Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Hamburg, Nagelsweg 27 - 35, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS).
Der Kläger studiert seit dem Wintersemester 1988/89 Zahnmedizin an der Universität Marburg. Er wurde damals als Student krankenversicherungspflichtig und trat der beklagten Ersatzkasse bei. Mit Schreiben vom 30. September 1991 beantragte er die Befreiung von der Versicherungspflicht; er war nach seinen Angaben mit Wirkung vom 1. Oktober 1991 bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert. Die Beklagte lehnte die Befreiung mit Bescheid vom 16. Oktober 1991 und Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 1992 ab, weil der Kläger sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht beantragt habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 24. November 1992 abgewiesen. Die Ablehnung der Befreiung sei rechtmäßig. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) könne die Befreiung nur innerhalb von drei Monaten nach dem Beginn der Versicherungspflicht mit der Einschreibung beantragt werden. Dieses sei durch den Kläger nicht geschehen. An der zum früheren Recht ergangenen Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. September 1981 (BSGE 52, 150 = SozR 2200 § 173b Nr. 2), wonach der Befreiungsantrag auch noch in einem späteren Semester zulässig sei, könne nach neuem Recht nicht mehr festgehalten werden.
Gegen das Urteil richtet sich die Sprungrevision des Klägers, mit der er eine Verletzung des § 8 SGB V rügt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG vom 24. November 1992 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1992 zu verpflichten, ihn mit Wirkung vom 1. Oktober 1991 von der Versicherungspflicht in der KVdS zu befreien.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und beruft sich auf den Wortlaut des § 8 SGB V.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, den Kläger von der Versicherungspflicht in der KVdS zu befreien.
Seit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2477) am 1. Januar 1989 ist die KVdS im SGB V geregelt. Nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sind u.a. Studenten versicherungspflichtig, die an staatlichen Hochschulen eingeschrieben sind. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Studenten beginnt nach § 186 Abs. 7 SGB V mit dem Semester, frühestens mit dem Tag der Einschreibung oder der Rückmeldung an der Hochschule. Nach § 190 Abs. 9 SGB V endet die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Studenten sieben Monate nach Beginn des Semesters, für das sie sich zuletzt eingeschrieben oder zurückgemeldet haben, spätestens mit der Exmatrikulation. Auf Antrag wird nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V von der Versicherungspflicht befreit, wer durch die Einschreibung als Student versicherungspflichtig wird. Der Antrag ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht zu stellen.
Der Kläger war auf seinen Antrag vom 30. September 1991 nicht ab dem Wintersemester 1991/92 (1. Oktober 1991) von der Versicherungspflicht in der KVdS zu befreien. Er hat diesen Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht durch Einschreibung als Student gestellt. Die Versicherungspflicht als Student hat bei ihm nach den Feststellungen des SG mit dem Wintersemester 1988/89 begonnen und seither ununterbrochen bestanden. Daher war die Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V für einen Antrag auf Befreiung im September/Oktober 1991 verstrichen. Sie hat zu Beginn des Wintersemesters 1991/92 nicht erneut zu laufen begonnen.
Nach früherem Recht ist dieses allerdings anders beurteilt worden. Vor dem Inkrafttreten des SGB V war die KVdS bis Ende 1988 in der Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt. Nach § 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO wurden u.a. Studenten der staatlichen Hochschulen für den Fall der Krankheit versichert. Die Mitgliedschaft begann nach § 306 Abs. 4 RVO mit dem Semester, frühestens mit dem Tage der Einschreibung oder Rückmeldung an der Hochschule. Sie endete gemäß § 312 Abs. 3 RVO sieben Monate nach Beginn des Semesters, für das sich der Student zuletzt eingeschrieben oder zurückgemeldet hatte. Nach Maßgabe des § 173d Abs. 1 RVO wurde ein Student auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn er bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert war. Der Antrag war nach § 173d Abs. 2 Satz 1 RVO binnen drei Monaten nach Beginn der Mitgliedschaft zu stellen. Zu dieser Regelung hat der erkennende Senat mit Urteil vom 24. September 1981 (BSGE 52, 150 = SozR 2200 § 173d Nr. 2) entschieden, daß ein Antrag auf Befreiung von der KVdS nicht innerhalb von drei Monaten nach Beginn des Studiums gestellt zu werden brauche, sondern auch noch in einem späteren Semester zulässig sei. Zur Begründung heißt es dort, nach § 306 Abs. 4 RVO beginne die Mitgliedschaft jeweils "mit dem Semester" neu; daraus ergebe sich zwingend, daß gemäß § 173d Abs. 2 RVO in jedem Semester mit dem Beginn der neuen Mitgliedschaft auch eine neue Frist für einen Befreiungsantrag eröffnet werde. Diese Entscheidung ist auf Kritik gestoßen (Töns, DOK 1982, 903 ff; Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 23. Oktober 1989 an den Bundesverband der Betriebskrankenkassen, BKK 1989, 763f.).
Nach teilweisen Änderungen des Befreiungsrechts in § 8 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 SGB V gegenüber § 173d RVO, aber auch im Hinblick auf die geäußerte Kritik an der bisherigen Rechtsprechung ist diese unter der Geltung des neuen Rechts nicht fortzuführen (ebenso Breuer, Gemeinschaftskommentar, § 8 SGB V RdNr 45; Gerlach in Hauck/Haines, Komm zum SGB, § 8 SGB V RdNrn 44, 45).
Die Befreiungsregelung in § 8 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1 SGB V unterscheidet sich im Wortlaut deutlich von der früheren (§ 173d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 RVO). In § 173d Abs. 1 RVO war nur allgemein die Befreiung "von der Versicherungspflicht" geregelt. Die Antragsfrist war in § 173d Abs. 2 Satz 1 RVO an den Beginn der Mitgliedschaft geknüpft, der wiederum in § 306 Abs. 4 RVO bestimmt war und danach auch bei einer Rückmeldung eintrat. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V wird demgegenüber von der Versicherungspflicht befreit, wer "versicherungspflichtig wird durch die Einschreibung als Student". Allein an den Eintritt dieser Versicherungspflicht (kraft Einschreibung) knüpft die Antragsfrist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V an, wobei die Befreiung in der Praxis uU schon vor dem Eintritt der Versicherungspflicht erfolgt. Auf den Beginn der Mitgliedschaft und damit auf § 186 Abs. 7 SGB V (Beginn der Mitgliedschaft auch durch Rückmeldung) weist § 8 SGB V demgegenüber nicht hin. Deshalb ist auch eine Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1 SGB V nur zulässig, wenn die Versicherungspflicht in der KVdS aufgrund einer Einschreibung beginnt, nicht jedoch, wenn ein Studium aufgrund einer Rückmeldung für ein weiteres Semester fortgesetzt wird.
In der KVdS beginnt die Versicherungspflicht bei fortlaufendem Studium in der Regel nur einmal am Beginn des Studiums und wird später lediglich verlängert. Hierfür spricht das Ineinandergreifen der Vorschriften über den Beginn und das Ende der Mitgliedschaft (§ 186 Abs. 7, § 190 Abs. 9 SGB V). Zwar heißt es in § 186 Abs. 7 SGB V, daß die Mitgliedschaft mit dem Semester, frühestens mit der Einschreibung oder Rückmeldung beginnt. Beginnen kann sie indes nur, wenn sie noch nicht oder nicht mehr besteht. Bei einem fortlaufenden Studium endet die Mitgliedschaft jedoch erst sieben Monate nach Beginn des Semesters, für das sich der Student zuletzt eingeschrieben oder zurückgemeldet hat (§ 190 Abs. 9 SGB V, spätestens mit der Exmatrikulation). Sie wird also bei einer Rückmeldung an derselben Universität lediglich fortgesetzt, wenn die Rückmeldung spätestens im ersten Monat des neuen Semesters erfolgt. Nur wenn sie ausnahmsweise erst im zweiten oder einem späteren Monat des neuen Semesters vorgenommen wird, tritt eine vorübergehende Unterbrechung der Versicherungspflicht ein. Dem regelmäßigen Fortbestand der Versicherungspflicht über die Semester hinweg entspricht eine semesterübergreifende Betrachtung der Mitgliedschaft und der Versicherungspflicht. Sie findet im Gesetz auch insofern eine Stütze, als die Mitgliedschaft sieben Monate nach Beginn des Semesters endet, für das sich die Studenten "zuletzt" eingeschrieben oder zurückgemeldet haben (vgl. § 190 Abs. 9 SGB V); die Mitgliedschaft endet demnach jedenfalls in Fällen der Rückmeldung nicht mit dem Ablauf eines Semesters, um anschließend für das folgende Semester neu zu beginnen. Ob ihre Kontinuität auch besteht, wenn eine Exmatrikulation und eine anschließende Immatrikulation lediglich zum Zwecke des Hochschulwechsels erfolgen, kann offenbleiben. Jedenfalls bei einer Fortsetzung des Studiums aufgrund einer Rückmeldung (und nach früherem Recht sogar für einen Studienortwechsel) wird die Kontinuität der Mitgliedschaft auch durch die Begründung des Gesetzentwurfs zum früheren § 312 Abs. 3 RVO, dem Vorläufer des § 190 Abs. 9 SGB V, bestätigt, wo es heißt (BT-Drucks 7/2993 S. 10) : Durch Abs. 3 werde sichergestellt, daß keine Lücke im Versicherungsschutz bei Rückmeldung oder Studienortwechsel nach Semesterbeginn entstehe. Werde die Mitgliedschaft durch Einschreibung oder Rückmeldung für das nächste Semester fortgesetzt, beginne die Siebenmonatsfrist vom Semesterbeginn an neu zu laufen. - Mit einer solchen Gewährleistung der regelmäßig semesterübergreifenden Mitgliedschaft und der Versicherungspflicht ist es zumindest bei ununterbrochener Versicherungspflicht unvereinbar, bei der Befreiung semesterweise zu trennen und sie zu Beginn eines jeden Semesters erneut zuzulassen. Das gilt auch, soweit dem Vorbringen des Klägers entsprechend in anderen Bereichen, etwa im Hochschulrecht oder nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, eine semesterbezogene Beurteilung stattfindet.
Der Kläger kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf die Begründung des Entwurfs zu § 8 SGB V berufen (BT-Drucks 11/2237 = BR-Drucks 200/88, jeweils S. 160). Dort werden zwar an Änderungen gegenüber dem früheren Recht nur genannt: Die Einführung eines Befreiungsrechts für Ärzte im Praktikum, die Nichtübernahme des Abschlusses einer privaten Krankenversicherung als Befreiungsvoraussetzung und die Vereinheitlichung der Frist zur Stellung eines Befreiungsantrags auf drei Monate bei allen Befreiungstatbeständen. Im übrigen heißt es, die in den §§ 173a bis 173f. RVO und § 7 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen enthaltenen Regelungen würden inhaltlich übernommen und zusammengefaßt. Daraus kann jedoch, zumal die Fassung des § 8 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1 SGB V gegenüber § 173d RVO erheblich geändert worden ist, nicht hergeleitet werden, daß die frühere Regelung zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdS in allen Einzelheiten und einschließlich der genannten Entscheidung (BSGE 52, 150 = SozR 2200 § 173d Nr. 2) uneingeschränkt weitergelten sollte. So ist etwa auch die Wirkung der Befreiung in § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB V deutlich abweichend von § 173d Abs. 2 Satz 3 RVO geregelt worden, weil sie nicht mehr allgemein mit dem Kalendermonat nach der Antragstellung, sondern, falls keine Leistungen in Anspruch genommen worden sind, ab dem Beginn der Versicherungspflicht eintritt. Obwohl zu dieser Änderung im Gesetzentwurf keine besondere Begründung gegeben worden ist, trifft insofern der Satz von der inhaltlichen Übernahme des früheren Rechts nicht zu. Aus ihm kann daher ebensowenig im vorliegenden Zusammenhang zuverlässig abgeleitet werden, das frühere Recht sei unverändert übernommen worden.
Die Ansicht des Klägers würde dazu führen, daß sich Studenten bei ununterbrochenem Studium an derselben Hochschule in jedem weiteren Semester erneut innerhalb von drei Monaten gegen die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden könnten; damit gäbe es ein fast dauerhaftes Befreiungsrecht. Dieses steht mit dem erkennbaren Sinn und Zweck des § 8 SGB V nicht in Einklang, wonach bei Beginn und Fortbestand der Versicherungspflicht aufgrund desselben Versicherungspflicht-Tatbestandes eine Entscheidung gegen die Versicherungspflicht nur einmal an deren Beginn zulässig sein soll.
Das SG hat schließlich zutreffend ausgeführt, daß beim Kläger Gründe des Vertrauensschutzes eine Wiedereröffnung des Befreiungsrechts am Beginn des Wintersemesters 1991/92 nicht geboten. Ob aus derartigen Gründen die Befreiung noch in Betracht gekommen wäre, wenn der Kläger sie zu Beginn des ersten Semesters nach Inkrafttreten des neuen Rechts, also zu Beginn des Sommersemesters 1989 beantragt hätte, war nicht zu entscheiden.
Demnach erwies sich die Revision des Klägers als unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen