Arbeitgeberin Erstattung der vom 6. bis 23. November 1991 geleisteten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung (insgesamt 477,66 DM) für den Kläger und führte aus:
Da die Abfindung bereits von Ihnen ausgezahlt wurde, werde ich mich wegen der Erstattung an Herrn F. wenden.
Vom Kläger verlangte die BA mit Bescheid vom 21. September 1993 Erstattung des für die Zeit vom 6. bis 23. November 1991 gezahlten Alg in Höhe von 1.051,20 DM. Zur Begründung berief sie sich darauf, die Abfindung habe zum Ruhen des Anspruchs auf Alg für den genannten Zeitraum geführt. Der Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er habe in jenem Zeitraum nicht Alg, sondern Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen, und von der Abfindung überhaupt nichts erhalten, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. März 1994).
Im Klageverfahren hat der Kläger eingewandt, er sei nicht Adressat des Erstattungsanspruchs der BA. Auch stelle die Erstattungsvorschrift des § 117 Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht auf die Vermögenslage des Arbeitslosen ab, sondern darauf, ob er Arbeitsentgelt tatsächlich erhalten habe.
Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 15. Dezember 1998 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Alg habe zwar vom 6. bis 23. November 1991 geruht. Zur Erstattung des im Ruhenszeitraum geleisteten Alg in Höhe von 1.051,20 DM sei der Kläger jedoch nicht verpflichtet. Der in der Abfindung enthaltene Entgeltanspruch sei kraft Gesetzes auf die BA übergegangen. Durch die Zahlung an einen Gläubiger des Klägers sei die Arbeitgeberin nicht von ihrer Verpflichtung frei geworden. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 4. Mai 1992 sei in Höhe des Forderungsübergangs auf die BA am 5. März 1992 ins Leere gegangen. Mit befreiender Wirkung habe die Arbeitgeberin an den Gläubiger des Schuldners nicht zahlen können, weil ihr die Umstände, aus denen sich der Forderungsübergang ergebe, durch das Schreiben der BA vom 3. Dezember 1991 bekannt gewesen sei. Die Verfügung der Arbeitgeberin sei hier auch nicht durch eine Genehmigung der BA wirksam geworden. Eine Genehmigung der BA führe einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Arbeitslosen nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG nicht herbei, wenn die BA von vornherein Zahlungen der Arbeitgeberin an den Arbeitslosen oder einen Dritten billige, statt sich entsprechend dem gesetzlichen Forderungsübergang an die Arbeitgeberin zu halten. Das Gesetz habe die BA grundsätzlich darauf verwiesen, im Falle der Gleichwohlgewährung übergegangene Entgeltansprüche arbeitsgerichtlich geltend zu machen. Lediglich für den Ausnahmefall wirksamer Verfügung des Arbeitsgebers, sei sie ermächtigt, Alg vom Arbeitslosen zurückzufordern. Ein Wahlrecht der Beklagten habe lediglich bis 1981 (nach § 152 Abs 2 AFG aF) bestanden, als Arbeitsloser und Arbeitgeber der BA als Gesamtschuldner verpflichtet gewesen seien. Die Gesamtschuldnerschaft sei gesetzlich nicht mehr begründet. Diese Gesetzeslage werde verändert, wenn die BA als befugt angesehen werde, ungeachtet des Forderungsübergangs getroffene Verfügungen der Arbeitgeberin nachträglich zu genehmigen. Die Wirksamkeit einer solchen Genehmigungserklärung stehe unter der aufschiebenden Bedingung, daß die Beklagte ihren Anspruch gegen die Arbeitgeberin erfolglos gerichtlich geltend gemacht habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG. Sie hält die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für rechtsirrig. Nach dem Urteil des BSG vom 22. Oktober 1998 - B 7 AL 107/97 R - (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 16) fänden die §§ 362 Abs 2, 185 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Rahmen des § 117 Abs 4 AFG uneingeschränkt Anwendung. Es bestehe kein Grund, von der BA zu verlangen, vor Genehmigung der Zahlung der Arbeitgeberin zunächst ihren Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin zu verfolgen. Einschränkungen der Genehmigungsmöglichkeit ergäben sich allenfalls aus § 242 BGB. Dafür beständen nach den Umständen des Falles keine Anhaltspunkte.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 1998 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. April 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ansicht des LSG, eine Inanspruchnahme des Arbeitslosen sei nur im Ausnahmefall gerechtfertigt, für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das Urteil des LSG verletzt § 117 Abs 4 Satz 2 AFG. Für eine abschließende Entscheidung des BSG reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Da die BA die Alg-Bewilligung ab 6. November 1991 nicht aufgehoben hat, kommt als Grundlage der Erstattung von Alg für die Zeit vom 6. bis 23. November 1991 § 117 Abs 4 Satz 2 AFG in Betracht. Diese Vorschrift begründet einen Erstattungsanspruch nach rechtmäßig im Wege der Gleichwohlgewährung (§ 117 Abs 4 Satz 1 AFG) gezahltem Alg ohne Aufhebung des Bewilligungsbescheids (BSGE 67, 221, 223 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3 mwN; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 16), sofern die Arbeitgeberin Arbeitsentgelt für die Zeit des Alg-Bezugs trotz des gesetzlichen Übergangs des Arbeitsentgeltsanspruchs (§ 117 Abs 4 Satz 1 AFG; § 115 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch Verwaltungsverfahren ≪SGB X≫) mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen oder einen Dritten gezahlt hat.
Der Anwendung dieser Vorschrift läßt sich grundsätzlich nicht entgegenhalten, der Kläger habe Alg ab 6. November 1991 nicht empfangen, soweit die BA die bewilligte Leistung im Rahmen eines Ersatzanspruches der Stadt Oldenburg – Sozialamt – wegen der Inanspruchnahme von Hilfe zum Lebensunterhalt des Klägers ab 19. November 1991 gezahlt habe. Der Anspruch des Klägers auf Alg gilt nach § 107 Abs 1 SGB X durch die von der Stadt Oldenburg erbrachte Hilfe zum Lebensunterhalt als erfüllt. Mit der Erfüllungsfiktion stellt das Gesetz klar, daß die Leistung des Sozialamts als Zahlung von Alg anzusehen ist, soweit die Leistungen zeitlich sowie der Art und Höhe nach deckungsgleich sind. Nur insoweit kommt nämlich ein Erstattungsanspruch der Stadt als nachrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger gegen die BA in Betracht. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers bietet § 104 Abs 1 SGB X (BSGE 70, 186, 196 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 mwN). Den Feststellungen des LSG läßt sich indes nicht entnehmen, daß die für die Zeit vor Inanspruchnahme der Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligte und die gegebenenfalls über diese hinausgehende Leistung dem Kläger zugeflossen ist. Das wird zu überprüfen sein.
Der Erstattungsanspruch der BA gegen den Kläger als Leistungsempfänger setzt weiter voraus, daß die BA Alg für die Zeit gewährt hat, in der der Anspruch wegen Ansprüchen auf Arbeitsentgelt, Abfindungen, Entschädigungen oder ähnliche Leistungen (§ 117 Abs 1 und 2 AFG) geruht hätte. Nur unter dieser Voraussetzung gehen diese Ansprüche nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG, § 115 SGB X auf die BA über. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Ruhensvoraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG erfüllt gewesen wären. Für den Arbeitgeber galt eine ordentliche Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Wochenschluß. Die Ruhensfrist beginnt mit der am 5. November 1991 ausgesprochenen Kündigung (§ 117 Abs 2 Satz 2 AFG). Die Kündigung hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgelöst und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist Ursache für die im arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung gewesen (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nrn 5 und 17; BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 5 und 12). Als Ruhenszeitraum kommt also die Zeit vom 6. bis 23. November 1991 in Betracht. Durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 29. Oktober 1992 ist das Arbeitsverhältnis aber ohne Einhalten der Kündigungsfrist zum 5. November 1991 beendet und dem Kläger eine Abfindung von 10.000,00 DM zuerkannt worden.
Für die Frage des Ruhens ist es unerheblich, ob die Abfindung selbst dem Kläger zugeflossen ist. Vielmehr ist die Erwägung des LSG nicht zu beanstanden, der Kläger habe einen geldwerten Vorteil insoweit erhalten, als er durch die Zahlung der Abfindung an einen Gläubiger aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Höhe der Abfindung von einer Verbindlichkeit frei geworden ist. Allerdings hat das BSG in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, Gegenstand des Erstattungsanspruchs des Arbeitslosen nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG sei nicht eigentlich das Alg, sondern die Leistung des Arbeitgebers, die trotz des Forderungsübergangs nicht an die BA gelangt sei (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 6 mwN). Die dem Anspruch aus § 816 Abs 2 BGB entsprechende Rechtsfolge auf „Herausgabe des Erlangten” (dh der Arbeitgeberleistung in Höhe des Alg) ist aber nicht möglich, wenn diese – wie hier infolge des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eines Gläubigers des Klägers – an einen Dritten geflossen ist. Der Kläger hat jedoch einen rechtlichen Vorteil zu Lasten der BA durch die Schuldtilgung gegenüber seinem Gläubiger erlangt, so daß im Rahmen des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG wie bei einem entsprechenden Bereicherungsanspruch (vgl BGH NJW 1969, 1380 ff; Staudinger/Lorenz, Kommentar zum BGB, 13. Aufl 1994, § 812 RdNr 67 und § 816 RdNr 23; Palandt/Thomas, BGB, 56. Aufl 1997, § 816 RdNr 27) Wertersatz in Betracht kommt.
Jedoch läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob die erörterten Umstände das Ruhen des Anspruchs auf Alg für die Zeit vom 6. bis 23. November 1991 begründet hätten. Da die Arbeitgeberin dem Kläger fristlos gekündigt hatte, ist nicht auszuschließen, daß sie dem Kläger aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Die Dauer des Ruhens wird nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG bis zu dem Tag begrenzt, an dem die Möglichkeit zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bestanden hat. Da die Arbeitgeberin ein solches Kündigungsrecht für den 5. November 1991 beansprucht hatte und die tatsächlichen Feststellungen des LSG eine Entscheidung über das Bestehen eines solchen Kündigungsrechts nicht zulassen, wird das LSG zu ermitteln haben, ob die Arbeitgeberin berechtigt war, das Arbeitsverhältnis am 5. November 1991 aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden. Zwar geht die Verwaltungspraxis der BA davon aus, ein wichtiger Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist habe „im Zweifel” nicht vorgelegen, wenn das Arbeitsverhältnis durch arbeitsgerichtlichen Vergleich mit Zahlung einer Abfindung beendet worden sei (DA 4.42 ≪6≫ zu § 117 AFG). Diese Praxis entspricht jedoch nicht immer der Rechtslage. Die Begrenzung der Ruhensdauer bis zu dem Tag, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können, beruht auf dem Gedanken, unter solchen Umständen könne in einer Abfindung Arbeitsentgelt nicht enthalten sein (dazu und den sich daraus ergebenden Folgen: BSG SozR 4100 § 117 Nr 5; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 5. Aufl 1997, RdNr 1017 f mwN). Grund des Ruhens nach § 117 AFG ist aber der Ausschluß gleichzeitigen Bezugs von Arbeitsentgelt und Alg. Das BSG hat deshalb abweichend von der Verwaltungspraxis der BA auch für solche Fälle die Klärung für erforderlich gehalten, ob der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte beenden können (BSG 4100 § 117 Nr 5). Allein aus dem Umstand, daß die Arbeitgeberin dem Kläger eine Abfindung von 10.000,00 DM vergleichsweise zugestanden hat, läßt sich nicht zwingend auf das Fehlen eines wichtigen Grundes für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist schließen. Auch wenn diese tatsächliche Frage im arbeitsgerichtlichen Verfahren offengeblieben ist, ist sie im Rahmen des § 103 SGG von Amts wegen zu klären. Erst wenn sich herausstellen sollte, daß der Sachverhalt sich insofern mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr aufklären ließe, käme eine Entscheidung nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast (BSGE 6, 70, 73) in Betracht. Danach geht die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts zu Lasten desjenigen Verfahrensbeteiligten, der aus nicht klärbaren Tatsachen rechtliche Vorteile herleitet. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG ist das der Kläger.
Der Rechtsstreit läßt sich auch nicht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt abschließend entscheiden. Die Arbeitgeberin hat zwar über die Abfindung zugunsten des Gläubigers des Klägers aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Kenntnis der Umstände verfügt, die einen Forderungsübergang auf die BA begründet haben. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1991 hat die BA die Arbeitgeberin über die Umstände und den Forderungsübergang selbst unterrichtet. Die befreiende Wirkung dieser Verfügung ist deshalb nicht nach den Grundsätzen der §§ 412, 407 BGB zu begründen. Die Regelung des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG beschränkt jedoch den Erstattungsanspruch gegen den Arbeitslosen nicht auf solche Fälle der Zahlung von Arbeitsentgelt mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen selbst oder an einen Dritten. Die Vorschrift enthält keine Verweisung auf die §§ 412, 407 BGB, sondern auf die Rechtsfolge einer Zahlung mit befreiender Wirkung. Diese kann auch eintreten, wenn die BA – wie hier – die Verfügung der Arbeitgeberin ohne Rücksicht auf den Forderungsübergang zugunsten der BA genehmigt und damit die befreiende Wirkung nach §§ 362 Abs 2, 185 Abs 2 BGB herführt. Aus der Mitteilung im Schreiben vom 21. September 1993 konnte die Arbeitgeberin als Empfänger entnehmen, die BA wolle sich hinsichtlich des auf sie übergegangenen Abfindungsanspruchs an den Kläger wenden. Dem ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) die Genehmigung der Zahlung an den Gläubiger des Klägers zu entnehmen. Die Erklärung gegenüber der Arbeitgeberin reicht aus, um die Wirksamkeit der Verfügung herbeizuführen (§ 182 Abs 1 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind damit die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs gegen den Arbeitslosen nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG gegeben (BSGE 67, 221, 226 ff = SozR 3-4100 § 117 Nr 3; BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 7 und 11; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 16 – von einer Genehmigung der Annahme des Arbeitsentgelts durch den Arbeitslosen ausgehend). In der zuletzt genannten Entscheidung hat das BSG auch die früher offengebliebene Frage beantwortet, daß eine Inanspruchnahme des Arbeitslosen nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG nicht den Versuch der BA voraussetzt, zunächst ihren Anspruch gegenüber dem Arbeitsgeber durchzusetzen. Dieser Rechtsprechung des 7. Senats des BSG ist gegenüber abweichenden Ansichten im Schrifttum (vgl Gagel, AFG, § 117 RdNr 213 f; Niesel/Düe, AFG, 2. Aufl 1997, § 117 RdNr 70) zu folgen. Der Wegfall des § 152 Abs 2 Satz 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung, der eine Gesamtschuldnerschaft von Arbeitgeber und Arbeitslosen gegenüber der BA vorsah, läßt angesichts der Fassung des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG keinen zwingenden Schluß darauf zu, es sei der BA verwehrt, die Rechtslage – wie geschehen – zu gestalten. Es ist auch kein Schutzzweck des öffentlichen Rechts erkennbar, der dem Rückgriff auf Grundsätze des Zivilrechts (§§ 362 Abs 2, 185 Abs 2 BGB) hier entgegenstände. Vielmehr wird durch die Gestaltung der Rechtsverhältnisse eine Vermögenslage herbeigeführt, die dem öffentlichen Recht entspricht. Der Zweck des § 117 AFG, Doppelleistungen aus dem Arbeitsverhältnis und der Arbeitslosenversicherung zu vermeiden, läßt sich auch durch Genehmigung anders nicht wirksamer Verfügungen von Arbeitgebern über arbeitsrechtliche Ansprüche, die auf die BA übergegangen sind, verwirklichen. Nach der Gegenansicht behielte der Kläger sowohl das in Gestalt von Sozialhilfe an ihn gelangte Alg als auch die Schuldtilgung auf Kosten der BA durch die Zahlung der Abfindung an seinen Gläubiger. Die BA könnte sich zwar an den Arbeitgeber halten. Im Hinblick auf § 814 BGB ist aber zweifelhaft, ob dieser Rückgriff beim Arbeitslosen nehmen kann (Staudinger/Lorenz aaO § 816 RdNr 36). Ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung erscheint um so weniger geboten, als der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG für die entsprechende Rechtslage in § 143 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch Arbeitsförderung (SGB III) an der Fassung des Gesetzes festgehalten hat. Mit der Regelung des § 143a Abs 3 Satz 2 SGB III idF des Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes vom 24. März 1999 (BGBl I 396) ist der Gesetzgeber sogar vollends zu der nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG bestehenden Rechtslage zurückgekehrt. Da dem Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG nicht unbekannt geblieben sein kann, hätte eine abweichende Regelung nahegelegen, falls er die Rechtsprechung nicht billigte. Insofern kann auch auf sich beruhen, daß die ständige Rechtsprechung des BGH zu § 816 Abs 2 BGB, die das BSG zu der vergleichbaren Interessenlage im Rahmen des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG aufgegriffen hat, Einwänden in einem Teil des Schrifttums ausgesetzt ist (vgl Staudinger/Lorenz aaO § 816 RdNr 32 mwN).
Da es an den für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen fehlt, ist das angefochtene Urteil nach § 170 Abs 2 Satz 2 SGG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens entscheiden wird, zurückzuverweisen.
Fundstellen
AuA 2000, 234 |
SozSi 2001, 180 |